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Spartakist Nummer 174

November 2008

SPD tief in der Krise

Linkspartei: Keine Alternative!

Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!

Die SPD ist in der Krise. Ihre Arbeiterbasis läuft zur LINKEN über, und die neue Führung versucht verzweifelt, die Verbindungen mit den Gewerkschaften wieder zu stärken, um diese gegenüber den arbeiterfeindlichen Maßnahmen der Großen Koalition gefügig zu halten. Das wurde bei einem Geheimtreffen von SPD-Führern mit den Vorsitzenden der IG Metall (IGM) deutlich, über das die Rheinische Post (24. September) berichtete: „SPD-Vertreter äußerten sich ,befremdet‘ darüber, dass gewerkschaftlich organisierte Linksparteimitglieder aus den Büros der Gewerkschaften heraus ihren ,Feldzug gegen die SPD‘ organisieren könnten.“ Demselben Bericht zufolge willigten die IGM-Spitzen ein, die Linkspartei aggressiver öffentlich anzugreifen, wohingegen die SPD versprach, auf weitere gewerkschaftsfeindliche Gesetze zu verzichten. Die Wut an der Gewerkschaftsbasis spiegelte sich in der Antwort eines IGM-Vertrauensmanns aus einem großen Autowerk auf diesen Bericht wider: „Es wäre eine Sauerei, wenn sich die Gewerkschaft da auf einen Kuhhandel mit der SPD einlässt... Sie muss aufpassen, dass sie damit dann nicht auf die Nase fällt, viele Gewerkschaftsmitglieder sind inzwischen Anhänger der Linken und haben der SPD den Rücken gekehrt.“

Die SPD wird zerrissen zwischen ihren Diensten für die Bourgeoisie an der Regierung einerseits und den objektiven Interessen ihrer Basis in der Arbeiterklasse und den Gewerkschaften andererseits. Das Kommunistische Manifest (1848) erklärt: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“ Die heutige, kapitalistische Gesellschaft ist grundlegend in zwei Klassen gespalten, deren Interessen unversöhnlich entgegengesetzt sind: Das Proletariat produziert den Reichtum der Gesellschaft in Industrie, Transport usw., während die Kapitalisten, denen die Produktionsmittel gehören, sich diesen Reichtum aneignen und ihre Profite aus der Ausbeutung der Arbeiter ziehen. Aufgrund seiner Stellung im Produktionsprozess ist das Proletariat die einzige Klasse, die sowohl das materielle Interesse hat, die gesellschaftliche Produktion aus den Fesseln des Privatbesitzes zu befreien und sie auf der Grundlage einer kollektivierten Wirtschaft zum Nutzen aller zu entwickeln, als auch die soziale Macht, diese Revolution durchzuführen. Die Sozialdemokratie – SPD, LINKE und Gewerkschaftsbürokratie – versucht, die Arbeiter mit dem Kapitalismus zu versöhnen, und kettet sie an ihre „eigenen“ Ausbeuter. Je mehr sich die sozialen Widersprüche zwischen Arbeitern und Kapitalisten verschärfen, desto unhaltbarer wird die Lage der Sozialdemokratie.

Die Versuche des gestürzten SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, die SPD-Arbeiterbasis mit der Agenda 2010, Hartz IV und dergleichen zu versöhnen, verstärkten nur die Unzufriedenheit in beiden Flügeln der Partei. Dies spitzte sich im Frühjahr nach den Wahlen in Hessen zu, bei denen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti mit einer Kampagne mehr oder weniger in Opposition zu den unbeliebten Maßnahmen der CDU/SPD-Bundesregierung ein unerwartet gutes Wahlergebnis erreichte. Sie kündigte an, eine Minderheitsregierung mit Unterstützung der LINKEN zu bilden.

Ende Juli hat sich das Parteigericht Nordrhein-Westfalens für den Ausschluss des SPD-Rechten Wolfgang Clement entschieden, nachdem Clement sich bei den Wahlen öffentlich gegen Ypsilanti ausgesprochen und den erzreaktionären hessischen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch indirekt unterstützt hatte. Daraufhin stellte sich die Parteispitze hinter Clement, während das Verfahren an das höchste Parteigericht verwiesen wurde. Als Schröders ehemaliger „Superminister“ ist er in der Arbeiterklasse als Architekt und lautstarker Verfechter der Agenda 2010 zu Recht verhasst. Als die Arbeiter bei Opel-Bochum 2004 gegen drohende Entlassungen streikten, wies Clement voller Verachtung die Appelle der Parteibasis um Unterstützung zurück und beschimpfte den Streik als sinnlos. Der Kassierer des SPD-Ortsvereins Bochum-Hamme beklagte erbost: „Dabei hatten wir uns jahrelang im Wahlkampf den Arsch für ihn aufgerissen, und als er nach Berlin ging, hatten wir gehofft, dass er etwas für uns tun kann“ („Er war nie ein Sozialdemokrat“, stern.de, 31. Juli).

Nun ist nach Becks Absetzung wieder die alte Schröder-Garde an der Spitze der SPD, was der Bourgeoisie signalisieren soll, dass die Partei bestens geeignet ist, weiterhin den deutschen Imperialismus zu verwalten. Von der Teilnahme der Bundeswehr am US-geführten imperialistischen NATO-Krieg gegen Serbien 1999 über die massiven Angriffe auf die Gewerkschaften und Sozialleistungen bis zu Plänen für den Einsatz der Bundeswehr im Innern und einen umfassenden Ausbau der staatlichen Repressionsinstrumente – die SPD/Grünen-Regierung und jetzt die CDU/SPD-Regierung haben eine Menge getan, um die Interessen der Kapitalistenklasse auf dem Rücken der Arbeiterklasse, der ethnischen Minderheiten und aller Unterdrückten durchzusetzen.

