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Spartakist Nummer 193

Mai 2012

USA: Gewerkschaft ILWU hält Angriffen stand

Lehren des Kampfes der Hafenarbeiter von Longview

Der nachfolgende Artikel wurde übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 996, 17. Februar, Zeitung unserer Genossen der Spartacist League/U.S., Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga. Seit dieser Artikel geschrieben wurde, ist der Vertrag der ILWU mit EGT veröffentlicht worden. Außer dass EGT die Möglichkeit gegeben wird, 12-Stunden-Schichten zu fahren, gibt der Vertrag dem Management weit ausgedehnte Vorrechte gegenüber Gewerkschaftsrechten und schränkt die Funktion „union hiring hall“ deutlich ein. Weiterhin werden Hafenarbeiter und ihre Verbündeten rachsüchtig von den Gerichten verfolgt. Wie der Brief des Partisan Defense Committee (siehe Seite 19) klarmacht, hat die internationale Arbeiterbewegung ein Interesse, diese Arbeiter und ihre Unterstützer zu verteidigen.

Am 7. Februar begannen Mitglieder der Ortsgruppe 21 der International Longshore and Warehouse Union (ILWU, Hafenarbeitergewerkschaft) das erste Schiff, das in den neuen Hightech-Getreideterminal der EGT (Export Grain Terminal) in Longview, Washington, einlief, mit Getreide für Südkorea zu beladen. Zwei Tage später wurde von den Mitgliedern der Ortsgruppe 21 ein Fünf-Jahres-Vertrag über Wartung und Produktion am Terminal angenommen. Die Streikbrecher der Ortsgruppe 701 der Operating Engineers sind draußen und die ILWU ist drin. Dies ist der Endpunkt einer fast zweijährigen Machtprobe zwischen der ILWU und dem riesigen Getreidekonzern EGT, hinter dem letztlich die geballte Kraft des kapitalistischen Staates stand.

Alle Achtung vor dem Kampfgeist und der Entschlossenheit der ILWU-Mitglieder, allen voran der Ortsgruppe 21, die so hart gekämpft haben! Im Verlauf dieser Schlacht hatten die Gewerkschaft und ihre Verbündeten ihre Stärke mit Arbeitskampfmaßnahmen demonstriert, wie sie in diesem Lande seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen waren. Massenstreikposten wurden aufgestellt, um Getreidezüge zum Verladeterminal zu blockieren. Die Bullen rächten sich mit Verfolgungen und Einschüchterung und verhafteten mehrfach ILWU-Mitglieder und ihre Unterstützer. Als am 7. September die Polizei die Streikposten der Gewerkschaft angriff, rief ILWU-International-Präsident Robert McEllrath, der selbst von den Bullen brutal angegangen worden war, dazu auf, die Streikpostenkette aufzulösen und auf Verstärkung von anderen Hafenarbeitern zu warten. Am darauffolgenden Tag waren Häfen in der Region dicht, ILWU-Mitglieder strömten nach Longview und verabreichten der EGT, deren angeheuerten Security-Schlägern und den Streikbrecherbullen eine Kostprobe echter Gewerkschaftsmacht. Die gewerkschaftsfeindlichen Medien zeterten über Tausende Tonnen auf die Schienen gekippten Getreides und die EGT zog mit Unterstützung von Obamas National Labor Relations Board [Bundesbehörde für Arbeitsbeziehungen] vor die Gerichte, die über 300 000 Dollar Strafe gegen die Gewerkschaft verhängten.

Da machte die ILWU-International-Führung einen Rückzieher, suchte Zuflucht in Klagen vor den kapitalistischen Gerichten und drängte auf einen Bürgerentscheid über die Abberufung des Sheriffs von Cowlitz County. Zugladungen von Getreide wurden ungehindert zum Terminal gebracht, wo sie von Streikbrechern der Ortsgruppe 701 der Operating Engineers entladen wurden. Ende letzten Jahres begann das Unternehmen, die Verschiffung des Getreides mit Hilfe von Obamas „Homeland-Security“-Apparat sicherzustellen. Die Gewerkschaft war nun direkt konfrontiert mit einer Flotte bewaffneter Schiffe und Kampfhubschrauber der Küstenwache, die als Eskorte aufgeboten wurden für das erste Schiff, das den Columbia-Fluss hinauf zum EGT-Umschlaghafen fahren sollte. Unter Berufung auf die vorangegangenen „gewalttätigen“ Aktionen der ILWU richtete die Küstenwache eine zeitweilige „Sicherheitszone“ um den Terminal und alle ankommenden Schiffe ein und ermächtigte sich zur Ergreifung jeglicher Maßnahmen, um dies durchzusetzen. Jede Verletzung konnte eine Strafe von bis zu 250 000 Dollar und sechs Jahre Gefängnis nach sich ziehen.

Der zentrale Gewerkschaftsrat der Bezirke Cowlitz-Wahkiakum gab einen „Aktionsaufruf“ heraus, der die Arbeiter und ihre Verbündeten dazu aufrief, beim Einlaufen des ersten Schiffs in Longview mobilzumachen. McEllrath schrieb einen Brief an alle ILWU-Ortsgruppen und rief sie auf, sich auf Protestaktionen vorzubereiten. Die populistische Occupy-Bewegung organisierte Karawanen aus dem Bereich der pazifischen Nordwest-Küste und von der Westküste. Einzelne Gewerkschaften und Gewerkschaftsräte im ganzen Land verabschiedeten Resolutionen und schrieben Protestbriefe gegen den Einsatz des US-Militärs gegen die ILWU.

