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Spartakist Nummer 213

Sommer 2016

Nieder mit „Krieg gegen Terror“ und rassistischen Polizeistaatsmaßnahmen

Frankreich: Proteste gegen Anti-Gewerkschafts-Gesetz

29. Juni – Bei einer nationalen Demonstration in Paris gingen am 14. Juni erneut Hunderttausende auf die Straße, um gegen die El-Khomri-Gesetzesvorlage zu protestieren, den Entwurf eines umfassend arbeiter- und gewerkschaftsfeindlichen Gesetzes, das nach Frankreichs Arbeitsministerin Myriam El Khomri benannt ist. Es beteiligten sich Gewerkschaftskontingente aus ganz Frankreich, die eine große Bandbreite unterschiedlicher Fachbereiche und Industrien repräsentierten. Darunter auch diejenigen, die kürzlich noch im Streik standen: Transportarbeiter und Arbeiter der Elektrizitätswerke und Raffinerien. Unsere Genossen der Ligue trotskyste de France (LTF) argumentierten für den Brexit und die Notwendigkeit, die EU aus Prinzip abzulehnen, wofür sich Arbeiter aufgeschlossen zeigten. Eine Mehrheit schenkte auch der Kampagne des sogenannten „Krieg gegen den Terror“ keinen Glauben mehr, der sich letztendlich gegen die Arbeiterbewegung richtet.

An den Protesten vom 14. Juni nahmen große Kontingente von Oberschülern und Studenten teil, die sich an die Spitze der Demonstration setzten. Die Jugendlichen wurden von Polizisten brutal mit Tränengas und später auch Wasserwerfern angegriffen und Dutzende wurden verhaftet, wie schon zuvor bei anderen Demonstrationen. Am 31. März in Rouen kam den Studenten, als sie von der Polizei mit Tränengas angegriffen wurden, ein großes Kontingent von Hafenarbeitern und anderen Arbeitern zu Hilfe und zwang die Bullen zum Rückzug. Ein Beispiel von Arbeitermacht, das Schule machen sollte. Hände weg von den Schülern und Studenten! Die Anklagen gegen alle Verhafteten müssen fallengelassen werden!

Weitere Demonstrationen haben am 23. und 28. Juni stattgefunden. An letzterem Tag wurde das Gesetz im Senat abgestimmt, wird aber nochmal an die Nationalversammlung geschickt. Die Regierung droht, den bonapartistischen Paragrafen 49.3 zum zweiten Mal anzuwenden, um eine Abstimmung zu verhindern und das Gesetz durchzudrücken. Im Vorfeld des 23. Juni drohte die Regierung den Gewerkschaften mit einem Verbot der Demo, wovon sie dann abließ, weil unklar war, ob es durchsetzbar wäre. Die CGT kündigte an, trotzdem zu marschieren und dann hätte die Regierung schwach ausgesehen. Zuletzt hat es ein Verbot gegen eine Gewerkschaftsdemo während des Algerienkrieges 1962 gegeben.

Die Angriffe auf die Arbeiter finden vor dem Hintergrund des Ausnahmezustands statt, den die Regierung im vergangenen November nach dem abscheulichen IS-Massaker an 130 Menschen in Paris ausrief und dann bis Mai und nochmal bis Juli verlängerte. In den ersten Monaten führte die Polizei zu jeder Tages- und Nachtzeit Tausende Hausdurchsuchungen ohne richterliche Genehmigung durch, insbesondere in vornehmlich muslimischen Vierteln. Hunderte von Menschen wurden unter Hausarrest gestellt, darunter Umweltschützer, die am Vorabend der Klimakonferenz in Paris im Dezember eine Demonstration planten.

Wir drucken nachstehend die Übersetzung eines Extrablatts von Le Bolchévik, Zeitung der LTF, Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga, vom 21. März ab, das seitdem bei den Demonstrationen in Paris, Rouen und anderen größeren Städten verteilt wurde.