Der neue SPD-Kanzler-Kandidat Frank-Walter Steinmeier ist nicht bloß irgendein Schröder-Kumpel. Als Kanzleramtschef unter Rot/Grün leitete er persönlich die Teilnahme des deutschen Imperialismus am rassistischen „Krieg gegen Terror“. Er war verantwortlich für die Entscheidungen (und die späteren Vertuschungsversuche) über das Schicksal von Murat Kurnaz, Khaled El-Masri und wer weiß welch anderer Menschen muslimischer Herkunft noch, die die deutsche und die US-Regierung als „Terrorverdächtige“ brandmarkten und „verschwinden“ lassen wollten. Steinmeier stellte sicher, dass Kurnaz über Jahre in der Folterhölle von Guantanamo schmorte, und blockierte sogar dessen Rückkehr angesichts wiederholter US-Angebote zwischen 2002 und 2005, Kurnaz freizulassen (siehe „Steinmeier, Sozialdemokratie und der rassistische ,Krieg gegen den Terror‘“, Spartakist Nr. 166, Frühjahr 2007). Noch 2007, nachdem diese Schweinerei publik wurde und es zu einem Untersuchungsausschuss kam, erklärte Steinmeier dem Spiegel (27. Januar 2007): „Ich würde mich heute nicht anders entscheiden.“

Dass große Teile der Arbeiterklasse, insbesondere die unteren und mittleren Ebenen der Gewerkschaften, der SPD den Rücken zukehren, die sie historisch als ihre Partei ansahen, stellt eine wesentliche Verschiebung in Deutschlands politischer Landschaft dar. Bislang hat sich das vor allem in Wahlerfolgen der LINKEN ausgedrückt, die durch die Fusion der westdeutschen SPD-Abspaltung WASG mit der ostdeutschen ex-stalinistischen PDS entstand. Die LINKE ist einerseits das Ergebnis von massiver Enttäuschung und Wut an der SPD-Basis und andererseits auch das Mittel, mit dem ein Teil der Gewerkschaftsbürokratie versucht, diese Wut im Rahmen von sozialdemokratischem Reformismus zu halten. Das wurde sehr deutlich im Gründungsaufruf für einen der Vorläufer der WASG, die ASG, ausgedrückt: „Viele Bürgerinnen und Bürger kehren der Politik den Rücken, fühlen sich von der SPD getäuscht, aber auch von keiner anderen Partei vertreten. Wir sehen darin eine Gefahr für die Stabilität unserer Demokratie“ (März 2004).

Für Kommunisten ist die Krise der SPD eine wichtige und positive Entwicklung. Seit 1914 ist die SPD der wichtigste Agent der deutschen Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterbewegung und das Haupthindernis für proletarische Revolution in diesem Land. Das Problem besteht darin, dass das Bewusstsein der Arbeiter, die sich von der SPD abwenden, geprägt ist von der Lüge der Bourgeoisie, es gäbe keine Alternative zum Kapitalismus. Dieses vorherrschende Bewusstsein ist vor allem das Ergebnis der konterrevolutionären Zerstörung von DDR und Sowjetunion, die von der Bourgeoisie und ihren sozialdemokratischen Lakaien als unvermeidlich dargestellt und als Beweis der angeblichen Überlegenheit des Kapitalismus gefeiert wird. Wie wir in unserer „Grundsatzerklärung und einige Elemente des Programms“ erklärten:

„Trotzkis Feststellung im Übergangsprogramm von 1938: ,Die politische Weltlage als Ganzes ist vor allem durch eine historische Krise der proletarischen Führung gekennzeichnet‘, wurde vor dem gegenwärtigen riesigen Rückschritt im proletarischen Bewusstsein aufgestellt. Die Wirklichkeit dieser nachsowjetischen Periode fügt zu Trotzkis Beobachtung eine neue Dimension hinzu… Der Marxismus muss erneut die Loyalität des Proletariats gewinnen.“ (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 20, Sommer 1998)

Die LINKE ist durchdrungen von der bürgerlichen Ideologie vom „Tod des Kommunismus“ und sie ist genauso wie die SPD diesem kapitalistischen Ausbeutersystem verpflichtet. Sie hätte nur lieber ein paar mehr Krumen von den kapitalistischen Profiten, um sie den Arbeitern zuzuwerfen. Sowohl SPD als auch LINKE sind in Lenins Worten bürgerliche Arbeiterparteien, d. h. Parteien mit einer Basis in der Arbeiterklasse, aber einer prokapitalistischen Führung und Programm. Damit in diesem Land eine Revolution gewinnen kann, müssen diese Parteien entlang der Klassenlinie gespalten werden, die durch sie verläuft. Die Arbeiterbasis muss dabei für eine leninistische Partei gewonnen werden.

Das Bewusstsein der Arbeiter wird im Verlauf des Klassenkampfs geändert, den der Kapitalismus und seine Krisen unvermeidlich erzeugen. Durch Klassenkampf können sie Vertrauen in ihre eigene soziale Macht gewinnen, die Spaltungen durch Rassismus, Chauvinismus und andere bürgerliche Vorurteile überwinden, und die Notwendigkeit begreifen, sich an die Spitze aller Unterdrückten zu stellen und allseitig gegen dieses gesamte Ausbeutersystem zu kämpfen. Entscheidend dafür ist die bewusste Intervention von Kommunisten, die marxistisches Bewusstsein in die Arbeiterklasse tragen und eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei schmieden, um diese Kämpfe zu vertiefen und mit anderen zu verbinden bis hin zum notwendigen Sturz des Kapitalismus. Heute besteht die Aufgabe darin, den Kern einer solchen Partei auf dem Programm des Trotzkismus, d. h. des authentischen Marxismus, zu sammeln und zu stählen. Wir führen daher einen kompromisslosen politischen Kampf gegen die reformistischen Illusionen, die durch angeblich marxistische Organisationen – von Stalinisten wie junge Welt und DKP bis zu den Pseudotrotzkisten von marx21, Gruppe Arbeitermacht (GAM) und der Sozialistischen Alternative (SAV) – geschürt werden. Sie schieben Überstunden, um die Illusionen in die LINKE unter Arbeitern und Jugendlichen zu stärken, und sind mit ihrer linken Abdeckung für parlamentarischen Reformismus und verrottete Klassenzusammenarbeit ein Hindernis dafür, das Klassenbewusstsein zu heben und zu entwickeln.

