Verteidigung des revolutionären Programms (II)
Im Folgenden sind die wichtigsten Abschnitte des Dokuments wiedergegeben, das auf der 25. Nationalkonferenz der Spartacist League/Britain einstimmig angenommen wurde. Diese historische Konferenz markierte eine scharfe politische Wende, indem sie für Britannien ein revolutionäres Programm in der Pandemie aufstellte und den jahrelangen reformistischen Kurs zurückwies, den unsere Organisation unter ihrer vorherigen Führung verfolgt hatte. Die Überschrift des Programms, „Verteidigung des revolutionären Programms (II)“, geht direkt auf das gleichnamige Gründungsdokument der SL/B zurück (abgedruckt in Spartacist Britain Nr. 1, April 1978) und verkörpert unsere Verpflichtung, das ursprüngliche Programm der Sektion wiederzuerobern und die revolutionäre Kontinuität der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten) zu verteidigen.
Mit der Veröffentlichung der IEK-Erklärung „Nieder mit den Lockdowns!“ im April 2021 (siehe Seite 23) vertraten wir eine in der Linken einzigartige klassenkämpferische Perspektive in der Pandemie, in Opposition zu Lockdowns, nationaler Einheit und dem Angriff der herrschenden Klasse auf das internationale Proletariat. Vor der Veröffentlichung dieser Erklärung hatte die IKL die Lockdowns unterstützt und damit vor der nationalen Einheit kapituliert. In der SL/B wurde diese Kapitulation durch jahrelangen Opportunismus und die Ablehnung der zentralen Grundlagen ihres revolutionären Programms vorbereitet. Dazu gehörte (war aber nicht darauf beschränkt) die Ablehnung des Kampfes für eine leninistische Avantgardepartei, als die SL/B vor Jeremy Corbyn während seiner ganzen Zeit als Vorsitzender der Labour Party kapitulierte und das die Labour Party kennzeichnende Programm des parlamentarischen Sozialismus und „Klein-England“-Imperialismus übernahm. Das Konferenzdokument ist das Ergebnis eines harten Kampfes gegen das vorherige SL/B-Zentralkomitee und stellt einen entschiedenen Bruch mit dem vorherigen Kurs der Sektion dar. Es liefert unverzichtbare Elemente für das Schmieden einer revolutionären Partei in Britannien gegen die Labour-Politik, die in der britischen Linken eine Plage ist. Das Dokument war die Grundlage für die Wahl eines neuen Zentralkomitees, das sich aus einer neuen Schicht von Kadern zusammensetzt, die diesen internen Kampf führten und sich verpflichtet haben, einen trotzkistischen Kern auf den britischen Inseln zu schmieden.
Das Dokument ist unserem Genossen George Crawford gewidmet, der kurz vor der Konferenz starb und dessen lebenslanger Kampf für den Kommunismus ein Vorbild und eine Inspiration ist (siehe den Nachruf auf ihn im Spartacist, englischsprachige Ausgabe Nr. 67, Sommer 2022).
II. Für ein revolutionäres Programm in der Pandemie!
Die Covid-19-Pandemie hat eine weltweite Gesundheits-, Wirtschafts- und Gesellschaftskrise ausgelöst. In Britannien, wie in anderen Ländern, waren die letzten anderthalb Jahre eine Katastrophe für die Arbeiterklasse und die Unterdrückten: über 150 000 Tote durch Covid, brutale Lockdowns, Repression, Massenentlassungen, Kurzarbeit und Zwangsurlaub, verschärfte Arbeitshetze, Schulschließungen. Die Führung der Arbeiterbewegung hat das Proletariat in dieser Krise verraten, an die Kapitalisten gekettet und an ihrer zerstörerischen Offensive mitgewirkt. Die Labour Party – von ihrem Corbyn-Flügel bis zur Starmer-Führung –, die Gewerkschaftsführer und die reformistische Linke haben alle die Lockdowns unterstützt und gemeinsam mit Johnsons Tory-Regierung nationale Einheit und Klassenzusammenarbeit gepredigt. Die Labour Party setzte in Städten ganz Britanniens Lockdowns durch und ist direkt verantwortlich für Verzweiflung und Elend in der arbeitenden Bevölkerung. Die Position der pseudo-marxistischen Linken in Britannien – Socialist Workers Party, Socialist Party, Communist Party of Britain, Socialist Appeal, Revolutionary Communist Group usw. – war es, nicht nur die Lockdowns zu unterstützen, sondern sich sogar für härtere und längere Lockdowns nach dem australischen Modell von Zero Covid stark zu machen. Jeder Anspruch dieser Reformisten, für irgendetwas zu kämpfen, das in der Pandemie im Interesse der Arbeiterklasse wäre, ist angesichts ihrer Unterstützung für die Lockdowns eine reine Farce.
Diese Konferenz weist den Antrag des Zentralkomitees der SL/B vom Juni 2020 zurück, der eine Kapitulation vor der nationalen Einheit der Regierung war, indem er die Lockdowns unterstützte. Dieser Antrag wurde mit dem Argument begründet, „in Ermangelung sinnvollerer Maßnahmen der öffentlichen Gesundheit hat dieser [Lockdown] eine gewisse Wirkung hinsichtlich des äußerst minimalen Ziels, die Ausbreitung von Covid-19 zu verlangsamen“. Das heißt die moralische Erpressung der Bourgeoisie zu akzeptieren, die vorschreibt, dass die Unterstützung der arbeiterfeindlichen Maßnahmen der Regierung die einzige Möglichkeit ist, die öffentliche Gesundheit zu schützen. Damit wurden auch Illusionen geschürt, dass der bürgerliche Staat ein Instrument zum Schutz der Bevölkerung sei und nicht ein Gewaltapparat zur Unterjochung des Proletariats.
Nur durch Klassenkampf gegen die Bosse und den Staat kann die Arbeiterklasse ihre Gesundheit wirklich schützen und die sozialen Ursachen der Krise bekämpfen. Lockdowns sind reaktionäre Gesundheitsmaßnahmen, die diesen Kampf in jeder Hinsicht behindern. Sie haben nicht nur verheerende soziale Auswirkungen, sondern entwaffnen auch die Arbeiterklasse und ketten sie an die Bourgeoisie.
Wir sind gegen die Lockdowns auf Grundlage eines revolutionären proletarischen Programms. Jede andere Grundlage für die Ablehnung der Lockdowns, sei es auf wissenschaftlicher, bürgerrechtlicher, verschwörungstheoretischer oder rein gewerkschaftlicher Grundlage, ist einfach eine Unterstützung alternativer bürgerlicher Programme zur Bewältigung der Pandemie. Revolutionäre wollen nicht die Klassengegensätze versöhnen, sondern die Krise dazu nutzen, den Kampf zum Sturz der Bourgeoisie voranzutreiben. Wenn die Pandemie eines deutlich zeigt, dann dies, dass die kapitalistische Klassenherrschaft völlig bankrott ist und nicht einmal ansatzweise den Bedürfnissen der Massen gerecht werden kann. Die Arbeiterklasse muss jetzt für ihre Interessen kämpfen, angefangen bei den ganz minimalen und grundlegendsten Bedürfnissen. Doch damit dieser Kampf erfolgreich ist, muss er mit dem Kampf für die internationale sozialistische Revolution verbunden werden.
Die Führung der Arbeiterbewegung in Britannien ist Fahnenträger für die Kampagne der herrschenden Klasse für nationale Einheit und plappert deren Parolen nach: „Bleibt zuhause! Schützt den NHS! Rettet Leben!“ Jeder weiß, dass die Tories den NHS [National Health Service] nicht retten wollen und gerne zulassen, dass sich „die Leichenberge auftürmen“. Nur durch die Komplizenschaft der Arbeiterverräter konnte die Bourgeoisie den Arbeitern die Lüge auftischen, dass es in der Pandemie ein über allen Klassen stehendes gemeinsames Interesse gibt.
In dieser Krise sind wie zu allen Zeiten die Klasseninteressen der Bourgeoisie und des Proletariats unvereinbar. Die Arbeiter haben offensichtlich ein Interesse daran, sich und ihre Familien vor einer gefährlichen Krankheit zu schützen, aber sicherere Arbeits- und Lebensbedingungen können nur gegen die Bosse und die Regierung erkämpft werden, nicht durch Zusammenarbeit mit ihnen. „Den NHS schützen“ kann man nicht dadurch, dass man sich auf diejenigen verlässt, die den NHS zugrunde gerichtet haben: die Tories, Labour und die kapitalistischen Parasiten.
Hinter ihren wohlklingenden Losungen verfolgt die Bourgeoisie ihre eigenen Klasseninteressen. Sie will die Ausbreitung des Virus eindämmen, weil es schlecht fürs Geschäft ist. Sie tritt dafür ein, zur Rettung des NHS zuhause zu bleiben, weil das eine billige Möglichkeit ist, den völligen Zusammenbruch des heruntergekommenen Gesundheitssystems abzuwenden. Die Arbeiterklasse hat großes Interesse daran, den NHS zu verteidigen und für ein Gesundheitsversorgungssystem von höchster Qualität zu kämpfen, besonders in einer Pandemie. Doch um ihre Interessen voranzutreiben, muss sie die ideologische Erpressung durch die Bourgeoisie abschütteln, die jeden Kampf gegen ihre Herrschaft als eine gefährliche Bedrohung der öffentlichen Gesundheit darstellt.
Die völlige Unterwürfigkeit der Labour Party und der Gewerkschaftsbürokratie während der Pandemie hat bedeutet, dass die Wut gegen die Regierung, besonders gegen ihre brutalen Lockdowns, nur einen nicht-proletarischen, amorphen und heterogenen Ausdruck gefunden hat. Im Frühjahr und Sommer 2021 kam es in London zu Massendemonstrationen gegen Lockdowns mit Losungen für „Demokratie“, „individuelle Rechte“ und „medizinische Freiheit“. Die Regierung, die Medien und der Sumpf von Labour-Unterstützern haben alle gemeinsam diese Demonstrationen verurteilt, und jeden, der gegen die Maßnahmen der Bourgeoisie ist, als zwangsläufig reaktionär dargestellt.
Solche Bewegungen haben zwar ein völlig bürgerliches Programm, doch angetrieben werden sie durch die berechtigte Wut auf die Regierung. Wir müssen das regierungsfreundliche propagandistische Sperrfeuer gegen diese Demonstrationen sowie ihre Unterdrückung verurteilen. Unser Ziel bei den Interventionen in solche Bewegungen ist es, die Gegner der verheerenden Regierungsmaßnahmen für das Programm des Kommunismus zu gewinnen, indem wir sie von der bürgerrechtsbewegten, verschwörungstheoretischen und manchmal reaktionären Politik dieser Bewegungen wegbrechen.
Aufgrund fehlender Polarisierung entlang von Klassenlinien während der Pandemie sind die Fragen von Impfung und Impfpflicht zu wichtigen gesellschaftlichen Themen geworden. Auf der einen Seite in dieser Debatte stehen diejenigen, die alles unterstützen werden, was die Regierung im Namen der Erhöhung der Impfrate tut; auf der anderen Seite stehen diejenigen, die gegen jeden Eingriff in die Bürgerrechte, gegen jede Form von Impfpflicht und manchmal gegen die Impfstoffe selbst sind. Als Kommunisten lehnen wir beide Seiten ab. Wir wollen diese von der Regierung vorangetriebene Polarisierung durchbrechen, indem wir eine Klassenachse aufzeigen. Unser Leitprinzip sind die Interessen der Arbeiterklasse.
Es ist im Interesse der Arbeiterklasse, dass jeder auf der Welt gegen Covid-19 geimpft wird. Wir sind für eine Impfpflicht, d. h. dass man gezwungen wird, einen Pikser in den Arm zu bekommen. Es ist kein demokratisches Recht, die Impfung zu verweigern und das Virus zu verbreiten. Aber wir sind gegen die Durchsetzung durch eine Politik, im Namen der Impfung die Arbeiterklasse anzugreifen. Wir sind dagegen, dass die Regierung NHS-Arbeiter oder andere Arbeiter feuert, weil sie nicht geimpft sind. Massenentlassungen sind ein Angriff auf die Arbeiterklasse und die Gewerkschaften; wir lehnen sie ab, egal aus welchem Grund. Wir sind auch gegen Impfpässe, die jede Bewegung der Bevölkerung kontrollieren und jeden Kneipenangestellten und Ladenbesitzer in einen Hilfsbullen verwandeln würden.
