Documents in: Bahasa Indonesia Deutsch Español Français Italiano Japanese Polski Português Russian Chinese Tagalog
International Communist League
Home Spartacist, theoretical and documentary repository of the ICL, incorporating Women & Revolution Workers Vanguard, biweekly organ of the Spartacist League/U.S. Periodicals and directory of the sections of the ICL ICL Declaration of Principles in multiple languages Other literature of the ICL ICL events

Abonniert Spartakist, Zeitung der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands

Archiv

Druckversion dieses Artikels

Spartakist Nummer 166

Frühjahr 2007

Vereint in Protektionismus und Antikommunismus:

WASG fusioniert mit PDS

Die SPD reagiert empfindlich auf die Fusion, die die SPD-Abspaltung WASG und die PDS nicht überraschend auf ihren Parteitagen am 24./25. März beschlossen. Der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil wetterte gegen Lafontaine und machte „demokratiefeindliche und populistische Tendenzen“ in der WASG aus. Hintergrund ist das sehr angespannte Verhältnis der SPD zu den Gewerkschaften. So warnte Ottmar Schreiner von der SPD-Linken, dass die SPD nicht nur „heimatlos gewordene Unterschichten“ an die PDS/WASG verlieren könnte, also Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, die durch Hartz IV und Agenda 2010 der früheren SPD/Grünen-Regierung verelenden. Betroffen seien vielmehr auch Teile der strategischen Basis der SPD in den Gewerkschaften: „Bleibt das Verhältnis zwischen der SPD und den Gewerkschaften so angespannt wie derzeit, drohen den Sozialdemokraten womöglich auch Vertrauensverluste bei den mittleren Arbeitnehmer-Schichten. Da gibt es vor allem wegen der Rente mit 67 viel Enttäuschung über die SPD“ (Kölner Stadt-Anzeiger, 25. März). Wie verhasst die SPD aufgrund der Angriffe der SPD/CDU-Regierung auf die Arbeiter ist, kann man daran ermessen, dass der bayerische DGB-Landesvorsitzende Fritz Schösser drei SPD-Bundestagsabgeordnete, die auf der 1.-Mai-Kundgebung reden sollten, ausgeladen hat, ein bis dato undenkbarer Vorgang.

Die WASG wurde 2003 von mittleren Gewerkschaftsbürokraten, fast allesamt jahrzehntelange SPD-Mitglieder, aufgrund der zunehmenden Wut in der Arbeiterklasse über die Angriffe der SPD-geführten Regierung gegründet. Während die WASG Arbeiter anzieht, die nach einer Alternative zur SPD suchen, ist sie grundlegend genauso wie die SPD darauf ausgerichtet, den Kapitalismus zu verwalten. Man sieht bei den Kämpfen um Airbus (siehe unsere gemeinsame internationale Erklärung auf Seite 1), wie ihr protektionistisches Programm eine Sackgasse ist, entgegengesetzt zum revolutionären Klassenkampf für eine sozialistische Zukunft. Die WASG ist geprägt von der Ideologie vom „Tod des Kommunismus“, mit der die Bourgeoisie ihre Angriffe auf den so genannten „Sozialstaat“, neokoloniale Kriege und andere Schweinereien seit der Zerstörung der Sowjetunion begleitet. Sie wollen die SPD von Willy Brandt wiederhaben und zurück zum „Sozialstaat“ und zur damit verbundenen Klassenzusammenarbeit.

Gleichzeitig ist die Entstehung der WASG als linke Abspaltung von der SPD direkt ein Ergebnis der zunehmenden Angriffe der Bourgeoisie auf Errungenschaften der Arbeiter, die wiederum eine Folge der Konterrevolutionen 1990–92 in der DDR, Osteuropa und der Sowjetunion sind. Sowohl die WASG als auch die SPD und die Linkspartei.PDS sind bürgerliche Arbeiterparteien, d.h. sie haben aufgrund ihrer organischen Verbindung mit den Gewerkschaften eine Arbeiterbasis, aber ihre Führung und ihr Programm sind völlig prokapitalistisch. Als Revolutionäre haben wir die strategische Perspektive, die proletarische Basis dieser Parteien gegen ihre bürgerlichen Spitzen zu stellen. Wir kämpfen darum, sie vom Reformismus zu brechen und für proletarische Revolution zu gewinnen. Schlüssel dafür ist es, einen politischen Kampf gegen den sozialdemokratischen Antikommunismus zu führen, den die eine wie die andere reformistische Partei unter den Arbeitern auf verschiedene Art und Weise schürt.

Insgesamt sind die WASG und die neue Partei, die durch ihre Fusion mit der PDS entstehen wird, ein Hindernis auf dem Weg zur sozialistischen Revolution. Ihr Programm ist im Kern die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung, ausgedrückt in ihrem Eintreten für Protektionismus (also nationalistische Maßnahmen, um die deutsche Wirtschaft gegen die Einmischung durch ausländische Kapitalisten zu schützen), in ihrer Unterstützung für Konterrevolution in den deformierten Arbeiterstaaten China, Kuba, Nordkorea und Vietnam sowie in ihren Vorschlägen für eine Alternativstrategie für den deutschen Imperialismus, d.h. für eine strategische imperialistische Allianz zwischen Frankreich, Deutschland und Russland, um den Einfluss des US-Imperialismus aus Europa zurückzudrängen. Weit davon entfernt, ein Mittel für den Kampf für Sozialismus zu sein, strebt die WASG in Wirklichkeit danach, den deutschen Imperialismus gemeinsam mit der SPD zu verwalten.

DDR und Sowjetunion waren Errungenschaften der internationalen Arbeiterklasse

Aufgrund der Konterrevolution in der Sowjetunion identifiziert heute die große Mehrheit der Arbeiter ihre Kämpfe nicht mehr mit dem Streben nach Sozialismus, wie sie ihn verstehen. Die „gute alte“ SPD, die das Ideal der WASG ist, trägt einen Großteil der Verantwortung dafür. SPD und WASG feiern den angeblichen „Tod des Kommunismus“ und schüren unter Arbeitern den Irrglauben, dass die Konterrevolution die Unterlegenheit der Planwirtschaft gegenüber der „sozialen“, d.h. kapitalistischen, Marktwirtschaft bewiesen hätte. Tatsächlich wird jeden Tag seit der Konterrevolution deutlicher, dass die Kapitalisten sich nur ein „soziales“ Mäntelchen gaben, um mit den sozialen Errungenschaften der Planwirtschaft von DDR und Sowjetunion zu konkurrieren und diese zu zerstören. Das unterstreicht, wie sehr es im Interesse der Arbeiterklasse war, diese Staaten gegen Bourgeoisie und Konterrevolution zu verteidigen.

