Spartakist Nummer 157

Winter 2004/2005

Antimuslimische Kampagne bedroht Immigranten, Frauen, Linke und Arbeiter

Volle Staatsbürgerrechte für alle, die hier leben!

„Holland ist überall!“ Das ist der Schlachtruf, mit dem die deutsche Bourgeoisie und ihre führenden Politiker die so genannte „Integrationsdebatte“ gestartet haben. Die Debatte geht nicht so sehr um die Integration der Muslime bzw. der Bevölkerung mit türkischem, kurdischem oder arabischem Hintergrund, die die Herrscher dieses rassistischen kapitalistischen Systems weder erreichen wollen noch erreichen können. Und die Debatte dreht sich auch kaum um Holland. Die Ermordung des holländischen Regisseurs Theo van Gogh – anscheinend die Rache eines islamischen Reaktionärs für seinen provokativen Film über Unterdrückung von Frauen im Islam – war kaum mehr als ein willkommener Anlass für die Reaktion, die folgte: eine rassistische Kampagne, die darauf abzielt, Muslime als den potenziellen „inneren Feind“ zu isolieren und den Unterdrückungsapparat des Staates auszubauen. Bei einer Razzia in Boxtel im Süden der Niederlande wurden 29 angebliche Mitglieder der linken säkularen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unter der Anklage verhaftet, militärische Übungen auf einem Campingplatz durchgeführt zu haben. Dies unterstreicht, dass die jetzige Regierungskampagne eine tödliche Bedrohung für die Linke und die Arbeiterbewegung darstellt.

In der folgenden Hysterie wurde der dubiose van Gogh, ein enger Freund und Bewunderer des rassistischen Rechtspopulisten Pim Fortuyn, in einen Nationalhelden verwandelt. In Holland brannten Moscheen und muslimische Schulen nach pogromartigen Angriffen antimuslimischer Mobs. Es gab Anschläge auch auf eine geringe Zahl christlicher Kirchen. Dies ging Hand in Hand mit einer Belagerung eines ganzen Immigranten- und Arbeiterviertels von Den Haag wie in einem Polizeistaat. Scharfschützen der Polizei waren auf den Dächern stationiert, ein Hubschrauber kreiste über den Köpfen, der Luftraum war gesperrt, während die „Anti-Terror“-Elitespezialkräfte BBE und Polizeikräfte die muslimische Bevölkerung terrorisierten. „Terrorverdächtige“ wurden in Handschellen, halbnackt und mit verbundenen Augen durch die Straßen gezerrt. Das sind Bilder, die auf die größte mögliche Erniedrigung der muslimischen Bevölkerung zielen und an die Bilder aus den US-geführten Folterkammern von Abu Ghraib im Irak erinnern. Nahezu zeitgleich machten die US-Imperialisten Falludscha dem Erdboden gleich, zerstörten die Häuser und erschossen Zivilisten, um die Stadt von Terroristen zu „befreien“.

Die Reaktion in Deutschland war, diejenigen, die das Ziel des Staatsterrors und der pogromartigen Angriffe waren, für diese verantwortlich zu machen und es auf hier zu übertragen. Der Spiegel erklärt:

„So geht es immer auch um die Türken, wenn seit dem Mord am niederländischen Filmemacher Theo van Gogh erregt um Integration, um Islamisten, Schultests oder Hassprediger, Leitkultur oder unterdrückte Frauen, um nationale Identität, Parallelgesellschaften, Straftäter und Migration gestritten wird.“ (29. November)

Wenn Repräsentanten des Vierten Reichs „erregt“ um die größte „nichtdeutsche“ Bevölkerungsgruppe des Landes „streiten“, ist es mordsgefährlich. Die Brandanschläge auf Moscheen in Sinsheim und Hamburg sind eine fürchterliche Erinnerung an die Brandanschläge in Mölln und Solingen und das Pogrom in Rostock 1992/93. Heim und Leben der Immigranten- und Flüchtlingsfamilien wurden zerstört, in Solingen fünf Frauen und Mädchen ermordet. Die faschistischen Terroristen wurden zu ihren Taten damals von einer rassistischen Hysterie ermutigt, die durch eine Kampagne von CDU und SPD, das Asylrecht zu zerstören, aufgepeitscht worden war.

