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Spartakist Nummer 172 |
Juli 2008 |
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Von Daimler gefeuert, von Gewerkschaftsbossen verraten
USA: Sofortige Wiedereinstellung der Freightliner Fünf!
Nein zur Klage gegen die UAW! Regierung, Hände weg von Gewerkschaften!
Nachfolgend abgedruckter Artikel ist übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 915 (23. Mai 2008), Zeitung der SL/U.S.
Fünf Aktivisten des Ortsverbandes 3520 der Autoarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UAW) wurden entlassen, weil sie im April 2007 im Freightliner-LKW-Werk in Cleveland, North Carolina, das Daimler gehört, einen Streik führten. Seither kämpfen sie um ihre Wiedereinstellung. Robert Whiteside, Allen Bradley, Franklin Torrence, Glenna Swinford und David Crisco, bekannt als die Freightliner Fünf, waren Mitglieder des elfköpfigen Verhandlungsausschusses des Ortsverbandes, der den Streik initiiert hatte, nachdem der Betrieb versucht hatte, ihnen einen Tarifvertrag mit Kürzungen aufzudrücken. Nachdem der Kampf begonnen hatte, schaltete sich die UAW International ein, um die Drecksarbeit für das Unternehmen zu tun, sie sabotierte den Streik und startete dann eine Kampagne, um die Fünf aus der Gewerkschaft hinauszutreiben. Die gesamte Arbeiterbewegung muss den Fall der Freightliner Fünf aufgreifen und fordern, dass sie ihre Jobs zurückbekommen und dass sie ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft und -funktionen wiedererhalten. Ein Sieg in diesem Kampf würde die Sache der gewerkschaftlichen Organisierung im US-Süden voranbringen, wo es so gut wie keine gewerkschaftlich organisierten Betriebe gibt.
Während der Rechtsstreit um ihre Wiedereinstellung in einem Schlichtungsverfahren festhängt, haben die Fünf in den letzten Monaten das Land bereist, um Solidarität zu organisieren. Als Reaktion darauf verabschiedeten Gewerkschaftsortsverbände (Locals) Resolutionen zur Unterstützung der Freightliner Fünf, und eine Reihe von Gewerkschaftsfunktionären, darunter der AFL-CIO-Chef von South Carolina, haben sich für sie ausgesprochen. Doch es gibt keine echte Verteidigungskampagne für die Freightliner Fünf durch die Gewerkschaftsbewegung, wozu auch die Mobilisierung von Gewerkschaftsmitgliedern in der Region gehören würde.
Inzwischen haben die Freightliner Fünf umgeben von Typen wie Ellis Boal von den sozialdemokratischen Labor Notes, einem verachtenswerten Anwalt, der Gewerkschaften verklagt, und von der reformistischen International Socialist Organization (ISO) vor zwei Wochen einen Prozess gegen die UAW vor einem Bundesgericht angestrengt. Dieses Vorgehen ist entgegengesetzt zu ihrer eigenen Verteidigung und zu dem gewerkschaftlichen Kampf, den sie verfechten. Wir lehnen es aus Prinzip ab, Gewerkschaften zu verklagen, denn wir sind gegen jegliche Intervention des kapitalistischen Staates in die Arbeiterbewegung. Eine Einladung an den Klassenfeind, sich in der Gewerkschaftsbewegung einzumischen, setzt die Gewerkschaften der Kontrolle durch die Bosse aus. Der Richter reagierte in diesem Fall schnell und ordnete an, dass Local 3520 Finanzunterlagen und andere Dokumente vorlegt. Die Gewerkschaftsbewegung muss selber ihr Haus sauber halten! Kapitalistische Regierung und staatliche Institutionen, Hände weg von den Gewerkschaften!