Europäische Linke predigt „Tod des Kommunismus“

Die Krise der SPD entwickelt sich parallel zu dramatischen Veränderungen bei den reformistischen Massenparteien in ganz Westeuropa. Die Mehrheit der alten italienischen Kommunistischen Partei, die sich Anfang der 90er-Jahre spaltete, durchlief die Sozialdemokratie und scheint nach ihrer diesjährigen Fusion mit Prodis Christdemokraten eine rein bürgerliche Partei geworden zu sein. Währenddessen befindet sich die sozialdemokratische Rifondazione Comunista (RC), die von der Minderheit gegründet worden war, in einer tiefen Krise, nachdem sie sich an zwei Prodi-geführten Volksfrontregierungen beteiligt hatte. Die französische Kommunistische Partei ist ebenfalls in den letzten Jahren kollabiert. In Britannien hatte Tony Blairs christliche New-Labour-Führung seit Mitte der 90er-Jahre damit begonnen, von ihrer proletarischen Basis zu brechen. Dieser Prozess, Labour aus einer bürgerlichen Arbeiterpartei in eine Partei wie die rein bürgerliche Demokratische Partei in den USA zu verwandeln, ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber mittlerweile recht weit fortgeschritten.

Diese Entwicklungen reflektieren jede auf ihre Weise die Auswirkungen der kapitalistischen Konterrevolutionen, die zwischen 1990 und 1992 die deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas und letztlich den degenerierten Arbeiterstaat UdSSR zerstörten. Die kapitalistischen Herrscher fühlten den Wind in ihren Segeln und proklamierten den „Tod des Kommunismus“ als die ideologische Begleitmusik bei ihren Angriffen auf die Gewerkschaften, der Verschärfung der rassistischen staatlichen Unterdrückung und der mörderischen Ausplünderung der Neokolonien. In Westeuropa ist die Zerstörung des sogenannten Sozialstaats – soziale Zugeständnisse, die im Kontext des Kalten Krieges gemacht wurden, um eine mächtige Arbeiterbewegung davon abzuhalten, „rot“ zu werden – ein zentrales Ziel der Kapitalisten, um besser mit ihren imperialistischen Rivalen zu konkurrieren (insbesondere USA und Japan). Die massiven Angriffe wurden zum großen Teil von kapitalistischen Regierungen geführt, in denen die reformistischen Parteien saßen, was massive Wut an der Basis dieser Parteien hervorrief. Gleichzeitig gibt die Bourgeoisie mittlerweile einen geringeren Teil ihrer Extraprofite aus, um eine privilegierte Schicht in der Arbeiterklasse, die Arbeiteraristokratie, aufrechtzuerhalten, die die Hauptbasis für die Sozialdemokratie bildet.

In dieser Situation versuchen die Pseudosozialisten das politische Vakuum mit verschiedenen nach rechts gehenden „Umgruppierungen“ zu füllen. In Frankreich streicht die pabloistische Ligue communiste révolutionaire (LCR), die sich schon vor langer Zeit mit der bürgerlichen Ordnung versöhnt hat, nun auch formal die Begriffe „revolutionär“ und „kommunistisch“ aus ihrem Namen, um eine „Neue Antikapitalistische Partei“ (NAP) zu gründen. Damit will sie vom Zusammenbruch der KP Frankreichs profitieren. In Britannien traten die Cliff-Anhänger der Socialist Workers Party (SWP, Schwesterorganisation von marx21 in Deutschland) bei der Gründung des Respect-Bündnisses offen dagegen auf, dass es auch nur Lippenbekenntnisse zum „Sozialismus“ abgibt oder überhaupt für Säkularismus eintritt. Dieses Bündnis war ein rein bürgerlicher Wahlverein. Nun hat sich ein paar Jahre später Respect gespalten und der SWP-Teil verlor massiv bei den folgenden Wahlen. Danach sind diejenigen Respect-Abgeordneten, die vorher mit der SWP verbündet waren, ins Lager von Labour, den Liberalen und sogar den konservativen Tories übergetreten!

Die deutschen Pseudotrotzkisten, die sich in die LINKE liquidieren, verfolgen die gleiche Art opportunistischer Manöver, die ihren Schwesterorganisationen in anderen Ländern in vielen Fällen gerade um die Ohren geflogen sind. Reformismus ist von Natur aus national beschränkt, weil er darauf hinausläuft, einem Flügel der eigenen Bourgeoisie nachzulaufen.

Diese Organisationen sehen gerade in dem nachsowjetischen, vom „Tod des Kommunismus“ geprägten Klima Öffnungen, von denen sie profitieren wollen. Sie haben selbst dazu beigetragen, dieses Klima zu schaffen, indem sie die kapitalistische Konterrevolution auf der ganzen Linie unterstützten. Als sich die LINKE vor einigen Jahren formierte, drückte Christine Buchholz von Linksruck (heute marx21) die Sicht über die jetzige Periode wie folgt aus: „Die Umgruppierungsprozesse finden statt, und zwar weltweit. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks sind die alten Trennungslinien – Stichwort: Wie hältst Du’s mit der Sowjetunion? – nicht mehr entscheidend“ („Zwischen Trotzki und Lafontaine“, junge Welt, 16. Mai 2006). Die Oktoberrevolution ist also „nicht mehr entscheidend“. Kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor? Diese Wiederkäuung der „Tod-des-Kommunismus“-Ideologie durch Linksruck ist nicht verwunderlich: Ihre Vorläufer wurden aus der Vierten Internationale ausgeschlossen, weil sie sich öffentlich weigerten, Nordkorea und die Sowjetunion im Koreakrieg gegen die Imperialisten zu verteidigen. 1991 bejubelten sie den Sieg von Jelzins konterrevolutionären Kräften in der Sowjetunion mit den Worten: „ ,Der Kommunismus ist gescheitert‘, deklarieren unsere Zeitungen und Fernsehen. Es ist ein Faktum, das jeden Sozialisten erfreuen sollte“ (Klassenkampf, September 1991).