Eine Machtprobe zwischen den von der Obama-Regierung eingesetzten Militärstreitkräften und den Gewerkschaftern und Occupy-Demonstranten hätte die politischen Aussichten der Demokraten im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen von 2012 schmälern können. Als bekannt wurde, dass bald das erste Schiff einlaufen sollte, schaltete sich die demokratische Gouverneurin des Staates Washington ein und vermittelte eine vorläufige Übereinkunft zwischen ILWU und EGT.

Die „Partnerschaft“ von Arbeit und Kapital ist eine Lüge!

Der Präsident der ILWU International preist nun „die Partnerschaft zwischen ILWU und EGT“ als den Beginn „vieler Jahre sicheren, produktiven Betriebs der Anlage und der Stabilität der Getreideexportindustrie im pazifischen Nordwesten“. Doch der gesamte Kampf von Longview straft das Werben der Bürokratie für eine „Partnerschaft“ zwischen Hafenarbeitern und EGT-Eigentümern Lügen, eine Lüge, die der gesamten, geradezu unangefochtenen Offensive der Bosse und ihres Staates zugrunde liegt, die die Gewerkschaften in diesem Lande ausgehöhlt hat.

Die „Stabilität“ der milliardenschweren US-Getreideindustrie, der größten und profitabelsten weltweit, bedeutet explodierende Lebensmittelpreise und Hunger und Tod für Millionen auf der ganzen Welt. Die Getreideversorgung der Welt wird von einer Handvoll Agrarindustriegiganten kontrolliert, darunter die in den USA beheimateten Konzerne Cargill und Archer-Daniels-Midland. Zu Hause erzeugen sie ihre Profite durch wachsende Ausbeutung der Arbeiterklasse, was der Grund ist, weshalb die EGT an ihrem Umschlaghafen von Longview die ILWU zerschlagen wollte. Damit scheiterten sie. Die Organisation der Gewerkschaft an der Westküste und die Arbeitsplätze im Hafen von Longview, die seit 80 Jahren gewerkschaftlicher Kontrolle durch die ILWU unterliegen, blieben erhalten.

Dan Coffman, Präsident der ILWU-Ortsgruppe 21, sagte Workers Vanguard, dass sich die Gewerkschaft mit ihrer Forderung durchgesetzt hat, dass das Unternehmen in die zwischen der ILWU und der Pacific Maritime Association (PMA, Unternehmerverband im Hafenbereich an der Westküste) abgeschlossene Kranken- und Sozialversicherung einzahlt und auch in die Rentenversicherung. Die EGT wird außerdem Überstundentarife für Arbeit bezahlen, die acht Stunden pro Tag überschreitet. Dennoch ist die Tatsache, dass die EGT Zwölf-Stunden-Schichten für ILWU-Mitglieder anordnen kann, für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter eine ernstzunehmende Bedrohung. (Der Vertrag der ILWU mit der PMA erlaubt lediglich Schichten von maximal zehn Stunden und das nur, wenn das sofortige Ablegen des Schiffs vorgesehen ist). Außerdem wird die EGT Nachtschichten normal bezahlen ohne den üblichen Zuschlag von einem Drittel.

Die Gewerkschaft konnte auch die Weigerung der EGT zurückschlagen, Wartungs-/Instandsetzungs- und andere Arbeiter des Terminals als Mitglieder der ILWU anzuerkennen. Diese Arbeiter wurden vom Unternehmen beim Gewerkschafts-Ortsverband 21 ausgewählt und separat als festangestellte „Ständige“ eingestellt. Danach sollten sie entscheiden, ob sie sich von der ILWU vertreten lassen wollten. Ständige, denen Arbeit bei individuellen Reedereien sowie Be- und Entladefirmen garantiert wurde, waren aufgrund des Vertrags der ILWU mit der PMA seit langem zugelassen, was die „union hiring hall“ [die Kontrolle der Einstellung bei Betrieben mit sehr unterschiedlichem Personalbedarf und der Verteilung der Arbeit durch die Gewerkschaft] und das rotierende Entsendesystem untergrub. Diese Errungenschaften des historischen Streiks von 1934, durch den die Gewerkschaft geschmiedet wurde, haben den Zweck, für alle ILWU-Mitglieder gleiche Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Coffman sagte uns auch, dass die Gewerkschaft ihre Forderung, den Kontrollraum des EGT-Terminals mit Gewerkschaftsmitgliedern zu besetzen, nicht durchsetzen konnte, was bedeutet, dass die zentralen Betriebsabläufe vom Unternehmen selbst ausgeführt werden.

Angesichts der Tatsache, dass Gewerkschaften wie die des öffentlichen Dienstes in Wisconsin von den kapitalistischen Gewerkschaftsfeinden niedergemäht werden, ist es eine echte Errungenschaft, dass die ILWU in Longview gegenüber der EGT standgehalten hat. Doch der Kampf ist nicht zu Ende. Immer noch hat die ILWU mehr als 300 000 Dollar Geldstrafen am Hals, gegen die sie vor den Bundesgerichten Berufung eingelegt hat. Zwar haben Gerichte einige der Verhafteten freigelassen, doch noch immer werden Anklagen gegen ILWU-Mitglieder erhoben, darunter auch Anklagepunkte wegen Kapitalverbrechen. Die ILWU und ihre Unterstützer müssen dafür kämpfen, dass all diese Anklagen fallengelassen werden! Und der nächste Kampf mit anderen Getreideexportunternehmen steht schon bevor, denn am 1. Oktober läuft der Vertrag der Getreidetransportunternehmen mit der ILWU aus.