Die DDR verdankte ihre Existenz dem heldenhaften Sieg der Roten Armee über das Dritte Reich der deutschen Bourgeoisie. Dieser Sieg, errungen trotz des Verrats durch Stalins Bürokratie, kostete die Sowjetunion fast 30 Millionen Tote. Es ist ein klarer Beweis für die enorme Macht einer geplanten Wirtschaft, dass trotz Hindernissen wie der Massenabwerbung von Facharbeitern und Akademikern durch den Westen bis 1961 die DDR in der Lage war, auf ihrem Drittel des vom Krieg verwüsteten Deutschlands eine Wirtschaft aufzubauen, die jeden Bürger mit einem Job, sozialer Sicherheit, kostenloser Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung sowie großzügig subventionierten Lebensmitteln, Kleidung und Wohnungen versorgte. Durch das vom Marshall-Plan aufgepäppelte Westdeutschland war die DDR mit einem der stärksten imperialistischen Staaten konfrontiert. Die SPD wurde mit Hilfe des US-Imperialismus als antikommunistisches Bollwerk in der Arbeiterklasse wieder aufgebaut.

Die DDR wurde nach dem Modell der stalinistisch degenerierten Sowjetunion aufgebaut. Die von Lenins und Trotzkis bolschewistischer Partei geführte Oktoberrevolution von 1917 war das prägende Ereignis des 20. Jahrhunderts. Sie beendete Russlands Beteiligung am blutigen interimperialistischen Ersten Weltkrieg (den die SPD wie die anderen Führer der Zweiten Internationale verräterisch unterstützt hatte). Sie war ein Leuchtfeuer der Befreiung für die Arbeiter und Unterdrückten weltweit. Als Reaktion auf die Revolution isolierten die Imperialisten den jungen Arbeiterstaat und versuchten ihn auszubluten, indem sie auf Seiten der konterrevolutionären Weißen Armeen im Bürgerkrieg 1918–21 intervenierten. Angesichts von anhaltender Isolation und Rückständigkeit des jungen Arbeiterstaates riss eine Bürokratie unter Führung von Stalin Ende 1923/Anfang 1924 die politische Macht in einer politischen Konterrevolution an sich. Ihr antirevolutionärer nationalistischer Konservatismus wurde durch das 1924 von Stalin verkündete Programm des „Aufbaus des Sozialismus in einem Land“ zum Ausdruck gebracht, eine reaktionäre Utopie. In der DDR hieß dies konkret, Sozialismus in einem Drittel eines Landes aufbauen zu wollen. Ulbricht und Honecker predigten die friedliche Koexistenz mit dem westdeutschen Imperialismus und wiesen jede Möglichkeit, die westdeutsche Arbeiterklasse zur sozialistischen Revolution zu mobilisieren, von sich. In seiner Einleitung zur deutschen Ausgabe der Permanenten Revolution schrieb Trotzki 1930 zur Widerlegung des stalinistischen Dogmas vom „Aufbau des Sozialismus in einem Land“:

„Die Produktivkräfte der kapitalistischen Gesellschaft sind längst über die nationalen Grenzen hinausgewachsen. Der imperialistische Krieg war eine der Äußerungen dieser Tatsache. Die sozialistische Gesellschaft muß in produktionstechnischer Hinsicht im Vergleich zu der kapitalistischen Gesellschaft ein höheres Stadium darstellen. Sich das Ziel zu stecken, eine national isolierte sozialistische Gesellschaft aufzubauen, bedeutet, trotz aller vorübergehenden Erfolge, die Produktivkräfte, sogar im Vergleich zum Kapitalismus, zurückzerren zu wollen.“

Die nationalistische stalinistische Bürokratie war inhärent unfähig, eine Planwirtschaft mit hoher Produktivität und Qualität zu führen. Trotzki hatte schon 1936 in Die verratene Revolution die Notwendigkeit einer proletarisch-politischen Revolution – Sturz der stalinistischen Bürokratie und Errichtung von Arbeiterrätedemokratie – zur Überlebensfrage für Planwirtschaft und Arbeiterstaat erklärt:

„In einer nationalisierten Wirtschaft setzt Qualität Demokratie für Erzeuger und Verbraucher, Kritik- und Initiativfreiheit voraus, d.h. Bedingungen, die mit einem totalitären Regime von Angst, Lüge und Kriecherei unvereinbar sind… Die Sowjetdemokratie ist keine Forderung der abstrakten Politik, und erst recht nicht der Moral. Sie ist für das Land zu einer Frage von Leben und Tod geworden.“

Dabei musste jeder Kampf für proletarisch-politische Revolution auf der bedingungslosen militärischen Verteidigung des Arbeiterstaats gegen Imperialismus und innere Konterrevolution basieren.

DDR 1989/90: Politische Revolution versus Konterrevolution

Lafontaine hat heute eine gewisse Autorität im Osten und unter Arbeitern im Westen, weil er als Kritiker der Wiedervereinigung gesehen wird. Er trat 1989 dafür ein, dass die SPD den 10-Punkte-Plan des damaligen christdemokratischen Bundeskanzlers Helmut Kohl vom Dezember 1989 zur Wiedervereinigung ablehnt. Gegen eine schnelle deutsche Vereinigung und „nationale Besoffenheit“ trat er für eine schrittweise Wiedervereinigung über eine Zwei-Staaten-Lösung ein, im Namen des „Internationalismus“ und eines „gemeinsamen Europas“. Damit meinte er die imperialistische Zusammenarbeit Deutschlands mit Frankreich, um den Einfluss des US-Imperialismus in Europa zurückzudrängen und ein deutsch-französisch dominiertes kapitalistisches Europa zu schaffen.

Tatsächlich ist Lafontaine die Personifizierung dessen, was wir über die Rolle der SPD als Trojanischem Pferd der Konterrevolution schrieben. Er hatte nur Differenzen über das Tempo der Wiedervereinigung und bot der Arbeiterklasse nur einen anderen Weg zu einer Restauration des Kapitalismus als den von Helmut Kohl. Lafontaines Position ging von den Interessen des deutschem Imperialismus aus: Er warnte, dass eine schnelle Wiedervereinigung den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft bedeuten würde, was die Sozialsysteme und den Klassenfrieden im Westen gefährden würde. Deswegen forderte er auch Einwanderungsrestriktionen gegen ostdeutsche Flüchtlinge, um westdeutsche Jobs gegen sie zu verteidigen.