Letztes Jahr löste sich Linksruck formal auf, um in Form von „marx21“ besser mit der LINKEN zu verschmelzen. Ihre Unterstützerin Janine Wissler wurde in die sechsköpfige hessische Landtagsfraktion der LINKEN gewählt und Christine Buchholz ist Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der Bundespartei. Wisslers Enthusiasmus, in der LINKEN für eine Unterstützung einer Ypsilanti-geführten Minderheitsregierung zu trommeln, machte auf den Spiegel einen so guten Eindruck, dass er über die hessische Linksfraktion erfreut bemerkte: „Noch vor kurzem träumten einige von ihnen Lenins Traum von der Weltrevolution, doch inzwischen scheinen sie die legendäre Losung Franz Münteferings verinnerlicht zu haben: ,Opposition ist Mist.‘ “ („Münte statt Lenin“, Spiegel, 22. September). Was dieses bürgerliche Blatt zynisch den „Traum von der Weltrevolution“ nennt, ist für marx21 lediglich Stoff für gelegentliche Sonntagsreden. Auch ihr Gerede vom „Aufbau des außerparlamentarischen Widerstands“ ist recht hohl, denn sie bieten in Wirklichkeit nichts als noch mehr reformistischen Wahlkretinismus. Das Ergebnis ist, diejenigen weiter zu demoralisieren, die mit Kapitalismus unzufrieden sind und von sozialdemokratischen Schweinereien die Schnauze voll haben.

Diese verrottete „Realpolitik“ ist zutiefst mit der wütenden Feindschaft von marx21 und den anderen Cliff-Anhängern gegen die Sowjetunion und die anderen Staaten, wo der Kapitalismus gestürzt worden war, verbunden. Diese Feindschaft verbindet sie auch mit den anderen diversen Pseudotrotzkisten, was auch immer ihre sonstigen formalen ideologischen Schattierungen sind. Im wiedervereinigten kapitalistischen Deutschland ist die Haltung zur allgegenwärtigen Hetze gegen die DDR ein wichtiger Index für die Loyalität zu diesem kapitalistischen Ausbeutersystem. Die antikommunistische Hetzkampagne von SPD sowie CDU und FDP als Reaktion auf das Angebot der LINKEN, Ypsilanti zu unterstützen, diente nicht nur als Knüppel gegen die LINKE im Wahlkampf, sondern, viel wichtiger noch, als ein Test, um ihre „Zuverlässigkeit“ für die kapitalistischen Herrscher zu prüfen. So stellte die hessische SPD der LINKEN als Bedingung dafür, ihr Tolerierungsangebot zu akzeptieren, sowohl die „klare Anerkennung unserer Verfassungsordnung und unserer parlamentarischen Demokratie“ als auch die Distanzierung „zu jeder Form der Unfreiheit und zu Menschenrechtsverletzungen, wie sie z. B. in der DDR u. a. mit Schießbefehl, Stasi-Überwachung und der Einschränkung der Meinungs-, Wahl- und Reisefreiheit praktiziert wurden“.

Wie vorherzusehen, akzeptierte das die LINKE. Die Cliff-Anhängerin Wissler erklärte dies folgendermaßen in einem Interview mit der jungen Welt (10. September), in dem sie auch die Verhandlungen mit SPD und Grünen als „freundlich und angenehm“ beschrieb:

„Wir haben bisher schon mehrfach deutlich gemacht, wie wir zur DDR und zum Grundgesetz stehen, wir brauchen keinen Aufarbeitungsprozess. Umgekehrt könnten wir ja auch von der SPD fordern, ihre eigenen Fehler aufzuarbeiten. Etwa den, dass heute Millionen Menschen von 350 Euro im Monat leben müssen. Oder dafür, dass die SPD für die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verantwortlich ist.“

Was für eine Verherrlichung der kapitalistischen „Demokratie“: Nicht nur wird hier der Mord an den revolutionären Helden und KPD-Gründern Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht als „Fehler“ beschönigt. Nein, dieses SPD-Verbrechen zur Rettung der deutschen Bourgeoisie vor der Arbeiterrevolution wird gleichgesetzt mit der Gründung und bloßen Existenz der DDR, einem bürokratisch deformierten Arbeiterstaat, der nach der heldenhaften Befreiung Europas vom Hitlerfaschismus durch die Rote Armee in der einen Hälfte Deutschlands entstand. Im Gegensatz zu den Cliffisten und anderen Pseudotrotzkisten verteidigen wir das grundlegende trotzkistische Verständnis von solchen Staaten: Die Enteignung der Bourgeoisie und die Vergesellschaftung der Wirtschaft, die die deformierten und degenerierten Arbeiterstaaten trotz der politischen Herrschaft einer stalinistischen Bürokraten-Kaste verkörperten, sind ein gewaltiger historischer Fortschritt gegenüber dem Kapitalismus.

Wir von der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL) kämpften mit allen Kräften, um die Arbeitermassen im ganzen Sowjetblock für den Kampf gegen kapitalistische Konterrevolution zu mobilisieren. Das hätte bedeutet, dass die Arbeiterklasse mit den parasitären stalinistischen Bürokratien abrechnet, die nach Jahren des Untergrabens der Arbeiterstaaten und des Herumtrampelns auf dem proletarischen Internationalismus den verräterischen Ausverkauf an den Imperialismus verwalteten. Angefangen mit unserem Kampf, der beginnenden politischen Revolution in der DDR 1989/90 revolutionäre Führung zu geben, bis zu unserem Aufruf vom August 1991 in der Sowjetunion: „Sowjetische Arbeiter: Zerschlagt Jelzins/Bushs Konterrevolution!“, beherzigten wir Trotzkis Warnung vor der „tragischen Möglichkeit“, dass der sowjetische degenerierte Arbeiterstaat „unter den vereinten Schlägen der inneren und äußeren Feinde zusammenbricht“:

„Doch auch wenn diese schlimmste Variante der Entwicklung sich realisiert, wird die Frage, wo die an der Katastrophe Schuldigen zu suchen sind, von größter Bedeutung für die weitere Entwicklung des revolutionären Kampfes sein. Auf die revolutionären Internationalisten darf nicht die geringste Schuld fallen. In der Stunde der tödlichen Gefahr müssen sie auf der letzten Barrikade aushalten.“ (Der Klassencharakter des Sowjetstaats, 1933)

Wir treten für die bedingungslose militärische Verteidigung der verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten China, Kuba, Nordkorea und Vietnam gegen Imperialismus und interne kapitalistische Restauration ein und kämpfen auf dieser Grundlage für proletarische politische Revolution, um die stalinistischen Bürokratien wegzufegen. Dieses Programm und die Lehren aus dem Kampf gegen Konterrevolution im Sowjetblock sind entscheidend dafür, die multiethnische Arbeiterklasse in Deutschland von Klassenzusammenarbeit und chauvinistischem Protektionismus zu brechen, die von den Ausverkaufs-Führern der Gewerkschaften zusammen mit beiden sozialdemokratischen Parteien, SPD und Linkspartei, vorangetrieben werden. (Siehe auch „Vereint in Protektionismus und Antikommunismus: WASG fusioniert mit PDS“, Spartakist Nr. 166, Frühjahr 2007.)

Nieder mit bürgerlichen Regierungsämtern!

Als Ärzte am Krankenbett des Kapitalismus streben die LINKE-Spitzen danach, in bürgerliche Koalitionsregierungen einzutreten und die Drecksarbeit der Bourgeoisie zu machen, mit dem Versprechen, die kapitalistische Ausbeutung „sozial“ zu gestalten. Das kann man an ihrer Begierde sehen, eine SPD/Grünen-Regierung in Hessen zu unterstützen, die Lafontaine und Co. als Sprungbrett sehen, um im Verlauf des nächsten Jahres in weitere kapitalistische Regierungen bis hin zur Bundesregierung zu gelangen. Von Thüringen, wo die Linkspartei gute Chancen hat, als stärkste Partei hervorzugehen, bis zum Saarland, wo Lafontaine von 1985 bis 1998 für die SPD Ministerpräsident war, hoffen sie, sich in Stellung zu bringen, um nach den Wahlen 2009 in Koalition mit der SPD und eventuell den Grünen den Kapitalismus auf Bundesebene zu verwalten. Besonders vor dem Hintergrund des Finanzcrashs und der beginnenden Wirtschaftskrise versuchen sie, sich als geeignet zu profilieren, die Krisen des Kapitalismus zu verwalten. Sie wollen die Interessen der Bourgeoisie durch eine alternative Strategie für den deutschen Imperialismus, unabhängiger von den USA zu agieren, voranbringen.

„Staat, greif ein!“ ist der Ruf der „guten alten“ Sozialdemokratie. Lafontaine und die Pseudosozialisten weinen ihr nach und beschweren sich, Schröder und Co. hätten diesem Weg den Rücken gekehrt und den Kurs des „Neoliberalismus“ eingeschlagen. Sie versprechen, durch das Eingreifen des bürgerlichen Staates die Krisen des Kapitalismus zu verhindern und die Wirtschaft der „demokratischen“ Kontrolle unterzuordnen. In Wirklichkeit werden dadurch die Arbeiterklasse und ihre Organisationen umso besser dem Staat des Klassenfeindes untergeordnet. Jetzt greifen die kapitalistischen Regierungen weltweit ein … indem sie Billionen Dollar und Euro an Steuergeldern den Banken und Kreditinstituten zuschieben, um die Verluste der stinkreichen Finanzspekulanten zu verstaatlichen, während hier Hartz-IV-Empfänger darben und in den USA hunderttausende Arme und Schwarze aus ihren Häusern getrieben werden!

Obwohl ihre Bundestagsfraktion dagegen stimmte, unterstützt die LINKE grundlegend ein Rettungspaket und fordert protektionistische Maßnahmen (siehe Einleitung des Titelseitenartikels). Im Namen des „Schutzes der deutschen Industrie“ wird die Arbeiterklasse so hinter die eigene imperialistische Bourgeoisie kanalisiert. Das ist Gift für das Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse, spaltet sie entlang nationaler Linien und ist entgegengesetzt zur internationalen Klassensolidarität, die bitter notwendig ist, um durch harten Klassenkampf gegen die Kapitalisten die anrollenden Angriffe zurückzuschlagen.

Während die LINKE-Fraktion im Bundestag, wo ihre Stimmen sowieso keinen Einfluss auf das Ergebnis hatten, gegen das Rettungspaket stimmte, votierte Harald Wolf, LINKE-Senator in Berlin, im Bundesrat dafür. Die Berliner LINKE-Spitzen haben Erfahrung mit Bankrettungen. Im Jahr 2002, direkt nach Amtsantritt ihrer Senatoren in Berlin, erfüllte die damalige PDS ihr Wahlversprechen, indem sie das „Gesetz zur Risikoabschirmung“ für die Bankgesellschaft Berlin verabschiedete, womit eine Bürgschaft über 21 Milliarden Euro für die Verluste von Immobilienspekulanten übernommen wurde, die auf einen Immobilienboom in Berlin nach der kapitalistischen Wiedervereinigung gesetzt hatten. Genau wie es mit den aktuellen gigantischen Rettungspaketen geplant ist, wurde dieser „Sozialismus für die Reichen“ auf dem Rücken der Arbeitenden durch massive Kürzungen im öffentlichen Dienst, durch die Zerschlagung von Tarifverträgen, Lohnkürzungen usw. finanziert.