Die 200-Millionen-Dollar-Anlage der EGT in Longview ist seit 25 Jahren der erste neue Getreide-Terminal, der in den USA gebaut wurde. Es ist für die Abfertigung von durchschnittlich 3000 Tonnen pro Stunde ausgelegt, was die Rate anderer solcher Anlagen an der pazifischen Nordwest-Küste, 750 bis 2500 Tonnen, weit übertrifft. Die EGT ist ein multinationales Konglomerat aus der in St. Louis ansässigen Bunge North America, der japanischen Itochu Corporation und der südkoreanischen STX Pan Ocean. Sie will in Longview 150 bis 200 Schiffe im Jahr beladen und positioniert sich damit an vorderster Stelle für den großen Profit, den man bei einem Anstieg der US-Exporte von Mais, Weizen und Sojabohnen nach Asien erwartet. Angesichts solcher Konkurrenz werden die anderen Getreideexporteure versuchen, ihre Verluste auf die ILWU abzuwälzen.

Die Getreideverladung durch die ILWU im pazifischen Nordwesten, vorwiegend Massenschüttgut, wird durch Verträge geregelt, die von dem Vertrag der ILWU mit der PMA, bei der Containerschiffsunternehmen vorherrschen, abgetrennt sind. Dieser Vertrag läuft 2014 aus, und die PMA wird die Getreide-Verhandlungen genau verfolgen, um gegenüber der ILWU jeglichen Vorteil auszuspielen. Angesichts der im selben Jahr geplanten Neueröffnung des vergrößerten Panamakanals wird sich die PMA Ängste zunutze machen, die Reedereien könnten ihre Containerschiffe jetzt direkt an die Ostküste schicken, anstatt die Container in Westküstenhäfen abzuladen und per Bahn über den Kontinent zu transportieren. Der APM-Terminal in Hampton Roads, Virginia, der 2007 eröffnet wurde, ist im Vergleich zu den Westküstenhäfen hochautomatisiert und der drittgrößte Containerterminal des Landes. Schifffahrtsunternehmen an beiden Küsten versuchen die International Longshoremen’s Association (ILA), die die Ost- und die Golfküstenhäfen organisiert und deren Rahmenvertrag am 30. September ausläuft, gegen die verhältnismäßig machtvollere ILWU auszuspielen und beide in einen fieberhaften Wettlauf um Arbeitsplätze zu hetzen.

ILWU und ILA sind beides zunehmend isolierte Gewerkschaftsvorposten in einem Meer von gewerkschaftlich unorganisierten Niedriglohnarbeitern in der ständig wachsenden Kette des Welthandels, von LKW-Fahrern im Hafen über Arbeiter in Lagerhäusern und Anlagen des intermodalen Schienenverkehrs bis hin zu Seeleuten auf den riesigen Frachtschiffen. Die Stärke der Hafenarbeitergewerkschaften wurde weiter zunehmend ausgehöhlt durch die Loyalität ihrer Führungen gegenüber der Profitabilität und den nationalen Interessen der kapitalistischen Herrscher Amerikas. Die Macht der Arbeiter, wenn sie auf der Grundlage ihrer eigenen Klasseninteressen vereint gegen die Unternehmer kämpfen, zeigte sich bei den Massenstreikposten und anderen Aktionen in Longview. Doch diese anfängliche Militanz lief der Politik der Klassenzusammenarbeit der Gewerkschaftsirreführer direkt zuwider.

Frontlinien einer internationalen Klassenschlacht

Die ILWU-Führung stellte den Kampf gegen die EGT als den einer Kleinstadt gegen einen „ausländischen“ multinationalen Konzern hin. Im Gegenteil, es war eine Klassenschlacht der Arbeiter gegen die kapitalistischen Eigentümer von EGT. In einer jeden solchen Schlacht können sich die Eigentümer auf die Kräfte des kapitalistischen Staates verlassen, der ja gerade zur Verteidigung ihrer Interessen da ist – von „Bürger“-Polizei und -Sheriff-Departments bis hoch zu den Kräften des „Heimatschutzministeriums“ und des Militärs. Die Macht der Arbeiter liegt in ihrer kollektiven Organisation und ihrer Fähigkeit, die Produktion und damit den Profitfluss zum Erliegen zu bringen. Zur Mobilisierung dieser Kraft sind Solidaritätsaktionen unterschiedlicher Gewerkschaften und von Arbeitern auf der ganzen Welt entscheidend. Dies gilt um so mehr bei Just-in-Time-Lieferungen und zunehmend global vernetzter Produktion. Eben weil Aktionen wie Nichtabfertigung von Gütern von oder für bestreikte Firmen („Hot-cargo“) und Solidaritätsstreiks so effektiv sind, wurden sie gesetzlich verboten.