* * * * *

Zweifellos glaubte die Regierung, dass ihr die Welle rassistischer „nationaler Einheit“ nach den kriminellen Anschlägen vom 13. November erlauben würde, ihre Vorlage des El-Khomri-Gesetzes recht ungestört zu verabschieden; selbst die Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) stimmte für den Ausnahmezustand. Schon im vergangenen Jahr hatten Hollande und [Premierminister Manuel] Valls im Gefolge der antimuslimischen Welle nationaler Einheit um „Ich bin Charlie“ [siehe „Frankreich: Nieder mit dem rassistischen ,Krieg gegen Terror‘, Spartakist Nr. 207, März 2015], das [arbeiterfeindliche] Macron-Gesetz durchgebracht. Doch ihr Plan könnte scheitern, da das El-Khomri-Gesetz zum Brennpunkt des Hasses auf diese rassistische kapitalistische Regierung geworden ist, der sich über fast vier Jahre hinweg aufgestaut hat. Hunderttausende von Arbeitern und Jugendlichen demonstrierten am 9. März und noch einmal am 17. März und forderten die Zurücknahme des Gesetzentwurfs.

Das El-Khomri-Gesetz zielt darauf ab, Beschäftigungsverhältnisse qualitativ unsicherer zu machen, indem es Unternehmern erlaubt, Arbeiter buchstäblich ohne Grund, fast ohne Kündigungsfrist und so gut wie ohne Abfindung zu entlassen. Die Bosse könnten einen Pauschallohn festsetzen, was bedeuten würde, dass Zehn- oder Zwölfstundentage genauso bezahlt würden wie Siebenstundentage. Um eine solche Maßnahme einzuführen, benötigte der Unternehmer einfach nur eine formelle Zustimmung seiner Beschäftigten, z. B. auch in Form eines sogenannten „Arbeitsplatzreferendums“. Dies ist ein klarer Angriff auf die Gewerkschaften. Um in kleinen oder mittleren Unternehmen ein solches Referendum zu organisieren, muss ein Unternehmen nur einen einzigen „bevollmächtigten Beschäftigten“ auf seine Seite ziehen. In größeren Unternehmen benötigt das Management nur die Unterstützung von einem oder mehreren Gewerkschaftsvertretern, solange deren Gewerkschaft bei Wahlen [zu verschiedenen vom französischen Gesetz vorgeschriebenen Posten und Arbeitsplatzkomitees] insgesamt wenigstens 30 Prozent erreicht hat. Das wäre die Krönung jahrelanger gewerkschaftsfeindlicher Angriffe, die oft unter aktiver Mitarbeit der Gewerkschaftsbürokratie durchgeführt wurden (wie etwa das Sarkozy-Gesetz [das darauf abzielt, die Kontrolle von Regierung und Management über die Gewerkschaften zu verstärken]). Weg mit dem El-Khomri-Gesetz!

Inzwischen hat die Regierung die Anklagen gegen kämpfende Arbeiter vervielfacht – und jetzt auch gegen militante Jugendliche. Alle Anklagen gegen die Air-France- und Goodyear-Gewerkschafter und gegen die in den vergangenen Tagen verhafteten Demonstranten müssen sofort fallengelassen werden! Die Tatsache, dass die Gewerkschaften heute schwach sind, weniger als acht Prozent der Beschäftigten sind organisiert, reicht den französischen Kapitalisten nicht. Es gibt zweifellos Leute, auch in der Regierung, die denken, sie können es auch völlig ohne Mitarbeit der Gewerkschaftsbürokratie hinkriegen. Sie glauben, dass der Klassenkampf am Ende ist – bis auf den, der von den Kapitalisten gegen die Arbeiter geführt wird. Valls, Hollande: Hände weg von den Gewerkschaften!

Die gewerkschaftsfeindliche Seite des El-Khomri-Gesetzes wird selbst von der Linken kaum erwähnt, die die Verteidigung des „Code du travail“ [Sammlung französischer Arbeitsgesetze und -bestimmungen, die von Arbeitsbedingungen bis zu betrieblichen Wahlen alles regelt] in den Mittelpunkt stellt. So spricht Lutte ouvrière [LO] in einem Leitartikel vom 14. März davon, dass „der Code du travail in Frage gestellt wird“, und nährt so die Illusion, dass der Code du travail an sich eine Errungenschaft der Arbeiterklasse darstellt und der französische Staat über den Gesellschaftsklassen steht. In Wirklichkeit legt der Code du travail nur den Rahmen fest, innerhalb dessen die Arbeiter zum Verkauf ihrer Arbeitskraft gezwungen sind, um sich mühsam durchzuschlagen. Im Wesentlichen legt der Code Vergünstigungen für verschiedene Arten von Unternehmern unter verschiedenen Bedingungen fest. Der Rest des Code enthält Errungenschaften, die wir verteidigen, Errungenschaften, die aus Arbeiterkämpfen auf der Straße und von Streikposten hervorgegangen sind.