SAV, marx21, junge Welt und diverse andere „linke Kritiker“ in der LINKEN meckern über die Führung des Berliner Landesverbandes und die „neoliberale“ Senatspolitik, um ihre linke Flanke abzudecken. Das sind letztlich nur Floskeln ohne wirkliche Konsequenzen, denn in der Praxis ist ihre Unterstützung sicher, wenn es darauf ankommt – sei es, die PDS 2001 in Berlin ins Amt zu wählen oder 2005 bei den Bundestagswahlen für die LINKE zu stimmen. Im Grunde fordern auch sie nur ein umfassenderes Eingreifen des kapitalistischen Staates im Namen „demokratischer“ Kontrolle der Banken. Typisch dafür ist der folgende Appell an den Berliner Senat vom Bezirksvorstand der LINKEN in Berlin-Neukölln, in dem sich Pseudotrotzkisten wie SAV und marx21 tummeln: „Nur eine Überführung des Finanzwesens in öffentliches Eigentum bietet Kontrollmöglichkeiten der Gesellschaft über die verwendeten Steuergelder.“ Und wer soll bitte die „Kontrollmöglichkeiten“ im Dienste der „Gesellschaft“ bieten, Lafontaine als Finanzminister?

Sie alle sind im Prinzip dafür, in kapitalistische Regierungen einzutreten, nur sollen die Bedingungen dafür höher gesetzt werden als bei der (inzwischen recht unpopulären) Berliner Koalition mit der SPD. Das „Maximalprogramm“ von Organisationen wie der SAV ist klassischer sozialdemokratischer Reformismus: eine „sozialistische“ Mehrheit im bürgerlichen Parlament und eine „wirklich demokratische“ kapitalistische Regierung, die man unter Druck setzen kann, um die Reichen zur Kasse zu bitten. So fördern sie reformistische Illusionen unter Arbeitern und Jugendlichen und geben linke Abdeckung für die Schweinereien, die unweigerlich von den sozialdemokratischen Ministern in den kapitalistischen Regierungen durchgeführt werden. Wie man in Berlin sehen kann, ist das Ergebnis die Demobilisierung von Klassenkampf angesichts kapitalistischer Angriffe und eine gewaltige Demoralisierung von Gewerkschaftern, Unterdrückten und der ganzen Arbeiterklasse.

Entgegen den Vertuschungen dieser Reformisten erklärte Friedrich Engels schon 1878 in seiner Polemik Anti-Dühring, dass der Klassencharakter des Staates die Beseitigung der Krisen im Kapitalismus unmöglich macht:

„Aber weder die Verwandlung in Aktiengesellschaften noch die in Staatseigentum, hebt die Kapitaleigenschaft der Produktivkräfte auf... Der moderne Staat, was auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist. Je mehr Produktivkräfte er in sein Eigentum übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist, desto mehr Staatsbürger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverhältnis wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben.“

Überall bestätigen die kapitalistischen Regierungen in der gegenwärtigen Krise diese grundlegende Erkenntnis. Der einzige Weg, um den Krisen, der Unterdrückung und der Ausbeutung des Kapitalismus ein Ende zu setzen, ist eine proletarische Revolution, die die repressive kapitalistische Staatsmaschinerie zerschlägt und durch Organe der Arbeiterherrschaft ersetzt und der winzigen, stinkreichen kapitalistischen Ausbeuterklasse das Eigentum an den Produktionsmitteln entreißt, um die Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage neu zu organisieren. Das bedeutet die Diktatur des Proletariats als ersten, notwendigen Schritt hin zur Überwindung aller Klassenunterschiede und damit einhergehend zum Absterben des Staates.

Die Stellung zum bürgerlichen Staat ist die grundlegende Trennlinie zwischen Reform und Revolution: Die reformistische Ansicht, man könne den bestehenden Staatsapparat übernehmen und im Interesse der Arbeiter verwalten, gegen das marxistische Verständnis – ausgeführt von Lenin in Staat und Revolution (1917) und Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky (1918) –, dass der kapitalistische Staatsapparat durch eine proletarische Revolution zerschlagen werden muss. Um die Arbeiterklasse für diese historische Aufgabe zu mobilisieren, braucht sie ein Programm, unabhängig vom kapitalistischen Staat durch Klassenkampf für die brennenden Bedürfnisse der Arbeiter und aller Unterdrückten zu kämpfen. Wir sind grundsätzlich dagegen, für Regierungsämter des bürgerlichen Staates zu kandidieren oder sie anzunehmen, egal ob auf lokaler, Landes- oder Bundesebene – Bürgermeister, Ministerpräsident, Kanzler, Bundespräsident usw.

Wie Rosa Luxemburg schrieb: „Der Eintritt eines Sozialisten in eine bürgerliche Regierung ist nicht, wie geglaubt wird, eine teilweise Eroberung des bürgerlichen Staates durch die Sozialisten, sondern eine teilweise Eroberung der sozialistischen Partei durch den bürgerlichen Staat“ („The Dreyfus Affair and the Millerand Case“, 1899). Wir unterscheiden scharf zwischen der Annahme von Exekutivämtern und der revolutionären Ausnutzung des Parlaments. Ersteres bedeutet zwangsläufig, den Kapitalismus zu verwalten – beispielsweise die Bullen zum Streikbruch einzusetzen oder rassistische Abschiebungen anzuordnen –, und ist somit Klassenverrat. Bürgerliche Parlamente dagegen können als Tribüne für die Verbreitung des kommunistischen Programms benutzt werden, um die bürgerliche Demokratie als Schleier für die kapitalistische Herrschaft zu entlarven.