Wie bei jedem anderen Konflikt entscheidet sich die Frage, wer gewinnt und wer verliert, im Kräfteverhältnis zwischen den Gegnern. Die Macht der Gewerkschaft lag in ihrer Fähigkeit, die Zu- und Ausfuhr von Getreide im EGT-Terminal zu unterbinden. Auf dem Höhepunkt der Erntesaison im Spätsommer und Frühherbst war das Unternehmen besonders verwundbar. Die ILWU brauchte dringend die Unterstützung durch die Macht und die Solidarität anderer Gewerkschaften, vor allem in der Getreide-Frachtkette der EGT.

Schon früh mobilisierten die Gewerkschaft und ihre Verbündeten Massenstreikposten, die Getreidezüge stoppten. Die Zugführer waren Mitglieder der Brotherhood of Locomotive Engineers (BLE), die den Teamsters [Transportarbeiter-Gewerkschaft] angeschlossen ist. Als die ILWU angesichts massiver Polizeirepression einknickte, begannen die Züge wieder zu rollen. Teamster-Präsident Jimmy Hoffa Jr. schickte einen Brief, in dem er der ILWU Unterstützung in ihrem Kampf gegen die EGT versprach. Doch der grundlegendste Akt der Solidarität wäre gewesen, dass die BLE den Bahntransport einstellt. Das hätte bedeutet, sich über Taft-Hartley und die zahllosen anderen Gesetze, die derartige Aktionen verbieten, hinwegzusetzen. Die Gewerkschaften in diesem Land wurden ja gerade durch den Kampf gegen gewerkschaftsfeindliche Gesetze aufgebaut, als Arbeiter sich gegen Bullen und andere Streikbrecher-Kräfte stellten. Und ebenso folgerichtig wurden sie geschwächt, als die Waffen des gewerkschaftlichen Kampfes auf dem Altar der kapitalistischen Legalität geopfert wurden.

Die Ortsgruppe 701 der Operating Engineers, die der EGT die Streikbrecher zur Verfügung stellte, wurde vom Präsidenten des Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO, Richard Trumka, in Schutz genommen. Trumka erklärte, dies sei nur ein Streit über „Rechtsfragen“ zwischen zwei Gewerkschaften, der in den Gemächern der nationalen Arbeiterverräter zu entscheiden sei! Wie wir in „ILWU Fights Deadly Threat“ [ILWU kämpft gegen tödliche Bedrohung] (WV Nr. 986, 16. September 2011) schrieben: „Der einzige Konflikt über ,Rechtsfragen‘ in Longview ist der zwischen Kapital und Arbeit! Und Trumka hat sich auf die Seite der Bosse geschlagen.“ Dieser Verrat geschah im Dienste der Demokratischen Partei, die genauso wie die Republikaner eine Partei der Bosse ist – aber die Gewerkschaftsfunktionäre stehen loyal zu ihr und gehen damit hausieren, die Demokraten seien „Freunde der Arbeiter“. Trumka wollte in Longview keine große Klassenschlacht, die Obamas Wahlaussichten schmälern würde. Letzten Endes wollten dies auch die ILWU-Führer nicht.

Die Gewerkschaft war in einer sehr schwierigen Situation. Es ist nicht leicht, gegenüber der geballten Macht des kapitalistischen Staates die Oberhand zu behalten. Doch die Kampfkraft der Gewerkschaft wurde dadurch untergraben, dass ihre Führer genau die Kräfte der „nationalen Sicherheit“ unterstützten, mit denen die ILWU konfrontiert war. Im Jahre 2002 arbeitete die ILWU-International-Führung bei der Abfassung des Maritime Transportation Security Act mit, nach dem im Rahmen des staatlichen „Kriegs gegen den Terror“ die Hafenanlagen reglementiert und überwacht werden sollen. Die ILWU-Führer nahmen schändlicherweise die größtenteils aus Immigranten bestehenden und gewerkschaftlich nicht organisierten LKW-Fahrer als potenzielles „Sicherheits“-Risiko aufs Korn und akzeptierten stillschweigend die Einführung des Transport Workers Identification Credential (TWIC, spezieller Transportarbeiterausweis); erst nach dessen Einführung erhoben sie dann Einwände. Die Hafenarbeiter mussten sich einer Überprüfung ihres Vorstrafenregisters und ihres Aufenthaltsstatus unterziehen, und Zehntausenden von ihnen wurde eine „Sicherheits“freigabe verweigert. Viele eingewanderte LKW-Fahrer stellten aus Furcht vor Abschiebung erst gar keinen Antrag.

Zu den Vergehen, aufgrund derer Arbeiter unter TWIC auf Dauer vom Hafengebiet ausgeschlossen werden können, zählt auch eine Beteiligung an einem „sicherheitsrelevanten Zwischenfall im Transportwesen“, worunter auch „Störung des Transportsystems und wirtschaftliche Störung in einem bestimmten Bereich“ fallen. Im Gewerkschaftshaus der ILWU-Ortsgruppe 21 erschienen Beamte der Küstenwache und drohten damit, die TWIC-Ausweise der Gewerkschaftsmitglieder einzuziehen, sollte es irgendwelche gewerkschaftlichen Proteste geben, die die Beladung des Getreideschiffs beeinträchtigten.