Laurent Berger von der CFDT [Gewerkschaftsföderation] eilte herbei und stimmte dem El-Khomri-Gesetz nach ein paar kosmetischen Korrekturen zu. Was die Führungen der Gewerkschaftsverbände CGT, FO und SUD anbelangt, so riefen sie nur widerwillig zu den Mobilisierungen am 9. März auf. Vier Jahre lang brachten sie gegen die Angriffe dieser kapitalistischen Regierung kaum ein Wort heraus – denn es war ihre Regierung. 2012 rief der CGT-Führer Bernard Thibault offiziell zur Stimmabgabe für François Hollande auf. Der Horizont der Gewerkschaftsbürokraten reicht nicht über die Verwaltung des französischen Kapitalismus hinaus, was heute mehr denn je die zunehmende Zerstörung der Errungenschaften der Arbeiterklasse bedeutet.

Doch man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: Trotz des Verrats der Bürokraten sind die Gewerkschaften die grundlegenden wirtschaftlichen Verteidigungsorganisationen der Arbeiterklasse am Arbeitsplatz. Der Kampf zur Verteidigung der Gewerkschaften ist Ausgangspunkt für jegliche Verteidigung der Errungenschaften der Arbeiterklasse, einschließlich der elementarsten wie des Sieben- oder Achtstundentags. Die Arbeiterklasse muss die Verräter an der Spitze der Gewerkschaften hinauswerfen und sie durch eine klassenkämpferische Führung ersetzen, die die Gewerkschaften stärkt. Dieser Kampf ist eng verknüpft mit dem Kampf für eine revolutionäre Avantgardepartei der Arbeiter.

Reformisten kanalisierten Anti-CPE-Kampf in Stimmabgabe für PS

Vor zehn Jahren hatte die [rechte] Chirac-Sarkozy-Villepin-Regierung ebenfalls versucht, eine rassistische Kampagne gegen Jugendliche maghrebinischer und afrikanischer Herkunft zu führen, die sich gerade als Teil einer Revolte in den Banlieues [Minderheiten- und Arbeiterviertel am Rande großer Städte] erhoben hatten. Diese Regierung wollte den „Erstanstellungsvertrag“ (CPE) einführen, ein Gesetz, das für alle neu eingestellte Jugendliche generell Arbeitsplatzunsicherheit bedeutet hätte [sie hätten ohne Grund gefeuert werden können]. Wochenlang demonstrierten Studenten und Oberschüler, während die Regierung versuchte, durch eine Kampagne gegen Oberschüler aus den Banlieues, die als „Casseurs“ [Randalierer] bezeichnet wurden, die Flammen des Rassismus zu schüren. Doch die Arbeiterbewegung mobilisierte zunehmend ihre Kräfte, bis die Regierung den CPE zurückzog.

Eine Jugendmobilisierung kann der Funke für eine breite Arbeitermobilisierung sein, wie es im Mai 1968 oder beim CPE 2006 der Fall war. Doch es ist die Arbeiterklasse, die die soziale Macht besitzt, den Kapitalisten und ihrer Regierung in den Arm zu fallen, denn die Arbeiter in den Fabriken, Häfen, Raffinerien, im Transportwesen usw. produzieren den Reichtum und die Profite, die sich die Kapitalisten aneignen. Wenn die Arbeiter die Arbeit niederlegen, können sie die gesamte Wirtschaft zum Stillstand bringen.

Der Kampf gegen den CPE war der letzte bedeutende politische Sieg gegen die kapitalistische Regierung in Frankreich, der durch Massenmobilisierungen errungen wurde. Seitdem haben die Arbeiter wiederholt enorme Rückschläge erlitten, und das El-Khomri-Gesetz ist noch brutaler als der CPE. Warum ist das passiert? Wie können wir weitere Rückschläge verhindern?

