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Spartakist Nummer 176

März 2009

Volksfrontpolitik entwaffnet Gewerkschafter, Linke

Dresden: Staat schützt Nazi-Aufmarsch

Arbeiter/Immigranten-Mobilisierung kann Faschisten stoppen!

Am 13. und 14. Februar konnten in Dresden bis zu sechstausend Nazis ungehindert für ihre Völkermord-Propaganda aufmarschieren. Dabei wurden sie vom bürgerlichen Staat, d. h. der Polizei, geschützt, während linke Gegendemonstranten massiv eingeschüchtert und in einem Kessel praktisch gefangen gehalten wurden. Eine „Geh-Denken“-Demo von SPD, LINKE, Grünen, DGB und Kirchen zog einige tausend Teilnehmer an. Die Berliner Zeitung vom 16. Februar beschrieb die Demos treffend als „Harmloser Protest gegen Rechts“. Nach dieser ungeheuerlichen Provokation und nur ohnmächtigen Gegenprotesten traten die Nazis mit gestärktem Selbstbewusstsein auf. An der Raststätte Teufelstal, in der Nähe von Jena, wurde ein Bus von nordhessischen Gewerkschaftern brutal von Nazis angegriffen und ein Gewerkschafter so schwer am Kopf verletzt, dass er mit einem Schädelbruch operiert werden musste. Die Nazis sind die extralegalen Bürgerkriegstruppen der Kapitalistenklasse und die Todfeinde der Arbeiterklasse und der Linken. Sie können und müssen gestoppt werden.

Der Aufruf des DGB zur „Geh-Denken“-Demo nach Dresden war kein Aufruf, den Nazi-Aufmarsch zu stoppen, sondern diente dazu, das Image des deutschen Imperialismus aufzumöbeln. Bei Demonstrationen dieser Art geht es nur darum, ein paar mehr Leute als die Nazis auf die Straße zu bringen, Politikern wie Müntefering oder Claudia Roth ein Forum zu geben und die bürgerliche Demokratie hochleben zu lassen. Durch die von Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbürokratie betriebene Politik von Klassenzusammenarbeit und Vertrauen in den bürgerlichen Staat, die auch den Dresdner Demos zugrunde lag, zeigten sich die Gewerkschafter beim brutalen Naziüberfall an der Raststätte Teufelstal völlig entwaffnet. Die sozialdemokratische Politik hat das Bewusstsein von Gewerkschaftern zerstört, dass Nazis die Todfeinde der Arbeiterklasse sind. Als die Gewerkschafter von einer Gruppe von 20 Nazis angegriffen wurden, flüchteten sie in den Rasthof oder in die Busse, offensichtlich ohne sich effektiv zu verteidigen. Das Opfer wurde aus dem Bus gezerrt, brutal zusammengeschlagen und getreten.

Trotzki, mit Lenin einer der Führer der russischen Oktoberrevolution von 1917 und unermüdlicher Kämpfer gegen den Aufstieg der Nazis in den 20er- und frühen 30er-Jahren, beschrieb 1938 in „Das Programm vervollständigen und in die Tat umsetzen“, wie Hitler Erfolg hatte:

„Die Sozialdemokratie war außerordentlich mächtig. Er [Hitler] schickte eine Bande mit Rudolf Hess zu einer Versammlung der Sozialdemokratie. Zum Ende der Versammlung, sagte er, warfen seine dreißig Jungs alle Arbeiter hinaus, und sie waren nicht in der Lage, Widerstand zu leisten. Da wusste er, dass er siegen würde. Die Arbeiter waren nur zum Beitragszahlen organisiert. Es gab überhaupt keine Vorbereitung auf andere Aufgaben. Nun müssen wir tun, was Hitler tat, nur andersherum.“

Dies bedeutet, die Arbeiter unabhängig von der Kapitalistenklasse und deren Polizei zu mobilisieren, in dem Bewusstsein, dass die Nazis ihre Todfeinde sind, gegen die sie sich verteidigen müssen.