Angesichts der militärischen Stärke ihrer „eigenen“ Regierung war es dringend nötig, dass die ILWU an die internationale Solidarität der Arbeiterklasse appellierte. Im vergangenen Herbst gab es in Japan, Korea und Australien kleine Solidaritätsdemonstrationen gegen die gewerkschaftsfeindliche Politik der EGT. Es wäre nötig gewesen, dies in Aktionen umzusetzen durch Aufrufe an Hafenarbeiter in Korea und ganz Asien, Streikbrecher-Getreide aus dem EGT-Terminal in Longview nicht zu entladen. Doch die ILWU war dazu in keiner guten Position, da ja ihre Führung laut herausposaunte, die Gewerkschaft würde die US-Getreideexportindustrie gegen einen „ausländischen“ Multi verteidigen. Getreide- und andere Nahrungsmittelexporte werden vom US-Imperialismus als Waffen gegen die Arbeiter und Unterdrückten in der ganzen Welt eingesetzt und dazu, die weniger entwickelten Länder unter dem Stiefel der „weltweit einzigen Supermacht“ zu halten.

Schon das Wesen der Hafenarbeit an sich, die vom Welthandel abhängig ist, unterstreicht, dass der Kampf der Arbeiter international ist. Hafen- und andere Transportarbeiter in der globalen Frachtkette haben ungeheure potenzielle soziale Macht. Dies wurde in einem Artikel von JoAnn Wypijewski mit dem Titel „On The Front Lines of the World Class Struggle – The Cargo Chain“ [An den Frontlinien des weltweiten Klassenkampfes – Die Frachtkette] (Counter-Punch, 1. März 2010) dargelegt:

„So wichtig die Produktivität für die Geschicke der Schifffahrtsindustrie auch sein mag, so ist doch die ganze Schnelligkeit automatisierter Häfen wertlos, wenn irgendwo in der Transportkette zwischen Fabrik und Verbraucher Bruchstellen auftreten… In den USA bedeutet dies reibungsloses Einverständnis nicht nur von 60 000 Hafenarbeitern, sondern auch von 28 000 Schlepperfahrern und Hafenlotsen, 60 000 LKW-Fahrern im Hafen, 850 000 Frachtfahrern, 165 000 Eisenbahnarbeitern, 2 Millionen Lager- und Vertriebsarbeitern, 370 000 Expresszustellern und 160 000 Logistikplanern – und von ähnlich verzahnten Arbeitergruppen weltweit. Sie sind nicht alle organisiert, doch andererseits müssten sie nicht alle ,Nein‘ sagen: nur eine genügende Anzahl von ihnen, die an entscheidender Stelle der Kette gemeinsam vorgehen.“

Doch dank der verräterischen Gewerkschaftsführer gab es keine solchen Bruchstellen in der Frachtkette, die Getreide zum EGT-Terminal brachte und dort entlud. Eine bemerkenswerte und ehrbare Ausnahme, als es darum ging, das Getreide zu verschiffen, war die Inland Boatmen’s Union (der ILWU zugehörig), die sich weigerte, die Schlepper zu besetzen, die das Schiff herein- und hinausbringen sollten. Als die ILWU angesichts der US-Militärstreitkräfte mit dem Rücken zur Wand stand, durchkreuzte der „Amerika-zuerst“-Patriotismus der ILWU-Führung ihre Fähigkeit, an internationale Solidarität zu appellieren.

Mögen die militanten Gewerkschafter und ihre Verbündeten, die so mutig gekämpft haben, für zukünftige Schlachten die Lehren ziehen. Um Kampfinstrumente gegen die Bosse zu sein, müssen die Gewerkschaften die Ketten zerbrechen, die die verräterischen Gewerkschaftsführer geschmiedet haben und die die Arbeiter an die Interessen der kapitalistischen Ausbeuter und deren politische Parteien fesseln. Der weitere Fortbestand der ILWU als einer mächtigen Industriegewerkschaft schreit förmlich nach Klassenkampfmaßnahmen zur gewerkschaftlichen Organisierung der Massen unorganisierter Arbeiter, wie der Hafenfahrer, und erfordert, immigrantenfeindlichen Chauvinismus zu bekämpfen und um volle gewerkschaftliche Tarife, Sozialleistungen und Arbeitsbedingungen für die Unorganisierten zu kämpfen. Seit zwei Wochen streiken Hunderte von LKW-Fahrern im Hafen von Seattle gegen unerträgliche Arbeitsbedingungen und für das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

Die rot-weiß-blauen Bürokraten müssen rausgeschmissen werden im Kampf für eine klassenkämpferische Führung, deren Banner die rote Fahne des proletarischen Internationalismus ist! Solch eine Führung wird die Arbeiter für einige harte Kämpfe gegen die kapitalistischen Ausbeuter bewaffnen und die Grundlage für die Schmiedung einer multirassischen Arbeiterpartei schaffen, die für eine sozialistische Revolution kämpft, um das gesamte System der Lohnsklaverei, Rassenunterdrückung, Armut und des imperialistischen Krieges bis zur Wurzel zu vernichten.