Trotzkisten kontra Reformisten
Die Pandemie hat zwei zentrale Wahrheiten gezeigt: 1.) dass die Bourgeoisie vollkommen reaktionär ist und nicht einmal ansatzweise die Bedürfnisse der Arbeiterklasse befriedigen kann, sondern gestürzt und durch die Herrschaft der Arbeiter ersetzt werden muss; 2.) dass die jetzige Führung der britischen Arbeiterklasse – in den Gewerkschaften und der Labour Party – vor der Bourgeoisie und der Regierung völlig auf dem Bauch liegt. Die Aufgabe von Revolutionären ist es, den klassenbewussten Arbeitern und Jugendlichen, die eine Alternative suchen, deutlich zu zeigen, dass alle selbsternannten sozialistischen Gruppen in Britannien die gleiche grundlegende Politik haben wie die Labour-Verräter und die Arbeiterklasse immer wieder verraten. Um dies zu entlarven, bieten wir Punkt für Punkt eine programmatische Gegenposition zu den reformistischen Linken in einigen der aktuellen Schlüsselfragen.
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Die Gesundheitsversorgung ist jetzt noch erbärmlicher als vor der Pandemie, die Wohnungssituation ist so schlimm wie eh und je und das Schulsystem liegt in Trümmern. Die Arbeiterbewegung muss dafür mobilisiert werden, für ein massives Programm öffentlicher Arbeiten zu kämpfen, um neue Schulen, günstige preiswerte Wohnungen von guter Qualität und eine Infrastruktur für die Gesundheitsversorgung zu bauen! Um sofort für Schulen, Gesundheitseinrichtungen und Wohnungen die Gelder, Grundstücke und Gebäude zu beschaffen, beschlagnahmt das Vermögen der Monarchie und der Kirche! Um den NHS zu finanzieren, um Britannien wieder zu industrialisieren und eine Planwirtschaft aufzubauen, enteignet die Banker und Industriellen! Diese Forderungen sind völlig entgegengesetzt zu der Fantasie der reformistischen Linken, dass die Bedürfnisse der Arbeiter durch die parlamentarische Wahl einer linken Labour-Regierung befriedigt werden, die „die Reichen besteuern“ und die „Kommandohöhen der Wirtschaft“ verstaatlichen wird.
Die Bosse werden nicht durch Wahlen entmachtet oder schrittweise enteignet, und die Monarchie wird nicht durch ein Gesetz im Parlament Ihrer Majestät abgeschafft. Wenn Labour den kapitalistischen Staat verwaltet, ist das eine bürgerliche Regierung. Die Arbeiterklasse braucht eine Arbeiterregierung, d. h. die Diktatur des Proletariats, um die Bourgeoisie zu enteignen und den Widerstand der Ausbeuter zu brechen, nach dem Vorbild der russischen Oktoberrevolution von 1917.
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Die Bourgeoisie führt massive Angriffe auf die Arbeitsbedingungen durch: NHS-Arbeiter kriegen von den Tories Lohnkürzungen verpasst, die Inflation galoppiert. Löhne sind miserabel und Millionen arbeiten in Teilzeit und prekären Jobs. Die Gewerkschaften müssen dringend die Unorganisierten organisieren und für eine kräftige an die Inflation gekoppelte allgemeine Lohnerhöhung kämpfen! Weg mit den Null-Stunden-Verträgen! Gegen Überarbeitung und Arbeitslosigkeit müssen Gewerkschaften für die 30-Stunden-Woche kämpfen, die wie 40 bezahlt wird, um die Arbeit auf alle Hände aufzuteilen. Für gewerkschaftliche Kontrolle über Einstellungen! Gegen die von den Bossen geförderten rassistischen Trennungen müssen die Gewerkschaften für volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten kämpfen, um die Arbeiterklasse in ihrem Kampf gegen die kapitalistische Klassenherrschaft zu vereinen.
Kommunisten kämpfen für den Aufbau von Fraktionen in den Gewerkschaften auf Grundlage des vollen Übergangsprogramms, indem sie die unmittelbarsten ökonomischen Forderungen mit der Notwendigkeit einer Arbeiterregierung verbinden. Im Gegensatz dazu besteht das Programm der britischen Pseudo-Sozialisten in den Gewerkschaften darin, links tönende Bürokraten wie Sharon Graham [Unite] gegen rechte zu unterstützen und für ein Minimalprogramm von Reformen und Gewerkschaftsmilitanz einzutreten.
Alle Flügel der Gewerkschaftsbürokratie haben sich einem Programm von Klassenzusammenarbeit verschrieben: Sie wollen die Bedingungen für die Ausbeutung der Arbeiterklasse neu verhandeln, während sie die kapitalistische Klassenherrschaft aufrechterhalten. Den Reformisten, deren gesamte Perspektive darin besteht, Druck auf die jetzige pro-kapitalistische Arbeiterbürokratie auszuüben, stellen wir die Notwendigkeit entgegen, eine neue revolutionäre Führung der Arbeiterklasse aufzubauen. Wir sagen: Raus mit den Arbeiterbürokraten, linken und rechten! Für eine klassenkämpferische Führung der Gewerkschaften!
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Während der ganzen Pandemie haben alle Pseudo-Revolutionäre die Lüge gepredigt – genau wie die Gewerkschaftsführer –, dass der kapitalistische Staat dazu da ist, die Arbeiter zu schützen. Ihr Programm zum Schutz der Gesundheit und der Arbeitssicherheit bestand darin, für härtere und längere Lockdowns, für mehr Betriebs- und Schulschließungen und für striktere Sicherheitsregeln und Covid-Richtlinien einzutreten, die von den Gesundheitsagenturen der Bosse durchgesetzt werden. Das ist selbstmörderisch und ein Verrat an sozialistischen Prinzipien!
Gewerkschaften sind die elementaren Verteidigungsorganisationen des Proletariats. Ihr Zweck ist es, die Arbeiter am Arbeitsplatz zu verteidigen, und nicht, dafür zu kämpfen, sie nach Hause zu schicken! Gewerkschaften müssen jetzt für gewerkschaftliche Kontrolle über Gesundheit und Arbeitssicherheit kämpfen! Die Gewerkschaften, nicht der kapitalistische Staat, sollen entscheiden, welche Arbeitsbedingungen sicher sind. Pseudo-Sozialisten reden immer von „Arbeiterkontrolle“ über die Arbeitssicherheit oder die Produktion. Aber wenn „Arbeiterkontrolle“ nicht auf der Klassenunabhängigkeit des Proletariats, der unversöhnlichen Opposition zum kapitalistischen Staat und einem Programm für die proletarische Macht beruht, läuft „Arbeiterkontrolle“ auf Arbeitermanagement in Partnerschaft mit den Kapitalisten und ihrem Staat hinaus, d. h. auf institutionalisierte Klassenzusammenarbeit.
Der kapitalistische Staat ist der bewaffnete Arm der Kapitalisten. Er existiert, um die Ausbeutung der Arbeiterklasse zu erzwingen, nicht um sichere Arbeitsbedingungen zu schaffen! Revolutionäre kämpfen für die völlige Unabhängigkeit der Gewerkschaften von den Bossen und dem kapitalistischen Staat! Polizei, Sicherheitspersonal und Gefängniswärter raus aus den Gewerkschaften!
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Während die Arbeiterbewegung am Boden liegt – dank ihrer verräterischen Führung –, verstärken die britischen Imperialisten ihre Plünderungen in anderen Ländern. Um ihre Position zu stärken und die Wut von sich abzulenken, wiegeln sie die arbeitende Bevölkerung gegen China auf. Der Feind der britischen Arbeiter sind die britischen Kapitalisten! Die Opposition gegen den britischen Imperialismus wirft ganz klar die Notwendigkeit auf, China gegen den sich verschärfenden konterrevolutionären Kriegskurs der Imperialisten zu verteidigen. China ist ein bürokratisch deformierter Arbeiterstaat und das internationale Proletariat muss die Errungenschaften von Chinas sozialer Revolution von 1949 verteidigen! Um diese Errungenschaften zu verteidigen und auszuweiten, kämpfen Trotzkisten für eine proletarische politische Revolution zum Sturz der parasitären stalinistischen Bürokratie. Aber alle Pseudo-Sozialisten in Britannien lehnen diese Perspektive ab.
Während einige Stalinisten die reaktionäre Bürokratie der Kommunistischen Partei Chinas unterstützen, schlagen die Sozialdemokraten und Pseudo-Trotzkisten die Trommel für das Programm der britischen und US-Imperialisten für eine kapitalistische Konterrevolution, indem sie über den „chinesischen Imperialismus“ herziehen und für „Demokratie“ und „Menschenrechte“ agitieren. Unter den gleichen Schlagwörtern forcierten die Imperialisten ihre Kampagne für die kapitalistische Konterrevolution, die die UdSSR zerstört hat, eine niederschmetternde Niederlage für das Weltproletariat, die alle Pseudo-Trotzkisten bejubelten. Jetzt machen sie das Gleiche mit China, Nordkorea und allen übrigen deformierten Arbeiterstaaten. Nieder mit dem britischen Imperialismus und allen seinen Bündnissen! Nieder mit der NATO! Nieder mit AUKUS! Spendet die Trident-Raketen an Nordkorea!
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Die Labour Party hat während der Pandemie einmal mehr ihre völlige Unterwürfigkeit gegenüber der kapitalistischen Herrschaft gezeigt. Von Starmers rechtem Flügel bis zum linken Flügel der Corbyn-Anhänger, sie alle haben die Arbeiter verraten und sind Johnsons Tory-Regierung eine entscheidende Hilfe gewesen. Die Arbeiter brauchen eine neue, revolutionäre Partei, die als Teil einer wiedergeschmiedeten Vierten Internationale für Arbeiterherrschaft kämpft. Die Pseudo-Marxisten in Britannien sind ein politisches Hindernis dafür. Seit über einem Jahrhundert besteht ihre ganze Strategie darin, den linken Labour-Flügel dazu zu drängen, ein sozialistisches Programm anzunehmen. Dies tun sie entweder innerhalb der Labour Party (wie Socialist Appeal, falls sie nicht rausgeworfen werden) oder außerhalb der Partei (wie die Socialist Party, deren Strategie es ist, ein neues massives reformistisches Hindernis für die Revolution aufzubauen). Das hat nur zu Niederlagen und Verrat geführt.
Von [Nye] Bevan über [Tony] Benn bis Corbyn führt das bürgerliche Programm der Labour-Linken zur Verwaltung des kapitalistischen Staats in Britannien zwangsläufig zum Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse: Das ist die zentrale Lehre aus Corbyns Rolle als Vorsitzendem. Gegen die Reformisten, die Illusionen in die Labour-Linke schüren, müssen Revolutionäre auf der Grundlage eines revolutionären Programms die Arbeiterklasse von Labour – den Rechten und den Linken – wegbrechen, um eine leninistische Avantgardepartei aufzubauen.
III. Leninistische Avantgardepartei kontra „Breite Kirche“ à la Corbyn
Nach Corbyns katastrophalem Abschneiden bei den Wahlen 2019 übernahm Sir Keir Starmer den Vorsitz von Labour. Inmitten von Starmers Kampagne, mit dem Erbe seines Vorgängers zu brechen, steckt die Labour-Linke fest im Sumpf ohnmächtiger Selbstfindung darüber, „was schiefgelaufen ist“. Indem sie ihre Hoffnung auf eine radikalere Version von Corbyns Politik setzt, auf den Aufbau einer neuen reformistischen Labour-Massenpartei oder auf Bürokraten, die linke Sprüche klopfen, und auf Gewerkschaftsmilitanz, recycelt sie nur abgedroschene Mythen der Labour-Politik. Nur der Leninismus kann Arbeitern und Jugendlichen, die von Corbyn enttäuscht und desillusioniert sind, einen Weg nach vorne weisen. Die durch die Pandemie ausgelöste gegenwärtige soziale Krise und die völlige Unterwürfigkeit der Labour Party, der Gewerkschaftsführer und der reformistischen Linken gegenüber den Angriffen der Kapitalisten machen es zu einer noch dringlicheren Aufgabe, ein revolutionäres Programm für die britischen Inseln aufzustellen. Doch um das zu tun, muss die SL/B ihre Kapitulation vor der Labour Party zurückweisen.
