Spartakist Nr. 175

Januar 2009

 

Mobilisiert die Macht der Arbeiterklasse gegen Polizeiterror!

Massenproteste erschüttern Griechenland

In Reaktion auf die Massenproteste in Griechenland gegen Polizeiterror und Staatsrepression veröffentlichte die Trotzkistische Gruppe Griechenlands (TGG) eine Erklärung am 9. Dezember 2008. Die nachfolgende, leicht redigierte Einleitung wurde zuerst von der Zeitung der Spartacist League/ Britain (SL/B), Workers Hammer, am 16. Dezember abgedruckt. Die TGG und SL/B sind wie die SpAD Sektionen der Internationalen Kommunistischen Liga.

Die Proteste sind über die Erschießung des Schülers Alexandros Grigoropoulos am 6. Dezember 2008 durch die Polizei in Athen ausgebrochen. Das Flugblatt wurde während des massiven eintägigen Generalstreiks am 10. Dezember verteilt. Dazu hatten vor dem Tod von Grigoropoulos die zentralen Gewerkschaften aufgerufen aus Protest gegen das arbeiterfeindliche harte Kürzungsprogramm der Regierung. Die griechische Regierung forderte die Gewerkschaftsführungen auf, den Streik abzublasen. Die Gewerkschaftsbürokraten jedoch fürchteten eine Gegenreaktion der Basis, falls sie den Streik absagten. Die Gewerkschaften demonstrierten vor dem Parlamentsgebäude, statt durch die Innenstadt zu marschieren. Die Gewerkschaftsdachverbände – der Gewerkschaftsdachverband der Arbeiter und Angestellten in der privaten Wirtschaft (GSEE) und die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (ADEDY) – werden beide von PASOK geführt. PASOK wird oft von der griechischen Linken zu einer reformistischen Arbeiterpartei stilisiert, ist aber eine durch und durch bürgerlich-populistische Formation.

Griechische Organisationen wie die SEK, verbunden mit marx21/Linksruck in Deutschland, und die Gruppe Xekinima (Neuanfang), Schwesterorganisation der SAV in Deutschland, laufen PASOK hinterher. Ihre zentrale Forderung lautet: „Nieder mit der Regierung von Mördern“! Wie das Flugblatt der TGG erklärt, zielen diese Reformisten darauf ab, das rechte Regime von Karamanlis’ Partei Neue Demokratie (ND) durch eine „linke“ bürgerliche Regierung zu ersetzen. Das bedeutet entweder die Rückkehr von PASOK oder eine neue Volksfront aus einer Kombination von PASOK und Syriza (Koalition der Radikalen Linken, die von Synaspismos aus dem alten „eurokommunistischen“ Flügel der KP dominiert wird) mit offen bürgerlichen Elementen. Solch eine Regierung würde einfach eine neue Hürde für die Arbeiterklasse aufbauen bei deren Kampf gegen die kapitalistischen Ausbeuter und gleichzeitig einen Nährboden darstellen für das Anwachsen der Faschisten wie der Golden Dawn, die gegen die Jugendproteste mobilmachen.

Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), die einen bedeutenden Teil der Arbeiterklasse führt, nimmt scheinbar eine Oppositionshaltung zu PASOK ein, wenn sie in ihrer Zeitung Rizospastis (11. Dezember) erklärt: „ND/PASOK, gleiche Geschichte – Kahlschlagpolitik, Arbeitslosigkeit, Terrorismus“, und sagt: „Keine Illusionen mehr“, und die Alternative aufzeigt: „Entweder mit dem Kapital oder mit den Arbeitern“. Jedoch steht die KKE ganz sicher nicht für die Klassenunabhängigkeit des Proletariats oder für prinzipielle Opposition gegen Koalitionen mit bürgerlichen Parteien. Im Gegenteil – durch ihre ganze Geschichte hindurch hat die KKE die verräterische stalinistische Politik des Volksfrontbetrugs an der Arbeiterklasse aufrechterhalten. Vor nicht allzu langer Zeit, in den späten 80er-Jahren, nahm die KKE an Volksfrontkoalitionen mit ND und PASOK teil, und sie wird keine Gewissensbisse dabei haben, dies wieder zu tun, wenn sich die Gelegenheit bietet.

