Spartakist Nr. 175 |
Januar 2009 |
Über die trotzkistische Position zur Labour Party
Ursprünge und Entwicklung der Spartacist-Tendenz in Britannien
Der folgende Artikel wurde übersetzt aus Workers Hammer Nr. 204, Herbst 2008 Zeitung der Spartacist League/Britain (SL/B).
Bei der im August abgehaltenen Nationalen Konferenz der Spartacist League/Britain war eine besondere Sitzung einer Podiumsdiskussion zur Vorgeschichte der Sektion und unserer Taktik gegenüber der Labour Party gewidmet. Behandelt wurde ungefähr das Jahrzehnt von 1974, als Bergarbeiterstreiks die konservative Regierung von Edward Heath zu Fall brachten, bis zum großen Bergarbeiterstreik von 1984/85. An den Vorträgen und Diskussionen waren Genossen aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichem politischen Hintergrund beteiligt.
Der grobe Bezugsrahmen für die Podiumsdiskussion ist in dem Artikel Thirty years of the Spartacist League/Britain [Dreißig Jahre Spartacist League/Britain] (Workers Hammer Nr. 203, Sommer 2008) beschrieben. Dieser hielt fest, dass die Gründung der Spartacist League/Britain im Jahr 1978 einen wesentlichen Schritt in unserem Kampf für die Wiederschmiedung der Vierten Internationale darstellte. Zentral für unsere internationale Perspektive war der Kampf gegen den Pabloismus, die von Michel Pablo geführte revisionistische Strömung, die 195153 Trotzkis Vierte Internationale programmatisch zerstörte. Charakteristisch für den Pabloismus war, dass er die Notwendigkeit einer revolutionären Führung der Arbeiterklasse, also die Notwendigkeit trotzkistischer Parteien, leugnete und sich stattdessen an die existierenden sozialdemokratischen, stalinistischen und kleinbürgerlichen nationalistischen Führungen anpasste. Die pabloistischen Revisionisten wurden von der amerikanischen Socialist Workers Party (SWP) unter der Führung von James Cannon bekämpft, wenn auch verspätet und auf ihrem eigenen nationalen Terrain. Im Jahr 1953 spaltete sich Cannons SWP von Pablo ab, um dann zusammen mit anderen antipabloistischen Kräften weltweit im Kern die französische Organisation communiste internationaliste und die britischen Anhänger von Gerry Healy das Internationale Komitee (IK) zu bilden.
Im Zusammenhang mit der Kubanischen Revolution machte sich die SWP jedoch Pablos Revisionismus zu eigen und führte 1963 eine Wiedervereinigung mit Pablos Kräften durch, woraus das Vereinigte Sekretariat (VS) hervorging. Unsere Spartacist-Tendenz entstand als die Revolutionary Tendency (RT), die 1963 aus der SWP in den USA ausgeschlossen wurde und danach die Spartacist League/U.S. gründete. Eine zentrale Frage bei der Formierung der RT war ihre Opposition gegen das Fallenlassen des Kampfes für eine trotzkistische Partei in Kuba seitens der SWP, nachdem die kleinbürgerlichen Kräfte Castros den Kapitalismus in Kuba gestürzt hatten (siehe Ursprünge des Pabloismus, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 3, März 1975). Der Kampf gegen den Pabloismus war entscheidend für das Überleben des Trotzkismus, und die Gründungskader der RT solidarisierten sich daher anfänglich politisch mit dem IK. Wie bei der Podiumsdiskussion aber festgestellt wurde, war die [führende] britische Sektion des IK unter der Führung des politischen Banditen Gerry Healy weit davon entfernt, das pabloistische Liquidatorentum zu bekämpfen, sondern steckte selbst tief im reformistischen Morast der britischen Labour Party.
Zur Vorbereitung der Podiumsdiskussion verfasste Genosse Jon Branche einen Brief, in dem er darauf hinwies, dass das Dokument Erklärung für die Organisierung einer internationalen trotzkistischen Tendenz vom Juli 1974 den politischen Rahmen für die Ausweitung unserer Tendenz darlegte (veröffentlicht in Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 2, Herbst 1974). Darin heißt es: Die Spartacist League of Australia and New Zealand und die Spartacist League of the United States erklären sich zum Kern für die baldige Herausbildung einer internationalen trotzkistischen Tendenz, sowie: In einem halben Dutzend anderer Länder haben Parteien, Gruppen und Komitees ihre Sympathie oder Unterstützung (teils generell, teils in spezifischen Punkten) für die internationale Spartacist Tendenz zum Ausdruck gebracht, was auch für verstreute Anhänger oder Sympathisanten in einer Reihe anderer Länder zutrifft. Zu diesen Ländern gehörten Frankreich, Deutschland und Österreich sowie Kanada, Israel und Ceylon (Sri Lanka).