Vor zehn Jahren warnten wir, dass die Reformisten die Mobilisierung auf die Präsidentschaftswahlen im darauffolgenden Jahr ablenken würden. Und tatsächlich riefen PCF, [der Vorläufer der] NPA [Neue Antikapitalistische Partei] und Lutte ouvrière 2007 zur Stimmabgabe für [die Kandidatin der Sozialistischen Partei] Ségolène Royal auf. Doch damit nicht genug, sie wiederholten diesen Verrat fünf Jahre später, als sie sich in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen von 2012 für François Hollande stark machten. (Was LO betrifft, sie weigerten sich, ausdrücklich für Enthaltung einzutreten.) Im Gegensatz dazu sagten wir sowohl 2007 als auch 2012, dass es für die Arbeiter nichts zu wählen gebe.

In der März-Ausgabe ihrer Zeitung l’Etincelle Anticapitaliste erklärt die NPA-Jugendgruppe heute:

„2010: Acht Millionen Menschen auf den Straßen, blockierte Raffinerien, zweieinhalb Monate Mobilisierungen. Doch die Rentenreform wurde verabschiedet, und jeder schaute auf die Präsidentschaftswahlen von 2012. Hollande profitierte davon und sammelte Wählerstimmen ein. Vier Jahre später haben Millionen Menschen die besondere Niedertracht dieser sozialistischen Regierung erlebt, die nicht nur die Agenda der Bosse durchgesetzt hat, sondern dazu auch dank der ,Linken‘ und mit Zustimmung der Führungen der wichtigsten Gewerkschaften in der Lage war.“

Aber 2010 richtete die NPA selbst die Arbeiter auf die Wahlen aus, ihr Wortführer Olivier Besancenot erklärte, dass „der Rentenkampf einen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang 2012 haben wird. Jetzt gilt es, die Regierung und die Rechte zu schwächen“ (Tout est à nous, 2. September 2010).

Anders als 2006 oder 2010 werden die heutigen Angriffe auf Arbeiter und Jugendliche von einer dem Namen nach „linken“ kapitalistischen Regierung durchgeführt, wobei die Spitze der PS gespalten ist zwischen denjenigen, die sozialdemokratische Verräter bleiben wollen und denjenigen, wie Valls, die offen mit der Arbeiterbewegung brechen und direkt bürgerliche Politiker werden wollen.

Reformistische Arbeiterparteien sind in ganz Europa im Niedergang begriffen. In Italien ist die ehemalige Kommunistische Partei zu einer offen bürgerlichen Partei geworden, der Demokratischen Partei des Ministerpräsidenten Matteo Renzi. Abgesehen von dem Phänomen Jeremy Corbyn in der britischen Labour Party hat sich eine beträchtliche Zahl an Arbeitern bürgerlichen Populisten zugewandt, die gar nicht mehr den Anspruch erheben, die Arbeiterklasse zu vertreten (Podemos in Spanien, Syriza und Volkseinheit in Griechenland) – wenn sie sich nicht sogar dem Populismus der extremen Rechten zuwenden (in Frankreich des FN [Front national]). Auf der Linken in Frankreich haben wir [den Linkspartei-Führer] Jean-Luc Mélenchon, der ein „Zeitalter des Volkes“ proklamiert, das angeblich das „Zeitalter des Proletariats“ ablösen wird.

Eine Arbeitermobilisierung in den Straßen und Fabriken würde den heutigen Reformisten, wie 2010 der NPA, als Ausgangspunkt zur Schmiedung einer neuen parlamentarischen Sackgasse dienen, einer Volksfront unter Beteiligung von „linken“ bürgerlichen Formationen (den Grünen, den Anhängern Mélenchons usw.) und Sozialdemokraten (PS-Dissidenten, PCF) mit der NPA und anderen im Schlepptau. Wenn es nicht die [prominente PS-Dissidentin Martine] Aubry ist, dann Mélenchon oder jemand anderes.

