Spartakist Nr. 169

Winter 2007/2008

 

USA: Proteste kontern Medienhetze

Mumia Abu-Jamal ist unschuldig — Freiheit sofort!

Die nachfolgende Presseerklärung (9. Dezember 2007) vom amerikanischen Partisan Defense Committee wurde vom Komitee für soziale Verteidigung (KfsV) übersetzt. Das KfsV ist eine klassenkämpferische, nichtsektiererische Organisation zur rechtlichen und sozialen Verteidigung, die sich für die Fälle und Anliegen einsetzt, die im Interesse der Gesamtheit der arbeitenden Menschen sind. Dieser Zweck entspricht den politischen Ansichten der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands.

„Mumia ist unschuldig! Freiheit jetzt!“ schallten am 6. Dezember die Sprechchöre vor den NBC-Studios in New York, als Maureen Faulkner und der rechte Rundfunksprecher Michael Smerconish in Matt Lauers Today-Show auftraten, um die Werbetrommel für ihr Buch Murdered by Mumia [Von Mumia ermordet] zu rühren. Das Buch wärmt die Lügen der Polizei und Staatsanwaltschaft auf, die benutzt wurden, um Mumia fälschlich für die Ermordung des Polizisten Daniel Faulkner am 9. Dezember 1981 in Philadelphia zu verurteilen. Jetzt, wo jederzeit eine Entscheidung des Dritten US-Bundesberufungsgerichts in Mumias Fall kommen kann, macht das Buch seinen Zweck klar – in seinem Mittelpunkt steht der Ruf nach Hinrichtung dieses unschuldigen Mannes.

Die International Concerned Family and Friends of Mumia Abu-Jamal, Journalists for Mumia und Educators for Mumia unternahmen eine Kampagne, in der sie die Today-Show aufforderten, Mumias Unterstützern zu erlauben, Faulkner und Smerconish zu erwidern. Nach dem Protest am 6. Dezember, zu dem von der Free Mumia Abu-Jamal Coalition (NYC) aufgerufen wurde, bemerkte Rachel Wolkenstein, Anwältin des Partisan Defense Committee: „Heute in der Today-Show und auf der Straße war klar, dass es zwei deutlich abgegrenzte Seiten gibt: jene, die aufgrund Mumias Unschuld für seine Freiheit kämpfen, und die Kräfte des rassistischen ,Recht und Ordnung‘, angeführt von der Fraternal Order of Police, die Mumias Hinrichtung erstrebt.“

Wolkenstein, die von 1995 bis 1999 in Mumias Anwaltsteam arbeitete, fuhr fort: „Das ist ein Fall eines rassistischen und politischen Komplotts. Über 900 Seiten von FBI/COINTELPRO-Akten zeigen, dass das FBI und die Polizei von Philadelphia es auf Mumia abgesehen hatten, seit er als 15-Jähriger ein Sprecher für die Black Panther Party war. Er wurde verstärkt ins Visier genommen, als er zum Unterstützer der MOVE-Organisation wurde und zum Journalisten, der als ,Stimme der Entrechteten‘ weithin bekannt war.“

Maureen Faulkner, Daniel Faulkners Witwe, und Michael Smerconish lassen keine Unwahrheit aus in ihrem Versuch, den Weg für einen legalen Lynchmord an Mumia zu ebnen, und zeichnen ein bösartig verlogenes Bild von MOVE, einer von Mumia unterstützten kommuneartigen „Zurück-zur-Natur“-Organisation, als wäre sie ein Haufen „gesetzloser“ und „gefährlicher“ Mörder. Die jahrelange Kampagne staatlichen Terrors gegen MOVE wurde vom Brandbomben-Anschlag auf deren Haus in der Osage Avenue im Mai 1985 gekrönt, bei dem elf Menschen, darunter fünf Kinder, ermordet und ein ganzes schwarzes Viertel zerstört wurden. Die Autoren von Murdered by Mumia stellen obszöner Weise MOVE als die Verantwortlichen für diesen rassistischen Massenmord dar, der von der Polizei unter dem schwarzen Bürgermeister, Wilson Goode von der Demokratischen Partei, ausgeführt und vom FBI unterstützt und begünstigt wurde.