„Krieg gegen Terror” heißt Krieg gegen Immigranten, Linke, Arbeiter

Bereits im Oktober dieses Jahres plante die CDU mit einer chauvinistischen „Unterschriftenkampagne“ gegen einen EU-Beitritt der Türkei Rassismus anzuheizen und ihre rechte Wählerschaft zu befestigen. Mit der Explosion der „Integrationsdebatte“ wurde das Thema von ihnen wieder aufgegriffen, gerade als ein EU-Gipfel über den Beginn von Beitrittsgesprächen ab 2005 entscheiden sollte. Die Ankündigung der CDU, zur nächsten Bundestagswahl den EU-Beitritt der Türkei zum Wahlkampfthema zu machen, ist die Androhung, rassistischen Populismus in einer Situation zu benutzen, wo es weit verbreitete Unzufriedenheit mit den Angriffen auf den „Sozialstaat“ gibt. Der rechte SPD-Ex-Kanzler Helmut Schmidt setzte den Ton für eine kaum verhüllte chauvinistische Hysterie mit seinen für ihn nicht neuen Bemerkungen, dass es ein „Fehler“ gewesen sei, Arbeiter aus „fremden Kulturen“ in den 60er-Jahren hierher zu bringen. Schröder hat sicherlich an Popularität in der Türkei und bei der ethnisch türkischen Bevölkerung in Deutschland für seine Haltung gewonnen, die Türkei in den Kandidatenstatus für die EU aufzunehmen und so scheinbar auf ihrer Seite zu stehen. Wir sind kompromisslos gegen die chauvinistische antitürkische Kampagne. Gleichzeitig sind wir unversöhnliche Gegner der imperialistischen EU und jeder ihrer Ausweitungen. Dies würde nur die imperialistische Ausbeutung der türkischen Bevölkerung erleichtern, wozu auch die brutalen Kürzungsmaßnahmen gehören, die für Kandidaten erforderlich sind. Wie das rassistische Arbeitsverbot gegen die neuen EU-Mitglieder unterstreicht und die Kampagnen zur Unterdrückung von PKK und linken türkischen Organisationen in EU-Ländern zeigen, sind die EU-Imperialisten Feinde der Arbeiterklasse sowie der Kurden und anderer unterdrückter nationaler Minderheiten.

Der Hintergrund der jetzigen antimuslimischen Kampagne ist der von der SPD/Grünen-Regierung geführte so genannte „Krieg gegen den Terror“. Dieser „Krieg“ ist in Wahrheit ein Krieg gegen Immigranten und wen auch immer die Regierung zum „Feind“ erklärt. Das zeigte sich Anfang Dezember, als Allawi, Kopf des US-installierten irakischen Marionettenregimes, Schröder in Berlin besuchte. Polizei und BKA führten national koordinierte Razzien in Wohnungen und Geschäften durch und verhafteten drei Iraker und einen Libanesen, von denen sie behaupteten, sie hätten etwas mit einem „geplanten“ Attentat auf Allawi zu tun. Laut Tagesspiegel (5. Dezember) ist nichts gefunden worden, was „zur Vorbereitung eines Anschlags dienen“ könnte! Der „Krieg gegen den Terror“ ist ein Angriff auf grundlegende demokratische Rechte und zielt letztendlich auf die Linke und die gesamte Arbeiterbewegung. Die integrierten Gewerkschaften müssen sich gegen diese Kampagne stellen und an der Spitze der Immigranten und aller Unterdrückten gegen rassistische Angriffe, Abschiebungen und die Aushöhlung demokratischer Rechte mobilisieren. Nieder mit dem rassistischen „Krieg gegen den Terror“! Volle Staatsbürgerrechte für alle, die hier leben!

