Spartakist Nr. 172

Juli 2008

 

Führung von SPD, LINKE, DGB sabotieren antifaschistische Proteste

Hamburg, 1. Mai: Zehntausend demonstrieren gegen Nazi-Provokation

Bullen schützen Nazis, CDU/Grünen-Senat verfolgt Linke

Für Arbeiter/Immigranten-Mobilisierung, um die Nazis zu stoppen!

Am 1. Mai versammelten sich in Hamburg-Barmbek 10 000 Demonstranten, um gegen die Faschisten zu protestieren, die sich am Tag der Arbeiterklasse am ursprünglich geplanten Ort der Kundgebung des DGB zusammenrotten wollten. Bereits auf ihrer Anreise hatten rund 60 Nazis Waggons eines Regionalzuges aus Pinneberg gekapert und verbreiteten durch die Lautsprecheranlage ihren völkermörderischen Dreck gegen Arbeiter, Immigranten und Linke. Bei der Durchführung ihrer Provokation wurden die Nazis stark durch Autonome und andere Antifaschisten behindert. Die neue schwarz-grüne Regierung jedoch bestand ihre erste gemeinsame Feuertaufe: Sie hetzte ein 2500-köpfiges Polizeiaufgebot auf die linke Demo, das den Nazis den Weg auf einer leicht abweichenden Route bahnte. Der Staat riegelte Barmbek hermetisch ab. Brutal griffen die Bullen mit Wasserwerfern, Räumpanzern und Schlagstöcken die antifaschistischen Demonstranten an. Mehrere Demonstranten erlitten Platzwunden am Kopf, laut Spiegel online (2. Mai) landeten mehr als zweihundert in Polizeigewahrsam. Zwei Männer wurden einem Haftrichter vorgeführt. Nieder mit Staatsrepression gegen linke Demonstranten!

Während die Führung des DGB und Teile der Gewerkschafts-„Linken“ ihre Mitglieder weg von einer Konfrontation mit den Nazis nach St. Pauli riefen, um dort gemeinsam mit der Kirche ein impotentes Familienfest abzuhalten, mobilisierten andere Teile der Gewerkschaft wie die DGB-Jugend im „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ mit der LINKEN, der VVN-BdA und anderen nach Barmbek, um vor Ort gegen die Nazis zu protestieren. Viele Gewerkschafter waren sich der Bedrohung durch die Nazis bewusst, stimmten mit den Füßen ab und fanden sich massenhaft in Barmbek ein. Doch das Bündnis, das auf dem politischen Programm der Klassenzusammenarbeit beruhte, schürte massiv Vertrauen in den bürgerlichen Staat. So erklärte der Redner des Bündnisses in seiner Rede am 1. Mai: „Heute wird sich erweisen, ob die Beteiligung der Grünen eine zivilisierende Wirkung auf das Vorgehen der Polizei hat oder ob diese weiterhin in den Antifaschisten und Antifaschistinnen ihren Hauptgegner sieht.“ Aber der Staat ist nicht neutral und die Bullen sind nicht, wie das Bündnis glauben machen wollte, potenzielle „Verbündete“. Vielmehr dienen sie der Bourgeoisie und deshalb schützen sie die Faschisten, weil der Faschismus die Reservearmee der Bourgeoisie mobilisiert für den Fall, dass die Sozialdemokratie nicht mehr in der Lage ist, die Arbeiter im Rahmen der bürgerlichen Demokratie zu halten, und die Herrschaft der Kapitalistenklasse akut bedroht ist. Deshalb der bürgerkriegsähnliche Einsatz der „demokratischen“ Bullen zum Schutze der Nazis während und nach der Demo sowie die Kriminalisierung mutiger Nazigegner.

Bei den Protesten intervenierten wir mit dem nachfolgend abgedruckten Flugblatt vom 24. April, in dem wir für eine klassenkämpferische Perspektive, um die Faschisten zu stoppen, argumentierten.