In seinem Brief betonte Branche, dass unser Verständnis der Widersprüche in der britischen Labour Party als einer bürgerlichen Arbeiterpartei durch wiederholtes Intervenieren gegen links-pabloistische Gruppen, insbesondere in Deutschland und Österreich, kodifiziert oder zumindest geschärft worden war. Herbert Adler, ein Sprecher auf dem Podium, unterstrich, dass eine Schlüsselfrage für unsere deutsche Sektion das Verständnis war, dass bürgerliche Arbeiterparteien einen Widerspruch verkörpern und dass es unsere strategische Perspektive ist, solche Parteien zu spalten. Adler zitierte hier aus einem Brief von W. Moore und James Robertson von der Spartacist League/U.S. im März 1972 an linke Pabloisten in Deutschland, die die Auffassung vertraten, die SPD sei eine bürgerliche Partei:
Soweit wir informiert sind, charakterisieren beide Fraktionen die SPD als bürgerlich-technokratische Partei (ähnlich der amerikanischen Demokratischen Partei). Wir betrachten dies nicht nur als falsch, sondern meinen, dass es ohne eine korrekte Position in dieser Frage keine lebensfähige Strategie für die proletarische Revolution in Deutschland geben kann. Nur das niedrige Niveau des Klassenkampfes im Nachkriegsdeutschland hemmt die offenkundige Erkenntnis, dass die SPD eine reformistische (d. h. sowohl bürgerliche als auch proletarische) Partei ist, die irgendwann zerstört werden muss. Wenn die Revolutionäre sie ignorieren, wird die SPD ihre historisch entwickelte Autorität bei den Arbeitern einsetzen, um den nächsten revolutionären Angriff zu spalten und niederzuschlagen. Die Zerstörung der SPD muss zum passenden Zeitpunkt durch Intervention angestrebt werden, um die innere Differenzierung zu verschärfen, mit dem Ziel, sie in ihre wesentlichen bürgerlichen und proletarischen Elemente aufzulösen, d. h. zu spalten, die letzteren organisiert in oder geführt von einer leninistischen Partei. (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 1, Frühling 1974)
Einer der Genossen, die an der Podiumsdiskussion teilnahmen, war Kurt Weiss, der zu einer Umgruppierung aus den Österreichischen Bolschewiki-Leninisten gehörte. Diese hatten 1974 eine Feststellung einer politischen Basis für gemeinsame Arbeit in Deutschland mit der Spartacist League/U.S. unterzeichnet. Diese Erklärung bekräftigte die Entscheidungen der ersten vier Weltkongresse der Kommunistischen Internationale und das Übergangsprogramm von 1938, das Gründungsdokument von Trotzkis Vierter Internationale, und befürwortete: Unbedingte Verteidigung der degenerierten oder deformierten Arbeiterstaaten gegen den kapitalistischen Imperialismus, verbunden mit der Anerkennung der Notwendigkeit politischer Revolution gegen die Bürokratien all dieser Staaten, von Moskau und Ost-Berlin bis Belgrad, Hanoi, Havanna und Peking (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 2, Herbst 1974).
Ein weiterer Podiumssprecher, Genosse James Robertson ein Gründungsmitglied der Revolutionary Tendency , sagte zu Beginn seiner Ausführungen: Der Zweite Weltkrieg führte zur internationalen Zersplitterung der trotzkistischen Bewegung, durch die Kombination eines sehr scharfen internationalen Kampfes zwischen Shachtman/Burnham und Trotzki/Cannon und der bald darauffolgenden Ermordung Trotzkis, des überragenden Hauptführers der internationalen Kommunisten. Mit der von uns unternommenen Arbeit versuchen wir, diese politische und organisatorische Zersplitterung rückgängig zu machen. Er betonte, welche enorme Bedeutung das Ausbrechen aus den USA für uns hatte, und sagte, es sei uns klar gewesen, dass die Zufriedenheit mit einer auf das nationale Terrain beschränkten Existenz bereits eine wesentliche programmatische Deformation dargestellt hätte, die uns zur Sterilität als kommunistische Bewegung verdammt hätte. Abstrakt betrachtet wäre uns niemals eingefallen, Neuseeland, Israel, Schweden und später Österreich, das letzte Regime der Habsburger, hätten zur zentralen Achse des Welttrotzkismus werden können. Doch wie Robertson bemerkte, tauchten genau in diesen Ländern Einzelpersonen auf, und von dort aus gelangten wir dann weiter zu Ländern, die wir für besonders entscheidend erachteten vor allem Frankreich, das dank der explosiven Folgen der Ereignisse von 1968 (und lange Zeit vorher) als unangefochtenes Weltzentrum des vorgeblichen Trotzkismus galt.
Robertson erzählte über einen Besuch in Brüssel 1970, wo wir bei einer VS-Konferenz intervenierten, dass uns Belgien die ersten Einsichten in die Folgen einer erzwungenen Einheit von zwei Nationen vermittelte, d. h. wenn zwei Nationen die Flamen und die Wallonen unter einer Staatsmacht zusammengezwungen werden. Das erwies sich später als sehr hilfreich, als wir es mit einer viel größeren Situation von zwei unter einer Staatsmacht zusammengezwungenen Nationen zu tun hatten das englischsprachige Kanada und Quebec. Er bemerkte, dass wir in London einen Stützpunkt einrichteten, um zu versuchen, in der britischen Gesellschaft Wurzeln und Einfluss zu finden. Das sollte Früchte tragen, als die London Spartacist Group mit einer Fraktion der Workers Socialist League zur Spartacist League/Britain fusionierte.
Marxisten gegen Labour-Politik
Das Konferenzdokument der SL/B stellte fest: Historisch und auch heute ist es beim Aufbau einer revolutionären Partei in Britannien die strategische Aufgabe, Arbeiter von Illusionen in parlamentarischen Reformismus à la Labour zu brechen. Die Podiumsdiskussion bestätigte, dass es der schiere politische Bankrott des reformistischen alten Labour-Programms war, der zum Aufstieg von Margaret Thatcher und von New Labour führte. Die schwierigen Bedingungen, unter denen britische Arbeiter heute kämpfen, gehören mit zum Erbe des besiegten Bergarbeiterstreiks von 1984/85. Danach begann Thatcher rachsüchtig, den gesamten Kohlenbergbau dichtzumachen, dessen Belegschaft jahrzehntelang das kämpferische Rückgrat des Proletariats in Britannien bildete. Das Ergebnis von verräterischen Niederlagen der Arbeiterklasse in ungestümen Klassenkämpfen, die das Land in den frühen 1970er-Jahren lahmlegten, ist eine ganze Palette an gewerkschaftsfeindlichen Gesetzen, die von Thatcher erlassen und von New Labour aufrechterhalten wurden.