Wie die SL/B ihre strategische Aufgabe ablehnte
Die Wahl von Corbyn zum Führer der Labour Party 2015, nachdem die Blair-Anhänger jahrzehntelang die Partei dominiert hatten, markierte eine scharfe Wende nach links und bedeutete eine erhebliche Veränderung in der politischen Landschaft Britanniens. Im Laufe seiner fast fünf Jahre an der Spitze von Labour leistete Corbyn der herrschenden Klasse in Britannien unschätzbare Dienste. Er hat die Arbeiterklasse verraten, indem er gegen den Brexit auftrat, und die riesige soziale Unzufriedenheit, die durch jahrzehntelange Angriffe verursacht wurde, hat er mit Erfolg vom Klassenkampf weg in die Sackgasse von Wahlkämpfen kanalisiert. Seine Führung war gekennzeichnet durch die ständige Beschwichtigung der Blair-Anhänger – trotz deren endloser Intrigen, ihn zu stürzen – und durch eine Zurückweisung praktisch jeder Position, die ihn überhaupt erst populär gemacht hatte.
Die Erfahrung mit Corbyn war eine einzigartige Gelegenheit für Kommunisten, den völligen Bankrott linker Labour-Politik aufzuzeigen und die Notwendigkeit einer leninistischen Partei zu motivieren. Stattdessen verbrachte die SL/B fünf Jahre damit, vor Corbyn zu kapitulieren. Diese Konferenz weist jeden Artikel über Jeremy Corbyn zurück, der im Workers Hammer in den Ausgaben Nr. 232 bis Nr. 246 erschienen ist (Herbst 2015 bis Frühjahr 2020).
Die Kampagne von Corbyn 2015, Vorsitzender zu werden, schuf massive Illusionen, da sie sie sich gegen Blairs jahrelange Politik von Austerität und imperialistischem Krieg richtete. In diesem Zusammenhang war es durchaus angebracht, die Taktik der kritischen Unterstützung anzuwenden. Allerdings ist jede Taktik notwendigerweise der Gesamtstrategie untergeordnet. 1982 gab die SL/B rückblickend Tony Benn kritische Unterstützung mit der Losung „Labour kann ohne die CIA-Connection verraten“. Wir erklärten:
Während unsere taktische Haltung 1982 aus unserem Ziel hervorging, die Basis von Labour auf der Grundlage eines revolutionären Programms von der Führung abzuspalten, beruhte dagegen die Intervention der SL/B gegenüber Corbyn ausdrücklich auf der Ablehnung dieser Aufgabe.
Aufgrund der Intervention der Internationale charakterisierte die Nationalkonferenz der SL/B im Mai 2015, ein paar Monate bevor Corbyn für den Vorsitz kandidierte, Labour zwar nicht als eine bürgerliche Partei. Doch wurde immerhin in Bezug auf Labour eine Änderung im Programm festgeschrieben. Im Konferenzdokument hieß es: „Seit der Zeit, als dieser Antrag [von 2002, der die Politik von Blair charakterisierte] angenommen wurde, gab es in unserer Propaganda nicht mehr den Aufruf, die Basis von der Führung der Labour Party abzuspalten – was zuvor für unsere Perspektive, eine revolutionäre Arbeiterpartei in Britannien aufzubauen, von strategischer Bedeutung war“ (veröffentlicht in WH Nr. 231, Sommer 2015, unsere Hervorhebung).
Indem die SL/B erklärte, die Spaltung der Basis von der Führung sei „zuvor“ von strategischer Bedeutung gewesen, lehnte sie offen den einzigen Weg ab, eine revolutionäre Partei in Britannien aufzubauen. Diese Konferenz weist diese Erklärung zurück und bekräftigt erneut, dass Labour eine bürgerliche Arbeiterpartei ist und dass es von strategischer Bedeutung für den Aufbau einer revolutionären Partei in Britannien ist, die Arbeiterbasis von ihrer pro-kapitalistischen Führung zu spalten auf der Grundlage eines revolutionären Programms, wie es in „Revolutionäre und die Labour Party“ kodifiziert ist (Spartacist, englischsprachige Ausgabe Nr. 33, Frühjahr 1982).
Als Corbyn Mitte 2015 auf den Plan trat, zielte die „Taktik“ der SL/B und ihr Aufruf „Treibt den Blair-Flügel hinaus“ nicht darauf ab, die Widersprüche innerhalb von Labour entlang der Klassenlinien zu verschärfen bis hin zur Spaltung. Es wurde zur strategischen Perspektive, Labour als bürgerliche Arbeiterpartei „wiederzubeleben“. Deutlich wurde das in unseren wiederholten Behauptungen, die Vertreibung der Blair-Anhänger wäre der Gründung der Labour Party im 20. Jahrhundert ähnlich. Unser Mantra wurde: „Eine Spaltung mit dem rechten Flügel würde einen Schritt hin zur politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse darstellen“, und: „Die Spaltung innerhalb der Labour Party spiegelt die zwei entgegengesetzten Klassen in der bürgerlichen Gesellschaft wider“ (siehe alle Ausgaben von WH aus der Zeit 2015-17, angefangen mit Nummer 232). Mit anderen Worten, die Blair-Anhänger hinauszutreiben wäre ein Schritt dahin, dass das Proletariat nicht mehr politisch der Bourgeoisie untergeordnet ist.
Damit wird Corbyn als Verfechter eines authentischen proletarischen Programms dargestellt und das leninistische Verständnis abgelehnt, dass beide Flügel der Labour Party ein bürgerliches Programm haben. Die SL/B war weit davon entfernt, jederzeit „strikte programmatische Unabhängigkeit von allen Flügeln der Labour-Bürokratie“ („Revolutionäre und die Labour Party“) aufrechtzuerhalten, sondern hat das Programm eines Flügels gegen den anderen politisch unterstützt.
Als Grund für die Unterstützung Corbyns gab die SL/B im Wesentlichen an, dass die Blair-Anhänger sich qualitativ von früheren rechten Fraktionen in der Labour Party unterschieden. Die SL/B stellte die Blair-Anhänger so dar, als hätten sie nicht mehr den Widerspruch zwischen ihrem bürgerlichen Programm und ihrer wesentlichen Verbindung zur Arbeiterklasse, sondern einen rein bürgerlichen Klassencharakter, obwohl sie in der Labour Party sind. Das ist einfach falsch; Blair war nicht der erste Labour-Führer, der sich von der Arbeiterbasis der Partei trennen wollte (was etwas anderes ist, als dazu in der Lage zu sein). Das bürgerlich-liberale Programm von Labour bedeutet, dass die Spitzen andauernd in Konflikt geraten mit ihrer Arbeiterbasis, die gleichzeitig die Quelle ihrer Macht ist und ein Hindernis ihrer bürgerlichen Ambitionen.
Das Wichtigste ist, dass diese Charakterisierung der Blair-Politik eine theoretische Rechtfertigung für einen permanenten Block mit der Labour-Linken gegen die Rechte war. Es ist ein klassisches Beispiel des reformistischen Programms „Die Linken zum Kämpfen bringen“ und ein Bruch mit der programmatischen Kontinuität der SL/B. Das Gründungsdokument der SL/B von 1978, „Verteidigung des revolutionären Programms“, ist eine direkte Polemik gegen die Herangehensweise der SL/B an Corbyn:
Dass die SL/B in einem permanenten Block mit Corbyn war, zeigt sich am klarsten durch ihre Unterstützung für ihn bei seiner zweiten Kandidatur zum Vorsitz, nachdem er für den Verbleib in der EU aufgetreten war (siehe „Lasst Jeremy Corbyn die Labour Party führen“, WH Nr. 236, Herbst 2016). Corbyn hat die Arbeiterklasse in der damals entscheidenden politischen Frage verraten, aber für die SL/B war die Unterstützung Corbyns gegen die Blair-Anhänger wichtiger als ihre „prinzipienfeste“ Opposition gegen den Imperialismus. Das war eine völlige Kapitulation.
Es liegt in der Natur von Labour, dass der linke Flügel den rechten beschwichtigt, und es ist völlig angemessen, die Linke bloßzustellen, wenn sie die Einheit über ihre „Prinzipien“ stellt. Der Zweck der Aufrufe von Revolutionären wie „Treibt die Blair-Anhänger hinaus“ und „Treibt die fünfte Kolonne SDP hinaus“ (Spartacist Britain Nr. 52, September 1983) liegt darin, konkret zu zeigen, wie das Programm linker Labour-Politik notwendigerweise zu Beschwichtigung und Kapitulation führt. Unser Ziel ist es, die linken Labour-Unterstützer zu entlarven, und nicht, Druck auf sie auszuüben, damit sie bessere Politik betreiben („Die Linken zum Kämpfen bringen“). 1982/83 wollten wir „die ‚Linken‘ von Labour um Benn/Meacher an die Macht bringen, wo sie am besten vor den Arbeitern entlarvt werden können!“ (Spartacist Britain Nr. 52, unsere Hervorhebung).
Es kommt wesentlich darauf an, jederzeit darüber klar zu sein, dass unser Ziel eine leninistische Partei mit einem revolutionären Programm ist und nicht eine Labour Party ohne den rechten Flügel. In den 1980er-Jahren machte es die SL/B glasklar: Eine Spaltung von Denis Healy & Co. „wäre nicht unsere Spaltung; eine Labour Party ohne Denis Healy wäre nicht unsere Partei; aber es wäre eine gute Sache für die Arbeiterklasse, wenn der harte NATO/CIA-freundliche rechte Flügel aus der Arbeiterbewegung hinausgejagt würde“ (Spartacist Britain Nr. 52). Aber im Fall von Corbyn stellte die SL/B, genauso wie die übrige Linke, eine Spaltung mit den Blair-Anhängern als das oberste Ziel dar.
Damit warf die SL/B das leninistische Konzept der Avantgardepartei über den Haufen. Das zeigt sich klar darin, wie die SL/B die Art von Partei, für die wir kämpfen, der Partei von Corbyns „Breiter Kirche“ (entspricht dem kautskyanischen Konzept der Partei der Gesamtklasse) entgegenstellte. Der einzige Einwand, der gegen die „Breite Kirche“ vorgebracht wurde, ist, dass damit die Blair-Anhänger und rückständige Elemente beschwichtigt werden. „Unter den heutigen Bedingungen bedeutet die Wiederherstellung der ‚Breiten Kirche‘, dass Corbyns Unterstützer Seite an Seite mit den Blair-Anhängern koexistieren, auch mit Tony Blair selber, den viele als Kriegsverbrecher im Irak ansehen“ („Corbyns Erdrutschsieg, Gegenschlag der Blair-Anhänger“, WH Nr. 232, Herbst 2015). Die SL/B verwandelte praktisch die leninistische Opposition gegen die Partei der Gesamtklasse in eine weitere Version von „Die Linken zum Kämpfen bringen“.
Leninisten sind gegen die „Breite Kirche“, weil der revolutionäre Flügel dem reformistischen Flügel untergeordnet wird, nicht aus dem Grund, dass die sozialdemokratische Linke durch die sozialdemokratische Rechte behindert wird. Daher bedeutet für Leninisten der Kampf gegen die „Breite Kirche“ der Labour-Unterstützer nicht, Corbyns Beschwichtigung der Blair-Anhänger zu bekämpfen. Es bedeutet, gegen subjektive Revolutionäre (zum Beispiel die SL/B) zu kämpfen, die eine Einheit mit Corbyn predigen.
Lenin brach mit dem Konzept der „Partei der Gesamtklasse“ durch das Verständnis, dass die opportunistische Tendenz in der Zweiten Internationale vor dem Ersten Weltkrieg, ebenso wie die Sozialchauvinisten im Krieg, eine materielle Basis hatte in „einem kleinen Kreis der Arbeiterbürokratie, Arbeiteraristokratie und kleinbürgerlicher Mitläufer“, die von den Imperialisten ein paar „Brocken“ erhielten. Daraus zog Lenin den Schluss: „Es ist lächerlich, jetzt noch den Opportunismus für eine Erscheinung im Innern unserer Partei zu halten“, und:
Corbyn ist ein traditioneller parlamentarischer Reformist und steht ganz in der Tradition des opportunistischen Flügels der Zweiten Internationale. Die grundlegende Lehre des Leninismus in der Parteifrage besteht darin, dass sich der revolutionäre Flügel von dem opportunistischen Flügel der Arbeiterbewegung abspalten muss: eine Vorbedingung für eine erfolgreiche Revolution. Das bedeutet, dafür zu kämpfen, die Labour Party entlang der Linie Reform kontra Revolution zu spalten, nicht rechts kontra links, Blair kontra Corbyn oder rückständig kontra progressiv, wie in den jüngsten Artikeln vom Workers Hammer argumentiert wurde.