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Der geplante Aufmarsch der Nazis am Ersten Mai durch Barmbek, wo der DGB ursprünglich seine Maikundgebung abhalten wollte, ist eine konkrete Bedrohung und Provokation gegen alle, die in das Visier der Nazis geraten. Die Attacken der Faschisten sind die Begleiterscheinung der fortwährenden staatlichen Angriffe auf alle Immigranten, Linken und Arbeiter sowie der rassistischen Kampagnen, wie die kürzlich neu aufgewärmte Debatte von Koch über „kriminelle Ausländer“. Aufgrund solcher Kampagnen fühlen sich die Nazis im Aufwind und es war nur eine Frage der Zeit, wann die Nazis der rassistischen CDU-Kampagne Taten folgen lassen würden, wie beim Anschlag im Dautphetal, wo in der Nacht zum 19. Februar ein Brandanschlag auf ein von Türken bewohntes Haus verübt wurde. Ekelhafter Chauvinismus in einer Kampagne gegen die Türkei war die Reaktion auf die weitverbreitete Empörung über den Brand in Ludwigshafen, wobei die Bourgeoisie die Opfer rassistischer Unterdrückung zu Tätern machte, indem sie sie als „integrationsunwillig“ denunzierte. Rassismus ist ein integraler Bestandteil des Kapitalismus. Der bürgerliche Staat schürt Rassismus, mit dem sogenannten „Krieg gegen den Terror“, der der Ausgrenzung und Stigmatisierung von Immigranten und ethnischen Minderheiten mit arabischem/muslimischem Hintergrund dient, was insbesondere hier lebende Türken, Kurden und Palästinenser treffen soll. Dies gehört zur Teile-und-herrsche-Politik der Kapitalisten, die damit die Arbeiterklasse entlang ethnischer Linien spalten wollen, um so gemeinsamen Klassenkampf zu unterminieren und die Unterdrückung aufrecht zu erhalten. Der Kampf gegen Faschismus muss verbunden werden mit dem Kampf gegen den Kapitalismus, der die Faschisten ausbrütet. Verteidigt Immigranten gegen rassistische Unterdrückung! Volle Staatsbürgerrechte für alle, die hier leben! Nieder mit dem rassistischen „Krieg gegen den Terror“!

SPD und DIE LINKE, die als sozialdemokratische Parteien durch ihre organische Verbindung zu den Gewerkschaften eine Basis an Arbeitern haben, während ihr Programm völlig pro-kapitalistisch ist, mochten den offenen Rassismus der CDU-geführten Kampagne nicht. Sie teilen jedoch die kapitalistische Logik, die dem rassistischen Inhalt der Kampagne zugrunde lag und kritisierten Koch, er würde nicht für genug „Sicherheit“ sorgen. Ein Wahlflugblatt der LINKEN vom 11. Januar ruft nach der Stärkung des Staats: „Die Einsparungen im Öffentlichen Dienst wirken sich in Hessen auch dramatisch auf die Gerichte, die Bildungspolitik bis hin auf den Polizeidienst aus.“ Das ist die gleiche Polizei, in deren Händen immer wieder Immigranten zu Tode kommen, wie Oury Jalloh, ein Flüchtling aus Sierra Leone, der an Händen und Füssen gefesselt in Dessau im Gefängnis am 7. Januar 2005 verbrannt wurde, oder Adem Özdamar, der in Hagen am 17. Februar 2008 in Polizeigewahrsam offenbar so misshandelt wurde, dass er massive Verletzungen am gesamten Kopf hatte und an Händen und Füßen gefesselt am Boden liegen gelassen wurde, so dass er ins Koma fiel und später starb.

Es ist dieser rassistische kapitalistische Staat, der die Strippen der Nazis zieht, nicht nur über V-Leute in den Vorständen der NPD, sondern auch, indem er die Marschbefehle für die Nazi-Banden mit seinen rassistischen Kampagnen liefert. Der kapitalistische Staat mit seinen Gerichten, Gefängnissen und Bullen ist ein Instrument zur Durchsetzung und Verteidigung der Klasseninteressen der Bourgeoisie und des rassistischen Status Quo, was beispielsweise auch bedeutet, die Gerichte einzusetzen, um Streiks für illegal erklären und verbieten zu lassen, oder Gegner der G8 zu verfolgen und zu kriminalisieren. Die Bullen stehen auf der Klassenseite der Kapitalisten und haben in der Arbeiterbewegung nichts verloren. Bullen und Wachschutz raus aus dem DGB!

