Zu dieser Ausgabe
Pandemie und Ukrainekrieg, galoppierende Inflation, internationale Wirtschaftskrise, zunehmende Rivalitäten zwischen den Imperialisten und US-Konfrontationskurs gegen China: Die Welt befindet sich in einer Periode des Aufruhrs und Deutschland steht im Zentrum. Die führende Weltmacht, der US-Imperialismus, steckt durch ihren relativen Niedergang in immer größeren Schwierigkeiten und erhöht den Druck auf die anderen Imperialisten, insbesondere auf Deutschland. Nach Ausbruch des Ukrainekriegs hat der deutsche Imperialismus einen scharfen Politikwechsel vollzogen, den NATO-Kriegskurs voll unterstützt und seine profitablen Wirtschaftsbeziehungen zu Russland aufgegeben. Das heikle Manövrieren à la Bismarck ist aktuell nicht mehr haltbar und das bisherige Wirtschaftsmodell der deutschen Bourgeoisie steckt in einer tiefen Krise. Darauf hat sie nur eine Antwort: die Arbeiterklasse in Deutschland und Europa noch stärker auszupressen.
Die Arbeiterklasse will Frieden und ist bereit, sich gegen die Angriffe der Kapitalisten zur Wehr zu setzen. Enorme Streikbereitschaft in allen Sektoren. Vielerorts, vor allem in Ostdeutschland, gab es Proteste für die Öffnung der Nord-Stream-Pipelines und gegen die Russland-Sanktionen. Die deutsche Bourgeoisie war sehr besorgt: Kommt man heil durch den Winter, in Zeiten massiver Inflation und drohender Energieausfälle, ohne dass es zu Massenprotesten und Streiks kommt? Der Grund dafür, dass sie ihren Kurs durchziehen konnte, ist die verräterische Führung der Arbeiterklasse: die SPD in der Regierung und die Gewerkschaftsführung, die die Herrschaft der krisengebeutelten Kapitalisten unterstützt und Überstunden schiebt, um die Arbeiterklasse in Krieg und Krise hinter dem deutschen Imperialismus zu versammeln. Genau das haben sie schon in der gesamten vorherigen Periode getan: die Interessen der Arbeiterklasse einer Allianz mit der liberalen Bourgeoisie unterzuordnen.
Schluss damit! Die Arbeiterklasse muss zum Gegenangriff übergehen: gegen den Kriegskurs und die Angriffe der Kapitalisten, für ihre eigenen Interessen, für die Eroberung der Macht! Um die kapitalistische Krise für die Arbeiterklasse auszunutzen, muss ein politischer Kampf geführt werden, von der reformistischen Führung und ihrem liberalen Programm zu brechen und sie durch eine revolutionäre Führung zu ersetzen. Das ist die zentrale Schlussfolgerung zur Lösung aller Krisen und grundlegenden Fragen. Diese Spartacist-Ausgabe enthält die entscheidenden programmatischen Elemente, um einen revolutionären Pol zu schmieden, der für diesen Bruch kämpft. Wir knüpfen damit an die revolutionäre Tradition Lenins und der Spartakisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht an, die 1919 vom Reformismus der Sozialdemokratie gespalten und eine revolutionäre Arbeiterpartei gegründet haben.
Im Gegensatz dazu lehnt die Linke, die behauptet, auf dem Boden des Marxismus zu stehen, die notwendige Spaltung von der Führung und ihrem liberalen Programm ab. Stattdessen agiert sie in jeder entscheidenden Frage, mit der die Arbeiterklasse konfrontiert ist, nur als linke Kritiker der Führung und entschiedenste Kämpfer für die Ideale des Liberalismus. Die liberale Illusion eines kontinuierlichen Friedens und Fortschritts war die vorherrschende Ideologie der liberalen Ordnung der letzten 30 Jahre und besonders der deutschen Bourgeoisie. Die Linke, den Arbeiterführern nachtrabend, hat diese Ideologie voll aufgesogen. Indem dieser Kurs zu einem Verrat nach dem anderen führt, wird wiederum die Reaktion geschürt. Während die Stabilität der liberalen Ordnung allmählich zusammenbricht, klammert sich die Linke umso fester an ihr liberales Programm und hält so nur den Kreislauf aus Liberalismus und Reaktion aufrecht.
Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist es notwendig, einen revolutionären Pol zu schmieden. Genau wie der Rest der Linken hat die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD), Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL), in den letzten 30 Jahren nicht für diese Perspektive gekämpft. Im Zuge der internationalen revolutionären Reorientierung und einer Reihe interner politischer Kämpfe der IKL hat die SpAD damit begonnen, sich programmatisch wieder zu bewaffnen. Wie das Kernstück dieser Ausgabe – das Dokument „Eine kommunistische Antwort – Die Krise der liberalen Ordnung Deutschlands“ (siehe Seite 3) von Genosse Perrault, einem Führer unserer Internationale und Mitglied des Zentralkomitees der SpAD – erklärt:
Bruch mit Pazifismus und Liberalismus: Schlüssel im Kampf gegen deutschen Imperialismus
Nach der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion und der Arbeiterstaaten Osteuropas und des Balkans haben die Imperialisten ihr Einflussgebiet, über NATO- und EU-Erweiterungen, immer weiter nach Osten bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt. In ökonomischer Hinsicht war der deutsche Imperialismus der größte Nutznießer dieser Entwicklung: Er hält heute zusammen mit den USA ganz Osteuropa im neokolonialen Würgegriff. Der Erfolg der Imperialisten hat die Reaktion Russlands und die jetzige Krise erst provoziert. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist die erste ernsthafte militärische Herausforderung der Hegemonie der USA seit 30 Jahren. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist ein Krieg zwischen zwei nicht-imperialistischen Ländern, der auf beiden Seiten reaktionär ist. Ein Sieg der ukrainischen Regierung, der Handlanger der Imperialisten, würde nur dazu führen, dass die Ukraine noch stärker von den NATO/EU-Imperialisten unterjocht wird. Auf der anderen Seite führt Russland einen Krieg, um die Ukraine selber zu unterdrücken.
Dagegen zeigt die internationale Erklärung der IKL „Ukrainische, russische Arbeiter: Dreht die Gewehre um, gegen eure Herrscher!“ (siehe Seite 12) die einzige fortschrittliche Lösung für diesen Krieg auf, in Anwendung von W. I. Lenins Programm während des Ersten Weltkriegs: Marxisten müssen für revolutionären Defätismus kämpfen, d.h. für die Umwandlung dieses reaktionären Krieges in einen revolutionären Bürgerkrieg der Arbeiter gegen die ukrainischen und russischen Kapitalisten. Unsere Erklärung ist zentral auch eine Polemik gegen die Argumente der Linken in Deutschland, die sich durch Pazifismus und Einheit mit den schlimmsten Sozialchauvinisten allesamt gegen das leninistische Programm stellen.
Mit Ausbruch des Krieges sind einige Führer der Linken wie Gysi und Ramelow offen auf die Seite der NATO übergegangen. Dagegen versuchen die linkeren Pazifisten seither einen unmöglichen Spagat: einerseits an der pazifistischen Opposition gegen die NATO festzuhalten, andererseits sich in die „Solidarität mit der Ukraine“ einzureihen und das Hauptkriegsziel von NATO und EU zu unterstützen: den Abzug der russischen Truppen und die Niederlage Russlands unter dem Vorwand des ukrainischen Selbstverteidigungsrechts. Mit unserer Kampagne „Schmeißt die EU/NATO-Unterstützer aus der Linken!“ (siehe Spartakist Nr. 224 und Nr. 225) haben wir in die Krise der Linken interveniert mit dem Ziel, die Polarisierung weiter voranzutreiben. Man muss kein Revolutionär sein, um sich gegen die pro-imperialistische Offensive der EU/NATO-Unterstützer zu stellen und für deren Rausschmiss aus der Linken zu kämpfen, doch nur wir Revolutionäre haben dafür gekämpft. Die gesamte pazifistische Linke hat unsere Forderung abgelehnt. Durch ihr Beharren auf der Einheit mit den EU/NATO-Unterstützern hat sie die Arbeiterklasse der reformistischen Führung ausgeliefert und den Boden für jede kommende Niederlage in Krieg und Krise bereitet.
Unsere Kampagne war zuvorderst eine politische Waffe gegen die Pazifisten und hat klar gezeigt: Wer gegen den Imperialismus kämpfen will, kann das nur auf der Grundlage eines revolutionären Programms tun. Sie war eine konkrete Anwendung von Lenins Kampf, die Arbeiterbewegung zwischen echten Revolutionären auf der einen Seite und Reformisten und Pazifisten auf der anderen zu spalten.