Man muss sich nur Schilys „Sicherheitspakete“ ansehen, von denen das erste nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 verabschiedet wurde. Das dritte würde nach Schilys Willen dem BKA mehr Macht geben, den Verfassungsschutz stärken und ein nationales „Anti-Terror“-Zentrum in Berlin kreieren, d. h. die erste zentralisierte nationale Polizeikörperschaft seit der Gestapo. Das BKA, das als ein notorisch brauner Sumpf nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Abschaum der ehemaligen SS und anderen Massenmördern aufgebaut wurde, würde unter anderem die Befugnis erhalten, jeden Beliebigen auszuspionieren, ohne auch nur den Vorwand des „Verdachts auf kriminelle Betätigung“ zu benötigen. Die herrschenden Kapitalisten wären dann einen weiteren Schritt vorangekommen, die „Vergangenheit zu überwinden“ und den deutschen Imperialismus wieder als eine Weltmacht zu etablieren. Diese Maßnahmen werden unter Ausnutzung und Aufpeitschung der Furcht vor „islamischem Terrorismus“ durchgedrückt. Herzstück der neuen zentralisierten Polizei ist die so genannte Islamistendatei. Der Spiegel kommentierte, dass sich Schilys Chance, seine Pläne durchzubekommen, besonders seit dem verbrecherischen Terroranschlag am 11. März 2004 in Spanien verbessert haben: „... niemand möchte von Schily als Bremser an den Pranger gestellt werden, sollte tatsächlich einmal in Deutschland eine Bombe detonieren“ (8. November). Die Islamistendatei ist für Schily nur ein Schritt zu seiner zentralen Anti-Terror-Datei: „Beispiele wie die PKK oder die Volksmudschahidin Iran zeigen, dass eine Beschränkung auf den islamistisch motivierten Terrorismus zu kurz griffe“ (Der Spiegel, 20. November).

Mediendebatte über „Integration” stärkt rassistische Ausgrenzung

Wenn Schröder warnt, dass mythische „Parallelgesellschaften“ nicht toleriert werden sollten, so ist das eine Botschaft, dass die Bevölkerung türkischen, kurdischen, arabischen und generell muslimischen Hintergrunds nicht „toleriert“ wird und besser auf Linie bleibt, was ihre Isolierung von der Gesamtgesellschaft verstärkt. Ein Artikel von Y. Michal Bodemann, Professor für Soziologie in Toronto, weist recht machtvoll darauf hin, dass es, wenn man das Wort Jude an die Stelle von Muslimen oder Türken setzen würde, einen berechtigten Aufschrei über derartig rohen Antisemitismus geben würde:

„Übersehen wird dabei, dass es hier weitgehend um für Migranten reformulierte alte Antisemitismen geht: von der ,Parallelgesellschaft‘ (Den Juden, die nur ihresgleichen helfen) zur ,Undurchsichtigkeit‘ (den verdeckt operierenden, verschwörerischen Juden) bis hin zum jüdischen und türkischen Patriarchat.“ („Unter Verdacht“, Süddeutsche Zeitung, 20. November)

Die Juden von heute sind die Türken, Kurden und generell muslimische Immigranten in Deutschland, die im Fadenkreuz der rassistischen Reaktion und des rassistischen Staatsterrors stehen.

Die Bürgermeister der Berliner „Problembezirke“ haben rassistische Tiraden über die angeblich mangelnde Integrationsbereitschaft der dort lebenden Immigranten losgelassen. Jobs und Zukunft haben sie den Jugendlichen dieser Bezirke, die durch systematische rassistische Diskriminierung am unteren Ende des ohnehin schlechten Arbeitsmarktes stehen, nicht zu bieten. Stattdessen wollen sie mehr Bullen haben und die Staatsgewalt stärken, um genauer zu überwachen, was die Imame predigen; und alles soll zwangsmäßig auf Deutsch abgehalten werden. Der Berliner Senat will staatlich kontrollierten Islamunterricht. Die Arbeitslosigkeit beträgt 40 Prozent unter der eingewanderten Bevölkerung Berlins. Insbesondere gibt es keine Jobs für junge Frauen aus diesen Bezirken, und das bedeutet keine Chance auf ökonomische Unabhängigkeit. Das ist eine vernichtende Anklage gegen dieses rassistische kapitalistische System. Man wird eine Arbeiterrevolution brauchen, um die herrschenden Kapitalisten zu enteignen, deren irrationales Profitsystem all dem zugrunde liegt. In einer Periode relativ niedrigen Klassenkampfes und nach der kapitalistischen Konterrevolution von 1990–92 in Osteuropa und der Sowjetunion scheint dies vielen als utopisch. Aber Klassenkampf ist unvermeidbar, was angesichts der schwelenden Wut über die Angriffe der SPD/Grünen-Regierung greifbar ist.

Notwendig ist eine revolutionäre Avantgardepartei, um die unvermeidlichen Kämpfe zu einer erfolgreichen, revolutionären Lösung zu führen. Diese Partei wird durch die Intervention in soziale Kämpfe aufgebaut werden, indem die klassenbewusstesten Kämpfer zu einem revolutionären Kader geschmiedet werden und darum kämpfen, das Klassenbewusstsein der Arbeiter zu heben. Dafür kämpfen wir Spartakisten. Ein strategischer Teil dieses Programms ist der Kampf, die Arbeiterklasse gegen rassistische Unterdrückung zu mobilisieren.