Ebenso wie der direkte Ruf nach der Verstärkung der Polizei ist die Forderung von SPD und DIE LINKE danach, die Nazis zu verbieten, ein Aufruf zur Stärkung des kapitalistischen Staates. In einer Presseerklärung vom 14. April sagt Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in Hamburg: „Die verfassungsfeindlichen Ziele der NPD und die Bedrohung, die von ihr ausgeht, liegen offen zu Tage. Sie rechtfertigen ohne weiteres das Verbot.“ Tatsächlich werden solche Appelle schließlich angewendet gegen Linke und linke Immigranten-Gruppen, deren Mitglieder verfolgt und deren Organisationen letztendlich verboten werden, weil sie als Gegner des herrschenden Systems angesehen werden, während die Nazis Bestandteil dieses Systems sind. Es ist notwendig, die Faschisten im Keim zu zerschlagen, bevor sie zu einer Massenbewegung anwachsen können, wie es in den 20er/30er-Jahren der Fall war. Wie Trotzki 1924 den Faschismus nach Mussolinis Machtergreifung in Italien drei Jahre zuvor beschrieb: „Der Faschismus ist die Sturmabteilung der Bourgeoisie, sobald ihr die alte, an Legalität und Demokratie gebundene Staatsmaschinerie als untauglich erscheint, sobald sie eine Streitmacht braucht, um den Druck des Proletariats abzuwehren. In dieser Situation schafft sich die Bourgeoisie eine zu allem bereite Kampftruppe und trampelt auf ihrer eigenen Legalität und Demokratie herum, um ihre Macht aufrecht zu erhalten.“ Verbotsappelle sind einer unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse direkt entgegengesetzt. Sie mobilisieren nicht gegen die Nazis, sondern halten Gegner der Nazis davon ab, diese zu stoppen, indem Illusionen geschürt werden, dass der Staat die Nazis bekämpfen würde. Es ist vollkommen absurd, zu fordern, dass die Polizei, die die Nazis regelmäßig schützt, die Nazis bekämpfen soll. Dadurch werden den Arbeitern, die ihre polnischen, türkischen und kurdischen Kollegen im Kampf gegen die Bosse als Verbündete ansehen, die Hände gebunden. Weg mit dem Verbot von PKK und aller anderen kurdischen Vereine! Weg mit dem Verbot von Devrimci Sol, THKP-C und DHKP-C! Freiheit für alle Gefangenen der RAF! Freiheit für Öcalan!

Diese Art der Beschwichtigung von Seiten der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsführung gegenüber einer Nazi-Bedrohung ist die Fortsetzung der Politik des nationalistischen Protektionismus im Namen des „Standort Deutschland“. Ein Beispiel hierfür ist Airbus, wo internationaler Klassenkampf zugunsten nationalistischer Standortpolitik verraten wurde. Sowohl von der deutschen als auch der französischen Gewerkschaftsführung war die klare politische Stoßrichtung die gleiche: „nationale Einheit“ mit den „eigenen“ Kapitalisten und ihrer Regierung und gegen die Arbeiter in anderen Ländern zu schaffen, während sich die WASG und Kommunistische Partei Frankreichs gegen die Spaltung der deutschen und französischen Arbeiter aussprachen, nur weil sie eine engere Zusammenarbeit gegen Boeing unterstützen und so die Airbus-Arbeiter gegen ihre amerikanischen Kollegen ausspielten.

Dass DIE LINKE den Interessen der Kapitalisten dient, zeigt sich gleichermaßen an ihrer Beteiligung an der Berliner Regierung, wo sie die rassistischen Abschiebungen durchführen, den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes zerschlagen haben und daran, dass ihre Polizei die Naziaufmärsche gegen Antifaschisten und Linke schützt! Im scharfen Gegensatz dazu bedeutet eine Klassenkampf-Strategie, die soziale Macht der Gewerkschaft über die nationalen und andere Spaltungen hinweg zu mobilisieren, um für die brennenden Bedürfnisse der arbeitenden und armen Massen zu kämpfen, unabhängig von den Interessen der nationalen Bourgeoisie und gegen sie. Organisiert die Unorganisierten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit auf höchstem Niveau! Aufteilung der Arbeit auf alle Hände! Nieder mit den Ausländergesetzen! Stoppt die Abschiebungen durch Gewerkschaftsaktion!