Der Podiumsredner, der diese Periode detailliert ansprach, Genosse George Crawford, sagte, dass sich die Workers-Vanguard-Artikel dieser Zeit wie ein Lehrbuch darüber lesen, was eine bürgerliche Arbeiterpartei ist und wie eine kleine kommunistische Gruppe taktisch die Widersprüche ausnutzt und in verdammt viel Klassenkampf zu intervenieren versucht. Diese Periode begann tatsächlich schon 1964 mit der Wahl der Labour-Regierung von Harold Wilson. Nach dem Verlust seiner hegemonialen Macht befand sich der britische Imperialismus in schwerwiegendem ökonomischen Niedergang und war unfähig, mit seinen europäischen Widersachern mitzuhalten. Nur durch die erzwungene Lohnminderung bei den britischen Arbeitern konnten die kapitalistischen Herrscher ihre Konkurrenzfähigkeit verbessern. Die Wilson-Regierung musste Labours eigene Basis angreifen, und 1969 erstellte die Labour-Ministerin Barbara Castle das Dokument In Place of Strife [Anstatt Streit], in dem sie Lohnkontrollen, Streikabstimmungen und ein Verbot von Streikposten bei nicht direkt bestreikten Betrieben forderte. Dies wurde von den Gewerkschaften überwältigend abgelehnt, insbesondere von den sehr starken Vertrauensleutekomitees, und Wilson gab nach. 1970 wurden die Konservativen um Edward Heath gewählt und versuchten mit Heaths Industrial Relations Act [Gesetz über die industriellen Beziehungen] von 1971, die Gewerkschaften zu zerbrechen. Die Antwort war die größte Streikwelle des Landes seit dem Generalstreik von 1926. Bauarbeiter, Drucker und Ingenieure gingen in den Streik, ebenso die Bergarbeiter, Eisenbahner und Hafenarbeiter wie Crawford anmerkte, die drei Gewerkschaften, welche in einer von Kohle, Transport und Häfen abhängigen Inselwirtschaft eine immense Bedeutung und Macht hatten. Ein Jahrzehnt später sollten wir diese drei Gewerkschaften während des Bergarbeiterstreiks von 1984/85 dazu aufrufen, das Land lahmzulegen.
Auf die Festnahme von fünf Vertrauensleuten der Hafenarbeiter, die im Gefängnis von Pentonville inhaftiert wurden, folgte so Crawford eine riesige Aufwallung von Arbeiterprotesten. Durch das Ausmaß der Militanz und Radikalisierung in Furcht versetzt, rief der TUC [Gewerkschaftsdachverband] einen eintägigen Generalstreik aus. Als die Regierung die Pentonville Fünf schnell freiließ, sagte der TUC den Streik ab. Während die Labour Party versuchte, die Welle der Unruhen zu benutzen, um erneut die Regierung zu übernehmen, schrieben wir:
Die Labour Party wird erst dann zertrümmert werden, wenn ihre Doppelrolle durch ihre eigenen Handlungen an der Macht und unter der anhaltenden vernichtenden Kritik der revolutionären Marxisten entlarvt wird. Genau zu diesem Zweck fordern Revolutionäre die Labour Party auf, ihren vorgeblichen Kampf, die Arbeiterklasse an die Macht zu bringen, durchzuziehen. In diesem Sinn, und nur in diesem Sinn, kann kritische Unterstützung ,wie der Strick den Gehängten stützt eine andere Bedeutung haben als die zynische Verstärkung der Illusionen der arbeitenden Massen. Die Polarisierung der Labour Party, das Abspalten ihrer Basis in der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines revolutionären Klassenprogramms, wird den Weg dafür frei machen, dass die Arbeiter ihre eigenen Machtorgane aufbauen können eine revolutionäre Massenpartei und Arbeiterräte. (Workers Vanguard Nr. 12, Oktober 1972)
In einer Periode internationaler Radikalisierung und bei der Linksbewegung ihrer Basis nahm die Labour Party auf ihrer Konferenz 1973 ein radikal klingendes Programm an, in dem versprochen wurde, etwa zwei Dutzend der größten Unternehmen des Landes zu verstaatlichen; der rechte Labour-Führer Denis Healey gelobte gar, die Reichen zu besteuern.