Grund dafür, dass die UAW-Bürokraten die Freightliner Fünf verrieten, ist die Politik der Klassenzusammenarbeit der Gewerkschaftsbosse. Seit Eröffnung der Fabrik im Jahre 1989 hat das freiwillige Organisationskomitee, dem vier der Fünf angehörten, unermüdlich daran gearbeitet, die UAW in den Betrieb zu holen. Local 3520 wurde schließlich im Jahre 2003 gegründet, nachdem Lohnkürzungen und steigende Beiträge zur Gesundheitsversorgung Arbeiter anspornten, in die Gewerkschaft einzutreten. Doch ohne Wissen der Arbeiter hatte die UAW International mit dem Unternehmen eine geheime Vorabsprache getroffen, in der sie bei Löhnen und Versorgungsleistungen bedeutende Zugeständnisse machte als Gegenleistung dafür, dass die Betriebsleitung Neutralität wahren sollte gegenüber gewerkschaftlicher Organisierungsarbeit bei Freightliner-Betrieben in Carolina. Damals saß der UAW-Chef Stephen Yokich im DaimlerChrysler-Aufsichtsrat, ebenso wie später sein Nachfolger Ron Gettelfinger, bis Daimler im letzten Frühjahr Chrysler verkaufte.
Die UAW-Führung predigt Vertrauen in die Neutralität der Unternehmen, bindet gleichzeitig die Arbeiter an den Klassenfeind, vor allem durch Unterstützung für die kapitalistische Demokratische Partei, und lehnt es ab, die Art von Klassenkampftaktiken anzuwenden, durch die die Gewerkschaft überhaupt erst aufgebaut wurde: Massenstreikposten, Betriebsbesetzungen, Boykottaktionen durch andere Gewerkschaften. Während die US-Autobosse Jobs vernichten und Fabriken schließen, wettert die UAW-Bürokratie gegen das Outsourcing von Jobs und propagiert so giftigen protektionistischen Chauvinismus. Dies führte zu einer Streikniederlage nach der anderen, auch durch Zugeständnisse an die Bosse, um US-Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen. Zum Beispiel unterschrieben die UAW-Führer nach einem 12-wöchigen Streik bei American Axle eine vorläufige Ausverkaufsvereinbarung, die massive Lohnkürzungen, Fabrikschließungen und andere Zugeständnisse vorsieht. Um vorwärtszukommen, ist es nötig, Klassenkampf zu führen und international Gewerkschaftssolidarität zu schmieden.
In der Freightliner-Fabrik in Cleveland fiel die UAW-Führung ihren eigenen Organisatoren in den Rücken, um ihre Vorabsprachen-Kungelei durchzusetzen! Im Jahr 2006 fuhr das Unternehmen Rekordprofite ein. Doch als der erste Tarifvertrag Anfang 2007 auslief, waren die Bedingungen dieser Vorabsprache weiterhin gültig. Als nationale Tarifvertragsverhandlungen mit den Großen Drei Autoherstellern anstanden, wozu damals DaimlerChrysler gehörte, arbeitete die UAW International hinter den Kulissen mit dem Unternehmen zusammen, um den Freightliner-Arbeitern einen neuen Vertrag mit verschlechterten Bedingungen reinzuwürgen.
Doch der örtliche Verhandlungsausschuss lehnte das letzte Angebot des Unternehmens einmütig ab, das viele Gesundheits- und Sicherheitsfragen offen ließ, und zwar in einer Fabrik, wo die Arbeiter gefährlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt und die Verletzungsraten hoch sind. Die Zugeständnisse, die gefordert wurden, beinhalteten unter anderem eine zweistufige Lohnstruktur, die neuere Arbeiter gegen Arbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit ausspielt. Solche mehrstufigen Lohnmodelle gehen auch Hand in Hand mit rassistischer Diskriminierung. In der Fabrik in Cleveland arbeiten auf fast allen Arbeitsplätzen der obersten Stufe weiße Männer, und die Betriebsleitung versucht regelmäßig, Spaltungen entlang von Rassen- und Geschlechterlinien zu verstärken. Die Gewerkschaftsbürokraten akzeptieren solche Diskriminierungen; die Gewerkschaften müssen sich dagegenstellen und dafür kämpfen, die Pläne der Bosse, Arbeiter gegeneinander auszuspielen, zu zerschlagen.