Ja, der Sozialdemokratie stehen die Bosse und ihre Regierung tausend Mal näher als die Unterdrückten und Minderheiten in dieser rassistischen Gesellschaft! Und deswegen fungierte die SPD in der DDR auch als das trojanische Pferd der Konterrevolution, als sie Überstunden dafür schob, diesen deformierten Arbeiterstaat zu zerstören, in dem die gesellschaftliche Grundlage für Faschismus, das Privateigentum an Produktionsmitteln, beseitigt war. Die SED tat ihren Teil zur Zerstörung der DDR, in dem sie zustimmte, als Gorbatschow grünes Licht gab für die kapitalistische Wiedervereinigung. Im Einklang hiermit bejubelten Linke die Konterrevolution oder nahmen sie als unausweichlich hin, wie die SAV, die forderte: „SPD in die Offensive!“, oder Linksruck, die ihre Theorie des „Staatskapitalismus“ zum Vorwand nahmen, die DDR nicht gegen die Konterrevolution zu verteidigen.

Im Gegensatz hierzu verteidigten wir die DDR gegen kapitalistische Konterrevolution. Wir intervenierten mit aller Kraft unserer Internationale für politische Revolution im Osten zum Sturz der stalinistischen Bürokratie und für sozialistische Revolution im Westen zum Sturz und zur Enteignung der blutigen deutschen Bourgeoisie, für ein rotes Rätedeutschland im Rahmen der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa. Wir warnten davor, dass die kapitalistische Wiedervereinigung einen starken Anstieg des Nazi-Terrors und eine Verarmung der Bevölkerung beider Teile Deutschlands mit sich bringen würde. Heute bedeutet die Verteidigung der internationalen Errungenschaften des Klassenkampfes die bedingungslose militärische Verteidigung der verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten China, Kuba, Nordkorea und Vietnam gegen imperialistische Angriffe und innere Konterrevolution.

Autonome stellen sich oft mutig den Nazi-Provokationen in den Weg. Aber ihr Ziel, Freiräume im Kapitalismus wie selbstverwaltete Häuser, die Rote Flora usw. zu schaffen, bekommen sie eventuell auch mit einer linkeren kapitalistischen Regierung. Mit der Arbeiterklasse wollen sie nichts zu tun haben. Manchmal haben sie sogar Erfolg, wenn sie sich den Nazis entgegenstellen, aber bei einer Konfrontation mit dem bürgerlichen Staat und der bewaffneten Polizei, die die Nazis schützt, verlieren die Autonomen in der Regel, weil sie keine soziale Macht haben.

Der Schlüssel für die effektive Bekämpfung faschistischer Provokationen sind disziplinierte, klassenkämpferische Massenmobilisierungen von Immigranten, Linken, Schwulen und Juden als potentielle Opfer der Nazis hinter der sozialen Macht der multiethnischen Arbeiterklasse, um die Nazis zu stoppen, unabhängig vom Staat. Gewerkschaftliche Ordnertrupps einer solchen Mobilisierung könnten der Keim von Arbeitermilizen sein, die dafür sorgen, dass Immigrantenviertel, Streikpostenketten und Demonstrationen wirksam vor faschistischen Banden und rassistischem Terror geschützt werden. Es ist nötig, durch internationalen Klassenkampf gegen die eigenen Bosse und ihre Regierungen, die Arbeiter gegen Volksfrontpolitik im eigenen historischen Interesse unabhängig von der Bourgeoisie zu mobilisieren, die Einheit mit ihren Klassenbrüdern hier und in der ganzen Welt herzustellen. Das ist der Weg vorwärts, um durch eine Revolution die Herrschaft der Kapitalisten zu beenden und so letztlich ihren Auswurf, die Nazis, zu beseitigen.

Für diese Perspektive ist die Wiederschmiedung einer Avantgardepartei nach dem Muster von Lenins Bolschewiki notwendig, die die verrottete sozialdemokratische Führung ersetzt und mit der Lüge vom Tod des Kommunismus aufräumt. Wir halten es mit Marx und dem Kommunistischen Manifest: Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Schließt Euch uns an!