Spartakist Nr. 179

September 2009

 

Imperialisten: Hände weg vom Iran!

Iran: Nieder mit dem klerikalen Regime! Keine Unterstützung für „Reform“-Mullahs!

Für eine leninistisch-trotzkistische Partei im Iran zum Kampf für Arbeiterrevolution!

Nur wenige Monate nach der Feier des 30. Jahrestages ihrer blutigen Gewaltherrschaft ist die Islamische Republik des Iran von den größten Protesten seit der „Iranischen Revolution“ von 1978/79 erschüttert worden. Die Massendemonstrationen wurden von der weit verbreiteten Überzeugung ausgelöst, der amtierende Präsident Mahmud Ahmadinedschad habe mit Unterstützung des Obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei bei den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni den Oppositionskandidaten Mir Hussein Mussawi um den Sieg betrogen. Nach einer Woche, in der Hunderttausende in Teheran und anderen Städten unter Sprechchören wie „Tod dem Diktator“ und „Allah Akbar“ („Gott ist groß“) auf die Straße gegangen waren, schlug das Regime zurück. Viele Demonstranten wurden Berichten zufolge von den verhassten, mit der Eliteorganisation der Revolutionsgarden verbundenen, paramilitärischen Basidschi-Milizen und von der Polizei erschossen, während Hunderte in dem berüchtigten Evin-Gefängnis eingesperrt wurden. Die Internationale Kommunistische Liga, deren deutsche Sektion die Spartakist-Arbeiterpartei ist, ruft die internationale Arbeiterbewegung dazu auf, die Forderung zu erheben: Freiheit für alle Antiregierungsdemonstranten!

Der Betrug im Zusammenhang mit Ahmadinedschads Wiederwahl wurde zum Brennpunkt für die in der gesamten iranischen Gesellschaft verbreitete Unzufriedenheit: von den Frauen, die zum Tragen des Hijab (Schleier) gezwungen werden, und Jugendlichen, die bestraft werden für Gesten der Zuneigung in der Öffentlichkeit, bis hin zu weitverbreiteter Armut und steigender Arbeitslosigkeit. Hunderttausende sind auf die Straße gegangen, um Neuwahlen zu fordern. Gewiss weist eine Menge auf Wahlbetrug hin. Doch ob manipuliert oder nicht, die Wahlen selbst waren ein Betrug, gesteuert von den Mullahs, die alle Kandidaten im Voraus genehmigten.

Zum Teil beruht die Unterstützung für Mussawi auf seinem Eintreten für vage „Reformen“ bei Frauenrechten und anderen sozialen Belangen. Doch Mussawi, einer der Gründer der Islamischen Republik, ist kein geringerer Schlächter als seine Widersacher im gegenwärtigen Regime. Als Mussawi von 1981 bis 1989 als Premierminister regierte, wurden viele Tausende von Linken, Kurden und Frauenrechtlerinnen in Irans Gefängnissen abgeschlachtet und in Massengräbern verscharrt. Weitere Hunderttausende kamen bei dem blutigen Krieg mit dem Irak in den 1980er-Jahren zu Tode. Im Jahre 1999 wurden von der „Reform“regierung des damaligen Präsidenten Mohammad Chatami, eines gegenwärtigen Verbündeten Mussawis, militante Studentenproteste im Blut ertränkt.

Die auf den Straßen iranischer Städte demonstrierenden Kräfte sind zwar heterogen, aber in einem Streit, der im Grunde zwischen rivalisierenden Fraktionen innerhalb der herrschenden klerikalen Elite ausgetragen wird, sind sie der einen Seite politisch untergeordnet. Ein Hauptverbündeter Mussawis ist der notorisch korrupte ehemalige Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani; bekannt als „Pistazienkönig“ ist er vielleicht der reichste Mann des Iran. Mussawi und Rafsandschani haben sich dafür ausgesprochen, die Wirtschaft durch Privatisierungen und ausländische Investitionen weiter zu „öffnen“. Sie haben auch versucht, die von Ahmadinedschad ausgehende „antiimperialistische“ Demagogie abzumildern. Im Ausland werden die Proteste von einem Spektrum iranischer politischer Kräfte bejubelt, das von Monarchisten über bürgerliche Demokraten bis zu Überbleibseln der Linken reicht. Die Arbeiter und Unterdrückten des Iran haben kein Interesse daran, eine der beiden Cliquen zu unterstützen, die sich darüber in den Haaren liegen, wie die blutige Herrschaft der Mullahs am besten auszuüben sei.

Die US- und die britischen Imperialisten haben versucht, sich in die politischen Wirren einzuschalten und ihre Radiopräsenz im Iran verstärkt. Obama erklärte, er sei „entsetzt und empört“ über die brutalen Übergriffe im Iran. Indessen suchen an Irans westlicher und östlicher Grenze immer noch fast 200 000 US-Soldaten den Irak und Afghanistan heim, und innerhalb des Iran führen US-Spezialeinheiten Geheimoperationen durch. Nach 30 Jahren Gewaltherrschaft der Mullahs gibt es im Iran zweifellos viele, die Illusionen in die westliche bürgerliche Demokratie hegen oder die „demokratischen“ Imperialisten als potenzielle Verbündete ansehen. Derartige Illusionen sind womöglich noch begünstigt worden durch den anfänglich versöhnlicheren Ton (im Vergleich zur kriegslüsternen Bush-Gang), den Obama nach seinem Amtsantritt gegenüber Teheran anschlug.