Im Bestreben, jeden einzuschüchtern, der sich für Mumia einsetzen könnte, enthält dieses Buch einen frontalen Angriff auf das Partisan Defense Committee, das sich mit MOVE solidarisierte und seit 20 Jahren für Mumias Freiheit kämpft. Faulkner und Smerconish greifen sogar Stuart Taylor an, einen konservativen Rechtskommentator, der die Fairness von Mumias Prozess vom Jahr 1982 in Frage stellte, dem der als „Henker-Richter“ bekannte Albert Sabo vorsaß. Sabo, der auch den Vorsitz in Mumias PCRA-Berufungsverfahren hatte, wurde während des Prozesses von einer Gerichtsstenographin gehört, wie er sagte: „Ich werde denen helfen, den N––r zu braten.“

Smerconish und Faulkner machen kein Geheimnis aus der politischen Natur des Komplotts. Sie geben die Linie der Staatsanwaltschaft wieder, dass Mumias Mitgliedschaft bei den Panthern beweise, dass er schon jahrelang plante, einen Polizisten zu ermorden. Wie Erica Williamson vom PDC bemerkte: „Die rassistischen kapitalistischen Herrscher wollen Mumia tot sehen, weil sie in ihm das Gespenst der schwarzen Revolte erkennen. Der Kampf für Mumias Freiheit ist ein wichtiger Brennpunkt im Kampf, die rassistische Todesstrafe, dieses Erbe der Sklaverei, abzuschaffen.“

Rachel Wolkenstein kommentierte: „Indem dieses Buch als Memoiren verfasst wurde, vermeidet es, die Massen an Beweismaterial für Mumias Unschuld widerlegen zu müssen, die in den Jahren nach seinem Prozess zu Tage gefördert wurden. Tatsächlich kann man dieses Beweismaterial auch nicht widerlegen.“ Mumias ursprünglicher Prozess war gezeichnet von rassistischer Manipulation in der Besetzung der Geschworenen, zügelloser Einschüchterung der Zeugen seitens Polizei und Staatsanwaltschaft, dem Verdecken von Unschuldsbeweisen und dem Fabrizieren von falschen ballistischen und anderen „Belegen“, die angeblich Mumias Schuld beweisen sollten. Dann trat 1999 Arnold Beverly mit einer eidesstattlichen Erklärung hervor, dass er, nicht Mumia, Officer Faulkner erschossen und getötet hat (siehe http://www.partisandefense.org/pubs/deutsch/unschuldig/ab.html). Jenen, die ihre Proteste auf den Ruf nach einem fairen Prozess für Mumia stützen, sagte Wolkenstein: „Was gibt es in diesem Fall noch einmal zu prozessieren? Mumia hätte nicht einen einzigen Tag im Gefängnis verbringen dürfen. Es muss Massenproteste geben, die fordern, dass dieser unschuldige Mann freikommt, sofort!“

Beverly sagte in seiner Erklärung aus, dass er und ein anderer Mann angeheuert wurden, um Faulkner umzubringen, der ein Problem für die Unterwelt und korrupte Polizisten darstellte, weil er Bestechungen und Abfindungen aus Prostitution, Glücksspiel und Drogen behinderte. Zur Zeit der Ermordung Faulkners in Center City liefen gegen das Philadelphia Police Department mindestens drei FBI-Ermittlungen in Sachen Korruption und Polizei-Mafia-Verbindungen. Ein Drittel der Polizisten, die in Mumias Fall involviert waren, standen unter Korruptionsverdacht. Wolkenstein bemerkte: „Das unterstreicht, dass die Polizei auf Mumias Tod besteht – nicht nur weil er eine laute Stimme für die Freiheit der Schwarzen war, sondern auch, weil sie so Beweise für ihre eigenen Vergehen begraben können.“ Sie merkte an: „Murdered by Mumia enthält nicht ein Wort über diese Ermittlungen.“