Nein! Nieder mit der Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie! Es ist notwendig, den Teufelskreis „linker“ kapitalistischer Regierungen – jede arbeiterfeindlicher als ihre Vorgängerin –, auf die dann wieder starke reaktionäre Kräfte folgen, zu durchbrechen. Wegen seiner Rolle in der Produktion ist das Proletariat die einzige soziale Klasse, die die Macht und das historische Interesse hat, das gesamte kapitalistische System durch eine sozialistische Revolution zu zerschlagen, unter der Führung einer Partei wie den Bolschewiki, inspiriert von der Russischen Revolution 1917.

Nieder mit der Europäischen Union und ihrem Finanzinstrument, dem Euro!

Das El-Khomri-Gesetz soll den letzten Nagel in den Sarg des sogenannten „Sozialstaats“ hämmern, um Frankreich zu modernisieren und zu verhindern, dass es gegenüber seinen Konkurrenten noch mehr an Boden verliert. Wirtschaftsminister Emmanuel Macron verkündete: „Dies wird es uns ermöglichen, Frankreich mit den Gesetzen der Europäischen Union in Einklang zu bringen. Dies ist der erste Schritt, unsere Wirtschaft an die moderne Welt anzupassen, was mehr Flexibilität und gleichzeitig mehr persönliche Sicherheit, die nicht auf gesetzlich festgelegten oder korporatistischen Regelungen basiert, mit sich bringt“ (Le Monde, 17. März).

Die Europäische Union (EU) ist ein reaktionärer und instabiler Block rivalisierender Mächte. Jede „Richtlinie aus Brüssel“ läuft auf einen weiteren Angriff auf die Arbeiter in jedem EU-Land hinaus. Zwar ist heute der deutsche Imperialismus Hauptprofiteur der EU, doch Nummer Zwei ist kein anderer als dessen französischer Rivale, der zum Beispiel gegenüber Griechenland nicht weniger raubgierig handelt als die Frankfurter Bankiers. Nieder mit der EU und dem Euro!

Die Reformisten versuchen andauernd, die Europäische Union in eine „sozialere“ Richtung zu reformieren, doch damit öffnen sie dem FN weit die Türen und erlauben ihm, als einzig wahrer Gegner der EU aufzutreten. Anstatt für internationale Einheit der Arbeiterklasse gegen die Kapitalisten zu kämpfen, führen die CGT-Gewerkschaftsbürokraten Kampagnen unter der Losung „In Frankreich produzieren“ und schüren so Chauvinismus, von dem sich der FN nährt. Die Arbeiter haben kein Vaterland!

Unter dem Kapitalismus sind alle Errungenschaften der Arbeiterklasse vollkommen reversibel. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Kapitalisten gezwungen, beträchtliche Zugeständnisse an die Arbeiter zu machen, insbesondere in Westeuropa, wo sie mit militanten Kämpfen konfrontiert waren sowie einer Bedrohung der internationalen kapitalistischen Ordnung in Gestalt der aus der Oktoberrevolution hervorgegangenen Sowjetunion und der Länder Osteuropas. In diesen Ländern waren die Kapitalisten enteignet worden, wenngleich eine parasitäre Kaste stalinistischer Bürokraten die politische Macht an sich gerissen hatte.

Der Kampf zur Verteidigung der Errungenschaften der Arbeiterklasse hier war eng verbunden mit der bedingungslosen militärischen Verteidigung der Sowjetunion und der osteuropäischen Länder gegen imperialistische Bedrohung und die Gefahr einer Konterrevolution. Damals kämpften wir Trotzkisten als einzige für dieses Programm. Unsere Perspektive für den Osten war proletarisch-politische Revolution zum Sturz der nationalistischen stalinistischen Bürokraten und zur Errichtung der politischen Macht von Arbeiterräten (Sowjets) und für den Westen Sturz der Kapitalisten durch Arbeiterrevolution. Die kapitalistische Konterrevolution in Osteuropa und der Sowjetunion vor 25 Jahren war eine gewaltige Niederlage für die Arbeiter weltweit.