In den 1980er-Jahren verfolgte die SL/B mit ihrer Taktik das Ziel, die Basis der Labour Party für das Programm des Trotzkismus gegen Benns Politik zu gewinnen. Unsere Taktik diente dazu, zu zeigen, dass Benns Programm völlig ungeeignet war, irgendeine der grundlegenden Fragen anzugehen, mit denen die Arbeiterbewegung konfrontiert war, und dass eine revolutionäre Partei mit einem revolutionären Programm notwendig war. In der Corbyn-Periode lehnte die SL/B den Kampf für eine leninistische Partei ab, was notwendigerweise Hand in Hand ging mit der Ablehnung des marxistischen Programms zu jeder anderen grundlegenden Frage der Revolution in diesem Land (Imperialismus, Staat, nationale Frage, Unterdrückung von Minderheiten usw.).
Die „Kritikpunkte“ der SL/B an Corbyn in diesen grundlegenden Fragen waren dem strategischen Ziel, ihn zu unterstützen, völlig untergeordnet. In diesem Rahmen sind die meisten Kritikpunkte einfach linke Labour-Politik; die wenigen Punkte, die mehr oder weniger „orthodox“ waren, sind völlig bedeutungslos angesichts der politischen Linie der Artikel. Um mit der Corbyn-Politik gründlich zu brechen, müssen wir jeden einzelnen zentralen Grundsatz unseres Programms in Britannien bekräftigen, was mit diesem Dokument beginnt. Es ist auch notwendig, obwohl es zurzeit unsere Kapazität für diese Konferenz übersteigt, das marxistische Programm gegen nationale Unterdrückung und ebenso unser Programm gegen Rassenunterdrückung und Unterdrückung von Immigranten in Britannien erneut zu bekräftigen.
Die Schönfärberei von 2017
Zur Zeit des internationalen Kampfes 2017 [siehe Spartacist, deutschsprachige Ausgabe Nr. 31, Herbst 2017] war die SL/B auf dem Weg der politischen und organisatorischen Liquidierung so weit fortgeschritten, dass sie ihre Aktivitäten (Verkäufe, Polemiken, Abokampagne) einschränkte, weil die Führung der Ansicht war, dies würde Corbyn schaden. Schon unsere Existenz wurde im Grunde als Hindernis für den Klassenkampf behandelt (mit dem Corbyns Kampagne gleichgesetzt wurde). Zwar führte der Kampf 2017 in der SL/B dazu, den liquidatorischen Kurs in Grenzen zu halten und besonders krasse Kapitulationen zu korrigieren, aber das geschah auf der Grundlage, an dem wesentlichen programmatischen Inhalt unserer revisionistischen Orientierung auf Corbyn festzuhalten. Der Brief eines Mitglieds des Internationalen Exekutivkomitees vom 8. Januar 2017, der dem Kampf eine Orientierung gab, begann mit der Aussage: „Meiner Meinung nach hat die SL/B im Allgemeinen gute Arbeit geleistet in Bezug auf Corbyn und EU/Brexit.“
Der ZK-Antrag der SL/B vom Januar 2017 beschönigte völlig die opportunistische Corbyn-Kampagne der Sektion mit der Behauptung, diese Kampagne „gründe sich darauf, die politische Unabhängigkeit gegenüber Corbyns Labour Party aufrechtzuhalten und eine programmatischen Gegenposition zu seiner linken Labour-Politik anzubieten“. Weiter hieß es, die Führung „hat unser oberstes Ziel aus den Augen verloren, welches nicht eine Labour Party à la Corbyn ist, sondern darin besteht, die Basis gegen die Führung zu richten, um eine revolutionäre (leninistische) Avantgardepartei zu schmieden“ [unsere Hervorhebung]. Erstens hat die Führung ihr Ziel nicht „aus den Augen verloren“, sondern es von Anfang an abgelehnt. Zweitens war die obige „orthodoxe“ Bekräftigung unseres Programms eine zentristische Vertuschung, die darauf beruhte, den durch und durch opportunistischen politischen Block mit Corbyn gegen die Blair-Anhänger zu verteidigen.
In dem Artikel „Schande über Corbyn für seine Unterstützung der EU“ (WH Nr. 238, Frühjahr 2017), der nach dem Kampf veröffentlicht wurde, wird lediglich die Behauptung aus WH Nr. 236 korrigiert, dass es einen Klassenunterschied zwischen Corbyn und Owen Smith über die EU gebe, und es wurde korrigiert, dass im WH Nr. 237 (Winter 2016/2017) Corbyns Unterstützung für den „Verbleib“ [in der EU] unter den Teppich gekehrt wurde. Jedoch wird in dem Artikel ausdrücklich an dem ganzen revisionistischen Rahmen der früheren Artikel festgehalten und erneut bekräftigt, dass es „einen Schritt hin zur politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse darstellen würde“, wenn man die Blair-Anhänger hinaustreibt.
Im Herbst 2017 gab es eine weitere Diskussion über die Labour Party. In einer Reihe von Anträgen, die auf der SL/B-ZK-Sitzung im Dezember 2017 angenommen wurden, heißt es, dass Labour eine bürgerliche Arbeiterpartei sei und nicht länger als moribund gilt, und es wurde erneut bekräftigt: „Unsere strategische Perspektive ist es, die Arbeiterbasis von Labour zu gewinnen, weg von der Parteiführung und für das Programm des revolutionären Marxismus, und eine leninistische Partei entgegengesetzt zur Labour Party aufzubauen.“ Das ist eine völlig richtige Erklärung, mit dem Ergebnis, dass die SL/B mindestens zweimal in den letzten fünf Jahren erwähnt hat, dass sie dafür kämpft, die Labour-Basis von der Führung abzuspalten. Aber diese korrekten Positionen zu bekräftigen und gleichzeitig den politischen Block der SL/B mit Corbyn gegen den rechten Flügel, ihre prinzipienlose Unterstützung für ihn bei der zweiten Wahl zum Vorsitzenden, ihren Revisionismus zur „Breiten Kirche“ usw. zu verteidigen, das war wieder eine zentristische Vertuschung.
Die Artikel, die einer Einschätzung von Corbyns Politik am nächsten kommen, sind die zwei Artikel im WH Nr. 246 (Frühjahr 2020) „Für eine multiethnische revolutionäre Arbeiterpartei!“ und „Wahlen 2019: Keine Wahl für Arbeiter“. Das Hauptargument in diesen Artikeln ist, dass Corbyn ein authentisches proletarisches Programm hatte, das er anschließend verriet. So steht es ausdrücklich im WH Nr. 246, wo behauptet wird, dass durch Corbyns Politik für die Einheit des Vereinigten Königreichs (Unionism) und durch seine Kampagne für „Verbleib“ „den fast 40 Prozent der schottischen Wähler, die für Austritt stimmten, keinerlei politische Vertretung durch die Arbeiterklasse geblieben ist und die SNP ein Geschenk erhalten hat“ [unsere Hervorhebung]. Dieser Aussage zufolge würde die Labour Party die Interessen der Arbeiterklasse vertreten, wenn Corbyn bei seiner „Klein-England“-Opposition gegen die EU geblieben wäre und eine weniger chauvinistische Position zu Schottland gehabt hätte. Dies ist einmal mehr eine Zurückweisung des leninistischen Verständnisses, dass alle Flügel der Labour Party ein durch und durch bürgerliches Programm haben.
Soweit diese Artikel eine Erklärung liefern, warum Corbyn „verraten“ hat, geschieht das durch den Zirkelschluss, dass „Corbyns Loyalität zur EU in der langen Tradition des wiederholten Verrats von Labour“ steht. Wie ein Faden zieht sich durch den ganzen WH Nr. 246, dass Labour chauvinistisch und pro-imperialistisch ist und immer Verrat begeht. Zwar ist das an sich nicht falsch, aber es ist eine äußerst sterile Erklärung. Es erklärt nicht, warum die Labour Party immer verrät oder warum sie manchmal eine scheinbar radikale Haltung einnimmt.
Die Hauptschlussfolgerung, die der Leser aus dieser Ausgabe der Zeitung zieht, ist die, dass Corbyns Programm ursprünglich gut war, die Labour Party aber nicht das richtige Instrument war, um es umzusetzen, oder dass Corbyn persönlich zu sehr vor den Blair-Anhängern einknickte. Die andere Schlussfolgerung ist, dass man Gewerkschaftsmilitanz braucht. All dies bewegt sich völlig im Rahmen „Die Linken zum Kämpfen bringen“ und passt zu den Lehren, die die übrige Linke aus der Corbyn-Ära zieht. Demnach ist alles Mögliche für Corbyns Scheitern verantwortlich, nur nicht das, was wirklich zählt: Corbyns Programm.
Es ist Corbyns reformistisches Programm, das zu seinen Kapitulationen geführt hat. Anstatt dies zu entlarven, wird in den Artikeln seine reformistische Opposition gegen die EU übernommen – mit der Begründung, die EU sei „neoliberal“ und ein Hindernis dafür, dass der britische Imperialismus sozialdemokratische Politik umsetzt [siehe Seite 49: „Die labouristische Opposition der SL/B gegen die EU“]. In gleicher Weise wird in den Artikeln Corbyns Unionism als Ergebnis der rückständigen Vorurteile der Labour Party dargestellt, anstatt klarzumachen, dass der Chauvinismus der Labour Party gegen Schottland sich aus der Verteidigung des britischen Kapitalismus durch die Labour-Spitzen ergibt und seine zentrale Komponente darin besteht, innerhalb des reaktionären Vereinigten Königreichs die nationale Unterdrückung aufrechtzuerhalten. In diesen Artikeln geht es nicht darum, welches Programm die Arbeiterklasse zu ihrer Befreiung braucht, sondern darum, welches Programm Labour braucht, um die Wahlen zu gewinnen.
Lehren aus dem Corbyn-Verrat
Von dem Moment an, als Jeremy Corbyn die Wahl zum Vorsitzenden der Labour Party gewann, bis zu seinem endgültigen Ausscheiden nach der Wahl von 2019 war es die Aufgabe von revolutionären Marxisten, im Laufe der Ereignisse konkret zu zeigen, wie Corbyns Programm von sich aus völlig unfähig war, die Bedürfnisse der Arbeiterklasse anzugehen, und die Notwendigkeit einer mit einem marxistischen Programm bewaffneten leninistischen Partei zu begründen. Dies erforderte notwendigerweise ein richtiges Verständnis der Dynamik hinter Corbyns anfänglichem erstaunlichem Aufstieg und auch der Faktoren, die seinen ebenso spektakulären Zusammenbruch bewirkten. Die ersten Artikel der Spartacist League über Corbyn waren voller Begeisterung, die späteren Artikel kritisch. Aber da die Sektion nie mit ihrer Kapitulation vor der Labour-Politik brach, war sie nie in der Lage, eine programmatische Erklärung dafür zu liefern, warum Corbyn anfangs so erfolgreich war und warum er so kläglich scheiterte. Die Erklärungen, warum Corbyn „aufsässig“ war oder „kapituliert“ hat, griffen zwangsläufig auf persönliche Eigenarten und Aktionen zurück und nicht auf das Programm und die Klassenkräfte.
Corbyns Erdrutschsieg beim Rennen um die Führung von Labour 2015 überraschte jeden, auch ihn selbst. Wie konnte ein Abgeordneter, der seine ganze Karriere als unbedeutender Hinterbänkler verbracht hatte, es schaffen, zu gewinnen? In der Arbeiterklasse und besonders an der Basis der Labour Party hatte sich gewaltige Unzufriedenheit aufgestaut über die jahrzehntelange Kahlschlagpolitik und die militärischen Interventionen. In Wohin treibt England? (1925) erklärte Trotzki den Grund für den Erfolg der Independent Labour Party nach dem Ersten Weltkrieg:
Angesichts des reaktionären Charakters der letzten Jahrzehnte waren die Führer, die 2015 zur Verfügung standen, um diese Unzufriedenheit zu kanalisieren, besonders schwach und inkompetent. Weder Corbyn selbst noch sein Programm waren irgendwie außergewöhnlich; er stand einfach zufällig damals als Blitzableiter zur Verfügung, um den riesigen aufgestauten sozialen Druck zu kanalisieren.
In Abwandlung von dem, was die SL/B in „Labours Kalter Krieg“ (Spartacist Britain Nr. 41, April 1982) schrieb, wurde die Wahl zum Vorsitzenden 2015 zu einem großen Showdown über die entscheidenden Fragen, die die Labour Party zerrissen, wenn auch auf negative Weise ausgedrückt: gegen die Blair-Anhänger, gegen die Architekten von Militärinterventionen und Austerität. Eine Menge junger Menschen unterstützte Corbyn, entscheidend war aber, dass er auch die Unterstützung eines beträchtlichen Teils der Gewerkschaftsbürokraten gewinnen konnte. Diese wollten einerseits Druck von ihrer Basis ablassen und waren andererseits frustriert darüber, unter den Blair-Leuten keinen „Platz an der Tafel“ bekommen zu haben.