Klassenkampf wird ersetzt durch die populistische Occupy-Bewegung

Das ganze Ausmaß des Verrats der Gewerkschaftsirreführer lässt sich daran ermessen, dass die populistische Occupy-Bewegung als der zentrale Fokus jeglichen Protestes gegen die Verwüstungen der von Wall-Street-Finanziers und Konzernmanagern hervorgerufenen wirtschaftlichen Katastrophe in Erscheinung getreten ist. Occupy glaubt ganz überwiegend an den Mythos einer „guten alten Zeit“ amerikanischer kapitalistischer Herrschaft mit einer Regierung, die den „Willen des Volkes“ repräsentiert. Dennoch hat ein Großteil der „sozialistischen“ Linken in diesem Lande opportunistischerweise Occupy als Schlüssel zur Wiederbelebung der Arbeiterbewegung enthusiastisch begrüßt. Genau das Gegenteil trifft zu: Der Populismus „Wir sind die 99 Prozent“ – zu denen dann auch die rassistischen, streikbrechenden Bullen gehören – zerstört jegliches Verständnis von einer grundlegenden Klassenlinie zwischen Arbeitern und ihren kapitalistischen Ausbeutern.

In der Bay Area machten sich links gebende Pseudo-Arbeitervertreter wie Jack Heyman, ILWU-Bürokrat im Ruhestand, und Clarence Thomas, ehemals Vorstandsmitglied der Ortsgruppe 10, Werbung für „Bürgerstreikposten“ der Occupy-Bewegung, die am 2. November und erneut am 12. Dezember den Hafen von Oakland blockierten. Im Vorfeld der Occupy-Blockaden vom 12. Dezember, die auch die Häfen in Longview und Portland in erklärter Solidarität mit dem Kampf der ILWU in Longview dichtmachten, sagte Heyman: „Wenn Occupy jetzt Erfolg hat, wird höchstwahrscheinlich, wenn das Streikbrecherschiff einläuft, genug Schwung da sein, damit Hafenarbeiter küstenweit alles stilllegen.“ Doch weit davon entfernt, einen solchen „Schwung“ zu entfalten, verwies die Blockade die Arbeiter bestenfalls auf die Rolle passiver Beobachter, die dastehen und auf die Entscheidung eines Schlichters warten, der sagt, ob man mit dem Überqueren dieser Postenketten seine Gesundheit und Sicherheit gefährdet oder nicht [das heißt, ob ihnen „erlaubt“ ist, die Postenketten zu respektieren].

Wie in der Zeitung Socialist Worker (13. Dezember 2011) von der International Socialist Organization enthusiastisch beschrieben, gab es in Oakland am 12. Dezember viel Jubel, als bekanntgegeben wurde, dass es einen Schlichterspruch gibt und die „Arbeiter auf dem Heimweg sind“. Was für eine Farce! Die Arbeiter waren kaum mehr als Bauern in einem medialen Schachspiel und juristischen Theater. Dieses Spiel ist nicht neu für Heyman und Thomas, die ihren „militanten“ Ruf beim radikalliberalen Milieu der Bay Area durch solche „Bürgerstreikposten“ begründet haben.

Als symbolische Aktionen, die auf die Notwendigkeit hinweisen, dass sich Arbeiter für Solidarität mit den Kämpfen ihrer Klassenbrüder und -schwestern einsetzen, können solche Streikpostenketten vorübergehend eine effektive Taktik sein. Doch sie tragen wenig dazu bei, das Bewusstsein der Arbeiter von ihrer sozialen Macht und ihren Klasseninteressen zu heben. Obgleich diese Streikpostenketten aus Linken, Liberalen und anderen Kräften als Beweis für den Kampfgeist der ILWU hochgehalten werden, basieren sie doch auf der gleichen stillschweigenden Hinnahme von gewerkschaftsfeindlicher Gesetzgebung, hinter der auch die Führer der ILWU und anderer Gewerkschaften ihren Ausverkauf militanter Gewerkschaftsaktion verstecken. Dies kam in einer Mobilisierungserklärung von „Occupy the Ports“ für den 12. Dezember zum Ausdruck, in der angeführt wird, dass es „Gewerkschaften durch reaktionäre, gewerkschaftsfeindliche Bundesgesetzgebung verboten ist, … Solidaritätsarbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen“.

Streikpostenketten sind keine Werbeveranstaltungen zugunsten der Arbeiter. Sie sind auch keine Akte des zivilen Ungehorsams von Massen von Kleinbürgern und anderen deklassierten Elementen in Occupy, die weder eine Beziehung zur Produktion haben noch eine entsprechende Macht. Streikposten sind Schlachtlinien im Klassenkampf zwischen den Arbeitern und den Kapitalisten, die ihre Profite aus der Ausbeutung der Arbeitskraft ziehen. Ihr Erfolg hängt von Bewusstsein und Organisation der Arbeiter ab, die als Klasse gegen ihren Klassenfeind mobilisiert werden.

Zweifellos wusste die ILWU-Ortsgruppe von Longview die Aufmerksamkeit zu schätzen, die die Occupy-Proteste auf ihren Kampf gegen die Gewerkschaftsfeinde der EGT lenkten. Und wer kann es ihnen verdenken? Als die ILWU-International zum Rückzug blies, lag alles schwer auf den Schultern der Arbeiter von Longview, während die EGT auf dem hohen Ross saß, weil ihr Terminal mit Getreide gefüllt wurde und die Kräfte von Obamas Bundesregierung bereitstanden, dessen Verschiffung zu gewährleisten. Solidarität mit den Arbeitern seitens der Occupy-Aktivisten ist gewiss willkommen. Doch die Occupy-Blockaden waren kein Ersatz für die Mobilisierung der Klassenmacht der Arbeiter im Kampf. Was für gute Absichten die Demonstranten auch gehabt haben mögen, ihre Streikpostenketten hätten leicht damit enden können, die Demonstranten in Konflikt zu bringen mit den Arbeitern und ihrer Gewerkschaft. Genau das ist nämlich das Programm des „radikaleren“ Flügels von Occupy, wie zum Beispiel des anarchistischen Kollektivs Black Orchid in Seattle, das die größtenteils kleinbürgerlichen Occupy-Kräfte den Gewerkschaften als „neue Bewegung der Arbeiterklasse“ entgegenstellt.