Für die revolutionäre Einheit der multiethnischen Arbeiterklasse!

Das einzige internationalistische, antirassistische Programm, das siegen kann, ist das der Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Kapitalisten und ihr System von Rassismus und Krieg. Nur im Kampf Klasse gegen Klasse können die nationalen und ethnischen Spaltungen zwischen den Arbeitern, die eine falsche Identifizierung mit den „eigenen“ Bossen ausdrücken, ausgeräumt werden. Die Notwendigkeit, dass die Arbeiterklasse ihre soziale Macht im Kampf gegen den rassistischen Staatsterror nutzt, muss im Verlauf der Kämpfe bewusst gemacht werden. Die gleichen holländischen Bullen, die bürgerkriegsähnliche Einsätze – die Abriegelung und Terrorisierung des Immigrantenviertels von Den Haag – durchführten, schlugen auch Hafenarbeitern die Köpfe ein, als diese 2003 gegen das „Port Package“ der Bosse und der EU in Rotterdam kämpften.

Entscheidend für diese Perspektive „Klasse gegen Klasse“ und dafür, die Arbeiter von ihrer gegenwärtigen sozialdemokratischen Führung zu brechen, ist das Ziehen einer Linie gegen alle rassistischen Vorurteile in der Arbeiterklasse mit der Forderung nach vollen Staatsbürgerrechten für alle, die hier leben. Staatsbürgerrechte sind eine demokratische Errungenschaft, die jedoch rassistische Diskriminierung nicht beenden und auch nicht die vielen Probleme lösen, denen Flüchtlinge, Immigranten oder ihre hier geborenen Kinder und Enkel gegenüberstehen. Dass dies so ist, beweisen die Pakistaner und Inder in Britannien oder die maghrebinische Bevölkerung Frankreichs, die Staatsbürgerrechte haben. Aber der Kampf für diese grundlegende Forderung hätte einen riesigen Einfluss auf die Kampffähigkeit der Arbeiterklasse insgesamt und wäre ein Sieg für den Internationalismus. Überdies führt der Kampf für gleiche Rechte – das Recht zu arbeiten und sich in die Gesellschaft zu integrieren ohne die Furcht vor Abschiebung, rassistischem Terror und Diskriminierung – die Arbeiterklasse direkt in Konflikt mit dem irrationalen und ungerechten Bedarf des kapitalistischen Systems der Produktion für Profit. Dieses Bestreben wird erst völlig verwirklicht werden können durch die Herrschaft der Arbeiterklasse und wird (wie es auch historisch der Fall gewesen ist) in die Grundsätze der Arbeiterregierung geschrieben werden, die auf proletarischem Internationalismus basiert.

Als ein Ergebnis der kapitalistischen Konterrevolution in der DDR und Osteuropa hat heute die deutsche Bourgeoisie ein großes Reservoir von arbeitslosen ausgebildeten Arbeitern und versucht einfache Arbeit in Länder zu exportieren, wo die Profitrate wesentlich höher ist. Während türkische und kurdische Arbeiter ein strategisch wichtiger Teil der Arbeiterklasse in Deutschland bleiben, haben die rassistischen Herrscher Deutschlands zunehmend keinen ökonomischen Bedarf an einem großen Teil der türkischen und kurdischen Bevölkerung hier, speziell die zweite und dritte Generation, für die es keine Arbeit gibt. Sie werden von der herrschenden Klasse sowohl mit rassistischer Verachtung als auch mit Furcht betrachtet, weil sie sozialen Sprengstoff darstellen.