Heute sagen die Bourgeoisie und ihre Handlanger von der Sozialdemokratie, dass alle die Konterrevolution wollten. Aber im Herbst 1989 entwickelte sich eine politisch-proletarische Revolution, in die wir mit allen Kräften unserer Internationale intervenierten. Wir verteidigten die DDR bedingungslos gegen die Gefahr der kapitalistischen Konterrevolution. Unsere Perspektive war die revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands durch proletarisch-politische Revolution in der DDR zum Sturz der stalinistischen Bürokratie und soziale Revolution in Westdeutschland zum Sturz der Bourgeoisie für ein rotes Rätedeutschland. Dazu riefen wir zu einer neuen leninistisch-egalitären Partei auf, die für die Herrschaft von Arbeiter- und Soldatenräten kämpft. Die Resonanz unseres Programms war enorm. Unsere Zeitung wurde uns förmlich aus den Händen gerissen und innerhalb unserer Intervention von Anfang November 1989 bis März 1990 verkauften wir weit über eine Million Stück Propaganda. Zur brennenden Frage der Krise der DDR-Wirtschaft schlugen wir ein Programm vor, wie die Planwirtschaft erhalten und revitalisiert werden soll. Bei einem prosowjetischen Massenprotest von 250000 gegen die Schändung des Treptower Ehrenmals am 3. Januar 1990 sagte die Sprecherin der Trotzkistischen Liga Deutschlands (TLD, Vorläuferorganisation der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands) Renate Dahlhaus:

„Unsere Wirtschaft leidet unter Verschwendung und Veralterung. Die Diktatur der SED-Partei hat gezeigt, daß sie untauglich ist, dagegen anzugehen. Ostdeutschland braucht dringend ausgewählte ... (Zwischenrufe) Genossen, lernt zuzuhören, lernt, was Einheitsfront bedeutet. Was dringend benötigt wird, ist ausgewählte Modernisierung der bereits bestehenden Industrie. Hier bei uns in der DDR ist es noch anders als in den Ländern, in den anderen sozialistischen Ländern, die Stalins Konzept des Aufbaus des Sozialismus in einem Lande haben und zeigen, dass dieses eine durchsichtige Dummheit ist. Wir stehen vor der schweren Wahl, wir müssen wissen um die Gefahr, unter die Gewalt des Weltmarktes zu kommen.

Genossen, gegen den Ausverkauf der DDR zu kämpfen, heißt sich klar zu werden, dass man nicht unter die Gewalt des Weltmarktes, der kontrolliert wird von den Imperialisten und der Deutschen Bank, geraten soll. Das Mittel, um die DDR auszuverkaufen, ist die Sozialdemokratie, das sollten wir besser wissen.“

Der Treptower Protest wurde von uns Spartakisten initiiert, als Nazis Ende Dezember 1989 das sowjetische Ehrenmal in Berlin-Treptow schändeten. Wir verteilten weit über hunderttausend Flugblätter vor Berliner Betrieben. Arbeiter des VEB Narva, Mitglieder der Betriebskampfgruppen und der SED-Betriebsgruppe, die mit uns diskutierten, brachten einen gemeinsamen Aufruf mit uns gegen den Ausverkauf ihres Betriebes heraus und mobilisierten auch für Treptow. Unser Brief an B.W. Snetkow, den Kommandanten der sowjetischen Streitkräfte in der DDR, in dem wir zu Einheitsfrontaktionen gegen die Nazis aufriefen, wurde begierig von sowjetischen Soldaten aufgenommen. Inspiriert von unserer Propaganda hatten sich in der Nationalen Volksarmee (NVA) Soldatenräte gegründet. In der Nacht vom 31. Dezember zum 1. Januar war es zur Meuterei in der Beelitzer Kaserne der NVA gekommen, die sich wie ein Lauffeuer ausbreitete. Rund 100 Beelitzer Soldaten kamen am 3. Januar nach Treptow. Ein Vertreter des Beelitzer Soldatenrates wollte sprechen, was ihm aber von den panischen SED-Bürokraten verweigert wurde. Am gleichen Tag belagerten Vertreter der Soldatenräte aus dem ganzen Land das Haus des obersten Armeegenerals Heinz Hoffmann in Berlin-Strausberg und einige drohten, auf Berlin zu marschieren.

Die SED/PDS-Führung griff unseren Aufruf zu Treptow auf, weil sie die Resonanz spürte, die unser Programm in den Betrieben gefunden hatte; bei unserem Treffen erklärte uns Bisky unumwunden: „Ihr habt die Arbeiter.“ Von der Bühne konnten die Teilnehmer unser Programm der politischen Revolution vs. dem der Stalinisten von Kapitulation und Konterrevolution hören. Es war das erste Mal, dass Trotzkisten vor Arbeitermassen in einem Arbeiterstaat sprechen konnten, seit der Zerschlagung von Trotzkis Linker Opposition Ende der 20er-Jahre in der Sowjetunion.

Die SPD und ihr Ostableger SDP schäumten besonders über unsere Warnung vor der SPD als Trojanischem Pferd der Konterrevolution. Die Bourgeoisie entfesselte eine antikommunistische Hetzkampagne gegen die Treptower Mobilisierung und den damit zum Ausdruck gekommenen Widerstand der Arbeiterklasse gegen eine kapitalistische Wiedervereinigung. Die stalinistischen Bürokratien im Kreml und in der DDR erschraken zutiefst vor der Möglichkeit einer politischen Revolution, die sich durch Treptow gezeigt hatte. Gorbatschow fürchtete die Gefahr einer „Destabilisierung“, genau wie Helmut Kohl, wie aus den kürzlich in Russland veröffentlichten Dokumenten in „Gorbatschow und die deutsche Frage“ [Michail Gorbacÿov i Germanskij Vopros. Sbornik Dokumentov. 1985–1991, Moskau 2006] deutlich wird. Gorbatschow gab grünes Licht für die Wiedervereinigung. Hans Modrow von der SED-PDS verkündete nach einem Treffen mit Gorbatschow Ende Januar 1990: „Deutschland einig Vaterland“. Die Volkskammerwahlen, eine Volksabstimmung über ja oder nein zu einer kapitalistischen Wiedervereinigung, wurden von Mai auf März vorverlegt. Wir führten eine Kampagne gegen die kapitalistische Wiedervereinigung, und wie sich herausstellte, waren wir die einzige Partei, die mit „Nein zur kapitalistischen Wiedervereinigung“ antrat. Eine große Mehrheit der DDR-Bevölkerung stimmte am 18. März für die kapitalistische Wiedervereinigung, die sie dank der Kapitulation der SED-PDS für alternativlos ansah.