Offenbar ist dies für Jack Heyman kein Problem. Als Hauptredner auf einem Occupy-Treffen am 6. Januar in Seattle für die Mobilisierung einer Karawane nach Longview für den Fall, dass das erste Schiff den EGT-Verladehafen anläuft, zollte er „Schwester Barucha“ von Occupy Anerkennung, die „der Meinung ist, dass Gewerkschaften kapitalistische Institutionen sind“. Dies, so Heyman weiter, ist „das Wunderbare an dieser Occupy-Bewegung… Wir haben verschiedene Tendenzen darin und wir können unsere Meinungsverschiedenheiten zur Sprache bringen und doch für ein gemeinsames Ziel zusammenkommen, nämlich den Sieg der Hafenarbeiter von Longview zu erreichen.“ Es ist etwas schwierig für Arbeiter, die darum kämpfen, ihre Gewerkschaft zu erhalten, solch einen Sieg zu erringen gemeinsam mit Leuten, die glauben, Gewerkschaften seien kapitalistische Institutionen! Doch Heyman geht mit seiner Reputation als Gewerkschafts-„Militanter“ schon so lange bei liberalen Radikalen hausieren, dass er die Klassenlinie nicht einmal mehr erkennen kann.

Wie die gesamte US-Gewerkschaftsbürokratie machte sich auch die ILWU-International den „99-Prozent“-Populismus von Occupy zu eigen, zweifellos in der Hoffnung, dass das Obamas Chancen auf Wiederwahl fördern würde. Doch die Hafengewerkschaftsführer standen den Hafenblockaden vom 12. Dezember feindlich gegenüber. In seinem Brief vom 3. Januar an die ILWU-Ortsgruppen zu den geplanten Protesten beim Einlaufen des ersten Schiffes ermahnte McEllrath die Hafenarbeiter, denjenigen, die Occupy-Protestkarawanen nach Longview organisieren, mit „äußerster Vorsicht“ gegenüberzutreten. Mehrere örtliche Bürokraten und Mitglieder der ILWU aus dem pazifischen Nordwesten besuchten das Occupy-Vorbereitungstreffen vom 6. Januar in Seattle und forderten die Verlesung dieses Briefes. Nachdem man sie fast zwei Stunden lang hatte warten lassen, standen sie auf und protestierten, und es kam zu einem Tumult. Die Veranstaltungsorganisatoren hatten das Ersuchen regionaler Funktionäre der unter Beschuss stehenden Gewerkschaft zurückgewiesen und somit eine solche Konfrontation herausgefordert.

Tatsächlich scheint das Black-Orchid-Kollektiv das Ganze genossen zu haben. In einer nach dem Vorfall herausgegebenen Erklärung mit dem Titel „Unity vs. Union Goons“ [Einheit kontra Gewerkschaftsschläger] verurteilten sie die ILWU-Funktionäre für ihren „Versuch, uns von der Überwindung ihrer todgeweihten Strukturen abzuhalten“. Im Gefolge der Konfrontation verabschiedete die Seattle-Ortsgruppe der ILWU eine Resolution, die ihren Mitgliedern „jegliche Unterstützung für ,Occupy‘, formell oder informell“, verbot, und schuf so die Grundlage für eine Hexenjagd gegen ILWU-Mitglieder, die mit Occupy zusammengearbeitet hatten. Solch eine Hexenjagd könnte sich abzeichnen und muss von der ILWU zurückgewiesen werden.

Die Internationalist Group (IG), die Heyman applaudiert, fragte danach bei uns an, „wie die Spartacist League zu dieser Störung steht“. Wie wir in einem Schreiben an die IG unmissverständlich klarstellten: „Wir stehen auf der Seite der Verteidigung der Gewerkschaft gegen die gewerkschaftsfeindliche Offensive der EGT, die vom Militär und anderen Polizeikräften der Bundesregierung unterstützt wird, und nicht auf der Seite derer in der Occupy-Bewegung, die die Auffassung teilen, dass die Gewerkschaften beseitigt werden sollten.“

Zwar beschreibt die IG die Politik von Occupy als „bürgerlichen Populismus“, doch verurteilt sie die Bewegung gleichzeitig für den Versuch, die Gewerkschaftsbürokratie zu umgehen, „wo doch ein Kampf notwendig ist, diese ,Arbeiterleutnants der Kapitalistenklasse‘ zu besiegen und hinauszuwerfen“. Doch ein solcher Kampf muss innerhalb der Arbeiterbewegung geführt werden, und Occupy ist kein Teil davon. Unser Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokraten ist ein politischer und richtet sich dagegen, dass sie die Gewerkschaften den nationalen Interessen und den Profiten der kapitalistischen Herrscher Amerikas unterordnet. Leute wie Heyman, die IG und andere, die die Occupy-Bewegung – deren populistische Politik tatsächlich ein Spiegelbild der Politik der Gewerkschaftsirreführer ist – als Ersatz für die Gewerkschaft anpreisen, ernteten auf dem Treffen in Seattle die Früchte ihres eigenen grotesken Opportunismus.