Die Demonstrationen in Dresden gegen die Nazis waren geprägt durch Anpassungen an die Kollektivschuld-Ideologie des deutschen Imperialismus einerseits und durch Vertrauen in und Hoffen auf den kapitalistischen Staat und seine Polizei andererseits. Die Antifa-Demo fand zusammen mit proimperialistischen „Antideutschen“ (AD) statt. Die „AD“ trugen israelische, britische und US-amerikanische Fahnen. Sie feierten die imperialistischen Alliierten, die Dresden in Schutt und Asche gelegt hatten. Sie propagieren die Schuld aller Deutschen am Faschismus. Diese Lüge wäscht aber den wirklichen Schuldigen weiß: die deutsche Bourgeoisie, die Hitler an die Macht brachte, um die deutsche Arbeiterklasse zu zermalmen und ihre Klassenherrschaft aufrechtzuerhalten. Aber auch der linke Aufruf des Bündnisses „No pasarán“ sprach vom „Tabubruch im Sinne der TäterInnen-Opfer-Verkehrung“ und teilt damit grundlegend die Kollektivschuldlüge. Dem entgegengesetzt intervenierten wir Spartakisten unter anderem mit einem Artikel zu Dresden (Spartakist Nr. 158, Frühjahr 2005), wo wir schrieben:

„Die Strategie der alliierten Flächenbombardierung war bewusst und gezielt gegen die deutsche Arbeiterklasse gerichtet: ,In seiner „Area Bombing Directive“ vom 14. Februar 1942 schrieb das [britische] Luftfahrtministerium als künftiges „Hauptziel“ des Bomber Command fest, durch Flächenbombardements „die Moral der gegnerischen Zivilbevölkerung, insbesondere die der Industriearbeiterschaft“, zu zerstören‘ [Spiegel Special, Nr. 01/2003]... Eines der zentralen Motive für die Bombardierung der deutschen Arbeiterviertel war die Angst, dass die deutsche Arbeiterklasse den Kapitalismus stürzen könnte, so, wie sie es schon am Ende des Ersten Weltkriegs versucht hatte, nur diesmal zusammen mit einer siegreichen Roten Armee, und damit wäre Europa rot geworden.“

Die Kollektivschuld steht jeder wirklichen Mobilisierung der sozialen Macht der Arbeiterklasse entgegen, und gerade diese ist notwendig, um die Nazis in Dresden und anderswo zu stoppen.

Das setzt aber das Verständnis voraus, dass der bürgerliche Staat und seine Agenturen wie die Polizei und die Gerichte auf der anderen Seite der Barrikade stehen. Trotz aller Repression durch die Bullen, die den Nazis den Weg freimachten, zeigten sich die fürchterlichen Illusionen des Bündnisses „No pasarán“ in den bürgerlichen Staat und die Polizei in einer Presseerklärung der Sprecherin Heike Schneider: „Falls die Stadt nächstes Jahr ihre Politik ändert, kann antifaschistisches Engagement auch in Dresden erfolgreich sein.“ Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der LINKEN, nahm den Nazi-Terror zum Anlass, um in der jungen Welt vom 21. Februar ihre Variante des Vertrauens in den bürgerlichen Staat zu propagieren, indem sie in einem langen Traktat das Verbot der NPD forderte. Jelpke, die wie die DKP, der VVN-BdA und andere die Kampagne „No-NPD“ führt, schürt massiv Illusionen, dass der kapitalistische Staat, der die NPD und andere Nazi-Organisationen über V-Leute führt und finanziert, tatsächlich grundlegend gegen die Nazis vorgehen könne. Dies ist ein anderer Weg, die deutsche Bourgeoisie zu amnestieren, die die industrielle Vernichtung der europäischen Juden und der Sinti und Roma durchführte. Staatliche Verbote stärkten immer den bürgerlichen Staat und richteten sich in erster Linie gegen die Linke. Als das Verbotsverfahren gegen die FAP des Nazis Kühnen eingeleitet wurde, folgte das Verbot der kurdischen PKK 1993 auf dem Fuße. Während die Kurden brutal unterdrückt werden, konnten sich die Nazis einfach neu organisieren.