Solange Corbyn ein irrelevanter Hinterbänkler war, konnte er es sich erlauben, die Regierung wegen ihrer Austerität, ihren Atomwaffen und ihren Kriegen anzuprangern; er konnte die EU als neoliberal anprangern und Palästina gegen den zionistischen Staat unterstützen. Sein liberal-utopisches Programm „Friede auf Erden“ und „Ende der Armut“ stellte nie eine Bedrohung dar und verschaffte in Wirklichkeit der bluttriefenden Labour-Regierung von Tony Blair ein dünnes Deckmäntelchen. Aber das änderte sich, als er zum Führer der Opposition Ihrer Majestät wurde.
In Wohin treibt England? erklärt Trotzki die rasche Verwandlung von Ramsey MacDonald, der von einem pazifistischen Kriegsgegner zu einem Sozialchauvinisten in der Regierung wurde und „leichte Kreuzer baut in Erwartung der Zeit, wo man schwere Kreuzer wird bauen müssen“:
Zwar war Corbyn nie ein Zentrist, aber dass er die Führung der Labour Party errang, hatte einen ähnlichen Charakter. In dem Moment, als er das Rennen um die Führung gewann, änderten sich seine Funktion und seine Rolle, und er begann von den Widersprüchen seiner neuen Position zerrissen zu werden.
Corbyn musste nicht nur konkrete Antworten auf die Probleme des Tages geben, sondern die Leute interessierten sich auch für seine Meinung. Vor dem Hintergrund der strategischen Abhängigkeit des britischen Imperialismus von den USA und der Kahlschlag-Offensive nach der Krise 2008 waren Corbyns Positionen zu einer Reihe von Fragen (NATO, Ukraine, „Krieg gegen den Terror“, Trident-Raketen, Verstaatlichungen) für die Bourgeoisie nicht akzeptabel. Genau das brachte ihm breite Unterstützung in der Bevölkerung und provozierte sowohl eine starke Reaktion der Bourgeoisie als auch einen andauernden Aufstand des Blair-Flügels der Partei. Die einzigen Optionen waren, der herrschenden Klasse frontal entgegenzutreten oder zu kapitulieren. Aber gerade weil Corbyns bürgerliches Programm nicht von den materiellen Interessen der Arbeiterklasse ausging, sondern von vagen Vorstellungen über „Frieden“ und „Gerechtigkeit“, hatte er keinen festen Boden unter den Füßen und kapitulierte schnell in einer Frage nach der anderen.
Außerdem war Corbyn nur mit einem negativen Programm gegen Blairs Politik gewählt worden, und deshalb waren seine Unterstützer uneinig und gespalten, sobald konkrete Fragen aufkamen: die EU, Russland, „Antisemitismus“ usw. Corbyns Programm eines parlamentarischen Sozialismus bedeutete auch, dass er an jede Frage mit Blick auf den Wahlerfolg heranging, wodurch er mit der öffentlichen Meinung hin und her schwankte und an die Blair-Anhänger gebunden war, die bei der Labour-Party-Fraktion im Parlament die Mehrheit hatten. Und das ist noch nicht alles: Letzten Endes hat die Gewerkschaftsbürokratie in der Labour Party das Sagen. Was auch immer Corbyn tat, musste für die konservativen, pro-kapitalistischen Führer der Gewerkschaften akzeptabel sein. Alles das zusammen ergibt ein klares Bild von der völligen Ohnmacht linker Labour-Politik.
In dieser Situation war es die Aufgabe der Trotzkisten, zu erklären, dass das grundlegende Problem in Corbyns Programm liegt. In „Der Opportunismus und der Zusammenbruch der II. Internationale“ (1916) erklärte Lenin die Kontinuität zwischen dem Programm des Vorkriegs-Reformismus und der offenen Unterstützung für die herrschende Klasse während des Kriegs:
Um das auf die Situation Corbyns anzuwenden, mussten wir erklären, dass Corbyns Unterstützung für den britischen Imperialismus, seine Verteidigung der EU, sein englischer Chauvinismus gegen Schottland und seine Unterstützung für die Lockdowns die direkte Fortsetzung und Umsetzung seines Programms linker Labour-Politik ist. Wenn es hart auf hart kommt, gibt es keinen Mittelweg zwischen einem proletarischen und einem bürgerlichen Programm. Der Imperialismus kann nicht „friedlich“ verwaltet werden, der kapitalistische Staat kann nicht „dem Volk dienen“ und die herrschende Klasse wird sich nicht von der Macht abwählen lassen. Nur ein kommunistisches Programm, das von einer leninistischen Partei erkämpft wird, kann den Weg zur Bekämpfung des kapitalistischen Elends zeigen.
Auf taktischer Ebene hätte die Parteinahme für Corbyn gegen die Blair-Anhänger eine Möglichkeit sein können, den Widerspruch auszunutzen zwischen den Bestrebungen der Massen, die Corbyns Aufstieg vorangetrieben hatten, und seiner völligen Unfähigkeit, diesen Bestrebungen gerecht zu werden. Zwischen der Linken und der Rechten in der Labour Party gibt es keinen grundlegenden programmatischen Unterschied. Nicht Corbyns Programm trieb den Klassenkrieg in der Labour Party voran, sondern die Bestrebungen der Basis, die der Politik der Führung zuwiderliefen. Die Blair-Anhänger waren offene Befürworter einer arbeiterfeindlichen Politik und Hauptziel dieser Wut. Dieser Druck von der Basis hätte dazu führen können, trotz aller Bemühungen Corbyns die Blair-Anhänger hinauszutreiben. Bei einem solchen Ergebnis wäre es klarer geworden, dass das wirkliche Hindernis für die Bestrebungen der Massen nicht der rechte Flügel war, sondern das bürgerliche Programm der Labour Party, einschließlich ihres linken Flügels. Es wäre einfacher gewesen, konkret die Notwendigkeit für eine revolutionäre Partei aufzuzeigen und Labour entlang der Klassenlinien zu polarisieren.
In seinem Beitrag auf einer Sitzung des SL/B-Zentralkomitees im Mai 1981 stellte Genosse Jim Robertson fest, dass in Britannien das politische Leben hinsichtlich der Labour Party zyklisch ist. Mindestens seit 2015 läuft die SL/B ständig der Labour-Linken hinterher und folgt einfach dem Rest der Linken in diesem Kreislauf: Abscheu vor Blair, Begeisterung für Corbyn, zurück zur Abscheu vor Keir Starmer. In letzter Zeit haben ZK-Mitglieder der SL/B genauso wie die übrige reformistische Linke argumentiert, es gebe keine Illusionen in Starmers Labour Party, Keir Starmer verwandele Labour in eine bürgerliche Partei und Labour sei im Grunde genommen durch und durch reaktionär.
Keir Starmer greift jetzt die Linke in der Partei an, um Labours „Respektabilität“ wiederherzustellen, und stützt sich dabei stark auf die Gewerkschaftsbürokratie. Während die Reformisten jammern und sich über Starmer beschweren, unterscheiden sich die Labour-Linken bei der derzeitigen Hauptfrage – der Pandemie – kaum von Starmer und sie unterstützen ganz und gar die verheerende Politik der Bourgeoisie. Zurzeit ist es taktisch durchaus angemessen, auf die Labour Party „mit Steinen zu werfen“, aber unser Feuer muss sich gegen die gesamte Labour Party richten, besonders gegen ihre linken Anhängsel, welche die Glaubwürdigkeit von „linken“ Bürokraten sowohl in der Partei als auch in den Gewerkschaften hochspielen.
IV. Für revolutionäre Opposition gegen britischen Imperialismus!
Spätestens seit der Wahl von Corbyn zum Labour-Führer hat die SL/B durchgehend Corbyns liberales pazifistisches Programm für den britischen Imperialismus sowie die für Labour typische Betrachtungsweise in Fragen der EU übernommen und damit eine alternative Politik des britischen Imperialismus unterstützt. Als Teil der Wiederbewaffnung der SL/B müssen wir diese Kapitulationen zurückweisen und in deutlichem Gegensatz zur „Klein-England“-Politik von Labour für eine proletarische, revolutionäre und internationalistische Opposition gegen den Imperialismus eintreten.
Übernahme von Corbyns pazifistischer Labour-Politik
Im Workers Hammer wurde seit der Ausgabe Nr. 232 durchweg Corbyns Opposition zur NATO, zu den Trident-Raketen, zu britischen und US-amerikanischen Militärinterventionen so dargestellt, als wäre sie eine prinzipienfeste Haltung gegen den Imperialismus und nicht das, was sie wirklich war: Pazifismus von Labour, mit dem eine alternative Politik für die Leitung des britischen Imperialismus unterstützt wird. In Artikeln vom WH wurde Corbyn unkritisch gelobt für seine „langjährige Opposition gegen das von den USA geführte Militärbündnis NATO“ (WH Nr. 232) und dafür, dass er „nicht davon überzeugt [sei], dass Bombardierungen tatsächlich irgendetwas lösen werden“ (WH Nr. 233, Winter 2015/2016), und dass er nicht „in den Krieg ziehen“ wolle (WH Nr. 236). Anstatt die elementare revolutionäre Pflicht zu erfüllen, Corbyns Programm als völlig utopisch und reaktionär zu entlarven – was wesentlich ist bei einer Kampagne der kritischen Unterstützung –, hat die SL/B den Marxismus seines Inhalts entleert, um Corbyns Politik zu unterstützen.
Wenn Corbyns Außenpolitik im WH doch kritisiert wurde, hieß es häufig, Corbyn wolle, dass der britische Imperialismus eine „‚rationalere‘ Strategie“ übernimmt. Aber nie wurde im WH erklärt, was falsch daran ist, sich eine „rationalere Strategie“ des britischen Imperialismus zu wünschen. In anderen Fällen äußerte WH pazifistische Kritik an Corbyn. Im Artikel „Bananen-Monarchie“ (WH Nr. 234, Frühjahr 2016) wurde sein Plan, die Trident-Raketen abzuschaffen, aber die U-Boote ohne Atomsprengköpfe zu behalten, so kritisiert: „Die Arbeiterklasse hat kein Interesse daran, die militärische Stärke oder die Armee des kapitalistischen Britanniens aufrechtzuerhalten“, d. h. Corbyns Abrüstungspolitik geht einfach nicht weit genug und sollte sich auf die gesamten Streitkräfte erstrecken.
Solche Kapitulationen stehen im scharfen Gegensatz zur machtvollen Entlarvung der Außenpolitik der Labour-Linken durch die SL/B in den 1970er- und 1980er-Jahren. Damals schrieben wir:
Zu dieser Zeit entlarvte die SL/B die Außenpolitik der Labour-Linken als pro-imperialistisch, antikommunistisch und den Interessen der Arbeiterklasse völlig entgegengesetzt. Der elementare Punkt, dass Corbyns „atomwaffenfreie“ Politik eine pro-imperialistische Politik war, wurde im WH nicht einmal erwähnt. Stattdessen dienten die oberflächlichen und oft versteckten „Kritikpunkte“ im WH an Corbyns Außenpolitik als linke Abdeckung für die Hauptillusionen, die er und seine Labour-Unterstützer schürten: dass der britische Imperialismus in der Welt als eine Friedensmacht agieren kann und dass wirtschaftliche Plünderungen und Kriege eine Politik der Blair-Anhänger und der Tories sind, was sich ändern ließe, wenn Corbyn in Nr. 10 wäre.
Der Imperialismus ist keine Politik. Er ist das höchste Stadium des Kapitalismus, das durch die Vorherrschaft der Monopole und des Finanzkapitals, durch die zentrale Bedeutung des Kapitalexports bestimmt wird und in dem die Aufteilung der Welt unter den Monopolen und einer Handvoll kapitalistischer Mächte abgeschlossen ist. Bei der Suche nach neuen Investitionen, neuen Märkten und neuen Rohstoffquellen und auch zur Sicherung und Verteidigung seiner bereits vorhandenen tritt das britische Finanzkapital – die City von London, britische Banken, Konzerne und Monopole – in den Kampf um die Neuaufteilung der Welt gegen andere nationalstaatliche Finanzgruppen. Dieser Kampf nimmt abwechselnd „friedliche“ und nicht-friedliche Formen an. Unter dem Imperialismus ist die Regierung der geschäftsführende Ausschuss des Finanzkapitals und der Staat ist dessen bewaffneter Arm. Daher kann der britische Imperialismus nicht auf eine fortschrittliche oder friedliche Weise verwaltet werden, und er kann nichts anderes sein als eine reaktionäre Macht für Plünderung, wirtschaftliche Erstickung und imperialistische Kriege.