Als Freightliner die Verhandlungen abbrach und den Arbeitern mitteilte, es gäbe keinen gewerkschaftlichen Tarifvertrag mehr, der ihnen Schutz bietet, initiierte der örtliche Verhandlungsausschuss den Streik. Die UAW International weigerte sich, den Streik anzuerkennen, und der Vorsitzende von Local 3520, George Drexel, schickte den Arbeitern eine Voicemail und blies den Streik ab. Kurz darauf entließ Freightliner die elf Mitglieder des Verhandlungsausschusses. Sechs der elf wurde später gestattet, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren, aber erst, nachdem sie Vereinbarungen über vorbildliches Arbeiten unterschrieben hatten sowie eine Erklärung, dass die Fünf sie zum Streikaufruf verführt hätten. Währenddessen lehnten die Arbeiter den vorgeschlagenen Vertrag ab, der nicht die vom Verhandlungsausschuss angestrebten Gesundheitsvorsorge- und Sicherheitsverbesserungen enthielt. Um ihn doch durchzubekommen, kündigte Freightliner Entlassungen an und Drexel & Co. inszenierten eine zweite Abstimmung auf dem Betriebsgelände, von der die Fünf ausgeschlossen waren.
Drexel fungierte als Agent für die UAW International und verstärkte weiter die Angriffe auf die Fünf. Letzten November gab es einen Versuch, sie in einem internen Gewerkschaftsverfahren von ihren Gewerkschaftsfunktionen zu suspendieren. Doch sie wurden freigesprochen, was zeigt, wie breit die Unterstützung für diese Gewerkschaftsführer unter den Mitgliedern ist. Anfang des Jahres verkündete Drexel dann dreist, die Fünf seien keine Gewerkschaftsmitglieder mehr, da sie mit ihren Beiträgen im Rückstand seien, obgleich der örtliche Kassierer ihnen zuvor bestätigt hatte, dass all ihre Beiträge gezahlt waren. Drexel schloss sie aus der Versammlung des Ortsverbandes am 16. Februar aus und rief sogar die Bullen, um sie rauswerfen zu lassen. Allen Bradley wurde wegen Hausfriedensbruchs verhaftet, ihm droht immer noch eine Gefängnisstrafe. Das ist ein Skandal! Die Bullen, die Gewerkschaften zerschlagen und die Vollstrecker des rassistischen amerikanischen Kapitalismus sind, haben bei einer Gewerkschaftsversammlung oder in der Arbeiterbewegung nichts zu suchen. Die Anklagen müssen sofort fallengelassen werden! Bullen raus aus den Gewerkschaften!
Weil die UAW International ein gewerkschaftsinternes Verfahren zur Wiederherstellung ihrer Mitgliedschaft endlos in die Länge zog, klagten die Freightliner Fünf vor den kapitalistischen Gerichten, um die Gewerkschaft dazu zu zwingen, ihre Mitgliedschaft wieder in Kraft zu setzen. Aber eins muss klar sein: Bullen und Gerichte sind direkte Agenten des Klassenfeindes, zentrale Bestandteile des kapitalistischen Staates, der existiert, um die Herrschaft und die Profite der Bourgeoisie zu verteidigen. Wäre der Streik bei der Fabrik in Cleveland fortgesetzt worden, dann wären die Bullen vor den Streikpostenketten aufmarschiert, sie hätten Streikbrecher eskortiert, und die Gerichte hätten Verfügungen herausgegeben, um den Streik zu brechen. Erbitterte, blutige Kämpfe waren nötig, um die Gewerkschaften aufzubauen gegen die Kapitalisten und ihre Bullen, Gerichte und Truppen, ebenso wie gegen Armeen privater Sicherheitsleute und den Ku-Klux-Klan.
Zu den Unterstützern der im April vom Partisan Defense Committee initiierten Einheitsfrontproteste, die Freiheit für Mumia Abu-Jamal forderten, gehörten auch vier der Freightliner Fünf. Glenna Swinford sprach machtvoll bei der Kundgebung in Chicago: Das Justizsystem hat ihn im Stich gelassen, doch er kämpft weiter für seine Freiheit, und wir, die Freightliner Fünf, werden weiterhin für unsere kämpfen. Die Gerichte, die Mumia über 25 Jahre lang in der Todeszelle festgehalten haben, sind auch die Feinde der Gewerkschaften und der Arbeiter, die sich am Klassenkampf beteiligen. Es ist falsch, dass die Freightliner Fünf, Gewerkschaftsführer und Bürgerrechtsaktivisten, ihre Auseinandersetzung mit der verkommenen und korrupten UAW International vor die kapitalistischen Gerichte tragen.