Es ist unerträglich, wenn Schröder von den Immigranten verlangt: „Sie müssen sich klar und unmissverständlich zu unserer Rechtsordnung und unseren demokratischen Spielregeln bekennen“ (Süddeutsche Zeitung, 20. November). Diese rassistische Gesellschaft verweigert Millionen der zweiten und dritten Generation von „Immigranten“, die hier leben, das grundlegende Recht auf Staatsbürgerschaft (zu wählen und die gleichen Rechte zu haben wie andere Bürger) und behandelt sie als „Ausländer“, obwohl sie hier geboren sind oder den größten Teil ihres Lebens hier verbrachten. Aber die kapitalistischen Herrscher bieten den „Nicht-Deutschen“ auch keine Zukunft: Allein zwischen 1998 und 2002 ist die Beschäftigung „ausländischer“ Arbeiter in der Schwerindustrie um 15 Prozent zurückgegangen. 22 Prozent der „nichtdeutschen“ Bevölkerung des Berliner Bezirks Neukölln lebt von Sozialhilfe. Von diesen haben 75 Prozent keine Ausbildung. Das ist das Ergebnis der Zerstörung von 250 000 Arbeitsplätzen in der Metallindustrie Berlins allein seit der kapitalistischen Konterrevolution 1990. Rassistische Diskriminierung stellt sicher, dass die Situation für Jugendliche mit Migrationshintergrund trostlos bleibt: Ein Manager eines Autozulieferers „organisiere Fahrgemeinschaften für Mitarbeiter – aus Hennigsdorf. Beschäftigte aus Neukölln könne er nicht brauchen“ (Tagesspiegel, 13. November). Neuköllns Bürgermeister Buschkowsky (SPD) schiebt die Schuld für die Trennung der Immigranten von dieser Gesellschaft unverschämter Weise auf diese selbst, weil sie in dem Bezirk eine andere Sprache sprechen: „Es gibt nichts mehr, was sie nicht in ihrer Heimatsprache erledigen können, bis hin zu eigenen, verpflichtenden Verhaltensnormen. Das nenne ich eine Parallelgesellschaft“ (Tagesspiegel, 13. November).

Gegen solchen „Nur-deutsch“-Chauvinismus und die diskriminierende Forderung, dass islamische Predigten nur in deutscher Sprache gehalten werden dürfen, stehen wir in der Tradition von Lenin und den Bolschewiki: „Das nationale Programm der Arbeiterdemokratie: absolut keine Privilegien für irgendeine Nation, für irgendeine Sprache“. Aber wir sind nicht gleichgültig über die Frage der Sprache. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist eine grundlegende Vorbedingung für Jugendliche aus ethnischen Minderheiten dafür, dass sie in diesem kapitalistischen System eine Chance auf einen Arbeitsplatz haben. Und dafür sind wir, weil es der einzige Weg ist, um die notwendige soziale Macht zu bekommen, gegen dieses rassistische System zu kämpfen. Das neue Zuwanderungsgesetz verlangt das Beherrschen der Sprache und setzt gleichzeitig den Leuten die Pistole an den Kopf mit der Drohung von Abschiebung. Das nennt sich dann zynischerweise „Integrationsförderung“. Dies ist nicht mehr als ein grausamer Witz, da der Staat überall in Deutschland die Bildungsprogramme massiv einschränkt, von Kinderkrippen über bezahlbare Sprachkurse bis zum zweisprachigen Unterricht. Wie wir in dem Artikel „Stoppt rassistische Angriffe auf türkisch-deutschsprachigen Unterricht!“ (Spartakist Nr. 144, Sommer 2001) schrieben:

„Wir befürworten kostenlose zweisprachige Programme als eine rationale Herangehensweise, Kindern eine Brücke zu bauen zwischen ihrer Muttersprache und der deutschen Sprache.“

Für kostenlose, hochwertige Sprach-, Lese- und Schreibkurse für alle, die sie wollen!

Millionen türkischer Arbeiter haben sich unter schlimmsten Bedingungen abgerackert für die Profite der deutschen Kapitalisten. Diejenigen, die jetzt in Arbeitslosigkeit geraten, sind bitterer Armut durch Hartz IV ausgesetzt und können sogar abgeschoben werden. Die Krokodilstränen der Bourgeoisie über das Schicksal von türkischen und kurdischen Frauen, die unter einer schrecklichen, unterdrückerischen Familiensituation leiden, sind reine Heuchelei, wenn man überlegt, dass sie am härtesten betroffen sind von Arbeitslosigkeit und Hartz IV, welches das Einkommen des Partners einberechnet dabei, ob man überhaupt etwas bekommt. Ein Arbeitsplatz ist die Grundlage für Unabhängigkeit und für die Hoffnung sich integrieren zu können, aber die Kapitalisten – die nur für Profit produzieren und nicht für soziale Bedürfnisse – können ihn einem großen Teil der Bevölkerung nicht zur Verfügung stellen.