Im Januar 1974 startete die Bergarbeitergewerkschaft ein Überstundenverbot. Als die Heath-Regierung eine landesweite Aussperrung verhängte eine erzwungene Drei-Tage-Arbeitswoche mit einem entsprechenden Lohnverlust , stimmten die Bergarbeiter für einen Vollstreik. Angesichts der tiefgehenden ökonomischen und politischen Krise des Landes und mit dem ausdrücklichen Ziel, den Bergarbeiterstreik zu zerschlagen, setzte Heath Neuwahlen für Februar 1974 an. Damals sagten wir:
Notwendig ist eine geschlossene Offensive der Arbeiterbewegung, um die Heath-Regierung zu besiegen und den ganzen Komplex ihrer jüngsten arbeiterfeindlichen Wirtschaftsmaßnahmen zu kippen. Das bedeutet einen Generalstreik, im Kern (jedoch keinesfalls darauf begrenzt) für ein Ende der verkürzten Arbeitswoche/Aussperrung, für die Zerschlagung der staatlichen Lohnkontrollen und die Erringung von wesentlichen Lohnverbesserungen mit einer vollständigen Anpassung an die Lebenshaltungskosten. (Workers Vanguard Nr. 38, 15. Februar 1974)
Es gab, wie Crawford aufzeigte, zu diesem Zeitpunkt keine alternative Führung in Britannien, und ein Generalstreik kann leicht in eine Aufstandssituation übergehen, in der die Arbeiterklasse schwere Verluste erleiden kann. Ein aufständischer Generalstreik unter einer Labour-Führung wäre ein Desaster für die Arbeiterklasse gewesen, daher machten wir unsere Taktik deutlich, zu einem begrenzten, defensiven Generalstreik aufzurufen, um die Tory-Regierung und ihre gewerkschaftsfeindlichen Gesetze loszuwerden. Wir forderten den TUC zur Vorbereitung eines durch die Vertrauensleute organisierten Generalstreiks für Forderungen wie die folgenden auf: für die Beendigung der Aussperrung und für sofortige Wahlen, um die Tory-Regierung davonzujagen. Im Gegensatz zu der Unzahl an Pseudotrotzkisten, die wie immer einfach die Tories durch eine Labour-Regierung ersetzen wollten, forderten wir eine Regierung von Labour Party und TUC, die einem sozialistischen Programm für die Enteignung der Bourgeoisie verpflichtet sein sollte. Die Gewerkschaften einzubeziehen und unserer Taktik eine außerparlamentarische Dimension zu geben war, wie Crawford anmerkte, in Britannien besonders entscheidend wo Illusionen in das Parlament weit verbreitet sind. Anders als beim Bergarbeiterstreik von 1984/85, wo die Führungen von TUC und Labour unverhohlen versuchten, den Streik zu sabotieren, gab es 1974 gewaltige Illusionen in den TUC.
Labour gewann die Wahlen vom Februar 1974 sehr knapp, und Wilson setzte eine Wiederholung der Wahlen für November an. Wieder riefen wir zu kritischer Unterstützung von Labour auf, während wir sagten: Nein zu Wilsons Sozialvertrag. Labour gewann erneut und 1976 trat James Callaghan die Nachfolge von Wilson als Premierminister an. Später schloss Callaghan eine Koalition mit den Liberalen, einer offen bürgerlichen Partei. Während der Liberalen-Labour-Koalition von Callaghan hoben wir hervor, dass wir es grundsätzlich ablehnen, für Arbeiterparteien in Volksfront-Bündnissen zu stimmen: Wir verfolgten eine Politik der bedingten Nichtunterstützung von Labour bei Wahlen, das heisst wir verweigerten Kandidaten die Stimme, solange und insofern sie nicht Labours Bündnismacherei zurückwiesen. Nach einer gewaltigen, als Winter der Unzufriedenheit bekannten Streikwelle wurde im Mai 1979 Margaret Thatchers konservative Regierung gewählt. 1979 sagten wir: Keine Stimme für Labour!, und erklärten, dass die verräterische Politik von Labour zur zutiefst gewerkschaftsfeindlichen Thatcher-Regierung geführt hatte.
Die Wiedergeburt des britischen Trotzkismus
Die Podiumsrednerin, die die Gründung der SL/B behandelte, Genossin Jo Woodward, war ein Mitglied der Trotzkistischen Fraktion in der Workers Socialist League (WSL) gewesen, die 1978 mit der London Spartacist Group fusionierte. Die WSL enstand 1974, als Gerry Healys Workers Revolutionary Party (WRP) 200 Mitglieder ausschloss, die von Alan Thornett geführt wurden, dem bekannten Industriegewerkschaftsführer der WRP. Im Mai 1975, kurz nach Gründung der WSL, wurde in Südvietnam der Kapitalismus gestürzt und so der jahrzehntelange Bürgerkrieg gegen die Imperialisten und Kolonialisten beendet. Zur Illustration des wirklich offenen politischen Klimas jener Zeit erzählte Woodward, wie in der Cowley-Autofabrik, wo Thornett arbeitete, die ganze Fabrik die Arbeit einstellte und applaudierte, als übers Radio der Fall von Saigon bekannt gegeben wurde. Wie sich jedoch herausstellte, passte sich die WSL gleichzeitig an das Milieu der Labour Party und der Gewerkschaften an, obwohl sie als orthodoxe Trotzkisten auftraten. In der Tat war Thornetts Spaltung rechts von Healys WRP, indem sie das formale Festhalten der WRP an der Notwendigkeit einer trotzkistischen Avantgarde ablehnte. Woodward betonte, dass unter Healys orthodox trotzkistischer Übertünchung eine langjährige politische Anpassung an die Labour-Linken steckte.
Als 1956 wegen der militärischen Unterdrückung der proletarischen politischen Revolution in Ungarn seitens der sowjetischen stalinistischen Bürokratie tausende Mitglieder aus der Kommunistischen Partei austraten, leistete Healy hervorragende Arbeit beim Aufsammeln sowohl der Intelligenz als auch der Industriekader der britischen Kommunistischen Partei. Nach dieser Umgruppierung rief Healy die Socialist Labour League (SLL) ins Leben, die Labour Review und marxistische Dokumente wie World Prospect for Socialism [Weltweite Aussichten des Sozialismus] (1961) herausgab. Aus der Entfernung und in Unkenntnis der Tatsache, dass Healy ein prinzipienloser politischer Bandit war, brachten die Gründungskader der Spartacist Tendenz auf der Basis von World Prospect for Socialism, einer imposanten Darstellung des marxistischen Anliegens, ursprünglich ihre politische Solidarität mit der SLL zum Ausdruck.