Tatsächlich hatten im Jahre 2006 gewerkschaftsfeindliche Freightliner-Arbeiter gegen die UAW einen RICO-Prozess wegen organisierter Kriminalität angestrengt. RICO [Racketeer Influenced and Corrupt Organizations] war der wichtigste Hebel, durch den sich der kapitalistische Staat in den 80er- und 90er-Jahren durchgreifende Machtbefugnisse über eine Reihe von Gewerkschaften verschaffte. Die von RICO angeregte Übernahme der machtvollen Teamsters durch die Regierung war der Höhepunkt eines jahrzehntelangen Rachefeldzugs des FBI zur Zerschlagung der Gewerkschaft, der in den 60er-Jahren mit dem Demokraten Robert Kennedy begonnen hatte und sich gegen die Gewerkschaft und gegen James Hoffa sen. richtete.
Dabei erhielt das FBI Hilfe von der Gewerkschaftsopposition Teamsters for a Democratic Union (TDU, Teamster für eine demokratische Gewerkschaft), in der die ISO und ihr Vorläufer, die International Socialists, aktiv waren (siehe Association for Union Democracy: Lawyers for Government Union-Busting [Vereinigung für Gewerkschaftsdemokratie: Anwälte für staatliche Gewerkschaftszerschlagung], Workers Vanguard Nr. 738, 30. Juni 2000). Ellis Boal, ein TDU-Rechtsanwalt, hat jahrzehntelang die Teamsters, die UAW und andere Gewerkschaften vor Gericht gezerrt. Was die ISO angeht, einer der Sponsoren der Rundreisen der Freightliner Fünf, so präsentiert sie die Klage der Freightliner Fünf als Teil des Kampfes für Demokratie im Local 3520 (Socialist Worker, 14. Mai). Das Ziel der Regierung, wenn sie Gewerkschaften verfolgt, ist nicht die Beseitigung von Korruption oder die Einführung von Demokratie, wie die Pseudolinken gerne behaupten, sondern die Gewerkschaften sollen lahmgelegt und ihrer Macht beraubt werden. Diese Macht hatte sich beim massiven Teamster-Streik gegen UPS 1997 gezeigt. Daraufhin verschärfte die Regierung ihren gewerkschaftsfeindlichen Kreuzzug und jagte den von der TDU unterstützten Teamster-Präsidenten Ron Carey aus der Gewerkschaft (Carey selbst war 1991 unter Schirmherrschaft der US-Regierung in sein Amt eingesetzt worden).
Die Klage der Freightliner Fünf wurde unter dem Landrum-Griffin-Act eingereicht, einem Ergänzungsgesetz zu Taft-Hartley, das 1959 erlassen wurde und hauptsächlich darauf zielte, den Teamsters die Hände zu binden die tarifvertraglichen Regelungen, die Arbeitern das Recht gaben, die Handhabung bestreikter Güter zu verweigern, wurden für rechtswidrig erklärt. Die Arbeitsgesetze in diesem Land richten sich gegen kämpferische Arbeiter und sollen die Gewerkschaften in Auseinandersetzungen vor Gericht zerren. Wenn ein Gericht zugunsten der Beschwerde eines Arbeiters gegen eine Gewerkschaft entscheidet, so steht dahinter das Ziel, den Würgegriff des Staates auf die Arbeiterbewegung enger zu ziehen und Gewerkschaftsführer hervorzubringen, die ihre Positionen der Regierung verdanken.
Um die Angriffe auf die Gewerkschaftsbewegung zurückzuschlagen, ist es nötig, innerhalb der Gewerkschaften gegen die Klassenzusammenarbeit der prokapitalistischen Irreführer zu kämpfen. Ausgangsbasis dafür muss die völlige Unabhängigkeit der Gewerkschaften von den Kapitalisten, deren politischen Parteien und deren Staat sein. Dies ist die Voraussetzung für Gewerkschaftsdemokratie, die wiederum entscheidend dafür ist, den effektivsten Weg für Fortschritte der Arbeiterbewegung herauszuarbeiten. Notwendig ist die Schmiedung einer klassenkämpferischen Führung in den Gewerkschaften als Teil des Kampfes für eine revolutionäre Arbeiterpartei, die für eine Arbeiterregierung kämpft. Nieder mit Regierungsinterventionen in die Gewerkschaften! Nein zu der Klage gegen die UAW! Sofortige Wiedereinstellung der Freightliner Fünf!
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Spartakist Nr. 172 |
Juli 2008 |
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