Die Sozialistische Alternative (SAV) schreibt in einer Erklärung vom 16. Februar: „Kein Verlass auf den bürgerlichen Staat“. Das mag links klingen, aber es ist nicht nur „kein Verlass“ auf den bürgerlichen Staat, sondern er steht auf der anderen Seite. Die reformistische SAV dagegen will die Polizisten in Gewerkschaften organisieren, und ihre britischen Genossen von der Socialist Party diskutierten im November 2007 mit Gefängniswärtern auf dem Podium ihres „Socialism 2007“. Dahinter steckt tiefe sozialdemokratische Klassenzusammenarbeit, die notwendigerweise nationalistisch ist. Diese drückt sich darin aus, dass die britischen Genossen der SAV jetzt einen reaktionären chauvinistischen Streik von Bauarbeitern gegen italienische und portugiesische Bauarbeiter mit anführten, den die britischen Faschisten der BNP zu vereinnahmen suchten (siehe Artikel Seite 4). Eine grundlegende Erkenntnis für jeden Marxisten ist, dass der bürgerliche Staat nicht für die Seite der Unterdrückten gewonnen werden kann, sondern durch revolutionäre Massenaktionen der Arbeiterklasse gestürzt werden muss. Das ist einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen Reform und Revolution.

Die Anti-Nazi-Mobilisierungen haben in aller Regel einen klassenübergreifenden Charakter, das heißt, sie sind volksfrontlerisch. Aus Ablehnung des katastrophalen Sektierertums der stalinisierten KPD der „Dritten Periode“ unter Ernst Thälmann, die die sozialdemokratischen Arbeiter als „Sozialfaschisten“ abschrieb, wurde die falsche Lehre gezogen, dass die Arbeiterbewegung sich auf ein Programm der Verteidigung der bürgerlichen Demokratie beschränken muss, um gemeinsam mit bürgerlichen Kräften die Nazis einzudämmen. Damit aber reduziert sich der Kampf gegen Faschismus darauf, die bürgerliche Demokratie zu erkämpfen oder zu erhalten. Wie der Marxismus erklärt, ist bürgerliche Demokratie aber – wie auch der Faschismus – eine Form der Diktatur der Bourgeoisie. Die Volksfront ist keine „intelligente“ Taktik oder Stufe im Kampf gegen den Faschismus, sondern der größte Verrat, weil sie die Arbeiter und Unterdrückten der Kapitalistenklasse unterordnet, deren Schocktruppen die Faschisten sind. Wie Trotzki 1938 im „Übergangsprogramm“ der Vierten Internationale schrieb: „Die ,Volksfronten‘ auf der einen, der Faschismus auf der anderen Seite, das sind die letzten politischen Mittel des Imperialismus im Kampf gegen die proletarische Revolution.“ Wir kämpfen für Arbeiter/Immigranten-Mobilisierungen, um die Nazis zu stoppen! Wir wollen alle potenziellen Opfer der Nazis hinter der sozialen Macht der Arbeiterklasse mobilisieren. Dies setzt die Unabhängigkeit von der Bourgeoisie und ihrem Staat voraus und ist somit der Volksfrontpolitik, entgegengesetzt. Und nur neue Arbeiterrevolutionen können dem Faschismus den Garaus machen. Für neue Oktoberrevolutionen weltweit!

 

Spartakist Nr. 176

Spartakist Nr. 176

März 2009

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Kapitalistische Wirtschaftskrise: Bosse lassen Arbeiter zahlen

Für Klassenkampf gegen die kapitalistischen Herrscher!

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Leserbrief:

Zur Familie in der DDR

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