Auf einer Londoner Konferenz 1966 wurden unsere Genossen aber von Healys bürokratischen Praktiken abgestoßen. Diese nahmen bald politischen Ausdruck an, als Healys Organisation während der Kulturrevolution einem 1966 begonnenen gewaltsamen innerbürokratischen Machtkampf zwischen den chinesischen Stalinisten Maos Roten Garden huldigte. Später machte sich die WRP zum Verfechter einer klassenlosen Arabischen Revolution und wurde gleichzeitig von arabischen bürgerlichen Regimen finanziert; 1979 bejubelte sie ungeheuerlicherweise die Hinrichtung von 21 Mitgliedern der irakischen Kommunistischen Partei durch das Baath-Regime. Woodward bemerkte, dass die WRP nach dem Bergarbeiterstreik von 1984/85 auf spektakuläre Weise zusammenbrach, nachdem sie am Vorabend des Streiks eine antikommunistische Provokation gegen Arthur Scargill initiiert hatte. (Siehe Healyismus zerstoben, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 12, Winter 1986/87.)
Die Trotzkistische Fraktion
Entscheidend für das Gewinnen der Trotzkistischen Fraktion für den Spartakismus war so Woodward die Erkenntnis, dass Revolutionäre bei Wahlen Kandidaten gegen Labour aufstellen müssen. Thornetts WSL kritisierte die WRP von rechts, weil diese bei den Wahlen von 1974 Kandidaten gegen Labour aufgestellt hatte. Im Gegensatz dazu gab die Spartacist Tendenz WRP-Kandidaten kritische Unterstützung. Deren formales Programm ging über den Rahmen der Verwaltung des Kapitalismus hinaus, sie traten aber nicht für einen Generalstreik zur Verteidigung der Arbeiterklasse gegen Heaths Attacken ein. Woodward sagte, kritische Unterstützung sei wirklich nur eine halbe Taktik wir würden gerne immer in der Lage sein, unsere eigenen Kandidaten gegen Labour aufzustellen.
Die Übereinstimmung der Trotzkistischen Fraktion mit der Spartacist Tendenz wurde hauptsächlich in dem Dokument In defence of the revolutionary programme [Zur Verteidigung des revolutionären Programms] ausgedrückt (wiederveröffentlicht in Workers Hammer Nr. 203, Sommer 2008). Woodward stellte fest, dass beim Umgruppierungsprozess die Frage von Irland eine prominente Rolle spielte. Sie erwähnte dann drei Ereignisse, an die sie sich besonders klar erinnerte und die sie zur Politik der internationalen Spartacist Tendenz brachten. Das erste war, dass ein Mitglied der Trotzkistischen Fraktion dem nationalen Komitee der WSL einen Antrag mit dem Titel Die marxistische Haltung zur Polizei vorlegte, der so begann: Der Polizeiapparat ist die direkte repressive Agentur des kapitalistischen Staates. Der Antrag wurde abgelehnt. Noch heute stellt die Staatsfrage eine große Trennlinie zwischen uns und den Opponenten dar. Das zweite Ereignis war, als sie ein Mitglied des nationalen Komitees der WSL fragte: Du glaubst doch bestimmt nicht wirklich, dass eine ,linke Labour-Regierung eine Arbeiterregierung ist? Er sagte, doch, das ist unsere Position, und Woodward wusste, dass sie in der falschen Organisation war. Das dritte Ereignis war, dass die WSL-Zeitung Socialist Press an den bluttriefenden britischen Imperialismus appellierte, die schwarzen nationalistischen Kräfte zu bewaffnen, die gegen die Apartheid in Südafrika kämpften. Das zeigte, dass die WSL nicht dem Programm des Trotzkismus verpflichtet war, sondern der Labour Party.
Abschließend sagte Woodward, dass das Dokument der Trotzkistischen Fraktion In defence of the revolutionary programme von 1978 davor warnte, dass die Menschenrechts-Kampagne des US-Präsidenten Carter darauf ausgerichtet war, die Bevölkerung zur Unterstützung für die militärische Mobilmachung zu kriegen, die ständig gegen die Sowjetunion ablief. Die Welt ging damals mit dem zweiten Kalten Krieg schwanger, und bald sollte die Russische Frage drohen die Labour Party auseinanderzureißen.