Der Grund für das Streben der linken Pazifisten nach Einheit mit den Pro-NATO-Führern ist genau ihr unerschütterlicher Glaube an die Friedfertigkeit des deutschen Imperialismus – einer der schärfsten Ausdrücke des liberalen Programms in Deutschland. Das Dokument von Perrault erklärt die materielle Grundlage für diesen tiefsitzenden Pazifismus der Linken und warum er kein Kampfmittel gegen den deutschen Imperialismus ist, aber auch, wie die Anti-NATO-Pazifisten mit dem Ukrainekrieg in Widerspruch zur Pro-NATO-Führung der Sozialdemokratie gekommen waren. Mit ihrem Anti-NATO-Pazifismus hatte sich die Linke gemütlich als linke Komponente im liberalen Spektrum eingerichtet, in dem es für sie nun verdammt ungemütlich geworden ist, weil sie sich mit der „Zeitenwende“ von Scholz nicht mehr auf Regierungslinie befindet.
Auf der materiellen Basis der letzten relativ friedlichen und für sie sehr profitablen 30 Jahre entwickelte die deutsche Bourgeoisie die entsprechende Ideologie: dass sie die Lehren aus zwei Weltkriegen gelernt habe und nunmehr eine Macht des Friedens, der Demokratie und des Fortschritts sei – „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“. Unter dieser Parole kanalisiert die Sozialdemokratie den ernsten und aufrichtigen Wunsch der Arbeiter nach Frieden und ihren Hass auf den Faschismus in das arbeiterfeindliche liberale Programm. Der Kern dieses Programms ist die Lüge, dass die bürgerliche Demokratie und die Einheit aller „fortschrittlichen Kräfte“ – d.h. Einheit mit der liberalen Bourgeoisie – das Bollwerk gegen Krieg und Faschismus seien.
Auf diese Weise hat die Sozialdemokratie lange Zeit die Unterstützung der Arbeiter für diverse Koalitionsregierungen wie die CDU/SPD-Regierung unter Merkel erreicht und für Stabilität gesorgt. So konnten diese kapitalistischen Regierungen, mit Rückendeckung der Gewerkschaftsbürokratie, einen Angriff nach dem anderen auf die Arbeiter durchführen. Doch dadurch hat die Sozialdemokratie ihre eigene soziale Grundlage unterminiert, was zu weiteren Rissen in der liberalen Ordnung führte. Weite Teile der Arbeiterklasse wurden in den Ruin getrieben und haben sich von Sozialdemokratie und Gewerkschaften abgewendet, vor allem in Ostdeutschland. Das hat in den letzten Jahren auch die rechtspopulistische AfD als bürgerliche Opposition gegen den Liberalismus gestärkt.
Wie reagiert die Linke darauf? Natürlich kritisiert sie die sozialdemokratische Führung und deren Verbrechen in der Regierung rauf und runter. Aber unter dem Banner von „Kampf gegen rechts“ mobilisiert sie wieder für die liberale Einheit mit der jeweils aktuellen Koalitionsregierung unter Beteiligung der SPD, die als kleineres Übel dargestellt wird. So werden genau die Kräfte gestärkt, die für die Angriffe auf die Arbeiterklasse und das Anwachsen der Reaktion verantwortlich sind! Die kommunistische Lehre aus Krieg und Faschismus, die das Dokument von Perrault bekräftigt und auf die heutige Situation in Deutschland anwendet, ist gerade das Gegenteil des liberalen Programms: Um zu erreichen, dass es nie wieder Krieg und Faschismus gibt, sind der Bruch mit den Verursachern von Krise und Reaktion, die Spaltung vom Reformismus und der Kampf für den Sturz der deutschen Bourgeoisie nötig.
Revolutionäre Opposition gegen EU und deutschen Imperialismus
Eine bedeutende Komponente des liberalen Programms in Deutschland ist die Kapitulation vor der EU, dem wirtschaftlichen Anhängsel der NATO. Auch im Ukrainekrieg arbeiten NATO und EU Hand in Hand gegen Russland und für die Ausbeutung und Unterdrückung der Ukraine. Während die sozialdemokratischen Führer die EU als ein Projekt des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands für alle preisen – und die einzige Opposition gegen die EU den Reaktionären der AfD überlassen –, ist sie in Wahrheit nichts anderes als ein Instrument des Imperialismus, vorrangig des deutschen, zur Unterdrückung und Ausbeutung der abhängigen Länder Europas und der Arbeiterklasse im eigenen Land.