Lafontaines linke Anhängsel: Mit den Imperialisten, gegen den Arbeiterstaat

Lafontaine und andere WASG-Spitzen, die sich eine Rückkehr zur SPD des antisowjetischen Kalten Kriegs wünschen, bringen sozialdemokratischen Antikommunismus mit sich. Deswegen hat die WASG in ihrer Anfangsphase keine Gelegenheit verpasst, gegen die DDR zu hetzen. Die vielen antikommunistischen Vorurteile gegen die PDS – die seit 1990 alles getan hat, um ihre Loyalität gegenüber der bürgerlichen Ordnung zu beweisen – waren eine nicht unerhebliche Hürde bei vielen West-WASGlern auf dem Weg zur Fusion. Die Pseudotrotzkisten, die im linken Flügel der WASG agieren – Linksruck, SAV, GAM, u.v.a.m. –, sind mit am rabiatesten gegen die DDR und Sowjetunion. In einem Streitgespräch von Lucy Redler von der SAV mit Christine Buchholz von Linksruck in der jungen Welt vom 16. Mai 2006 macht Redler ausgerechnet die DDR-Vergangenheit der PDS für ihre Sozialkürzungen im Berliner Senat verantwortlich:

„Das Nachgeben der bisherigen PDS gegenüber dem Neoliberalismus hat sehr viel damit zu tun, daß sie aus einer bürokratischen und stalinistischen Gesellschaft wie der DDR hervorgegangen ist. Ohne sozialistische Perspektive hat man keine Standhaftigkeit, um sich den angeblichen Sachzwängen des Neoliberalismus zu verwehren.“

Diese Pseudotrotzkisten standen alle auf Seiten der Konterrevolution. Die SAV hatte zwar formal die Position, dass DDR und Sowjetunion bürokratisch deformierte bzw. degenerierte Arbeiterstaaten waren. Trotzdem unterstützten sie die Konterrevolution. Ihrer westdeutschen Gruppe Voran war die SPD, deren Mitglieder sie waren, nicht aggressiv genug. Sie forderten im Februar 1990: „Deutschlandpolitik der SPD – Offensive für Einheit und Sozialismus nötig“. Heute versucht sich die SAV im 1999 erschienenen Buch von Robert Bechert (einem Führer ihres Komitees für eine Arbeiterinternationale, CWI), Die gescheiterte Revolution, davon zu distanzieren. Sie verweisen dazu auf ihre Gruppe „Marxisten für Rätedemokratie“ in der DDR. Bechert sagt über deren Position bei den Volkskammerwahlen am 18. März 1990:

„Wie wir gesehen haben, war die kritischste Partei, die PDS, immer noch sehr mit ihrer jüngsten SED-Vergangenheit befleckt, eine Vergangenheit, die die Einstellung der Partei gegenüber stark polarisierte. Wenn wir damals für die Wahl der PDS eingetreten wären, hätten wir uns deshalb von den ArbeiterInnen abgeschnitten, die fälschlicherweise annahmen, dass eine schnelle kapitalistische Wiedervereinigung der beste Weg sei, den Stalinismus endgültig zu beseitigen.“

Auch ein Aufruf für die PDS wäre eine Stimme für die Konterrevolution gewesen. Aber das CWI orientiert sich hier auf rückständige Schichten in der Arbeiterklasse. Das bringt den eigenen tiefen sozialdemokratischen Antikommunismus gegenüber der SED und der DDR zum Ausdruck. Es setzte immer die Arbeiterstaaten mit der stalinistischen Bürokratie gleich. Dergleichen kommt in Becherts Ablehnung der Treptower Einheitsfrontmobilisierung zum Ausdruck, bei der er sich auf Seite 116 seines Buches auf den Militant vom 12. Januar 1990 beruft, der erklärte, dass:

„einige der antikapitalistischen Oppositionsgruppen in die Falle gegangen sind, alle Forderungen für den Sturz der Bürokratie fallen zu lassen, um mit den SED-Führern eine ,Einheitsfront‘ gegen die Restauration des Kapitalismus und gegen Faschismus zu bilden. Was sie dabei vergessen, ist, dass der Hauptgrund für das Entstehen von Illusionen in den Kapitalismus die SED-Bürokratie selbst ist! ... Viele, die eine kapitalistische Restauration fordern, sind diejenigen, die die herrschende Bürokratie am meisten hassen. Wenn keine völlige politische Unabhängigkeit von der Bürokratie erhalten bleibt, wird es unmöglich sein, diese Schicht zu erreichen.“

Dann muss Bechert in seinem Buch zur Abdeckung des eigenen Verrats von 1990 zur Lüge greifen: „Alle Parteien traten in unterschiedlichem Ausmaß für die Restauration des Kapitalismus und für eine kapitalistische Wiedervereinigung ein.“ Tatsächlich kandidierten wir Spartakisten unter der Losung „Nein zur kapitalistischen Wiedervereinigung!“. Unsere Kampagne war in der ganzen DDR bekannt. Wir suchten nach anderen linken Organisationen, um ihnen ein Abkommen vorzuschlagen. Auf der Grundlage eines klaren, eindeutigen „Nein“ zur kapitalistischen Wiedervereinigung würden wir dort, wo wir nicht kandidieren, für sie aufrufen und sie für uns, wo sie nicht kandidieren, so dass die Stimmen gegen einen Anschluss maximiert würden. Wir waren die einzige Organisation, die mit „Nein zur kapitalistischen Wiedervereinigung“ antrat. Die SAV stand aber, wie in Polen bei der Bejubelung von Solidarność, auf der Seite der Konterrevolution, trotz Wortgeklingel wie „Was Tun unterstützte nicht die kapitalistische Wiedervereinigung!“. Im Buch von Bechert findet sich eine Abbildung der ersten Zeitung Was Tun! der „Marxisten für Rätedemokratie“ vom 23. Januar 1990, mit dem Titel „Bürokraten: Packt Die Sachen“, in der sie wie SPD und „Bürgerrechtsbewegung“ Anti-Stasi-Hetze betreiben.