Wir kämpfen nicht bloß gegen eine zeitweilige Demoralisierung als Folge dieser Niederlage. Es geht darum, den Arbeitern und Unterdrückten die umfassende Perspektive einer klassenlosen sozialistischen Gesellschaft erneut zu Bewusstsein zu bringen. Seit dem angeblichen „Tod des Kommunismus“ glaubt die ältere Generation nicht mehr an diese Perspektive. Und die Jugend kann sich eine kommunistische Gesellschaft des Überflusses für alle nicht einmal mehr vorstellen, eine Gesellschaft, die nach dem Prinzip funktioniert: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“. Der Kampf, den Marxismus in der Arbeiterklasse wieder zu verankern, geht Hand in Hand mit dem Kampf zur Schmiedung einer revolutionären Arbeiteravantgardepartei.

Für eine Klassenkampfperspektive!

Die Gewerkschaften organisieren nur eine Minderheit der Arbeiter, und sie sind auch noch in verschiedene Gewerkschaftsverbände gespalten. Das erlaubt der Regierung heute zum Beispiel die CFDT gegen die CGT auszuspielen. Eine klassenkämpferische Führung hätte das Ziel, alle Arbeiter einer Industrie in einer einzigen Industriegewerkschaft zu organisieren, einschließlich der Zeitarbeiter und der bei Subunternehmen Beschäftigten, um mit allen Billiglohnarbeitsverträgen Schluss zu machen. Eine Industrie, eine Gewerkschaft! Solche Gewerkschaften entstehen nur im Laufe großer Klassenschlachten und in Opposition zu den bürokratischen Apparaten von CGT, CFDT, FO usw.

Angesichts der Drohung einer endlosen Verlängerung der Arbeitszeit für diejenigen, die noch einen Arbeitsplatz haben, fordert die CGT jetzt eine 32-Stundenwoche. Alles schön und gut, doch angesichts der derzeitigen Arbeitslosigkeit bedarf es mehr, um allen Arbeit zu geben! Notwendig ist die Aufteilung der gesamten vorhandenen Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich.

Die grundlegendsten Forderungen gegen die Geißel der Arbeitslosigkeit kommen immer in Konflikt mit der Profitgier der Kapitalisten. Natürlich werden die Kapitalisten einwenden, dass es nicht möglich ist und dass es ihre Finanzen nicht zulassen, trotz der CICE [Steuergutschriften] und anderer Milliarden an Subventionen, mit denen die Regierung sie überschüttet. Als Antwort würde eine revolutionäre Führung erwidern: Na gut, lasst uns die Geschäftsbücher öffnen – die Arbeiter selbst werden die Betrügereien der Bosse aufdecken. Das setzt die Frage von Streikkomitees, Fabrikkomitees und letztendlich Sowjets auf die Tagesordnung. Wie Trotzki im Übergangsprogramm von 1938 erklärte:

„Kann der Kapitalismus die Ansprüche nicht befriedigen, die sich unvermeidlich aus den von ihm erzeugten Übeln ergeben, dann mag er zugrunde gehen. Ob jene Forderungen ,realistisch‘ oder ,unrealistisch‘ sind, ist hierbei eine Frage des Kräfteverhältnisses und kann nur durch den Kampf entschieden werden. Durch diesen Kampf, welche unmittelbaren praktischen Erfolge er auch erzielen mag, werden sich die Arbeiter am besten von der Notwendigkeit überzeugen, die kapitalistische Sklaverei zu beseitigen.“

Weg mit den rassistischen Sicherheitsgesetzen!

Der „Krieg gegen den Terror“ hat zwei Gesichter: im Inneren Repression gegen die französische und immigrierte muslimische Bevölkerung und nach außen blutige Militärinterventionen in Mali, Libyen und Syrien. Man kann nicht ernsthaft gegen das eine auftreten, ohne sich gegen das andere zu wenden. Um das El-Khomri-Gesetz durchzusetzen, versucht die Regierung, Nicht-Muslime gegen Muslime auszuspielen. Das kann nur vereitelt werden, wenn man sich allen Aspekten des „Kriegs gegen den Terror“ widersetzt. Französische Truppen raus aus Afrika und dem Nahen Osten!