Die Arbeiterklasse muss für Arbeit für Alle kämpfen. Dies ist unerlässlich für die Existenz und Effektivität ihrer Gewerkschaften, weil sonst die Bosse das perfekte Werkzeug haben, die Arbeiter durch die Drohung mit Massenarbeitslosigkeit zu erpressen. Wie die militanten Kämpfe für die 35-Stundenwoche in den 80er-Jahren zeigten, stehen die Teile der Arbeiterklasse, die von Arbeitslosigkeit am stärksten bedroht und betroffen sind – Frauen und Immigranten – oft in der ersten Reihe der kämpferischsten Arbeiter. Aber die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer unterminieren dies durch nationalistischen Protektionismus und Chauvinismus. DGB-Vorsitzender Sommer unterschrieb skandalöserweise eine gemeinsame Erklärung mit dem Arbeitgeberpräsident Hundt, die nur so strotzt von rassistischer Raserei zur Verteidigung der „nationalen Identität“ gegen die „islamische Bedrohung“: „Die Werte des Grundgesetzes bilden das Fundament der Bundesrepublik Deutschland... Wer gegen sie handelt – ob unter dem Deckmantel der Religion oder zur Durchsetzung extremistischer Vorstellungen – kann nicht mit Toleranz rechnen“ („Miteinander statt Nebeneinander – Integration durch Fördern und Fordern“, Gemeinsame Erklärung von Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt und DGB-Vorsitzenden Michael Sommer, 28. November). Da macht der Vorsitzende des Bundes der Arbeitergewerkschaften mit dem Klassenfeind gemeinsame Sache bei einer Erklärung, die die Hass-Kampagne der Bourgeoisie und der Regierung unterstützt, die unter anderem gegen die Hunderttausende von türkischen, kurdischen und arabischen Gewerkschafter im DGB gerichtet ist! Dies muss offen gelegt werden als der Verrat, der es ist, und bekämpft werden durch politischen Kampf gegen die der SPD treu ergebenen verräterischen Führer und für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung.

Die Linke, Frauenunterdrückung und Rassismus gegen Immigranten

Liberale bürgerliche Ideologen wie Alice Schwarzer haben die Unterdrückung von Frauen unter dem Islam thematisiert, um antimuslimischen Rassismus respektabel zu machen. In einem Artikel des Spiegel vom 15. November, „Allahs rechtlose Töchter – Muslimische Frauen in Deutschland“, werden Aspekte einer sehr bitteren Realität in Deutschland angesprochen, nämlich das höllische Leben von Frauen, die jahrelang Erniedrigung, Isolation, Schlägen und Todesdrohungen durch Ehemänner, Väter, Brüder und sogar Söhne ausgesetzt sind. Mädchen und junge Frauen, die nach Deutschland gebracht wurden, um unter Zwang einen Mann zu heiraten, den sie nie zuvor gesehen haben, werden in Isolierung gehalten, wie es sehr machtvoll und schmerzlich in Tevfik Basers Film „40 Quadratmeter Deutschland“ dargestellt wurde. Diese Geschichten sind nicht neu, und deutsche und türkische Aktivisten für Frauenbefreiung, die jahrelang in Frauenhäusern und in sozialen Projekten gearbeitet haben, haben ihre Frustration darüber zum Ausdruck gebracht, dass niemand interessiert ist an der häuslichen Gewalt gegen Frauen. Der Spiegel-Artikel zitiert Zahlen über häusliche Gewalt, der 25 Prozent aller Frauen und 38 Prozent der Frauen türkischer Herkunft ausgesetzt sind. Aber die entsetzliche Wahrheit ist, dass das Schicksal der Frauen instrumentalisiert wird, um die gesamte muslimische immigrierte Bevölkerung zu brandmarken und um mehr staatlichen Zwang und Unterdrückung gegen Immigranten zu fordern. Während alle sozialen Programme, inklusive Frauenhäuser, Kinderkrippen und Kindergärten sowie kostenlose Sprachkurse, zusammengestrichen werden, rufen die Experten des Spiegel scheinheilig dazu auf, „Menschenrechte und Frauenrechte in den Schulen“ zu lehren. Sie bejubeln das rassistische Zuwanderungsgesetz als einen „ersten Schritt“ und verlangen eine verschärfte Einwanderungspolitik gegen Frauen, die aus der Türkei oder arabischen Ländern hierher gebracht werden, mehr staatliche Kontrolle, was in Koranschulen gelehrt wird, usw.