Die Anti-Stasi-Hetze war auch das Markenzeichen der Gruppe Arbeitermacht, die den Sturm eines antikommunistischen Mobs auf die Berliner Stasi-Zentrale vom 20. Januar 1990 hochjubelte. Diese von der Bourgeoisie aufgestachelte Aktion diente der Schaffung eines Pogrom-Klimas antikommunistischer Hexenjagd und Einschüchterung von Pro-DDR-Arbeitern und -Linken. Gleichzeitig forderte die GAM den sofortigen Abzug der Roten Armee aus der DDR, dem einzig wirkungsvollen Hindernis gegen einen Einmarsch von Bundeswehr und NATO. Auch damit schloss sie sich den Kräften an, die eine Konterrevolution wollten und deren Schlachtruf entsprechend „Russen raus“ war. Nach der Volkskammerwahl, als die Konterrevolution mit der traurigen Beihilfe der PDS gewonnen hatte, war die PDS sozialdemokratisch genug, so dass die GAM bei der PDS eintrat und eine „trotzkistische“ Fraktion bildete. Dann schloss sich die GAM der antikommunistischen Hexenjagd an, mit der die rachsüchtige Bourgeoisie Ostdeutschland in den 90er-Jahren mit zehntausenden Untersuchungen und Prozessen überzog. Die GAM forderte Arbeitertribunale gegen ehemalige Stasi-Funktionäre wie z.B. Erich Mielke und versuchte damit der antikommunistischen Hexenjagd ein linkes Label zu verpassen. Wir dagegen mobilisierten zur Verteidigung der Opfer der antikommunistischen Hexenjagd und machten in Fällen wie Erich Mielke klar, dass die Ex-DDR-Bürokraten von der falschen Klasse für die falschen Verbrechen verurteilt wurden.

Für die SAG (heute Linksruck), Anhänger der von Tony Cliff begründeten Tendenz, waren DDR wie Sowjetunion „staatskapitalistisch“, was ihre theoretische Rechtfertigung dafür war, sie nicht gegen die Bourgeoisie zu verteidigen. Cliff entwickelte seine Staatskapitalismustheorie, um seine Weigerung zu rechtfertigen, die Sowjetunion und Nordkorea im Koreakrieg gegen die Imperialisten Anfang der 1950er-Jahre zu verteidigen, der drei Millionen Koreaner und einer Million Chinesen das Leben kostete. Cliff & Co. taten auch ihr Möglichstes, um den Imperialisten im zweiten Kalten Krieg zum Sieg zu verhelfen: Sie gierten nach einer blutigen Niederlage der sowjetischen Truppen in Afghanistan, waren Vorkämpfer für die Glaubwürdigkeit der polnischen klerikalen, konterrevolutionären und antisemitischen Solidarność als „Gewerkschaft“ und tanzten geradezu auf Jelzins konterrevolutionären Barrikaden 1991. Sie jubelten über Jelzins Sieg in der Sowjetunion: „,Der Kommunismus ist gescheitert‘, deklarieren unsere Zeitungen und Fernsehen. Es ist ein Faktum, das jeden Sozialisten erfreuen sollte“ (Klassenkampf, September 1991).

Dies alles folgt ganz der bürgerlichen Ideologie vom „Tod des Kommunismus“, die Arbeiterrevolution und Sozialismus als „Sachen der Vergangenheit“ abzutun. Christine Buchholz fasst diesen Konsens der WASG-Linken dann gut zusammen, mit dem sowohl antisowjetische Pseudotrotzkisten wie die SAV, Linksruck und GAM als auch ausgebrannte Stalinisten wie DKP und KomPlatt vereint werden zur linken Druckgruppe auf die Führungen der sozialdemokratischen WASG und PDS für einen „besseren“ Kapitalismus:

„Die Umgruppierungsprozesse finden statt, und zwar weltweit. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks sind die alten Trennungslinien – Stichwort: Wie hältst Du’s mit der Sowjetunion? – nicht mehr entscheidend. Die entscheidenden Fragen der neuen Linken – Wie verhindern wir Privatisierung und Kriege, soll sich die Linke an Regierungen beteiligen – verlaufen quer durch Linkspartei und WASG, nicht zwischen ihnen. Auf Grundlage einer gemeinsamen Praxis können wir wieder neu über Alternativen zum Kapitalismus diskutieren.“ (junge Welt, 16. Mai 2006)

Die einzige Alternative zum Kapitalismus besteht in dem Sturz der Herrschaft der Bourgeoisie und der Errichtung der Herrschaft der Arbeiterklasse. Die Unterstützung der Pseudolinken für Konterrevolution drückte ihre Ablehnung der Diktatur des Proletariats aus und damit ihre Ablehnung des Sturzes des Kapitalismus. Diejenigen, die bestehende Errungenschaften nicht verteidigen, können niemals neue erkämpfen. Wie James P. Cannon, Begründer und Führer des amerikanischen Trotzkismus und enger Mitarbeiter von Trotzki 1939 erklärte:

„Die Oktoberrevolution setzte in der ganzen Welt den Sozialismus auf die Tagesordnung. Sie wiederbelebte, prägte und entwickelte die revolutionäre Arbeiterbewegung der Welt aus dem blutigen Chaos des Krieges. Die russische Revolution zeigte in der Praxis, durch ihr Beispiel, wie man die Arbeiterrevolution machen muss. Sie zeigte die Rolle der Partei im wirklichen Leben. Sie zeigte im wirklichen Leben, welche Art von Partei die Arbeiter haben müssen. Durch ihren Sieg und ihre Neuordnung des Gesellschaftssystems hat die russische Revolution die Überlegenheit des nationalisierten Eigentums und der Planwirtschaft über das kapitalistische Privateigentum, den planlosen Wettbewerb und die Anarchie in der Produktion für alle Zeit bewiesen.“ („Wir sind die Partei der Russischen Revolution!“)

Verteidigt den deformierten Arbeiterstaat China!

Heute ist die Haltung gegenüber den verbliebenen Arbeiterstaaten China, Kuba, Nordkorea und Vietnam ein Lackmustest für den Charakter einer Partei. Ein Bericht über eine China-Reise der Linkspartei.PDS/WASG-Führung bringt die protektionistische Weltsicht der WASG zum Ausdruck:

„Klaus Ernst weist eindringlich auf das Problem hin, dass ausländische Unternehmen in China zu billigen Löhnen produzieren lassen und die Produkte auf dem Weltmarkt zu hohen Preisen absetzen, was ihnen erheblich höhere Gewinnmargen verschafft. Dadurch wird starker Druck auf Arbeitnehmer und Gewerkschaften in europäischen Ländern ausgeübt, Löhne zu senken, Arbeitszeiten zu verlängern und auf soziale Errungenschaften zu verzichten oder die Abwanderung von Arbeitsplätzen in Kauf zu nehmen. Ähnliche Wirkung gehe auch vom Export chinesischer Billigprodukte aus. All das könne längerfristig auf China zurückschlagen.“ (Disput, Juli 2006)