Der Kampf für eine leninistische Avantgarde

Im September kündigte die SAV an, sie würde nun auch in Berlin und im Osten in die LINKE eintreten, wogegen sich Widerstand im LINKEN-Bundesvorstand regt. Tatsächlich wird durch das neueste Manöver deutlich, was wir schon 2006 zu ihrer Kandidatur in Berlin gegen die PDS sagten: Sie stellen keine grundlegende Klassenopposition zur prokapitalistischen LINKE/PDS/WASG-Spitze dar. So verteidigen sich Redler und andere SAV-Unterstützer wie folgt: „Der eigenständige Wahlantritt war nicht parteischädigend, was damals sogar von einem bürgerlichen Gericht festgestellt wurde, das die Absetzung des WASG-Landesvorstands durch den WASG-Bundesvorstand aufhob“ (sozialismus.info, 22. Oktober). Diese Reformisten sind stolz darauf, dass ihnen vom Gericht des Klassenfeindes ein Persilschein ausgestellt wurde! Wir haben damals diese krasse Übertretung der Klassenlinie verurteilt: „Die Klage der SAV/WASG Berlin gegen die WASG-Bundesleitung hat dem kapitalistischen Staat die Legitimation für diesen unerhörten Eingriff in eine linke Organisation geliefert und damit der Linken und Arbeiterbewegung viel schwereren Schaden zugefügt, als wenn die Berliner WASG nicht an den Wahlen hätte teilnehmen können“ („Prinzipienlose Manöver im sozialdemokratischen Sumpf“, Spartakist Nr. 163, Sommer 2006).

Die „Entrismus“-Manöver von SAV, marx21 und den anderen in der LINKEN sind krassester Opportunismus. Leninisten streben danach, die Widersprüche zu vertiefen, die zwischen den Wünschen und objektiven Interessen der Arbeiterbasis einerseits und der Politik und den Taten der sozialdemokratischen Führung andererseits bestehen. Wir wollen die Arbeiterbasis zu unserem Programm gewinnen und für den Aufbau einer im Gegensatz zu SPD und LINKE stehenden revolutionären Partei, durch die Mobilisierung für Klassenkampf und die Entlarvung des sozialdemokratischen Verrats durch die kommunistische Avantgarde. Im Rahmen dieser strategischen Perspektive stehen einer intelligenten revolutionären Organisation verschiedene taktische Möglichkeiten offen, die den Umständen entsprechend angewandt werden. Diese Taktiken und ihre Anwendung entspringen der strategischen Notwendigkeit, diese Parteien entlang der Klassenlinie zu spalten: Zu jedem Zeitpunkt behalten wir volle programmatische Unabhängigkeit von allen Flügeln der sozialdemokratischen Bürokratie bei.

Das hat absolut nichts zu tun mit den Machenschaften der Pseudotrotzkisten in und um die LINKE, und dafür gibt’s einen einfachen Grund: Sie alle lehnen die Perspektive ab, eine leninistische Avantgardepartei zu schmieden, um das multiethnische Proletariat an der Spitze aller Unterdrückten zum revolutionären Sturz des Kapitalismus zu führen. Stattdessen helfen sie, Arbeiter und Jugendliche dem einen oder anderen Flügel der prokapitalistischen Führung (zur Zeit vor allem Lafontaine, der etwas mehr linke Sprüche von sich gibt) unterzuordnen, um die LINKE und ihre bürgerlichen Koalitionsregierungen „nach links“ zu „drücken“. So erklärt Redler zum Beispiel, dass es das Ziel der SAV „als Marxisten“ in der LINKEN ist, zu helfen, „einen starken sozialistischen Flügel in der Linken aufzubauen, der Regierungsbeteiligung wie in Berlin ablehnt“ (junge Welt, 12. September).

Dann gibt es noch solche wie die Gruppe Arbeitermacht (GAM), die sich mit einem Artikel in ihrer Infomail (21. September) zum Entrismus der SAV in der Linkspartei zu Wort meldete, in dem sie einige ziemlich orthodox klingende Kritik anbringt. Zum Beispiel wirft die GAM der SAV vor, „den wahren Charakter dieser Partei zu verschleiern“, wobei sie die LINKE eine „bürgerliche Arbeiterpartei“ nennt und fortfährt: „Daran ändern auch die bisweilen geäußerten unverbindlichen sozialistischen Phrasen nichts.“ In Wirklichkeit schmollt die GAM, weil die SAV zur Zeit der Fusion von WASG und PDS nicht bei ihrem Netzwerk Linke Opposition (NLO) mitmachte: „Diese Politik offenbart nicht nur das typisch zentristische Schwanken der SAV, diese Politik boykottierte auch offen die Möglichkeit, mit dem NLO eine bundesweite Struktur aufzubauen, die ein Attraktionspol für linke, kämpferische, antikapitalistische Kräfte werden konnte.“

Das NLO war ein Gebilde aus mehreren pseudosozialistischen Grüppchen wie der GAM, die es vorzogen, eine Druckgruppe auf die LINKE außerhalb der LINKEN aufzubauen. Was reformistisches Vertrauen in den kapitalistischen Staat angeht, unterschied sich das NLO kaum von der LINKEN oder der SAV. Beispielsweise unterstützt die „Felsberger Erklärung“, mit der das NLO gegründet wurde und die von der GAM hoch gelobt wird, den Eintritt in „nette“ kapitalistische Regierungen: „Die neue Partei tritt nicht in Regierungen ein, die Sozialabbau betreiben, tarifliche Standards oder Löhne im öffentlichen Dienst absenken bzw. die Arbeitszeit der Beschäftigten erhöhen.“ Als das „Netzwerk“ nach weniger als einem Jahr auseinanderflog, weil eine Hälfte der LINKEN beitreten wollte, gab die GAM selbst zu, dass das NLO politisch bankrott war und keine Existenzberechtigung hatte. Grundlegend arbeitet die GAM im selben Rahmen wie die SAV: die Sozialdemokratie nach links zu drücken. Sie ermahnt lediglich die SAV, dass das mit der LINKEN nicht realistisch ist, und beschwert sich, dass „die SAV aber nicht den Schluss [zieht], dass die LINKE eine verfestigte (und keine offene oder nach links verschiebbare) reformistische Partei ist“.