Unter denen, die der Today-Show schrieben und von ihr forderten, dass sie einen wahrheitsgemäßen Bericht über diesen Fall gebe, war Veronica Jones, eine der Zeuginnen, die von der Polizei eingeschüchtert wurden (http://i117.photobucket.com/albums/o59/jaysyro/JPGVJONES.jpg). Jones sagte 1996 in einer PCRA-Berufungsanhörung aus, dass die Polizei sie genötigt hatte, im Prozess von 1982 zu lügen, wo sie verneinte, dass sie jemanden gesehen hatte, der vom Tatort wegrannte. Diese Person konnte nicht Mumia gewesen sein, der sitzend und heftig blutend an einer Bordsteinkante gefunden wurde, nachdem er von der Polizei angeschossen worden war. Der Bezirksstaatsanwalt ließ Jones 1996 auf der Grundlage eines mehrere Jahre alten Haftbefehls wegen eines Bagatelldiebstahls vom Zeugenstand aus verhaften und in Handschellen wegschleppen.

Jones erwähnte die „Einschüchterungen, Drohungen und Schikanen, die ich seit dem Dezember 1981 erdulden musste“ und schrieb weiter: „Wenn es keinen Anhaltspunkt für die Unschuld von Mr. Jamal, oder dementsprechend aufkommende Fragen, gäbe, kann mir dann bitte jemand erklären, warum man sich so viel Mühe machte mit dem Versuch, mich öffentlich zu diskreditieren und erniedrigen?“ Am Ende ihres Briefes bot Jones noch Folgendes an: „Ich kannte Officer Faulkner und hielt ihn für eine nette Person – mir gegenüber. Er half mir und passte ein paar Mal auf mich auf. Das gesagt, hatte ich also keinerlei Grund, einen Mann zu beschützen, der angeklagt war, ihn ermordet zu haben – einen Mann, den ich nicht einmal kannte, also Mumia Abu-Jamal.“

In einer 2001 an Bundesstaats- und Bundesgerichte eingereichten eidesstattlichen Erklärung zeigte Wolkenstein, dass es keine Beweise gab, dass Mumias Waffe in dieser Nacht abgefeuert wurde. Das Fehlen von Einschusslöchern auf dem Gehweg widerspricht dem Märchen der Polizei, dass Mumia wiederholt abdrückte, als er über Faulkner stand, und ballistische Hinweise deuten auf mehr als einen Schützen (siehe KfsV-Broschüre Der Kampf für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal – Mumia ist unschuldig!, http://www.partisandefense.org/pubs/deutsch/unschuldig/rw.html).

Fotos des Freiberuflers Pedro Polakoff, die vor Kurzem von Michael Schiffmann zutage gefördert wurden, widerlegen das Szenario der Polizei noch mehr (http://www.abu-jamal-news.com). Außer dass sie zeigen, dass es keine Einschusslöcher auf dem Gehweg gibt, bestätigen diese Fotos auch, dass ein Taxifahrer, der gegen Mumia aussagte, nicht dort war, wo Polizei und Staatsanwälte behaupteten, dass er gewesen wäre. Sie zeigen auch deutlich Polizisten, die mit Waffen und anderem Beweismaterial herumhantieren, um den Mord Mumia anzuhängen. Polakoffs Fotos wurden am 4. Dezember auf einer Pressekonferenz in Philadelphia gezeigt, von der Reuters berichtete. Matt Lauer zeigte einige von ihnen bei seiner Befragung Faulkners, was Smerconish zu einem Wutanfall trieb.