Dazu gehört auch die pro-imperialistische Hetze gegen die abhängigen und neokolonialen Länder, deren rechte antiliberale Regierungen nicht immer nach der Pfeife der liberalen deutschen Bourgeoisie tanzen – gegen Polen und Ungarn, besonders aber gegen die Türkei –, die von der Linken übernommen wird (und früher auch von der SpAD geteilt wurde). Die Linke will Druck auf die deutsche Bourgeoisie machen, damit diese härter gegen die kapitalistische Erdoğan-Regierung vorgeht und damit vermeintlich etwas Fortschrittliches für die Werktätigen in der Türkei bewirkt. In Wahrheit bedeutet dies nichts anderes als den Versuch, die Arbeiterklasse in Deutschland wie in der Türkei hinter der imperialistischen Bourgeoisie zu versammeln: ihrem gemeinsamen Hauptfeind.
Der Artikel „Schluss mit den Niederlagen! Die Arbeiter brauchen ein Programm für den Sieg!“ (siehe Seite 15) der Trotzkistischen Gruppe Griechenlands (TOE) erklärt die Notwendigkeit, die Arbeiter in den unterdrückten Ländern mit den Arbeitern im imperialistischen Zentrum im Kampf gegen den Imperialismus zu vereinen. Die multiethnische Arbeiterklasse in Deutschland kann sich nicht befreien, ohne den Kampf für die nationale Befreiung der vom deutschen Imperialismus unterdrückten Länder aufzunehmen. Eine wichtige Position, die Arbeiter hier gegen das deutsche Finanzkapital aufgreifen müssen, ist die Streichung aller Schulden der abhängigen Länder. Dies erfordert einen Kampf, um die Banken des deutschen Kapitals zu enteignen und die Arbeiter an die Macht zu bringen, in Griechenland wie in Deutschland.
Stattdessen will die reformistische Linke die schlimmste Unterdrückung durch die EU abmildern und kritisiert die EU als „neoliberal“, „militaristisch“ oder „rassistisch“. Sie lehnt die EU auf der Grundlage von deren Politik ab und verbreitet die liberale Illusion, der deutsche Imperialismus könne durch Druck von der Arbeiterklasse, eine alternative Politik oder eine Allianz ohne die USA friedfertig oder sozial gemacht werden.
Im Gegensatz dazu betont das Dokument „Verteidigung des revolutionären Programms (II)“ (siehe Seite 35), das auf der Nationalkonferenz der Spartacist League/Britain im Dezember 2021 angenommen wurde, im Abschnitt „Die labouristische Opposition der SL/B gegen die EU“ die Notwendigkeit einer revolutionären Opposition gegen den Imperialismus und gegen alle imperialistischen Allianzen. Das SL/B-Dokument ist ein politisch bedeutender Beitrag in dieser Spartacist-Ausgabe, denn es enthält entscheidende Lehren des Bolschewismus, der frühen Komintern und des Trotzkismus zu den Fragen des Staates, des Imperialismus und der revolutionären Partei, auf heute angewendet, unverzichtbar für jeden, der in Britannien oder in anderen Ländern ein Revolutionär sein will.
Revolutionäres Programm in der Pandemie
Der Liberalismus der postsowjetischen Periode triumphierte besonders in der Ära Merkel. In der Pandemie hat die reformistische Linke ihre Unterstützung für die liberale Bourgeoisie auf die Spitze getrieben. Wie die Bourgeoisie international, reagierte die damalige Merkel/SPD-Regierung, indem sie die Bevölkerung monatelang zu Hause einsperrte, den Arbeitern massive Lohnkürzungen, Arbeitshetze und Massenentlassungen reinwürgte und die kapitalistische Unterdrückung in jeder Hinsicht verstärkte. Für die Arbeiterklasse stellte sich die dringende Notwendigkeit, gegen die Bourgeoisie und für ihre eigenen Interessen zu kämpfen – für gewerkschaftliche Kontrolle über Arbeitssicherheit, für gesunde Schulen und Wohnungen für alle – und dies mit dem Kampf zu verbinden, die Wurzel der Krise, die Herrschaft der Bourgeoisie, mit Stumpf und Stiel auszureißen und das Proletariat an die Macht zu bringen. Um für all das kämpfen zu können, musste man sich gegen die Lockdowns der Bourgeoisie stellen, die darauf abzielen, die Arbeiter zu atomisieren und ihren Klassenkampf zu verhindern.