Ernst macht China verantwortlich für die Angriffe der deutschen Bosse auf die Arbeiterklasse hier. Es ist die Bourgeoisie, die in ihrem ständigen Streben nach Profiten die Arbeiter angreift, Löhne drückt usw. Dem kann letztlich nur durch ihre revolutionäre Enteignung ein Ende bereitet werden. Genau das ist in China in der Folge der Chinesischen Revolution von 1949 geschehen, auch wenn diese ohne aktive Beteiligung der chinesischen Arbeiterklasse erfolgte und von Anbeginn deformiert war. Der Sieg der von der Kommunistischen Partei geführten, auf der Bauernschaft basierenden „Roten Armeen“ über die bürgerlich-nationalistische Guomindang 1949 zerschlug den Militärapparat des halbkolonialen chinesischen kapitalistischen Staates und die chinesische Bourgeoisie floh nach Taiwan. Das errichtete Regime der KP Chinas verstaatlichte ein paar Jahre später die Wirtschaft, während es gleichzeitig jegliche Bewegung der Arbeiterklasse in Richtung unabhängiger politischer Betätigung schonungslos unterdrückte. So errichteten Mao und seine Kollegen einen Staat, dessen grundlegende wirtschaftliche und politische Strukturen denen der Sowjetunion unter Stalin glichen. Trotz der bürokratischen Deformationen war dies eine historische Errungenschaft für die Arbeiterklasse international. Eine von ausländischen Mächten ein Jahrhundert lang vergewaltigte und aufgeteilte Nation wurde vereinigt und von imperialistischer Unterdrückung befreit und eine kollektivierte Wirtschaft wurde errichtet. Für Frauen bedeutete die Revolution einen gewaltigen Fortschritt in dem von bäuerlicher Rückständigkeit geprägten Land. Protektionistische Hetze gegen China ist daher doppelt verbrecherisch.

Die Errungenschaften der Chinesischen Revolution werden jedoch durch die Missherrschaft der stalinistischen Bürokratie unterminiert, die allerdings keine Klasse ist, sondern eine privilegierte Kaste an der Spitze des Arbeiterstaates. Insofern sie chinesische Arbeiter zu Niedriglöhnen an imperialistische Konzerne anbietet, handelt die Beijinger Bürokratie als Makler von Arbeitskräften für die internationale Bourgeoisie. Während das Einfließen von Kapital der Imperialisten und der Taiwan- und Hongkong-basierten chinesischen Bourgeoisie die internen Kräfte der Konterrevolution gestärkt hat, haben gewachsener Handel und Investitionen auch zu einer enormen Zunahme des Industrieproletariats geführt. Nach außen versucht das stalinistische Regime im Namen von „friedlicher Koexistenz“ den Imperialismus auf internationalem Terrain zu beschwichtigen, z.B. indem es im UN-Sicherheitsrat den Atomwaffentest des deformierten Arbeiterstaates Nordkorea verurteilt. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie die Herrschaft der KP Chinas das System des nationalisierten Eigentums und die Verteidigung des deformierten Arbeiterstaates selbst unterminiert. In den vergangenen Jahren haben chinesische Arbeiter und Bauern ständig Kämpfe gegen die Auswirkungen der „Marktreformen“ der Bürokratie geführt. Eine leninistisch-trotzkistische Partei, die der Verteidigung und Ausweitung der Errungenschaften der 1949er-Revolution verpflichtet ist, muss geschmiedet werden, um Chinas machtvolle Arbeiterklasse an der Spitze der Bauern und Stadtarmen zu führen, um die stalinistische Bürokratie durch proletarisch-politische Revolution hinwegzufegen.

Seit der Zerstörung der Sowjetunion ist das Vorantreiben der Konterrevolution in China eine Priorität der Imperialisten, die das Land in eine riesige Ausbeutungshölle verwandeln wollen. Dazu üben die Imperialisten einerseits militärischen Druck aus. So haben die USA zu diesem Zweck die militärische Umzingelung Chinas vorangetrieben, stetig ihre militärische Präsenz in den pazifischen Gebieten ausgebaut und eine gemeinsame Erklärung mit Japan unterzeichnet, Taiwan zu schützen. Den gleichen Effekt haben die Militäreinsätze in Afghanistan und anderswo in Zentralasien. Das Projekt der National Missile Defence soll die Abschreckung durch Chinas Atomwaffen neutralisieren. Andererseits versuchen die Imperialisten den Arbeiterstaat ökonomisch durch Kapitalinvestitionen zu unterminieren. Der zweite Weg wird vom deutschen Imperialismus momentan bevorzugt, da er zurzeit nicht über die militärischen Möglichkeiten verfügt.

Um ihren Einfluss in China gegenüber den USA auszubauen, versuchte die EU 2005 das Waffenembargo gegen China einzuschränken und Rüstung dorthin zu exportieren, was durch ein US-Veto kurzerhand unterbunden wurde. Im Namen von Pazifismus und Abrüstung kämpfte die WASG/Linkspartei gegen Waffenexporte an China: „Das EU-Waffenembargo gegen die Volksrepublik China sollte nicht aufgehoben werden, sondern zu einem generellen Verbot von Rüstungsexporten ausgeweitet werden“ (Pressedienst, 15. April 2005). So wie die Arbeiter in Deutschland und Europa ihre Gewerkschaften gegen die Bosse verteidigen müssen, trotz der Ausverkäufe der Gewerkschaftsspitzen, ist es die Pflicht der internationalen Arbeiterklasse, China bedingungslos militärisch gegen Imperialismus und innere Konterrevolution zu verteidigen. Hier trug die WASG ihren Teil dazu bei, den Arbeiterstaat angesichts imperialistischer Bedrohung zu entwaffnen. Es ist ein Beispiel davon, wie Pazifismus immer nur die Arbeiterklasse entwaffnet, niemals aber die Bourgeoisie.