Die „Sorge um Frauenrechte“ von der Bourgeoisie ist eine atemberaubende Heuchelei. In Afghanistan spielten die USA und die westeuropäischen Imperialisten eine maßgebliche Rolle bei der Unterstützung des Aufstiegs des politischen Islam, als sie ab 1979 Osama bin Laden und die Frauen hassenden Mörderbanden der Mudschaheddin gegen die sowjetische Rote Armee finanzierten und bewaffneten. Das war Teil des zweiten Kalten Krieges, um die verbliebenen Errungenschaften des bürokratisch degenerierten Arbeiterstaats Sowjetunion zu zerstören. Afghanistan war das einzige Beispiel in der modernen Geschichte, wo ein Krieg angefangen wurde über die Frage von Rechten für Frauen. Die Rote Armee stand eindeutig auf der Seite des sozialen Fortschritts – es wurde Bildung, wissenschaftliches und technisches Training für Frauen eingeführt und der Sklavenhandel mit Frauen wurde eingeschränkt – gegen den reaktionären Abschaum, welcher unverschleierten Frauen Säure ins Gesicht goss und sowjetische Soldaten bei lebendigem Leibe häutete, weil ihre Anwesenheit es ermöglichte, dass junge Mädchen Lesen und Schreiben lernen konnten. Wir hatten eindeutig eine Seite. Wir sagten: „Hoch die Rote Armee in Afghanistan! Weitet die Errungenschaften der Oktoberrevolution aus!“ Die antisowjetische Einheitsfront in Deutschland – welche von den Nazis über Helmut Schmidt und die SPD, den bürgerlichen Feministinnen bis zu den reformistischen Linken der Pseudotrotzkisten und türkischen Maoisten usw. reichte – hatte auch eine klare Seite: mit den Mullahs und gegen die Rote Armee!

Die heuchlerische Instrumentalisierung der Frauenunterdrückung unter dem Islam wurde über die Kampagne für das rassistische Verbot des Kopftuchs für Lehrerinnen und Beamtinnen vorangetrieben. Der SPD/PDS-Senat setzte das Verbot im Juli für das Land Berlin durch, und Schröder trommelte jetzt im November dafür. Viele linke türkische und kurdische Organisationen, die ebenfalls im Fadenkreuz der antimuslimischen Kampagne stehen, unterstützen das Verbot. Die Föderation der Demokratischen Arbeitervereine (DIDF) prangert zum Beispiel zu Recht die „hysterische Hetzkampagne“ an und zeigt auf, wie die antimuslimische Kampagne dazu dient, staatliche Repression zu stärken und demokratische Rechte einzuschränken („Erklärung der DIDF zur aktuellen ,Integrationsdiskussion‘: Für eine gemeinsame Zukunft“, 30. November). DIDF beugt sich aber der SPD und unterstützt das rassistische staatliche Kopftuchverbot: „Daher tritt die DIDF strikt gegen alle religiöse Symbole in Schulen und öffentlichen Anstalten auf“ („Welchem Zweck dient die Kopftuchdebatte?“, 11. März 2004). Dies reflektiert DIDFs sozialdemokratische Illusionen, dass der kapitalistische Staat und die SPD-geführte Regierung Institutionen zum Schutz von „Demokratie“ seien, die Gleichheit und soziale Integration fördern. Falsch! Als Leninisten wissen wir, dass dies eine Illusion über den Charakter des bürgerlichen Staates ist, dessen Zweck es ist, das System aus Privateigentum und Ausbeutung aufrechtzuerhalten. Bürgerliche Demokratie bedeutet Demokratie für die Bourgeoisie, Unterdrückung der Arbeiter und, falls notwendig, rassistischen Terror. Die Unterstützung von DIDF für das staatliche Kopftuchverbot stärkt genau die rassistische Kampagne, gegen die DIDF protestiert!