Obszönerweise beteiligte sich die KKE an den Hexenjagden gegen die Anarchisten und initiierte eine Jagd auf die zahmen Sozialdemokraten von Syriza, indem sie fälschlicherweise behauptete, dass diese das Niederbrennen von Läden stillschweigend duldeten. Indem sie sich weigern, die Anarchisten gegen die Hexenjagd der rechten Regierung zu verteidigen, versuchen sowohl die KKE als auch Syriza, der Bourgeoisie zu beweisen, dass sie verlässliche Kandidaten für die Verteidigung der kapitalistischen Ordnung sind.

Die Proteste gegen die brutale Erschießung von Alexandros Grigoropoulos durch die Polizei überschnitten sich mit den Streiks und Protesten der Gewerkschaften gegen die Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise auf die Arbeiter. Griechenland hat gegenwärtig ein Leistungsbilanzdefizit von 53 Milliarden US-Dollar oder 15 Prozent seines Bruttosozialprodukt, das höchste in der Eurozone. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 19 Prozent, während die allgemeine Arbeitslosenrate bei sieben Prozent liegt. Es gibt massive allgemeine Wut über die Karamanlis-Regierung, die den Lebensstandard der Arbeiterklasse durch Privatisierungen, Steuererhöhungen und Renten„reformen“ angreift, und das in einem Land, wo schätzungsweise 20 Prozent der Bevölkerung in Armut lebt. Im Gegensatz zu den Versprechungen eines „Wechsels“ durch PASOK-Führer Papandreou würde sich eine PASOK-Regierung ebenso daranmachen, die Arbeiterklasse für die Krise des Kapitalismus zahlen zu lassen.

Erklärung der Trotzkistischen Gruppe Griechenlands

Athen, 9. Dezember: Am 6. Dezember wurde der 15-jährige Schüler Alexandros Grigoropoulos kaltblütig durch die Kugeln eines Polizisten im Athener Bezirk Exarchia getötet. Es kam zu spontanen Protestdemonstrationen in Athen und Thessaloniki, die sich rasch über ganz Griechenland ausbreiteten und bis jetzt anhalten. In dieser, wie die Presse schreibt, größten Krise Griechenlands seit dem Ende der blutigen Militärdiktatur 1974 sind die Protestierenden direkt mit der brutalen Realität des „demokratischen“ kapitalistischen Staates konfrontiert. Mindestens 150 Leute wurden vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen und 70 verhaftet. Und die Repression geht weiter. Wir verteidigen die protestierenden Anarchisten und andere Jugendliche gegen Staatsrepression! Wir fordern das sofortige Fallenlassen aller Anklagen gegen die Protestierenden! Für die sofortige Freilassung aller Verhafteten!

Die Trotzkistische Gruppe Griechenlands, sympathisierende Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten), solidarisiert sich mit der Wut über den Polizeiterror des kapitalistischen Staates, die in den Straßen zum Ausbruch gekommen ist. Die Wut über die Ermordung von Alexandros Grigoropoulos ist nur die Spitze des Eisbergs. Weit verbreitet ist der Hass auf die rechte Regierung der Partei Neue Demokratie (ND) unter Karamanlis, deren Herrschaft geprägt ist von Massenarbeitslosigkeit, Finanzskandalen, der riesigen und zunehmenden Kluft zwischen Arm und Reich sowie der brutalen Ausbeutung und Unterdrückung von Immigranten.