Die „friedliche“ und unilaterale Politik von Corbyn und den Labour-Linken steht in der Tradition des „Klein-England“-Sozialismus, bei dem es darum geht, dass ein kapitalistisches Britannien international eine unabhängigere Rolle spielen soll und einige seiner Ausgaben statt für Atomsprengköpfe lieber für Sozialleistungen verwenden soll, d. h. ein alternatives Programm für die Verwaltung des britischen Kapitalismus und dessen Verteidigungshaushalts. So werden die Arbeiter mit der Vorstellung getäuscht, dass Kriege durch eine andere Politik abgeschafft werden können und dass Britannien durch UN-Missionen oder durch „Hilfe“ für ärmere Länder eine friedliche Rolle spielen kann. Damit soll nur der Ausplünderung durch das britische Finanzkapital ein „humanitärer“ Anstrich gegeben werden. Die Außenpolitik der Labour-Linken ist einfach die Fortsetzung ihres innenpolitischen Programms eines „parlamentarischen Sozialismus“ im Ausland, das von der Illusion ausgeht, man könne den kapitalistischen Staat übernehmen und in den Dienst der Arbeiter und Unterdrückten stellen. In Sozialismus und Krieg (1915) erklärte Lenin:
Die frommen Wünsche von Corbyn und den pazifistischen Labour-Linken nach einer nicht aggressiven Außenpolitik dienen als Deckmantel für die Vergewaltigung und ökonomische Ausplünderung von Milliarden Menschen, die die tägliche Realität des Imperialismus in „Friedens“zeiten ist. Die imperialistischen Bourgeoisien brauchen die Armeen ihrer kapitalistischen Nationalstaaten, um ihre Interessen im eigenen Land und im Ausland abzusichern. Das Gerede von dauerhaftem Frieden und Abrüstung ohne eine Reihe siegreicher sozialistischer Revolutionen in den imperialistischen Zentren ist nichts anderes als eine Lüge, um die Arbeiter und Unterdrückten zu täuschen. Die Werbung für Abrüstung und die Verurteilung von Militarismus, Gewalt und Atomwaffen durch die pazifistischen Labour-Unterstützer läuft zwangsläufig darauf hinaus, den imperialistischen Status quo zu verteidigen. Gegen solchen bürgerlichen Betrug schrieb Trotzki im Übergangsprogramm (1938):
Der Pazifismus richtet sein Feuer gegen die arbeitenden Massen und nicht so sehr gegen den bewaffneten Apparat des kapitalistischen Staates; es ist die Gewalt der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker, die die Pazifisten attackieren. Niemals werden sie bei bewaffneten Konflikten eine Seite beziehen für die Niederlage ihrer „eigenen“ imperialistischen Regierung. Den Entwaffneten und Opfern der Gewalt der Bourgeoisie die Gefährlichkeit von Waffen und Gewalt zu predigen ist vom Standpunkt der Arbeiterklasse völlig reaktionär. Dank des Pazifismus von [George] Lansbury, Bevan, [Michael] Foot, Benn, Corbyn & Co. hat Britannien sowohl eine der mächtigsten Armeen der Welt als auch eines der strengsten Waffenkontrollgesetze überhaupt.
Die Abschaffung der Trident-Raketen oder ein Austritt aus der NATO sind für die Bourgeoisie des britischen Imperialismus keine Optionen, über die man auch nur diskutiert. Als niedergehende imperialistische Macht hat der britische Imperialismus seit Ende des Zweiten Weltkriegs keine andere Wahl, als sich auf sein Bündnis mit den USA zu verlassen, um seinen Status aufrechtzuerhalten, und damit die meisten militärischen Auslandseinsätze der USA zu unterstützen. Jeder Premierminister, der eine Politik verfolgt, die Britanniens Auslandsinvestitionen, seine atomare Abschreckung oder seine Ausrichtung auf die USA und die NATO gefährden könnte, würde aller Wahrscheinlichkeit nach durch parlamentarische oder außerparlamentarische Mittel gestürzt werden. Sogar Corbyns zaghaftes Programm, Trident-Raketen abzuschaffen und Britanniens Verpflichtung zur NATO infrage zu stellen, stieß auf die offene Drohung hochrangiger Generäle der britischen Streitkräfte, ihn abzusetzen. Zwar war es notwendig, Corbyn gegen solche Drohungen zu verteidigen, doch im WH wurde dabei im Wesentlichen Corbyns Politik unterstützt.
Die labouristische Opposition der SL/B gegen die EU
Bis zur Pandemie hatte die Frage des Brexits jahrelang die britische Politik dominiert. Die Position der SL/B, beim Brexit-Referendum 2016 für „Austritt“ zu stimmen, war absolut richtig als ein konkreter Ausdruck unserer Opposition zur EU und für Revolutionäre die einzige prinzipienfeste Position. Allerdings basierten die Argumente der SL/B für einen „Austritt“ und gegen die EU nicht auf einer marxistischen Opposition gegen den Imperialismus und alle imperialistischen Bündnisse. Stattdessen lehnte die SL/B die EU auf Basis der „Klein-England“-Politik von Labour ab, d. h. es war eine Opposition zur EU, die sich gegen deren besonders arbeiterfeindliche Politik richtete und für eine alternative Strategie des britischen Imperialismus warb.
Vor mehr als hundert Jahren hat Lenin die marxistische Grundlage definiert, von der aus wir gegen die EU sein müssen:
Lenins Grundprinzip hier ist genau das, was im WH totgeschwiegen und zurückgewiesen wurde: Wir sind gegen die EU, weil wir gegen den Imperialismus sind. Zwar ist es sicherlich richtig, auf die Ausplünderung des europäischen Proletariats hinzuweisen, doch das bestimmende Prinzip für Kommunisten – warum wir sagen, dass wir „aus Prinzip“ gegen die EU sind – beruht nicht auf der jeweiligen Politik der EU, sondern auf der Tatsache, dass die EU ein Bündnis von Imperialisten und ihren Opfern ist, und für Kommunisten ist die Opposition gegen alle imperialistischen Bündnisse eine Frage des Prinzips. Jede Koalition von imperialistischen Mächten ist nur ein Waffenstillstand zwischen Kriegen. „Friedliche“ imperialistische Bündnisse gehen aus Kriegen hervor und bereiten neue vor. Die elementare Aussage, dass wir gegen die EU sind, weil wir gegen den britischen Imperialismus und alle seine Bündnisse sind, erschien nie in den neueren WH-Ausgaben.
Die SL/B erklärte häufig, dass sie „aus Prinzip“ gegen die EU ist, aber das „Prinzip“, auf das sie sich berief, war im Grunde, dass die „Gründungsverpflichtungen“ und die Politik der EU von Anfang an arbeiterfeindlich gewesen sind. Im WH wurde erklärt, dass die EU ein „Feind der Arbeiter und Immigranten“ ist, dass sie „Griechenland erwürgt“ und dass ihre „Freizügigkeit“ eine Lüge ist (WH Nr. 243, Herbst 2018); dass sie „in ganz Europa Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen durchführt“ (WH Nr. 244, Winter 2018/2019); dass sie „auf der Verpflichtung gegründet wurde, verstaatlichte Industrien zu privatisieren und Staatsausgaben für Sozialleistungen zu kürzen“ (WH Nr. 246). Das stimmt zwar alles, ist aber keine prinzipielle revolutionäre Opposition gegen den Imperialismus. Das unterscheidet uns nicht von den Labour-Linken, die allenfalls gegen die EU wegen deren arbeiterfeindlicher Politik sind, aber nicht aus Prinzip gegen imperialistische Bündnisse.
Das Herangehen der SL/B an die EU steht im scharfen Gegensatz zu den Gründungsartikeln unserer Bewegung wie „Labor and the Common Market“ (Workers Vanguard Nr. 15, 15. Januar 1973) und „Britain and the Common Market“ (Workers Vanguard Nr. 71, 20. Juni 1975). Diese beiden Artikel wurden geschrieben, um der bankrotten reformistischen Opposition zur EWG [Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, der Vorläufer der EU] eine leninistische Opposition gegen die EWG und gegen alle imperialistischen Mächte und Bündnisse entgegenzustellen. „Britain and the Common Market“ liest sich gleich am Anfang wie eine Polemik gegen die jüngsten WH-Ausgaben:
Unsere jüngsten Artikel verurteilten die chauvinistische Opposition gegen die EU und lehnten die EU wegen ihrer unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteile für britische Arbeiter ab. Aber darüber hinauszugehen und eine prinzipienfeste Opposition gegen alle imperialistischen Bündnisse aufzuzeigen ist genau das, was im WH nicht getan wurde.
Ein klares Beispiel dafür ist die Tatsache, dass im WH während der ganzen Brexit-Jahre die Opposition zur EU niemals verbunden wurde mit der Opposition zur NATO. Eine zentrale Achse unserer Polemiken in den 1970er-Jahren zielte genau gegen die Weigerung der Labour-Linken und der Gewerkschaftsbürokratie, diese Verbindung zu ziehen. Damals und heute ging die Kampagne der Labour-Linken gegen Britanniens EWG-Mitgliedschaft davon aus, den Rahmen der von den USA gestalteten imperialistischen Kartelle zu akzeptieren, was sich entweder in ihrer Weigerung zeigte, gegen die NATO zu sein, oder in ihrer Unterstützung für alternative „progressive“ imperialistische Bündnisse wie ein „soziales Europa“. In „Britain and the Common Market“ stellten wir fest:
Stattdessen war in jüngeren WH-Ausgaben das Feuer ausschließlich gegen die EU und ihre reaktionäre Politik gerichtet, während die Frage der Opposition gegen alle imperialistischen Bündnisse und der Opposition gegen den britischen Imperialismus totgeschwiegen wurde.
Auf einer nicht-leninistischen Grundlage gegen die EU zu sein ist nicht bloß ein Problem von „falschen Formulierungen“. Es bedeutet, sich an Labour-Politik anzupassen und die Klassenlinie zwischen einer revolutionären Opposition zum Imperialismus und der Unterstützung einer alternativen Politik für den britischen Imperialismus zu eliminieren. Diese Anpassung wird daran deutlich, dass die SL/B Corbyn bei der zweiten Wahl zum Führer der Labour Party „kritische“ Unterstützung gab, direkt nachdem er für das imperialistische Kartell EU die Werbetrommel gerührt hatte. Damals ging WH so weit zu behaupten, dass es für den Kampf gegen den Imperialismus notwendig sei, Corbyn zu unterstützen, um den „kriegshetzerischen Falken der Blair-Anhänger bei der anstehenden Führungswahl“ eine Niederlage beizubringen (WH Nr. 236).
Die Anpassung an die Labour-Politik zeigt sich auch deutlich im Umgang von WH mit der langjährigen Opposition der Labour-Linken gegen die EU. Zwar wurde Corbyn im WH wegen seiner Kampagne für den „Verbleib“ kritisiert, doch häufig wurde unkritisch „seine lebenslange Opposition zum EU-Projekt“ erwähnt (WH Nr. 244). Kein einziges Mal wurde in den späteren WH-Ausgaben erklärt, dass die Opposition der Labour-Linken zur EU immer reformistisch gewesen ist, d. h. auf Nationalismus beruhte und auf Opposition dagegen, dass die EWG staatliche Eingriffe und Sozialpolitik einschränkte. Niemals wurde im WH entlarvt, dass im Zentrum der Feindseligkeit von „Klein England“ gegen die EU schon immer die Vorstellung der Klassenzusammenarbeit stand, dass britische Arbeiter besser dran wären, wenn der britische Imperialismus einen Weg außerhalb des Gemeinsamen Marktes geht.
Ein weiterer Aspekt der Opposition der Labour-Linken zur EU, welcher im WH niemals entlarvt wurde, ist ihr konjunktureller Charakter. Für Hinterbänkler im Parlament, oder wenn Labour in der Opposition ist, war es schon immer recht billig, gegen die EU zu sein. Doch es ist etwas anderes, dies zu tun, wenn man an der Spitze der Labour Party ist, die den britischen Imperialismus verwalten will, d. h. wenn es konkret um Verantwortung geht. Corbyn widerrief seine „lebenslange Opposition“ zur EU, sobald er Labour-Vorsitzender wurde, weil diese Opposition für die Blair-Anhänger eine „rote Linie“ darstellte, die er nicht überschreiten konnte, ohne eine Spaltung zu provozieren. Das ist nichts Neues bei den Labour-Spitzen: Harold Wilson, Labour-Führer in den 1960ern und 1970ern, änderte buchstäblich dreimal seine Position „für“ und „gegen“ die EWG, je nachdem, ob er an der Macht oder in der Opposition war.