Labours Kalter Krieg
In seinem Referat über unsere Taktiken gegenüber Labour während der frühen 1980er-Jahre setzte Genosse Len Michelson dieses Thema fort. Die Eiserne Lady Thatcher war entschlossen, gegen die Gewerkschaften Krieg zu führen. Sie war auch eine überzeugte Kalte Kriegerin in dem antisowjetischen Feldzug, den die Imperialisten begannen, als sowjetische Truppen 1979 nach Afghanistan gingen auf Ersuchen der DVPA-Regierung, die sich einem CIA-unterstützten Mudschaheddin-Aufstand gegenübersah. Die Arbeiterbasis der Labour Party befand sich in Aufruhr gegen die Politik der vorherigen Labour-Regierung unter James Callaghan und Denis Healey, und die Partei sollte bald mehrere Jahre tiefgreifender Instabilität durchmachen. Mit Beginn des Kalten Kriegs führte das zu einem Wiederaufleben der Labour-Linken unter Führung von Tony Benn und der Campaign for Nuclear Disarmament [Kampagne für nukleare Abrüstung] (CND), die Massendemonstrationen gegen Cruise- und Trident-Raketen und gegen die SS-20 der Sowjetunion organisierte. Bei diesen CND-Massendemonstrationen verkauften wir riesige Mengen an Zeitungen Michelson erinnerte sich an eine Demonstration im Jahr 1981, wo unsere Überschrift lautete: In Polen läuft die Zeit ab Stoppt die Konterrevolution von Solidarnos´c´! (Spartacist Britain Nr. 36, Oktober 1981). Wir verkauften mehr als 1000 Exemplare dieser Zeitung. Die sozialdemokratische Linke hasste uns, aber so Michelson die Arbeiterklasse wusste, dass irgendwas an Solidarnos´c´ komisch war, insbesondere weil Thatcher sie mochte.
Anfang 1981 stand Labour vor einer tiefen Spaltung, als sich ihr rechter Flügel davonzumachen begann. Roy Jenkins der zum politischen Mentor von Tony Blair werden sollte und treffend als der Pate von New Labour bezeichnet werden kann war eine bekannte Figur unter den Spaltern, die die Sozialdemokratische Partei gründeten. Der von Denis Healey geführte Pro-NATO/CIA-Flügel der Partei drohte mit Spaltung, falls Tony Benn, Führer der Labour-Linken, die Kontrolle über die Partei übernehmen sollte. Unsere Überschrift Labour-Spaltung: NATO-,Internationalisten, Little-England-,Sozialisten war, so Michelson, ziemlich vorausschauend. Jedoch zogen wir aus dieser Analyse zuerst keine taktischen Schlussfolgerungen, und als Benn im April 1981 gegen Denis Healey um den stellvertretenden Vorsitz von Labour antrat, lautete unsere Überschrift: Benn, Healey: Keine Wahl! (Spartacist Britain Nr. 34, Juli 1981).
Benn war der Liebling der Pseudotrotzkisten, von denen viele anfingen, sich in die Labour Party zu liquidieren. Michelson erinnerte sich, dass sich Workers Power nicht organisatorisch in die Labour Party auflöste, aber die Linie vertrat, dass man trotzdem immer Labour wählen müsse. Während der Benn-Healey-Auseinandersetzung verlangte Workers Power vom rechten CIA-Flügel einen Treueschwur zu Labour! Im Oktober 1981 veröffentlichten wir ein Vier-Punkte-Programm, worin wir unsere grundsätzliche Opposition zum Benn-Lager mehr als deutlich machten. Einer der Punkte war: Dem Schwindel der ,einseitigen nuklearen Abrüstung stellen wir die Forderung ,Nieder mit der NATO! Verteidigt die Sowjetunion! entgegen. Im Zusammenhang mit den Hungerstreiks republikanischer Häftlinge in Nordirland sagten wir: Gegen Benns historische Unterstützung des PTA [Prevention of Terrorism Act Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus], gegen seine Weigerung, die republikanischen Opfer imperialistischer Unterdrückung in Nordirland zu verteidigen, und gegen seinen proimperialistischen Ruf nach UN-Truppen erklären wir: Keine ,demokratischen imperialistischen Machenschaften Truppen raus aus Nordirland, sofort! Freiheit für die republikanischen Gefangenen! Nieder mit dem PTA! Wir stellten uns gegen Benns Unterstützung von rassistischen Einwanderungs- und Einfuhrkontrollen und wir forderten Fünfjahrespläne auf Grundlage einer Neuorganisierung der Wirtschaft durch Enteignung der Industriellen und Bankiers als Teil einer internationalen sozialistischen Arbeitsteilung aufgrund eines weltweiten Kampfes für proletarische Herrschaft (Spartacist Britain Nr. 36, Oktober 1981).
Obwohl unsere notwendige programmatische Opposition zu Benn deutlich war, erkannten wir später an, dass es 1981 taktisch falsch gewesen war, zu sagen, es gebe keine Wahl zwischen den NATO/CIA-begeisterten Internationalisten und den Little-England-Sozialisten. Wir hätten Benn kritische Unterstützung geben sollen, um den NATO/CIA-Flügel davonzujagen. In der Folgezeit verbanden wir diese Losung mit: Labour kann auch ohne CIA-Connection verraten! Wir strebten an, die Kalte-Kriegs-Spaltung zu vertiefen und Benn und die Linken in Zugzwang zu bringen, um sie zu zwingen, ihr wahres Gesicht als treue Unterstützer der kapitalistischen Herrschaft in Britannien zu zeigen. Das Überdenken unserer Taktik führte zu einem ausgezeichneten propagandistischen Artikel, Labours Cold War [Labours Kalter Krieg] (Spartacist Britain Nr. 41, April 1982). Als Ergebnis des Kalten Kriegs, so argumentierten wir, ziehe sich allmählich eine verzerrte und ungleichmäßige Klassenlinie durch die Labour Party hindurch; sollten die Little-England-Gefolgsleute von Benn die Oberhand gewinnen, würde die Labour Party in den Augen der Imperialisten nicht zuletzt der USA angesichts des Klimas des antisowjetischen Kriegskurses abweichlerisch erscheinen.