Im Gegensatz dazu haben die Linken die Lockdowns unterstützt oder sogar noch härtere Lockdowns gefordert und sich in die nationale Einheit im Namen von „Leben retten“ in der Pandemie eingereiht. Das liberale Argument der Bourgeoisie, „Leben zu retten“, war nichts anderes als ein Deckmantel zur Durchsetzung ihrer eigenen Klasseninteressen und wurde von Arbeiterführern und Linken vollkommen übernommen. Die Klassengegensätze zwischen den Arbeitern und der Bourgeoisie, auch ihrem liberalen Flügel, bleiben unversöhnlich, auch in Pandemiezeiten. Der Verrat der Arbeiterführer und Linken hat die Arbeiterklasse im Angesicht dieses beispiellosen Angriffs der Bourgeoisie entwaffnet. Unsere eigene internationale Organisation hat im ersten Jahr der Pandemie vor diesem liberalen Druck kapituliert. Erst im April 2021, nach heftigen internen Kämpfen, waren wir in der Lage, unseren Kurs zu korrigieren und unsere internationale Erklärung „Nieder mit den Lockdowns!“ (siehe Seite 23) herauszubringen. Diese marxistische Position ist nach wie vor die einzige weltweit, die auf der Grundlage eines revolutionären Klassenkampfprogramms gegen die Lockdowns ist.
Es gab gerechtfertigte Wut gegen die Regierung und die Auswirkungen ihrer Maßnahmen. In vielen Ländern gab es Demonstrationen gegen die Lockdown-Maßnahmen und die im Namen der Impfpflicht angedrohten Massenentlassungen. Solche Proteste wurden von den Arbeiterführern und „sozialistischen“ Linken abgelehnt und beschimpft, die oft den Staat dazu aufriefen, sie zu zerschlagen. Auch in Deutschland haben die reformistischen Gruppen jeden gerechtfertigten Protest gegen die Regierungspolitik, Lockdowns und 3G-Regeln als „rechts“ beschimpft – und sich der Merkel/Scholz-Regierung als willfährige Schläger angedient, vor allem gegen die „Querdenker“-Proteste. Die Politik der Arbeiterführer und Linken in der Pandemie hat dafür gesorgt, dass bürgerliche und rechte Kräfte das Monopol auf den Protest gegen die Regierung erhielten. International mit am meisten polarisiert hat die Bewegung der LKW-Fahrer in Kanada, die von der internationalen bürgerlichen Presse und von vielen „sozialistischen“ Gruppen als faschistisch und reaktionär verurteilt wurde, einfach weil sie sich gegen die Regierung und gegen Massenentlassungen richtete. Im Gegensatz dazu haben wir in unserem Artikel mit der Überschrift „Die Arbeiterbewegung muss die LKW-Fahrer verteidigen!“ (siehe Seite 27) die Demonstrationen verteidigt und gleichzeitig die Notwendigkeit einer kommunistischen Opposition gegen die kapitalistische Regierung hervorgehoben.
Verteidigung Chinas und Kampf für politische Revolution
China steht im Fokus des Weltgeschehens – für die imperialistischen Weltmächte wie auch das internationale Proletariat. Die Chinesische Revolution von 1949 war ein historischer Sieg für die Arbeiter, Bauern und Unterdrückten, in China wie weltweit. Die Verteidigung und Ausweitung ihrer Errungenschaften sind eine dringende Aufgabe und Prüfstein für jeden Revolutionär. Alle imperialistischen Mächte streben nach der Zerstörung der Errungenschaften der Chinesischen Revolution – ob durch militärischen Druck (wie die USA) oder wirtschaftliche Durchdringung (wie Deutschland). Gleichzeitig nehmen die interimperialistischen Konflikte über China zu. In der liberalen Periode nach der Zerstörung der Sowjetunion haben die Imperialisten, besonders auch der deutsche Imperialismus, in beträchtlichem Maße in China investiert und dort produzieren lassen. Seit einiger Zeit hat der US-Imperialismus seinen militärischen und wirtschaftlichen Druck auf China enorm gesteigert und steuert eindeutig in Richtung weiterer, auch militärischer, Eskalation. Für die deutsche Industrie, die stark von China abhängig ist, wäre dies ein noch heftigerer Schlag als der Ukrainekrieg.