Die, die arbeiten, müssen herrschen!

Occupy ist kein Vehikel, um die amerikanische Arbeiterbewegung wiederzubeleben, und kann es auch gar nicht sein. Das ist die Aufgabe der Arbeiter selbst. Es geht nicht nur um die Erhaltung der bestehenden Gewerkschaften, von denen viele schon auf einen bloßen Schatten ihres ehemaligen Daseins geschrumpft sind, sondern darum, sie in Arbeiterbataillone des Klassenkampfes zu verwandeln. Die mehrheitlich schwarze Mitgliedschaft der ILWU-Ortsgruppe 10 in der Bay Area überbrückt eine entscheidende Verwerfungslinie in der US-Gesellschaft und versetzt die Gewerkschaft in die Lage, ihre soziale Macht zu verbinden mit der Wut der innerstädtischen Massen, die vom amerikanischen Kapitalismus als wertlos abgeschrieben worden sind. Ebenso stellen die Latino-Mitglieder der ILWU-Ortsgruppe L.A./Long Beach ein entscheidendes Bindeglied zu der riesigen Zahl von Latino-Immigranten in Los Angeles dar. Dies würde eine Schlüsselrolle spielen im Kampf zur Organisierung der gewerkschaftlich unorganisierten Hafen-LKW-Fahrer, hauptsächlich Immigranten, die entscheidend dafür sind, die Häfen dicht zu machen.

Um solche Kämpfe führen zu können, muss die Gewerkschaft den Kampf für volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten auf ihr Banner schreiben und vehement für die Befreiung der Schwarzen eintreten. Doch dieselben Verwerfungslinien zwischen Rassen und Ethnien, die sich die Schifffahrtsbosse zunutze machen, um die ILWU zu spalten und zu schwächen, indem sie die überwiegend weißen ILWU-Arbeiter im pazifischen Nordwesten, die schwarzen Mitglieder in der Bay Area und die Latino-Mitglieder in L.A. gegeneinander ausspielen, ziehen sich auch quer durch die Gewerkschaft. Ein küstenweiter gemeinsamer Streik von Hafenarbeitern, Seeleuten und anderen Arbeitern im Küstenbereich schuf 1934 die Basis für die Gründung der ILWU. In San Francisco, wo der Hafenstreik einen Generalstreik auslöste, appellierte die Gewerkschaftsführung bewusst an die unterdrückte schwarze Bevölkerung und bekämpfte die Versuche der Bosse, mittels Rassen- und ethnischer Trennlinien den Kampf der Arbeiter zu zerschlagen.

Der Generalstreik von San Francisco war nicht die einzige größere Klassenschlacht im Jahre 1934. Es gab auch einen Massenstreik, der von Arbeitern eines Automobilzulieferers in Toledo ausgelöst wurde, sowie Streiks der Lastwagenfahrer in Minneapolis, aus denen heraus die mächtige Industriegewerkschaft der Teamster geschmiedet wurde. Sie wurden alle von Roten angeführt. Wie James P. Cannon, der Gründer des amerikanischen Trotzkismus, dessen Unterstützer die Streiks von Minneapolis anführten, 1936 in einem Artikel über den Hafenstreik an der Westküste (veröffentlicht in Notebook of an Agitator, 1958) schrieb, ist ein Vertragsabschluss

„lediglich ein zeitweiliger Waffenstillstand, und das Wesen eines solchen Vertrags wird durch Macht entschieden; ,Gerechtigkeit‘ hat nichts damit zu tun. Den Arbeitern wird keine Gerechtigkeit widerfahren, ehe sie nicht weltweit die Macht übernommen haben… Zunächst mal sind die Bosse mächtig, weil ihnen die Schiffe und die Hafenanlagen gehören und die Arbeiter deren betrügerischen Besitzanspruch darauf noch nicht in Frage gestellt haben. Und weil den Bossen die Schiffe gehören, gehört ihnen auch die Regierung.“

Der Kampf der Arbeiter gegen zunehmend brutalere Ausbeutung wird erst enden, wenn dieses System der Produktion für Profit abgeschafft und eine Arbeiterregierung errichtet worden ist, die den räuberischen kapitalistischen Eigentümern die Produktionsmittel aus der Hand nimmt und zu gesellschaftlichem Gemeineigentum macht. Erst dann werden Fortschritte in Automation und anderer Technologie, die jetzt als Knüppel gegen Jobs und gegen die Existenzgrundlagen der Arbeiter eingesetzt werden, dazu dienen, die Arbeitsbelastung der Arbeiter zu reduzieren, und zu weitreichenden Verbesserungen der Lebensbedingungen der Gesamtbevölkerung führen.

Der Weg nach vorn liegt in dem Kampf zur Schmiedung einer neuen klassenkämpferischen Führung der Gewerkschaften, die die Kämpfe führt, aus denen heraus eine revolutionäre Arbeiterpartei aufgebaut werden kann. Es ist das Ziel der Spartacist League, den Kern einer solchen Partei zu schmieden, als US-Sektion einer revolutionären internationalen Organisation der Arbeiterklasse. Wie Karl Marx und Friedrich Engels vor über 150 Jahren im Kommunistischen Manifest schrieben: „Die Proletarier haben nichts […] zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

 

Spartakist Nr. 193

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Mai 2012

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