Obwohl Benn das Wettrennen um den stellvertretenden Vorsitz knapp verlor, blieb die Partei höchst instabil. Zur Zeit der allgemeinen Wahlen von 1983 wurde Labour durch Michael Foot von der alten CND-Linken geführt. Dennoch war Denis Healey, der Ex-Schatzkanzler mit jahrzehntelang zurückreichenden CIA-Verbindungen, die graue Eminenz hinter den Kulissen. Wir sagten: Labour: Keine Antwort auf Tory-Amoklauf! Zwar verweigerten wir Labour kritische Unterstützung, aber wir sagten: Sollte es Labour-Party-Kandidaten geben, die irgendeine wirksame Opposition gegen Labours Kürzungsprogramm des Kalten Kriegs zum Ausdruck bringen möchten, würden wir es aktiv in Erwägung ziehen, ihnen kritische Unterstützung zu geben (Spartacist Britain Nr. 50, Juni 1983). Wir diskutierten darüber, einen Brief an jeden Labour-Kandidaten zu schicken, um kritische Unterstützung anzubieten, falls der Kandidat sie von uns annehmen würde und begreifen würde, wofür wir stehen. Das war als Probe des Kalten-Kriegs-Schismas gedacht die bloße Vorstellung, Unterstützung von einer Organisation anzunehmen, die die Sowjetunion verteidigte, hätte den rechten Flügel in den Wahnsinn getrieben und getestet, ob die Labour-Linken sich der Einheit mit den Rechten unterwerfen würden.
Bei den Wahlen von 1983, die Labour so himmelhoch verlor, dass selbst Benn seinen Sitz nicht behielt, wandten wir diese Taktik nicht an. Jedoch benutzten wir sie Anfang 1984, als Benn bei einer Nachwahl in Chesterfield antrat. Wir schrieben an Benn und machten deutlich, wofür wir standen einschließlich Verteidigung der Sowjetunion, Truppen raus aus Nordirland , sowie unsere Forderung, den NATO/CIA-Flügel aus der Labour Party zu treiben. Unsere einzige Bedingung war, dass Benn unsere Unterstützung akzeptieren sollte. Er antwortete uns mündlich und sein Sekretär schrieb uns innerhalb von sieben Tagen einen Brief, in dem es hieß: Er ist nicht bereit, Unterstützung von Organisationen anzunehmen, die die Labour Party nicht unterstützen. Die Tatsache, dass Benn unsere Unterstützung zugunsten der Einheit mit Healey zurückwies, bewaffnete uns sehr wirksam während des Bergarbeiterstreiks, denn, wie Michelson sagte, gleich nach Arthur Scargill war Tony Benn für die Bergarbeiter ein Gott.
Der Bergarbeiterstreik von 1984/85
Die abschließende Podiumsrednerin, Jill Morris, erinnerte daran, dass unser Verständnis von der Spaltung der Labour Party bezüglich des Kalten Kriegs unsere Intervention in den heroischen Bergarbeiterstreik vorbereitete. Diese Trennungslinie von Labour spiegelte sich in der Gewerkschaftsbürokratie wider, was sich in der Hexenjagd gegen Arthur Scargill bei der TUC-Konferenz 1983 zeigte. Diese Hexenjagd war von der WRP wegen Scargills korrekter Bemerkung, Solidarnos´c´ sei antisozialistisch, angezettelt worden. Der rechte Flügel der Bürokraten verdammte Scargill, während die Linken stillhielten und so an Thatcher das Signal sandten, dass die Bergarbeitergewerkschaft isoliert war.
Von Anfang an sagten wir, dass der Streik erst dann gewonnen werden könne, wenn er auf andere entscheidende Teile der Klasse ausgeweitet würde. Die Hafenarbeiter traten während des Bergarbeiterstreiks zweimal in Streik, und in dieser Zeit forderten wir eine kämpfende Dreierallianz aus Eisenbahnern, Bergarbeitern und Hafenarbeitern, die das Land lahmlegen sollte. Morris zitierte einen Abschnitt aus Workers Hammer Nr. 145, April/Mai 1995, worin es heißt: Während [Labour-Führer Neil] Kinnock obszönerweise Thatcher nachplapperte, die die Bergarbeiter wegen ,Gewalt an den Streikpostenketten anprangerte, begingen die Gewerkschaftsirreführer entweder offenen Streikbruch oder weigerten sich, ihre Mitglieder zusammen mit der NUM zum Streik aufzurufen. Der Grund dafür war im Wesentlichen politisch. Die Kohleindustrie war ein grundlegender Teil der britischen Wirtschaft. Hätten Stahlarbeiter, Eisenbahner, Hafenarbeiter und Kraftwerksarbeiter sich geweigert, Kohle zu bearbeiten, wäre das Land rasch zum Stillstand gekommen. Das hätte die Wirkung eines Generalstreiks gehabt und die Frage aufgeworfen: Wenn das Land nun stillgelegt ist, wer wird es wieder zum Laufen bringen die Arbeiterklasse oder die Kapitalistenklasse? Kurz gesagt, welche Klasse würde herrschen?