Die Regierung knüppelt Flüchtlinge nieder, die vor Kriegen der Imperialisten in Syrien und anderen Ländern fliehen, und weist sie aus. Sie versucht sich sogar die Befugnis zu verschaffen, Menschen ihrer französischen Staatsbürgerschaft zu berauben. [Seit dem Erscheinungsdatum dieses Extrablatts war Präsident Hollande gezwungen, diesen Plan aufzugeben.] Dies zielt auf einen strategischen Bestandteil der Arbeiterklasse ab – gerade auf diejenigen, die am wenigsten für nationale Einheit zur Rettung des französischen Kapitalismus empfänglich sind. Gegen diesen schändlichen Plan muss die Arbeiterbewegung für volle Staatsbürgerrechte für alle, die hier sind, und gegen alle Abschiebungen kämpfen. Keine Aberkennung der Staatsbürgerschaft! Nieder mit dem Ausnahmezustand!

Hollande ist gerade dabei, alle Willkürpraktiken der Bullen zu legalisieren, darunter nächtliche Überfälle und die Bespitzelung privater Kommunikation. Er verspricht den Bullen Straffreiheit und stellt ihnen mehr Kriegswaffen zur Verfügung. Polizei, Richter, Gefängniswärter und das Militär sind der bewaffnete Arm der Bourgeoisie, der Kern des bürgerlichen Staates. Der „Krieg gegen den Terror“ dient nur dazu, die wirkliche Funktion der Polizei zu verschleiern: mit Gewalt das kapitalistische Privateigentum zu schützen und jegliche Andeutung von Rebellion der Unterdrückten und insbesondere der Arbeiter im Keim zu ersticken. Die Kriminalisierung von Studenten, die gegen das El-Khomri-Gesetz kämpfen, hat schon begonnen. Nieder mit Vigipirate und Sentinelle [rassistische „Antiterror“-Operationen von Polizei/Militär]! Bullen, Wachleute, Gefängniswärter raus aus den Gewerkschaften!

Für Arbeiter/Minderheiten-Mobilisierungen gegen die Faschisten!

Die Bourgeoisie hat noch einen anderen Trumpf im Ärmel, um die Arbeiterklasse zu unterdrücken. Wenn sich der parlamentarische Zirkus und die alltägliche Polizeirepression als unzureichend erweisen sollten, um Arbeiterproteste einzudämmen, oder wenn sich eine revolutionäre Offensive des Proletariats ankündigen würde, hätte die Bourgeoisie keinerlei Skrupel, auf die Faschisten zurückzugreifen, die ihr als „außerparlamentarische“ bewaffnete Banden dienen.

Die Faschisten griffen in der letzten Phase des Kampfes gegen das CPE häufig streikende Studenten und Arbeiter an, ebenso Eisenbahnarbeiter während des Kampfes gegen die Renten-„Reform“ 2010. Es ist notwendig, die Faschisten, solange sie noch verhältnismäßig kleine und schwache paramilitärische Gruppen sind, durch Arbeitermassenmobilisierungen zu stoppen, hinter denen alle Minderheiten stehen, die wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Rasse oder sexuellen Vorlieben vom faschistischen Abschaum unmittelbar bedroht werden.

Der Faschismus ist ein Phänomen, das untrennbar zum Wesen des Kapitalismus in seiner imperialistischen Epoche gehört. Er basiert auf der Mobilisierung des Kleinbürgertums, das infolge der endlosen Krise des Kapitalismus vom Ruin bedroht ist. Die reformistischen Arbeiterirreführer, die damit beschäftigt sind, das System für das Großkapital zu verwalten, treiben jene Schichten, die vom sozialen Abstieg bedroht sind, von Schulden erdrückt werden und in Einfamilienhäusern am Stadtrand feststecken, während die Fabriken um sie herum schließen, unweigerlich in die Arme der Faschisten. Das ist die Basis der gegenwärtigen Wahlerfolge des Front national.

Für die ökonomische Krise, die das kapitalistische System heimsucht, gibt es im Rahmen eines einzelnen Landes keine Lösung. Es ist nicht nur nötig, durch eine von einer leninistischen Partei geführte Revolution die Bourgeoisie zu stürzen und eine Arbeiterherrschaft zu errichten, sondern auch eine internationale Lösung anzustreben durch Ausweitung der Revolution auf den gesamten Kontinent und die ganze Welt. Der Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa geht Hand in Hand mit dem Kampf zur Wiederschmiedung von Leo Trotzkis Vierter Internationale.

 

Spartakist Nr. 213

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