Workers Hammer kapitulierte nicht nur vor der Labour-Opposition zur EU, sondern passte sich durch die wiederholte Verwendung der Losung „Für ein Arbeitereuropa!“ auch an den liberalen EU-freundlichen Druck an. Diese Losung wird von allen möglichen Reformisten benutzt, die sowohl gegen als auch für die EU sind, wie die Alliance for Workers’ Liberty oder No2EU. Im allgemeinen Verständnis gibt es keinen Unterschied zwischen einem „sozialen Europa“ oder einem „Arbeitereuropa“, was Illusionen schürt, die EU könnte irgendwie durch Reformen zu einem „progressiveren“ Bündnis werden oder durch ein neues, „arbeiterfreundliches“ imperialistisches Bündnis ersetzt werden. Die Losung „Für ein Arbeitereuropa“ ist eine opportunistische Kapitulation vor diesen Illusionen und wird daher von dieser Konferenz zurückgewiesen.
Diese Konferenz übernimmt die historische Losung der revolutionären Komintern: „Für die Vereinigten Sowjetstaaten von Europa“, der wir hinzufügen sollten: „freiwillig vereinigt“. Diese Losung, die mit einer klaren Opposition gegen die EU verbunden werden sollte, hebt ausdrücklich hervor, dass eine fortschrittliche Vereinigung Europas nur durch eine Reihe von siegreichen sozialistischen Revolutionen erreicht werden kann. Durch die ausdrückliche Erwähnung von Sowjets zieht diese Losung auch eine Linie gegen EU-freundliche Liberale sowie gegen antikommunistische Labour-Unterstützer, die möglicherweise gegen die EU sind. Diese Losung ersetzt nicht unseren historischen Aufruf „Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, freiwillig vereinigt!“ Die beiden Losungen können abwechselnd benutzt werden.
Brexit: Der Wunsch nach einem besseren Deal für den britischen Imperialismus
Die leidenschaftliche Debatte, die jahrelang über den Brexit tobte, spiegelte eine Meinungsverschiedenheit in der britischen Bourgeoisie darüber wider, welcher Weg für die Zukunft des britischen Imperialismus am besten ist. Ein Flügel der Imperialisten wollte weiterhin in der EU bleiben, ein anderer Flügel wollte austreten. Weil die SL/B keine klare Linie gegen den britischen Imperialismus, gegen alle seine Bündnisse und alle Flügel der britischen Imperialisten gezogen hat, stellte sie sich schließlich einfach auf die Seite des Pro-Brexit-Flügels der Bourgeoisie.
Am deutlichsten wird das in dem Artikel „Brexit Now!“ im WH Nr. 245 (Sommer 2019), wo die Ablehnung des Brexits gleichgesetzt wurde mit der Ablehnung des Brexit-Deals der Tories. Die Polemik gegen die Socialist Party in diesem Artikel ist ganz eindeutig:
Das ist eine Polemik von rechts. Hier wird im WH implizit die Position verteidigt, dass Marxisten jeden Brexit-Deal unterstützen müssen, den die Tories im Namen von „Brexit today“ aushandeln, was auf eine politische Unterstützung der Tories hinausläuft.
Diese Unterstützung für einen „harten“ Tory-Brexit gegen Labour und deren Anhänger, die für einen „Verbleib“ eintraten, spiegelte eine Verschiebung in der Gesellschaft wider, besonders bei der Wählerschaft der Labour Party. Da es keinen unabhängigen proletarischen Pol gegen die EU gab, haben 2019 bei den Wahlen über eine Million ehemalige Labour-Wähler (besonders in den „roten Hochburgen“) für die Tories gestimmt, weil sie darin den einzigen Ausweg aus der EU sahen.
Die Socialist Party lag nicht falsch, als sie sagte, dass die Arbeiter an einer „unabhängigen Klassenopposition zum Tory-Brexit, ob ‚weich‘, ‚hart‘ oder ‚kein Deal‘, festhalten“ müssen. Aber sie traten für einen von Corbyn auszuhandelnden „linken Exit“ ein, was auch ein völliger Verrat am Proletariat ist. Aber jeder Brexit-Deal, ob „weich“ oder „hart“, Tory oder Labour, kann nur ein Deal sein, der das Kräfteverhältnis zwischen den Imperialisten widerspiegelt, die Bedingungen für ihren Konkurrenzkampf und ihre Einflusssphären festlegt und ihre jeweiligen Gewinne aus der Ausbeutung des Proletariats in Europa und Britannien aufteilt.
Vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus ist die Unterstützung jeglicher Brexit-Deals völlig reaktionär und pro-imperialistisch. Ebenso reaktionär ist es, Britannien Bedingungen für den sofortigen Austritt aus der EU aufzuerlegen, was einer Ablehnung der bedingungslosen Opposition gegen imperialistische Bündnisse gleichkommt. Gegen die arbeiterfeindlichen Pläne der Tories, gegen den Verrat von Labour und gegen die Pseudo-Sozialisten, die eine alternative Politik für die Unterstützung des britischen Imperialismus propagieren, hätten Revolutionäre offensichtlich ein Programm für proletarischen Klassenkampf aufstellen müssen, um Britannien zu zwingen, die EU jetzt zu verlassen, und um die Regierungskrise über den Brexit zu benutzen, die proletarische Revolution voranzutreiben.
Die Kapitulation der SL/B vor dem Tory-Brexit zeigt auch die Logik, die dem Aufgeben einer proletarischen Opposition gegen den Imperialismus entspringt. In dem Artikel „Brexit Now!“ heißt es: „Die anhaltende Krise der Tory-Regierung hat eine günstige Situation für proletarischen Kampf geschaffen, was auch Britannien aus der EU treiben könnte“ [unsere Hervorhebung]. Die Mobilisierung der Arbeiter im Kampf gegen die britische Bourgeoisie und alle ihre imperialistischen Bündnisse wird im WH als eine abstrakte Hypothese dargestellt. Aber gerade das stellte sich für Revolutionäre als die dringende Aufgabe!
Wir hätten dafür kämpfen sollen, die Schulden der unterdrückten Länder zu streichen, Privatisierungen rückgängig zu machen, alle gewerkschaftsfeindlichen Gesetze zu zerreißen, und für gute, ausreichende Renten ab einem angemessenen Alter, um gegen die Zerstörung der Rentensysteme in ganz Europa vorzugehen usw. Bei allen diesen Fragen hat die britische Bourgeoisie Hand in Hand mit der EU zusammengearbeitet. Eine solche Perspektive, verknüpft mit den Forderungen nach einer Arbeiterregierung und den Vereinigten Sowjetstaaten von Europa, freiwillig vereinigt, hätte die Verbindung hergestellt zwischen den unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnissen der Arbeiter – in Britannien und in ganz Europa – und der dringenden Notwendigkeit eines Kampfes gegen den Imperialismus. Auch wenn Britannien inzwischen formal nicht mehr in der EU ist, wird eine solche revolutionäre Perspektive immer noch dringend gebraucht.
V. Ein typisch britischer Reformismus
Parlamentarischer Sozialismus
Ein zentraler Aspekt von der Kapitulation der SL/B vor Corbyn war das Versöhnlertum gegenüber seinem reformistischen Programm des parlamentarischen Sozialismus. Die Hauptkritik an Corbyn bestand darin: „Zwar sind die von der Corbyn-Kampagne aufgestellten Forderungen unterstützenswert, können aber durch den Parlamentarismus von Old Labour nicht erreicht werden“ (WH Nr. 232). Dies stellt den Unterschied zwischen Reform und Revolution als eine bloße Differenz über die Mittel dar, das gleiche Ziel zu erreichen. Im Workers Hammer wurde nie klar gemacht, dass Corbyns Programm nicht nur unklug oder falsch war, sondern ein pro-kapitalistisches Programm, das dazu dient, die Arbeiterklasse zu betrügen und die bürgerliche Klassenherrschaft aufrechtzuerhalten. So erklärte Rosa Luxemburg:
Die größte Illusion über Jeremy Corbyn war, dass er nach seiner Wahl zum Premierminister wichtige Reformen im Interesse der Arbeiterklasse einführen würde. Die pseudo-marxistische Linke propagierte, dass Corbyns Wahl zwar wahrscheinlich nicht sofort zum Sozialismus führen würde, er aber unter Druck gesetzt werden könnte, Labour in eine „echte sozialistische Partei“ zu verwandeln und „sozialistische Politik“ zu machen. Dem entgegen bestand die Aufgabe von Revolutionären darin, zu entlarven, dass Corbyns pro-kapitalistisches Programm, egal wie viel Druck ausgeübt wird, ihn zwangsläufig dazu bringen würde, nach der Pfeife der Kapitalisten zu tanzen und die Interessen der Arbeiterklasse zu verraten. Dieser grundlegende Punkt kam im WH nie vor. Das Ziel der Taktik einer kritischen Unterstützung besteht genau darin, die Richtigkeit des bolschewistischen Programms dadurch zu beweisen, dass man jederzeit warnt „vor den unvermeidlichen Verrätereien und unser Programm für proletarische Macht dem entgegenstellt“ („Revolutionaries and the Labour Party“). Doch im WH wurden die Verbrechen „aller früheren Labour-Regierungen“ zwar erwähnt, aber immer wurde die Tür offen gelassen für die Illusion, dass es unter Jeremy anders sein könnte.
Der kapitalistische Staat besteht aus besonderen Formationen bewaffneter Menschen, deren Zweck es ist, mit Gewalt die Vorherrschaft der Bourgeoisie über das Proletariat zu verteidigen. Der kapitalistische Staat in Britannien – seine Polizei, seine Armee, seine Gefängnisse und seine Gerichte – kann nur dazu eingesetzt werden, die Interessen des britischen Finanzkapitals zu verteidigen: seine Profite zu steigern, seine Grenzen zu verteidigen, seine Auslandsinteressen zu sichern, Streiks zu unterdrücken und die Unterdrückten gegeneinander auszuspielen. Das notwendige leninistische Argument, dass man gegen Corbyn und seine linken Claquere vorbringen muss, ist das folgende: Egal wie „links“ das Wahlprogramm einer Arbeiterpartei ist, die durch Wahlen an die Regierung des kapitalistischen Staates kommt, ist diese Regierung keine Arbeiterregierung. Es handelt sich um eine Arbeiterpartei, die die Diktatur der Bourgeoisie verwaltet und daher zwangsläufig die Arbeiterklasse angreifen und die Bourgeoisie verteidigen wird. Dass dieses grundlegende Argument im WH nie gemacht wurde, war eine Kapitulation vor der Labour Party und ihrer Politik des kleineren Übels; stattdessen wurde die Labour Party dafür kritisiert, dass sie nicht genug für Reformen sorgt und den Kampf für solche Reformen „eindämmt“. Die Behauptungen in der Zeitung, dass es „unmöglich“ und eine „Niederlagenstrategie“ sei, den kapitalistischen Staat im Interesse der Arbeiterklasse zu regieren, sind Augenwischerei, um die Illusion zu verbreiten, die Labour Party könne, wenn sie den kapitalistischen Staat regiert, durch Druck dazu gebracht werden, die Interessen der Arbeiterklasse voranbringen.
Hinweise im WH auf Marx, „die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen“ (Der Bürgerkrieg in Frankreich, 1871), werden dadurch hinfällig, dass sich die ganze Propaganda der SL/B in dem Rahmen bewegte, Illusionen in Corbyn als kleineres Übel zu fördern. Der einzige Grund, warum Marxisten, es vorziehen würden, dass eine linke Labour-Regierung den kapitalistischen Staat regiert, ist, dass dies eine Gelegenheit wäre, den Bankrott des parlamentarischen Reformismus zu entlarven.