Unser strategisches Ziel, die Basis der Labour Party von der Spitze zu spalten, erfordert, wie Morris bemerkte, eine Unterstützerbasis in den Gewerkschaften. Sie sagte, dass wir, obwohl unsere Wurzeln in den Gewerkschaften äußerst dürftig waren, das taten, was wir konnten. Wir hatten zum Beispiel einen Unterstützer, Patrick Sliney, in einem Werk von British Leyland [Fahrzeughersteller] in Birmingham, der dafür kämpfte, Streikbrecherkohle zu boykottieren, weswegen er gefeuert wurde. Morris hatte unsere auf eine Spaltung der Labour Party zielende Propaganda aus der Zeit des Bergarbeiterstreiks untersucht und zitierte einen Artikel aus unserer Presse von 1984, der die Sache recht gut ausdrückte:
Die Labour Party wird auch durch die zutiefst gegensätzlichen Kräfte der Gesellschaft gespalten, sie reißen die Labour Party auseinander. Wir hegen nicht allzu sehr den Wunsch, dass die Labour Party durch konterrevolutionäre Machenschaften zerrissen wird. Aber wir müssen feststellen, dass es diese Einheit und jene Einheit gibt. Es gibt die Einheit hinter den Kapitalisten und ihren Labour-Lakaien, und die Einheit im Kampf hinter den Bergarbeitern. Man hat die Wahl. Und der linke Flügel der Labour Party serviert weiterhin die Sorte Einheit mit den CIA-Liebhabern und Leuten vom Schlage Neil Kinnocks, die verleumderische Gewaltvorwürfe verbreiten
Wir wollen also eine Spaltung in der Labour Party. Aber auf folgende Weise: Nicht einfach durch Zerstörung der Labour Party, unser Ziel ist es nicht, die Labour Party einfach zugrunde zu richten. Wir wollen sie ersetzen, durch eine revolutionäre Partei, die nicht versucht den Kapitalismus zu verwalten, die nicht in die Regierung des kapitalistischen Staates geht, wo sie dann alles tut, was die Tories tun. (Workers Hammer Nr. 64, Dezember 1984)
Während des ganzen Streiks verurteilten wir Scargill und die Labour-Linken beharrlich, weil sie die Einheit mit den Streikbrechern wie Neil Kinnock aufrechterhielten. In einer Ausgabe unserer Zeitung kurz nach Ende des Streiks 1985 verwandelten wir jedoch diese Verurteilung Scargills wegen Einheit mit Kinnock in eine Kritik an Scargill, dass er nicht gespalten hatte, um eine neue Partei links von Labour zu gründen. In Workers Hammer Nr. 68, April 1985, schrieben wir: Wenn die Linken von den Streikbrechern gespalten hätten, dann hätten wir heute in diesem Land womöglich 100 000, 200 000 der besten Klassenkämpfer in einer Partei organisiert. Sie wäre keine revolutionäre Partei auf Grundlage unseres Programms. Aber sie wäre eine Partei ohne Organisatoren des offenen Streikbruchs, sie wäre eine Partei ohne Streikbrecher. Sie wäre eine Partei, die es nicht begrüßt, dass Lord Chapple und Lord Murray die Hermelinrobe überziehen, sie wäre eine Partei ohne Urabstimmungsfetischisten und Hetzer, die Gewaltvorwürfe verbreiten. Im SL/B-Konferenzdokument wird bemerkt, dass wir diese Kritik an Scargill nochmals 2006 in einer öffentlichen Veranstaltung erhoben. Es ist jedoch nicht unser Programm, Scargill zur Gründung einer Partei aufzufordern, die notwendigerweise auf seinem alten Labour-Reformismus basieren würde d. h. auf Klassenzusammenarbeit und Verrat. Darüber hinaus widerspricht es dem, was wir in unserer Propaganda und unseren Interventionen während des ganzen Streiks vertraten.
Einer der wichtigsten Aspekte unserer Propaganda, so Morris, war es, dass wir durchgängig aufzeigten, wie der Streik der militanteste Klassenkampf seit dem Generalstreik von 1926 die Grenzen von Scargills reformistischer Perspektive à la Labour recht deutlich werden ließ. Wir zitierten Scargills Worte auf einer Kundgebung in Nottingham: Wir werden das Ruder herumreißen und Arbeitslosigkeit in Beschäftigung verwandeln. Wir werden wirtschaftlichen Ruin in wirtschaftliche Erholung verwandeln. Vor allem werden wir den Weg für allgemeine Wahlen ebnen, um eine Labour-Regierung zu wählen (Spartacist Britain Nr. 58, Juni 1984). Morris verwies auf einen Artikel, der unsere Position folgendermaßen zusammenfasste: Es geht nicht darum, den einen oder anderen Fehler zu kritisieren, den Scargill machte, sondern damit klarzukommen, dass er derselben Labour-Perspektive verbunden blieb wie [TUC- und Labour-Führer] Willis und Kinnock und ihresgleichen dass nämlich die Antwort für die Arbeiterklasse letztlich darin bestünde, eine Labour-Regierung einzurichten, um Britanniens (heruntergekommene) Industrie durch ausgeklügelte reformistische Pläne zu verteidigen. Der Artikel stellte außerdem fest:
Die NUM-Führung unter Arthur Scargill brachte diesen Streik in etwa so weit, wie er innerhalb einer Perspektive von militantem Gewerkschaftsreformismus gehen konnte, und verlor ihn trotzdem. Warum? Weil Militanz allein nicht genug ist. Vom ersten Tag an war es klar, dass die NUM der ganzen Macht des kapitalistischen Staates gegenüberstand. Notwendig war eine in den Gewerkschaften verwurzelte Partei von revolutionären Aktivisten, die bis zum Letzten kämpft, um andere Gewerkschaften für Streikaktionen zusammen mit der NUM zu mobilisieren. Jedoch war alles, was Arthur Scargill hatte, die Labour Party, und die wollte lieber die NUM tot sehen, als einen Kampf zu organisieren, der es mit dem Staat der Bosse aufnimmt. (Workers Hammer Nr. 67, März 1985)