Ernsts Bemerkungen zeigen den prokapitalistischen Charakter der Gewerkschaftsbürokratie, und Gewerkschaftsbürokraten stellen eine Kernkomponente der WASG-Führung dar. Sie sind eine dünne privilegierte Schicht an der Spitze der Gewerkschaften, die – wie Lenin im Ersten Weltkrieg erklärte – mit Hilfe eines Bruchteils der Extraprofite, die die imperialistische Bourgeoisie aus der Ausbeutung der neokolonialen Massen zieht, gekauft worden ist. Deshalb identifiziert sich die Gewerkschaftsbürokratie mit der Kapitalistenklasse, die sie zu beraten versucht, wie sie am besten ihre Geschäfte führt. Die Antwort der WASG auf Konkurrenz in der Epoche des Finanzkapitals ist Protektionismus: Appelle an den Staat, die heimische Industrie zu schützen wie z.B. bei Airbus durch staatliche „Sperrminoritäten“ und Hetze gegen „chinesische Billigprodukte“. Wir Trotzkisten sind kompromisslose Gegner von Protektionismus in den imperialistischen Ländern wie Deutschland, den USA oder Japan. Während Protektionismus eine mögliche Politik für die Bourgeoisie ist, ist er nationalistisches Gift für die Arbeiter, die er spaltet und an ihre eigenen Ausbeuter kettet. Aber wir sind auch keine Anhänger des so genannten „Freihandels“, denn es ist uns völlig klar, dass die Konzerne die Forderung nach freiem Zugang zu ausländischen Märkten nur aus einem Grund aufstellen: Sie wollen mehr Profite machen. Und zwar durch die Superausbeutung von billigen Arbeitern und den besseren Zugang zu den örtlichen Absatzmärkten. Diese Art von „Verlagerungen“ ist nicht einfach nur die Politik bestimmter Konzerne, sondern entspringt dem Wesen des Kapitalismus.

Die Spaltung der Arbeiter international geht einher mit Chauvinismus gegen eingewanderte und osteuropäische Arbeiter. So zog Lafontaine beim Bundeswahlkampf im Sommer 2005 in Chemnitz chauvinistisch über polnische und osteuropäische „Fremdarbeiter“ her, die Arbeitern in Deutschland die Jobs stehlen würden. Auf dem Bundesparteitag der PDS im September 2005 rechtfertigte sich Lafontaine: „Ich bin der Meinung, dass unser Staatsbürgerschaftsrecht völlig überaltert ist. Es setzt nach wie vor auf die Abstammung, auf die Blutsbande. Das ist keine linke Position. Als ich damals gesagt habe: Wir müssen einen Afrikaner, der politisch verfolgt ist, eher aufnehmen als einen Russlanddeutschen, dessen Familie vor über 200 Jahren ausgewandert ist, hieß es in der Rechtspresse Deutschlands: Lafontaine liebt die Afrikaner stärker als die Deutschen. Heute soll ich jetzt auf einmal ein Deutschnationaler sein. Ich bin demokratischer Sozialist, ich bin Internationalist und ich lasse mir von niemandem meine Ehre beschneiden!“ Das ist eine Abdeckung für giftigen Chauvinismus. Was die afrikanischen Flüchtlinge angeht, so hat die SPD mit Lafontaines Beteiligung 1992 eine Schlüsselrolle dabei gespielt, das Asylrecht zusammen mit der CDU abzuschaffen. Dem SPD-Beschluss zur Abschaffung des Asylrechts folgte das Nazi-Pogrom in Rostock auf dem Fuße. Reformistische Programme wie das der WASG beruhen darauf, die Kapitalisten zu beraten, wie die vorhandenen, viel zu wenigen Jobs besser aufgeteilt werden können. Das führt notwendigerweise zur chauvinistischen Spaltung der Arbeiter. Im Gegensatz dazu kämpfen wir Spartakisten für die Einheit der Arbeiterklasse im Kampf gegen die Bosse – für volle Staatsbürgerrechte für alle, die es hierher geschafft haben! Organisiert die Unorganisierten! Verteilt die Arbeit auf alle Hände! Nur durch die Errichtung einer sozialistischen Planwirtschaft kann die Arbeitslosigkeit letztlich beseitigt werden.

Der bürgerliche Staat – Instrument zur Unterdrückung der Arbeiter

Hinter dem Programm „Zurück zum Sozialstaat“ steht die grundlegende Unterstützung der PDS/WASG für die bürgerliche Demokratie. So erklärte der Gründungsaufruf des WASG-Vorläufers ASG: „Die vielen Austritte aus der SPD und die vielen Nichtwähler der vergangenen Wahlen aus dem sozialdemokratischen Spektrum zeigen: Viele Bürgerinnen und Bürger kehren der Politik den Rücken, fühlen sich von der SPD getäuscht, aber auch von keiner anderen Partei vertreten. Wir sehen darin eine Gefahr für die Stabilität unserer Demokratie“ (März 2004). Gemeinsam mit der Gewerkschaftsbürokratie predigt sie den Arbeitern, der Staat könne ein Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen sein. Friedrich Engels, Mitbegründer des Marxismus, erklärte dagegen, dass der bürgerliche Staat nicht neutral ist:

„Und der moderne Staat ist wieder nur die Organisation, welche sich die bürgerliche Gesellschaft gibt, um die allgemeinen äußern Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe, sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten. Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist.“ (Anti-Dühring, 1877)

Und daher ist jede Regierung, die den kapitalistischen Staat verwaltet, eine kapitalistische Regierung, egal ob es nun die SPD oder die PDS/WASG ist. Sie dient den Kapitalisten und nicht den Arbeitern. Die letzten Jahre von SPD-Koalitionsregierungen, erst mit den Grünen und dann mit der CDU, beweisen aufs Neue diese ABC-Lehre des Marxismus. Die Unterstützung dieser Regierungen durch die Gewerkschaftsbürokratie hat nicht dazu geführt, die Interessen der Arbeiter voranzubringen, vielmehr hat es der Bourgeoisie geholfen, einschneidende Angriffe auf die Arbeiterklasse wie Schröders Agenda 2010 ohne ernsthaften Widerstand durchzusetzen. Nicht anders sieht es in Berlin aus, wo eine SPD/PDS-Koalition nun schon in der zweiten Legislaturperiode die Hartz-IV-Gesetze vollstreckt und durch brutale Sozialkürzungen den Haushalt der Hauptstadt für die Bourgeoisie saniert. Der Senat vollstreckt genau die Gesetze, die laut PDS „Armut per Gesetz“ sind.

Der Fusionsprozess von WASG und Linkspartei.PDS hat zu Debatten in der WASG geführt. Die SAV, die wiederholt zur Wahl der PDS in Berlin als „kleinerem Übel“ aufgerufen hat, kritisiert die Regierungsbeteiligung der PDS. Aber bei der Debatte geht es nicht darum, ob man sich an Regierungen im Kapitalismus beteiligt – da sind alle dafür –, sondern nur darum, wann und wie man in eine kapitalistische Regierung eintreten kann. So schreibt die SAV: „Grundlage muss die konsequente Ablehnung von Sozialkürzungen und Regierungsbeteiligungen mit Sozialräubern sein. Erforderlich ist die Bereitschaft, dafür die Konfrontation mit den Herrschenden einzugehen“ (Solidarität, Dezember 2006/Januar 2007). Sie wollen also ein paar Krumen von der Bourgeoisie zum Verteilen bekommen, damit sie den Laden für die Kapitalisten schmeißen. Wir halten es mit Rosa Luxemburg, die erklärte: „Der Eintritt eines Sozialisten in eine bürgerliche Regierung ist nicht, wie geglaubt wird, eine teilweise Eroberung des bürgerlichen Staates durch die Sozialisten, sondern eine teilweise Eroberung der sozialistischen Partei durch den bürgerlichen Staat“ („The Dreyfus Affair and the Millerand Case“, 1899).