Für die GAM und ihre internationalen Mitstreiter von Workers Power (WP) ist die Suche nach einem „nach links verschiebbaren“ Flügel der Sozialdemokratie (oder gar Formationen, die nicht einmal Teil der Arbeiterbewegung sind) ihre Daseinsberechtigung. Das war bei ihrer Spaltung 2006 sonnenklar zu sehen, wo die beiden Fraktionen darüber uneins waren, ob sie den volksfrontlerischen Sozialforen (d. h. einer bürgerlichen Formation) hinterherlaufen sollen oder den „Linken“ in der Labour Party in Britannien (siehe Spartakist Nr. 164, Herbst 2006). Und ungeachtet der „radikalen“ Rhetorik, mit der sie die SAV über den Charakter der LINKEN als „bürgerliche Arbeiterpartei“ belehrt, bedeutet das für die GAM nur, sie immer zu wählen. Gerade bis zur Gründung der WASG gab die GAM fortwährend ihre Stimme der SPD, auch bei den Bundestagswahlen 2002, nach vier Jahren rassistischer, arbeiterfeindlicher SPD/Grünen-Regierung unter den Balkan-Schlächtern Schröder und Fischer. Wenn es darauf ankommt, findet sich die GAM immer auf der gleichen Seite wie die SAV wieder, bei der Sozialdemokratie und dem „demokratischen“ Imperialismus. Während sich die internationalen Verbündeten der SAV vor Ort damit brüsteten, dass sie nach Jelzins Putsch im August 1991 Arbeiter, die gegen diesen konterrevolutionären Abschaum aktiv werden wollten, überredeten, nach Hause zu gehen, standen Unterstützer von Workers Power zusammen mit Priestern und Kapitalisten buchstäblich auf Jelzins konterrevolutionären Barrikaden.

Die Lehren des Oktober

Die Oktoberrevolution von 1917 hätte nie siegen können ohne Lenins Führung und die Existenz der gestählten bolschewistischen Partei, die aus einer Spaltung mit den Reformisten (Menschewiki) und jahrelangem Kampf gegen deren Einfluss in der Arbeiterklasse hervorgegangen war. Umgekehrt haben wir aus der Niederlage der revolutionären Welle nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland, insbesondere die gescheiterte Deutsche Revolution von 1923, die Lehren gezogen. Unsere kritische Untersuchung der Deutschen Revolution von 1923 war entscheidend für unsere Klärung der leninistischen Haltung zu Regierungsämtern (siehe „Nieder mit Exekutivämtern!“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 26, Frühjahr 2008, sowie „Eine trotzkistische Kritik: Deutschland 1923 und die Komintern“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 22, Sommer 2001). Eines der deutlichsten Anzeichen für das riesige revolutionäre Potenzial in Deutschland 1923 war, dass die SPD ihre Kontrolle über die Masse der deutschen Arbeiterklasse verlor. Inmitten der verheerenden wirtschaftlichen Verwerfungen und der Hyperinflation war die reformistische Partei- und Gewerkschaftsbürokratie außerstande zu funktionieren; sie wurde paralysiert. Die Arbeiter kehrten ihr in Scharen den Rücken zu, und angezogen vom Leuchtfeuer für die Emanzipation der Arbeiterklasse, der Oktoberrevolution, beschlossen sie, dass es an der Zeit wäre, den Kommunisten eine Chance zu geben. Die KPD-Führung bestand den Test der Revolution jedoch nicht. Nachdem sie in den vorangehenden Monaten des Jahres 1923 die revolutionären Bestrebungen der Arbeitermassen zurückgehalten hatte, machte sie am Vorabend eines geplanten Aufstands im Oktober kampflos einen Rückzieher.

Anstatt den Kampf um die Arbeitermacht zu organisieren, baute die KPD-Führung unter Heinrich Brandler im Grunde auf die Illusion, der linke Flügel der Sozialdemokratie könnte dazu überredet werden, ein „revolutionärer“ Verbündeter zu werden. Diese Strategie drückte sich im Missbrauch der Losung für eine „Arbeiterregierung“ aus, die für die KPD eine andere Bedeutung als die Diktatur des Proletariats angenommen hatte – sie wurde immer mehr ein Regierungsbündnis mit der SPD auf Grundlage des bürgerlichen Parlaments. Das war eine opportunistische und selbstzerstörerische Verdrehung des Verständnisses von Lenins und Trotzkis Bolschewiki 1917, dass eine Arbeiterregierung durch den Sturz des bürgerlichen Staatsapparates und die Schaffung einer neuen Staatsmacht auf Grundlage von Arbeiterräten (Sowjets) errichtet werden würde. Der Höhepunkt dieses Revisionismus war der Eintritt der KPD in Regierungskoalitionen mit der SPD in Sachsen und Thüringen im Oktober 1923 und die anschließende Absage des Aufstands in kriecherischer Anpassung an ihre Koalitionspartner der SPD-„Linken“.

Danach begann Trotzki die Gründe für die Niederlage 1923 auszuwerten und die Lehren daraus zu ziehen. Dies beinhaltete eine scharfe Kritik an der damaligen Komintern-Führung für ihre Schwankungen angesichts der Entwicklung dieser hervorragenden revolutionären Möglichkeit und führte auch zu einer impliziten Selbstkritik an seiner eigenen früheren, administrativen Herangehensweise. In Lehren des Oktober (1924) betonte Trotzki: „Ohne die Partei, unter Umgehung der Partei, durch ein Surrogat der Partei kann die proletarische Revolution nie siegen.“ Für die Bourgeoisie gibt es keine „ausweglose“ Lage; wenn eine revolutionäre Partei nicht handelt, wird die Bourgeoisie die Kontrolle zurückgewinnen. Das geschah in Deutschland 1923. Um erfolgreich die Herrschaft der deutschen Bourgeoisie, die soviel blutiges Elend über die arbeitenden Massen und Unterdrückten der Welt gebracht hat, ein für alle Mal zu beenden, ist eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei absolut unverzichtbar. Wir kämpfen dafür, auf der Grundlage des Programms der SpAD den Kern dieser Partei zu sammeln, als Teil einer wiedergeschmiedeten Vierten Internationale, der Weltpartei der sozialistischen Revolution. Schließt Euch uns an!

 

Spartakist Nr. 174

Spartakist Nr. 174

November 2008

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Philadelphia: Staatsanwaltschaft will Todesstrafe für Mumia Abu-Jamal

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