Die Proteste gegen den Polizeiterror brauchen einen organisierten Ausdruck, der die Wut der protestierenden Jugendlichen mit der sozialen Macht des Proletariats zusammenschweißt. Die Arbeiterklasse muss nicht nur mobilisiert werden, um die protestierenden Jugendlichen gegen die Gewalt der Polizei zu verteidigen, sondern auch als ein Teil des Kampfes gegen das kapitalistische System selbst.

Die reformistische Linke bietet verschiedene Rezepte an, um den kapitalistischen Staat und seine Unterdrückungsorgane weißzuwaschen. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) sagt in einer Erklärung vom 7. Dezember: „Die Verantwortung der Regierung der ND ist groß und liegt auf der Hand, sowohl generell und speziell für das politische Klima, das sie pflegt, und für die Ausbildung der Polizeikräfte.“ Der Vorsitzende von Syriza [„Koalition der Radikalen Linken“], Alavanos, stellte am 8. Dezember im Parlament dem Innenminister die Frage: „Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um sicherzustellen, dass die Polizei ein Verständnis von Toleranz, demokratischem Benehmen und Zusammenarbeit gegenüber den Bürgern haben wird?“ Wieder einmal verbreiten die KKE und Syriza die Illusion, dass der kapitalistische Staat reformiert werden könne und dass die kapitalistischen Herrscher die Sicherheitskräfte ausbilden und aufklären könnten oder gar dazu gezwungen werden könnten, die Kontrolle der Polizei den ausgebeuteten und unterdrückten Massen zu überlassen, also genau diejenigen, die zu unterdrücken die Bullen bezahlt werden.

Die Perspektive von KKE und Syriza ist es, die ND-Regierung durch eine neue Volksfront zu ersetzen. Völlig opportunistisch hoffen diese reformistischen Parteien, gemeinsam mit den bürgerlichen Parteien den kapitalistischen Staat zu verwalten, was notwendigerweise bedeuten wird, die Arbeiterklasse anzugreifen. Auch hinter den Aufrufen von Reformisten wie den Cliff-Anhängern der SEK und DEA, die Karamanlis-Regierung loszuwerden, steckt die Unterstützung für eine solche Volksfront.

Wie Lenin in Staat und Revolution (1917) schrieb: „Das stehende Heer und die Polizei sind die Hauptwerkzeuge der Gewaltausübung der Staatsmacht … der Staat [ist] ein Organ der Klassenherrschaft, ein Organ zur Unterdrückung der einen Klasse durch die andere, ist die Errichtung derjenigen ,Ordnung‘, die diese Unterdrückung sanktioniert und festigt, indem sie den Konflikt der Klassen dämpft.“ Die „Ordnung“, auf die sich Lenin hier bezieht, kann nicht durch das Werfen von Molotowcocktails verändert werden. Auch wenn die Anarchisten in den Augen einiger Jugendlicher „militant“ erscheinen, sind sie dagegen, genau das Instrument aufzubauen, das unabdingbar ist, um die kapitalistischen Ausbeuter und ihren Staat loszuwerden – eine leninistische Avantgardepartei.

Die Weltwirtschaftskrise hat den Bankrott des kapitalistischen Systems gezeigt, aber es gibt keine ausweglosen Situationen für die Bourgeoisie. Als die wirklichen Trotzkisten kämpfen wir darum, die Kräfte des multirassischen Proletariats zu mobilisieren, um nicht nur gegen das kapitalistische System zu protestieren, sondern um darum zu kämpfen, es zu beseitigen. Wir kämpfen darum, leninistische Avantgardeparteien als Teil einer revolutionären Internationale wiederzuschmieden, die notwendig ist, um die kapitalistischen Ausbeuter und ihre Staaten hinwegzufegen, Arbeiterstaaten aufzubauen und eine weltweite sozialistische Gesellschaft, die auf Gleichheit beruht, zu errichten. Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle! Nieder mit den Anklagen! Für eine revolutionäre Avantgardepartei in Griechenland als Sektion einer wiedergeschmiedeten Vierten Internationale!