Die Haltung zum bürgerlichen Staat ist die grundlegende Scheidelinie zwischen Reform und Revolution, d.h. zwischen der reformistischen Ansicht, dass man den bestehenden Staatsapparat übernehmen und ihn im Interesse der Arbeiter verwalten kann, im Gegensatz zum leninistischen Verständnis, dass der kapitalistische Staatsapparat durch eine proletarische Revolution zerschlagen werden muss. Regierungen und alle ausführenden Behörden (Exekutive) befehligen die „besonderen Formationen bewaffneter Menschen“, die den Kern des Staatsapparates ausmachen; die revolutionäre Zertrümmerung dieses Staates erfordert unvermeidlich, mit der Exekutive abzurechnen. Sogar in den großen bürgerlichen Revolutionen in England und Frankreich mussten Cromwells Revolutionäre und die Jakobiner, die eine Basis im Parlament aufbauten, sich des Königs entledigen und ein neues Exekutivorgan einrichten.

Die GAM hat sich nun in einem offenen Brief an die SAV gewandt, der voll von links klingender Kritik an der WASG ist und die SAV für ihre Anpassung an die WASG rügt:

„Die Linkspartei wird sich in Programm, Praxis und Struktur allenfalls in Nuancen von der jetzigen PDS bzw. von der früheren SPD unterscheiden. Sie wird durch und durch reformistisch sein und ihre Politik dem Parlamentarismus und anderen systemkonformen Mechanismen und Spielregeln unterordnen. Ihr Ziel ist nicht der Klassenkampf gegen die Angriffe von Staat und Kapital, geschweige denn gegen den Kapitalismus insgesamt – ihr Ziel ist das Mitregieren, das Managen der Krise des Kapitalismus sowie das Kontrollieren und Kanalisieren von Widerstand.“ (Neue Internationale, Februar 2007)

Die Sache ist nur, dass die WASG nicht erst durch die Fusion mit der Linkspartei.PDS „durch und durch reformistisch“ sein wird, sondern es von Anfang an war, d.h. auch als die GAM mit Verbesserungsvorschlägen beim Programm versuchte, ihr ein linkeres Mäntelchen umzuhängen. Nun preist die GAM das Netzwerk Linke Opposition (NLO), ein Auffangbecken für von der WASG enttäuschte Linke, als Vehikel für eine „antikapitalistische“ Arbeiterpartei:

„Aus den Felsberger Beschlüssen geht klar hervor, dass das NLO eine offene Struktur ist und versucht, neben WASGlerInnen auch Mitglieder der L.PDS, anderer linker Organisationen und Unorganisierte zu gewinnen… Das NLO ist (noch) nicht diese Partei – weder, was Größe und Verankerung anbelangt, noch in Bezug auf die Klarheit ihrer Politik. Aber das NLO kann und muss ein Ausgangspunkt, ein Ansatz, ein Vorstoß in Richtung neue Arbeiterpartei sein. Es soll und kann jene Kräfte bündeln und in Bewegung bringen, die dafür nötig sind.“

Doch die Felsberger Erklärung (6. Oktober 2006) ist völlig reformistisch und unterscheidet sich nicht fundamental von dem, was die WASG bei ihrer Gründung von sich gab, z.B.:

„4. Die neue Partei tritt nicht in Regierungen ein, die Sozialabbau betreiben, tarifliche Standards oder Löhne im öffentlichen Dienst absenken bzw. die Arbeitszeit der Beschäftigten erhöhen.“

Also wird hier wie bei der SAV grundsätzlich ja gesagt, wenn nur der Preis stimmt. Dass die Sowjetunion und die Oktoberrevolution tabu sind, ist dann auch nicht überraschend. Wir Trotzkisten gehen mit Lenin, der in Staat und Revolution gegen die Reformisten erklärte:

„Wir aber werden mit den Opportunisten endgültig brechen; und das ganze klassenbewußte Proletariat wird mit uns sein im Kampf nicht um eine ,Verschiebung der Machtverhältnisse‘, sondern um den Sturz der Bourgeoisie, um die Zerstörung des bürgerlichen Parlamentarismus, um die demokratische Republik vom Typ der Kommune oder die Republik der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten, um die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“

Es ist notwendig, die Arbeiter vom sozialdemokratischen Reformismus zu brechen und die Sozialdemokratie entlang der Klassenlinie zu spalten. Wir kämpfen für den Aufbau einer revolutionären multiethnischen Arbeiterpartei als Teil der wiederzuschmiedenden Vierten Internationale, dem notwendigen Instrument für neue Oktoberrevolutionen weltweit.

 

Spartakist Nr. 166

Spartakist Nr. 166

Frühjahr 2007

·

Für internationalen Klassenkampf gegen Airbus-Bosse!

Standort-Protektionismus spaltet die Arbeiterklasse

Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

·

Kein Vertrauen in die kapitalistischen Gerichte!

17. Mai: Anhörung vor Berufungsgericht

Mumia in Lebensgefahr! Mobilisiert jetzt!

·

Rede von Rachel Wolkenstein zum Fall von Mumia Abu-Jamal

Mobilisiert die Macht der Arbeiterklasse!

Das Komplott gegen einen Unschuldigen

·

Für das Recht auf Selbstverteidigung gegen Nazis!

Verteidigt Angelo Lucifero!

·

Murat Kurnaz' Fall entlarvt deutschen Imperialismus

Steinmeier, Sozialdemokratie und der rassistische "Krieg gegen den Terror"

·

Freiheit für die Gefangenen aus der RAF!

·

Mexiko: Tortilla-Preiserhöhung liefert Arme dem Hunger aus

Nieder mit NAFTA! Enteignet die Maisbarone!

Für sozialistische Revolution in ganz Amerika!

·

Vereint in Protektionismus und Antikommunismus:

WASG fusioniert mit PDS

·

Die Russische Revolution von 1905

Spartakist-Jugend