In unserem Artikel „Nein zum rassistischen Kopftuchverbot!“ (Spartakist Nr. 152, Herbst 2003) erklärten wir, warum es notwendig ist, sich gegen das Kopftuchverbot durch den bürgerlichen Staat zu stellen:

„Das Kopftuch ist ein Instrument zur tagtäglichen Unterwerfung der Frau unter den Mann in islamischen Gesellschaften weltweit und auch in dem immer mehr ghettoisierten Leben von Immigrantinnen in Europa… Dennoch: Wir sind gegen Verbote durch den rassistischen bürgerlichen Staat, weil sie nur brutale Maßnahmen zum rassistischen Ausschluss und zur Anheizung religiöser Bigotterie sein können.“ (Hervorhebung hinzugefügt)

Die reaktionären Auswirkungen der bürgerlichen antimuslimischen Kampagne zeigen sich eindeutig darin, dass die Zahl der Frauen mit muslimischem Hintergrund, die das unterdrückende Kopftuch tragen, im letzten Jahrzehnt in Europa angesichts des verschärften gegen Immigranten gerichteten Terrors zugenommen hat. Die moralischen Zwänge, denen junge Frauen ausgesetzt sind, sind häufig in Teilen Istanbuls weitaus geringer als diejenigen, denen Frauen türkischen Hintergrunds in Berlin ausgesetzt sind. Denn die Segregation einer rassistischen Gesellschaft stärkt den Würgegriff der Familie auf das Leben dieser Frauen. Nieder mit dem rassistischen Kopftuchverbot! Für die Trennung von Kirche und Staat! Für Frauenbefreiung durch sozialistische Revolution!

Wir sehen den Kampf für Arbeitermobilisierungen gegen die rassistische antimuslimische Kampagne der Regierung als Teil des Kampfes für eine leninistische Partei, die als Volkstribun aller Unterdrückten das notwendige Instrument dafür ist, revolutionäres Klassenbewusstsein in die Arbeiterklasse hineinzutragen. Die pseudotrotzkistische Gruppe Linksruck stellt sich auch gegen die antimuslimische Kampagne und zirkulierte kürzlich eine Unterschriftenliste unter der Überschrift „Schluss mit der Hetze gegen Muslime“. Während Linksruck so den berechtigten Hass vieler antirassistischer Jugendlicher gegen diese heuchlerische Kampagne anspricht und sich einen Namen als „antiimperialistisch“ macht, ist ihr Programm von Anpassung ein Hindernis, die Arbeiterklasse unabhängig von der Bourgeoisie im Kampf gegen rassistische Unterdrückung zu mobilisieren. Linksruck leugnet den unterdrückerischen Charakter des Kopftuchs und beschönigt so den Islam. Die Cliff-Tendenz, der Linksruck angehört, gehörte zu den begeistertsten Unterstützern der von den Imperialisten gesponserten islamischen Fundamentalisten gegen die Rote Armee in Afghanistan in den 1980er-Jahren. 1979 unterstützten sie Chomeinis „Iranische Revolution“, die zur Abschlachtung zahlloser Frauen, Linker, Arbeiter und Kurden führte. Bei jeder Wahl bis einschließlich 2002 unterstützte Linksruck loyal die SPD/Grünen-Regierung – die offen rassistischen Terror gegen Immigranten propagierte und durchführte und imperialistische Kriege und Besetzungen vom Balkan bis Afghanistan führte. Erst vor kurzem, als Schröder zu unpopulär geworden war, wechselten sie zu unkritischer Unterstützung für die sozialdemokratische Wahlalternative.

Dringend notwendig ist eine leninistische Partei, die gegen jede Form von Unterdrückung kämpft. Die klassenbewusstesten Kämpfer von der Bevölkerung türkischen, kurdischen und arabischen Hintergrunds und ihre Söhne und Töchter der zweiten und dritten Generation werden einen entscheidenden Teil des Kaders einer solchen Partei ausmachen. Wir wollen Arbeiter und Jugendliche gewinnen, die die arbeiterfeindliche, chauvinistische und prokapitalistische Politik der Sozialdemokratie, der historischen Barriere gegen revolutionäres Bewusstsein in der Arbeiterklasse, zurückweisen; diejenigen gewinnen, die im kapitalistischen Staat keinen unparteiischen Beschützer sehen, sondern eine Maschinerie der rassistischen Unterdrückung; diejenigen gewinnen, die Schluss machen wollen mit einem System, das so brutal ist, dass religiöser Fundamentalismus sich den Anschein eines Auswegs geben kann. Wir kämpfen für diese Partei, das notwendige Instrument, um diesem grausamen und unterdrückerischen System ein Ende zu bereiten. Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei! Zerschlagt rassistischen Terror! Nieder mit dem deutschen Imperialismus durch Arbeiterrevolution!