In der reformistischen Linken gibt es auf diese wichtige und explosive Situation hauptsächlich zwei falsche Antworten, die auf verschiedene Weise eine Kapitulation vor der eigenen imperialistischen Bourgeoisie und dem Liberalismus widerspiegeln. Auf der einen Seite stehen die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands und der Großteil der pseudotrotzkistischen Gruppen, die den Klassencharakter Chinas als Arbeiterstaat leugnen und die Verteidigung der Revolution von 1949 ablehnen – eine konterrevolutionäre Position. Auf der anderen Seite gibt es stalinistische Gruppen, unter anderem die Deutsche Kommunistische Partei, die den chinesischen Arbeiterstaat mit der stalinistischen Bürokratie, die die Verteidigung des Arbeiterstaates gegen den Imperialismus untergräbt, gleichsetzen und diese politisch unterstützen.
Besonders scharf stellte sich die Notwendigkeit einer revolutionären Antwort auf China im Kontext der Pandemie. Die Bürokratie der regierenden Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) hat auf die Covid-19-Krise fast drei Jahre lang mit den weltweit drastischsten und brutalsten Lockdowns reagiert, die für die Arbeiter und Bauern eine Katastrophe waren und eine Bedrohung für die ganze weitere Existenz der Volksrepublik darstellen. Beim Ausbruch der Covid-Pandemie fanden die verschiedenen reformistischen Gruppen zusammen und bejubelten die brutalen Lockdowns der KPCh als ein Modell für die Welt. Unsere Organisation war auf diesen opportunistischen Zug aufgesprungen.
Im Gegensatz zu all diesen politischen Sackgassen und als Korrektur unseres früheren falschen Kurses bekräftigen wir in dem Artikel „Pandemie in China: Trotzkismus kontra Stalinismus“ (siehe Seite 64) erneut das einzige Programm, das dem internationalen Sozialismus den Weg ebnen kann: Trotzkismus. In diesem Artikel lehnen wir die Null-Covid-Politik der KPCh ab und verbinden dabei die bedingungslose militärische Verteidigung Chinas mit dem Kampf für eine politische Revolution zum Sturz der stalinistischen Bürokratie, damit deren Herrschaft durch eine internationalistische, wirklich revolutionäre Führung ersetzt wird.
Die seit Jahrzehnten größten Proteste in China, als Ende 2022 Jugendliche, Arbeiter und weite Teile der Bevölkerung gegen die anti-proletarische Null-Covid-Politik der KPCh auf die Straße gingen, haben unsere revolutionäre Linie gegen die stalinistische Bürokratie machtvoll bestätigt. Unser Artikel sagte auf Grundlage des trotzkistischen Verständnisses von der Bürokratie voraus, dass „sich die Bürokratie, wenn sich die katastrophalen Folgen ihrer Politik auftürmen, durchaus gezwungen sehen [könnte], eine Kehrtwende hinzulegen, wie sie für stalinistische Zickzacks typisch ist“. Genau das ist eingetreten. Keines der grundlegenden Probleme und Widersprüche Chinas ist gelöst und die Existenz des Arbeiterstaats bleibt weiterhin bedroht durch die verräterische Politik der stalinistischen Bürokratie: Die revolutionäre Antwort unseres Artikels ist weiterhin von akuter Dringlichkeit.
Ob Ukrainekrieg, Kampf gegen den deutschen Imperialismus, Pandemie oder Verteidigung Chinas: Die unausweichliche Schlussfolgerung in all diesen Fragen ist die Notwendigkeit eines Bruchs mit dem Liberalismus und des Kampfes für eine revolutionäre Führung. Wir, die Internationale Kommunistische Liga, haben uns das Ziel gesetzt, diese Führung auf der Grundlage eines klaren Programms für die Errichtung einer sozialistischen Weltordnung im politischen Kampf gegen jede Form von Reformismus zu schmieden. Es wäre absurd, wenn wir beanspruchen würden, die Vierte Internationale zu sein. Wir sind zahlenmäßig noch viel zu schwach. Aber wir sind fest überzeugt, dass die in dieser Spartacist-Ausgabe enthaltenen Programmelemente wesentlich sind für die Wiederschmiedung der Vierten Internationale – der Weltpartei der sozialistischen Revolution in unserer Zeit.