Die Hauptillusion der reformistischen Linken in Britannien ist, man könne über das Parlament friedlich zum Sozialismus kommen. In der ersten Zeit nach Corbyns Wahl zum Vorsitzenden war die Reaktion vom WH auf diese Illusionen eine rein liberale Kritik an der bürgerlichen Demokratie:
In jüngerer Zeit hat die Propaganda der SL/B diesen Liberalismus verschleiert mit Erklärungen darüber, „die Macht der Bourgeoisie zu brechen“, und über die Notwendigkeit, „den Unterdrückungsapparat des kapitalistischen Staates wegzufegen und einen Arbeiterstaat zu errichten“ (WH Nr. 246). Doch an keiner Stelle wurde im WH der grundlegendste marxistische Punkt gemacht, dass die Bourgeoisie sich nicht friedlich von der Macht abwählen lassen wird. So erklärte Trotzki: „Die allergrößte Arbeitermehrheit im Parlament kann aber andererseits zunichte gemacht werden, wenn die bewaffnete Macht sich in den Händen der Bourgeoisie befindet. Wer das nicht begreift, ist kein Sozialist, sondern ein Tölpel“ (25. Dezember 1925). Gegen das reformistische Programm für eine Labour-Mehrheit im Parlament kämpfen Kommunisten für eine Arbeiterregierung, die sich auf Sowjets stützt, d. h. auf das als herrschende Klasse organisierte bewaffnete Proletariat.
Durch die gesamte jüngste WH-Propaganda, von den liberalsten zu den zentristischsten Äußerungen, zieht sich ein roter Faden hindurch: totzuschweigen, dass die Bourgeoisie Gewalt anwenden wird, um ihre Klassenherrschaft zu verteidigen, und dass die Arbeiterklasse Gewalt anwenden muss, um sich zu verteidigen und ihre eigene Herrschaft zu errichten. In Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky (1918) erklärte Lenin:
Im WH wurde wiederholt erklärt, dass das parlamentarische System eine demokratische Fassade für die Diktatur der Kapitalistenklasse ist und dass ein Arbeiterstaat auf der Grundlage von Sowjetdemokratie notwendig ist. Doch nur ein Artikel – bei dem es nicht um Corbyn geht („Britain’s prison hell“, WH Nr. 244) – erklärt den wesentlichen Grund, warum für die Revolution die Errichtung eines Arbeiterstaates notwendig ist: um den Widerstand der Bourgeoisie zu unterdrücken. Wenn man die entscheidenden programmatischen Punkte weglässt, dass die Bourgeoisie sich nicht friedlich von der Macht abwählen lässt und dass der Zweck eines Arbeiterstaats darin besteht, den Widerstand der Bourgeoisie zu brechen, dann entlarvt man nicht die Illusionen in einen friedlichen Weg zum Sozialismus über das Parlament, sondern man kapituliert in Wirklichkeit vor ihnen.
Gewerkschaftsreformismus
Die Kapitulation der SL/B vor dem parlamentarischen Sozialismus und der Labour-Linken mit ihrer Politik des kleineren Übels ging zwangsläufig einher mit der Kapitulation vor dem klassisch britischen reformistischen Programm, durch Gewerkschaftsmilitanz Druck auf die Labour Party auszuüben. Im WH wurde die aktuelle Führung der Gewerkschaften dafür kritisiert, „jahrzehntelang Streiks isoliert und im Zaum gehalten [zu haben], während sie die Wut der Arbeiter auf Illusionen in die EU und auf die Niederlagenstrategie der Wahl einer Labour-Regierung lenkte“ (WH Nr. 246), dass sie die Kämpfe „auf Demonstrationen und örtlich wie zeitlich begrenzte Streiks beschränkt“ hielt (WH Nr. 242) und Illusionen in einen „Klassenfrieden mit den Bossen“ verbreitete (WH Nr. 238). Doch zu keiner dieser Fragen stellte WH dem ein Programm entgegen, das von den marxistischen Grundsätzen zum Staat, zum Imperialismus und zur Klassenunabhängigkeit ausgeht, sondern vertrat einfach ein militanteres Gewerkschaftertum.
Einfach gesagt wurde im WH der Aufbau einer revolutionären Opposition innerhalb der Gewerkschaften fallengelassen, eine für die Spaltung der Labour Party notwendige Aufgabe, wie in „Revolutionaries and the Labour Party“ dargelegt wurde: „Angesichts ihrer organischen Verankerung in den Gewerkschaften kann Labour letzten Endes ohne einen erfolgreichen politischen Kampf gegen die pro-kapitalistische Gewerkschaftsbürokratie nicht gespalten werden.“
Aufgrund von Deindustrialisierung, kapitalistischen Angriffen und jahrzehntelangem Verrat durch die Gewerkschaftsführung ist die britische Arbeiterklasse geschwächt und demoralisiert. In diesem Zusammenhang reduzierte die SL/B ihre Perspektive gegenüber den Gewerkschaften darauf, einfach für mehr Gewerkschaftskämpfe einzutreten. In Was tun? (1902) wies Lenin darauf hin, dass man kein Kommunist sein muss, um für militantere ökonomische Kämpfe einzutreten – „dem eigentlichen ökonomischen Kampf politischen Charakter“ zu verleihen. Es kommt entscheidend darauf an, den Kampf für die unmittelbarsten ökonomischen Bedürfnisse der Arbeiterklasse mit der Notwendigkeit des Sturzes der kapitalistischen Klassenherrschaft zu verbinden. So erklärte Lenin:
Die reaktionäre Periode nach dem Ende der Sowjetunion und das niedrige Klassenkampfniveau in Britannien ändern nicht die grundlegenden Aufgaben von Kommunisten hinsichtlich der Gewerkschaften.
Nur Führungen in den Gewerkschaften, die auf einem revolutionären Programm aufgebaut werden, können die engen spezifischen Interessen eines bestimmten Wirtschaftszweigs, einer Gewerkschaft oder eines Landes überwinden und die Kämpfe führen, welche die Interessen der gesamten Arbeiterklasse voranbringen. Dazu muss das Programm von Klassenzusammenarbeit der gegenwärtigen Führung der Gewerkschaften entlarvt werden und auch die militantere Version des gleichen Programms, das von der reformistischen Linken propagiert wird. Ein auf gewerkschaftliche Forderungen begrenztes Programm, egal wie „militant“ es ist, geht davon aus, die kapitalistische Klassenherrschaft aufrechtzuerhalten, und ist daher zwangsläufig reformistisch mit dem einzigen Ziel, „günstige Bedingungen des Verkaufs ihrer Arbeitskraft“ auszuhandeln. Außerdem gilt in der Epoche des imperialistischen Niedergangs, wie Trotzki erklärte:
Opposition zur Gewerkschaftsbürokratie, die sich allein gegen deren fehlende Militanz richtet, verwischt die grundlegende Trennlinie zwischen revolutionärer und reformistischer Politik und führt damit unweigerlich zu einem politischen Block mit dem einen oder anderen Flügel der Gewerkschaftsbürokratie. Eine solche Opposition bricht sofort zusammen, wenn die Gewerkschaftsführer militante Aktionen anführen – wozu sie genötigt sein werden, wie der britische Bergarbeiterstreik 1984/85 zeigte. Die Gewerkschaftsbürokratie kann zum Kampf gedrängt werden, doch kein noch so starker Druck kann ihr pro-kapitalistisches Programm und ihre reaktionäre Rolle als Agenten der Bourgeoisie in der Arbeiterklasse ändern. Gegen das reformistische Programm, auf die bestehende Führung der Gewerkschaften Druck auszuüben, kämpfen Trotzkisten dafür, sie durch eine revolutionäre Führung zu ersetzen. Unsere Perspektive dafür ist der Aufbau von Fraktionen auf der Grundlage des vollständigen Übergangsprogramms, wozu auch die Forderung nach einer Arbeiterregierung gehört.
Minimal-Maximal-Programm: Zerstörung der Brücke
Revolutionäre müssen konkret zeigen, dass die Erfüllung der Bedürfnisse der Werktätigen nur durch den Sturz der Bourgeoisie möglich ist, und müssen die Betrügereien durch Reformisten entlarven, die das Gegenteil behaupten. Die SL/B hat beides nicht getan und manchmal ausdrücklich die Ansicht propagiert, dass der niedergehende Kapitalismus eine anständige Gesundheitsversorgung bieten und die Bedürfnisse der Arbeiter erfüllen kann, wenn genug Druck ausgeübt wird. Der Artikel „Kapitalismus: Gefahr für deine Gesundheit“ (WH Nr. 242) ist ein besonders deutliches Beispiel für den Reformismus der SL/B:
Die Arbeiter können im Kapitalismus Teilerfolge und umkehrbare Errungenschaften erzielen. Doch „die Erfüllung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung“ hat nichts damit zu tun, auf die herrschende Klasse des niedergehenden britischen Kapitalismus Druck auszuüben, damit sie mehr Geld in das Gesundheitssystem hineinpumpt, sondern erfordert eine proletarische Revolution.
Ein scharfer Klassenkampf könnte die Bourgeoisie davon überzeugen, mehr in öffentliche Einrichtungen zu investieren. Wie jede herrschende Klasse, die mit Arbeiterunruhen konfrontiert ist, kann sie unter Druck auf Zugeständnisse zurückgreifen als das „kleinere Übel“ im Vergleich zur sozialen Revolution. In Lehren des Oktober (1924) erklärte Trotzki die Haltung von Revolutionären zum Druckausüben auf die Bourgeoisie:
Das Problem mit der jüngsten Propaganda der SL/B, genau wie der reformistischen Linken in Britannien, besteht darin, dass sie einzig und allein dafür eintritt, auf die Bourgeoisie Druck auszuüben, um solche Zugeständnisse zu erkämpfen. Damit wird das Übergangsprogramm abgelehnt und das Minimalprogramm der Zweiten Internationale übernommen.
Wenn im WH Sozialismus (das Maximalprogramm) erwähnt wurde, dann entweder um diesen als eine abstrakte und ferne Perspektive darzustellen oder um offen vor dem „parlamentarisch-sozialistischen“ Programm der britischen Linken zu kapitulieren. Zum Beispiel in dem Artikel „Kapitalismus: Gefahr für deine Gesundheit“:
Hier wird die Enteignung der Bourgeoisie als ein allmählicher Prozess dargestellt. Das widerspiegelt das Programm des britischen Reformismus: Sozialismus durch schrittweise Verstaatlichungen der „Kommandohöhen der Wirtschaft“ durch das Parlament Ihrer Majestät. Revolutionäre sind nicht dagegen, die Enteignung bestimmter Industriezweige zu fordern. Doch dabei, wie Trotzki im Übergangsprogramm erklärte, 1.) lehnen wir eine Entschädigung ab; 2.) entlarven wir gleichzeitig die Reformisten und Labour-Unterstützer, die behaupten, für die Verstaatlichung der Wirtschaft zu sein, aber in Wirklichkeit Verteidiger der kapitalistischen Herrschaft sind; 3.) verlassen wir uns nicht auf die Erlangung einer Mehrheit in der bürgerlichen Schwatzbude Westminster, sondern auf die revolutionäre Mobilisierung des Proletariats; 4.) verbinden wir die Frage der Enteignungen mit der Frage der Machteroberung durch die Arbeiter.
Gegen das Minimalprogramm, das die Ziele und Aktivitäten der Arbeiterklasse darauf beschränkt, Reformen zu erzielen, hat die Dritte Internationale (Komintern) bei ihrer Gründung entscheidend mit der Trennung in ein Minimal-und Maximal-Programm gebrochen und der kommunistischen Avantgarde die Aufgabe gestellt, für den Sturz der Kapitalistenklasse zu kämpfen durch die Mobilisierung des Proletariats für seine grundlegendsten Interessen. Übergangsforderungen müssen als Werkzeuge benutzt werden, um die Arbeiterklasse im revolutionären Kampf zu mobilisieren, den Bankrott der Sozialdemokratie zu entlarven und die Notwendigkeit einer Arbeiterrevolution zu begründen. In dieser Kontinuität, gegen die stalinisierte Komintern, steht das Übergangsprogramm der Vierten Internationale.
Die Ersetzung des Übergangsprogramms durch das Minimal-Maximal-Programm, wie es die SL/B tat, ist der Wesenskern des Reformismus. In der Epoche des imperialistischen Niedergangs, wo von systematischen Sozialreformen oder der Hebung des Lebensstandards der Massen keine Rede sein kann, ist es nicht nur unmöglich, sondern sogar reaktionär, ein Programm zur Erfüllung der dringenden Bedürfnisse der Massen aufzustellen, das vom Kampf für die Diktatur des Proletariats getrennt wird. Die SL/B wurde zur Verteidigung des Übergangsprogramms gegründet, gegen dessen opportunistische Entstellung durch die WSL und die übrigen Pseudo-Trotzkisten in Britannien. Es ist lebenswichtig, diese programmatische Kontinuität zu verteidigen und zurückzuerobern.