Am nächsten Tag erschien Faulkner in der Hardball-Sendung auf MSNBC, die von Chris Matthews, einem ehemaligen Redenschreiber für die Demokratische Partei, moderiert wird, der sich nicht einmal den Anschein von Unparteilichkeit gab. Matthews wärmte die Behauptung wieder auf, dass „seit 26 Jahren“ weder Mumia noch sein Bruder Billy Cook, der in dieser Nacht am Tatort war, jemals Rechenschaft über das ablegten, was sie gesehen hatten. Doch tatsächlich gaben sowohl Mumia als auch sein Bruder eidesstattliche Erklärungen ab, die wie das Beverly-Geständnis immer wieder vom Staat und den Bundesgerichten unbeachtet gelassen worden sind. Mumia erklärte 2001: „Ich habe den Polizeibeamten Daniel Faulkner nicht erschossen. Ich hatte mit der Ermordung von Officer Faulkner nichts zu tun. Ich bin unschuldig.“ Seine Erklärung beschreibt, wie er von seinem geparkten Taxi in Center City wegrannte, nachdem er Schüsse gehört hatte und andere Leute rennen sah, und seinen taumelnden Bruder auf der Straße erkannte. „[Ich sah], wie sich ein uniformierter Polizist mit einer Waffe in der Hand zu mir umdrehte, ich sah einen Lichtblitz und fiel auf die Knie nieder“ (http://www.partisandefense.org/pubs/deutsch/unschuldig/maj.html). Mumia wurde nicht nur angeschossen, sondern auch von Polizisten geschlagen, die ihn tot sehen wollten.

Billy Cook gab 1999 und 2001 eidesstattliche Erklärungen ab: „Mumia Abu-Jamal hat Officer Faulkner nicht erschossen und ich habe Officer Faulkner nicht erschossen“ (http://www.partisandefense.org/pubs/deutsch/unschuldig/wc.html). Cook gibt an, dass Kenneth Freeman, ein Fahrgast in Cooks VW, ihm gesagt habe, dass es einen Plan gegeben habe Faulkner umzubringen, und dass Freeman Teil dieses Plans war.

Maureen Faulkner erschien auch in The O’Reilly Factor von Fox News am 6. Dezember. Obwohl er zugab, dass er keine Ahnung von dem hat, was in der Nacht der Schießerei passierte, war O’Reilly der Meinung, dass Mumia schuldig sein muss, weil das Komplott gegen ihn von den Gerichten aufrecht erhalten wurde. Er erklärte: „Ich muss mit dem System gehen.“ Gene Herson, Gewerkschaftsverantwortlicher des PDC, antwortete: „Es gibt keine Gerechtigkeit in diesem System für Leute wie Mumia, für Kämpfer für die Freiheit der Schwarzen, für Arbeiter-Aktivisten, für Gegner des kapitalistischen Systems mit seiner Demokratischen und Republikanischen Partei. Die Tatsache, dass Verurteilung und Todesstrafe von einem Gericht nach dem anderen trotz überwältigender Unschuldsbeweise aufrechterhalten wurden, zeigt das.“

Herson hob die Notwendigkeit hervor, die soziale Macht der Arbeiterbewegung, zusammen mit allen Kämpfern gegen rassistische Ungerechtigkeit, für Mumias Sache zu mobilisieren: „Der einzige Druck, der auf die kapitalistischen Herrscher und deren Gerichte wirken wird, ist die Furcht vor den Konsequenzen für den Fall, dass sie Mumia hinrichten oder lebenslang einkerkern. Eine Kampagne internationaler Massenproteste, die ganz wesentlich Gewerkschafter mit einschloss, war notwendig, um 1995 der Hand des Henkers Einhalt zu gebieten, als Mumia einem Hinrichtungsbefehl ausgesetzt war.“ Herson verwies auf den Aufruf des PDC und anderer Organisationen für Notfallproteste am Tag nach einer negativen Entscheidung des Dritten Bundesberufungsgerichts und auf einen geplanten nationalen Protest in Philadelphia am dritten Samstag nach einer solchen Entscheidung (http://www.partisandefense.org/events/index.html). Er betonte: „Diese Proteste müssen ein Sprungbrett für die Wiederbelebung von Massenprotesten sein mit dem Aufruf: Mumia ist unschuldig – Freiheit jetzt! Weg mit der rassistischen Todesstrafe!“