Egal ob unter der Führung der Demokraten oder der Republikaner: Der US-Imperialismus ist der tödlichste Feind der arbeitenden Menschen auf der ganzen Welt. Es war die CIA, die in Zusammenarbeit mit den Briten den Putsch von 1953 ins Werk setzte und damit den damaligen Premierminister Mossadegh stürzte, um dessen Verstaatlichung der Anglo-Iranian Oil Company rückgängig zu machen. Die Imperialisten brachten dann den Schah wieder an die Macht und unterstützten die tyrannische, blutige Pahlavi-Dynastie bis zu ihrem Sturz 1979. Nieder mit der imperialistischen Besetzung von Afghanistan und Irak! USA, Bundeswehr, NATO raus aus Pakistan und Zentralasien! Imperialisten: Hände weg vom Iran!

Die US-Imperialisten und ihre atomar bewaffneten israelischen Verbündeten haben wiederholt Militäraktionen gegen das Atomprogramm des Iran angedroht. Angesichts solcher Drohungen sagen wir, dass der Iran zur Abschreckung gegen einen solchen Angriff Atomwaffen braucht. Gerade, dass dem Nachbarn Irak „Massenvernichtungswaffen“ einschließlich Atomwaffen fehlten, ermutigte die USA dazu, dort einzumarschieren und das Land zu besetzen, was zu dem entsetzlichen Gemetzel und der Besetzung der letzten sechs Jahre führte. Wir rufen zur militärischen Verteidigung neokolonialer Länder wie Irak und Iran gegen imperialistische Angriffe auf, geben aber ihren Herrschern, die über ihren „eigenen“ unterdrückten Massen die Peitsche schwingen, kein Jota an politischer Unterstützung. Wir sagen: Nieder mit allen Scheichs, Obristen, Mullahs und zionistischen Schlächtern! Für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens!

Reformistische Linke beugte sich den Mullahs

Alle Seiten in dem Aufruhr, der heute das Land erschüttert, nehmen den Sturz von Irans verhasstem Autokraten Schah Mohammed Reza Pahlavi im Jahr 1979 zum Vorbild für ihr politisches Handeln. Machtvolle Arbeiterstreiks auf den Ölfeldern und im ganzen Land waren damals Teil des heftigen Widerstands gegen die Monarchie; der Iran hätte Vorreiter einer proletarischen Revolution im Nahen Osten sein können. Doch die Massenmobilisierungen wurden in einen reaktionären Kreuzzug für eine „Islamische Republik“ umgelenkt, wobei buchstäblich die gesamte Linke im Iran und international der von Mullahs dominierten Opposition unter der Führung von Ajatollah Chomeini zujubelte. Als einzige linke Organisation riefen wir das Proletariat auf, unabhängig von der islamischen Hierarchie und gegen sie zu kämpfen, um den Pfauenthron hinwegzufegen und eine Arbeiter- und Bauernregierung zu errichten.

Die Errichtung einer schiitischen Theokratie nach dem Sturz des Schahs führte zu brutaler Unterdrückung von Kurden und anderen Minderheiten, zu Hinrichtungen von Streikenden, Homosexuellen, Ehebrechern und anderen, die wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt wurden, zur Steinigung von unverschleierten Frauen, zum Niedermetzeln von Linken und zur Unterdrückung aller oppositionellen Parteien und Zeitungen. In unserer internationalen Grundsatzerklärung (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 20, Sommer 1998) schrieben wir:

„Die ,Iranische Revolution‘ von 1979 eröffnete eine Periode des Aufstiegs des politischen Islam im historisch muslimischen Teil der Welt, eine Entwicklung, die zur konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion beitrug und durch diese wiederum kräftig verstärkt wurde. Chomeinis Machtergreifung und Konsolidierung im Iran war eine ähnliche Niederlage wie Hitlers Zerschlagung des deutschen Proletariats 1933, wenn auch im engeren, regionalen Maßstab. Die Losung der internationalen Spartacist Tendenz ,Nieder mit dem Schah! Keine Unterstützung für die Mullahs!‘ und unsere Betonung der Frauenfrage (,Nein zum Schleier!‘) standen in scharfem Gegensatz zur Kapitulation der übrigen Linken vor der von den Mullahs geführten Reaktion.“

Die meisten der reformistischen Linken wiederholen heute die Verratspolitik von vor 30 Jahren, indem sie sich dem einen oder anderen Flügel des herrschenden Klerus im Iran anschließen. Die Überbleibsel von Tudeh, der moskautreuen Kommunistischen Partei, die Chomeini unterstützt hatte und dann von ihm zerschlagen worden war, riefen zur Stimmabgabe für „reformorientierte Kandidaten“ einschließlich Mussawis auf, dessen Hände mit dem Blut ihrer eigenen Genossen befleckt sind (Tudeh News, Juni 2009). Indessen appellierten die Pseudotrotzkisten der Iranischen Revolutionär-Marxistischen Tendenz (IRMT), die der von Alan Woods geführten Internationalen Marxistischen Tendenz (IMT) angeschlossen ist, in einem offenen Brief vom 16. Juni dümmlich an Mussawi: „Entweder stehen Sie auf der Seite des Volkes, das Sie gewählt hat, oder Sie stehen auf der Seite des Vali Faghih [Oberster Führer] (und des Unterdrückungsapparates des Staates). Dem Volk zu Diensten zu sein würde bedeuten, dass Sie Ihre Verbindungen zum Staatsapparat vollständig lösen.“ Die IRMT beschreibt sich selbst als Nachfahre der Iranischen Sozialistischen Arbeiterpartei (HKS), die ebenfalls Chomeinis Aufstieg zur Macht unterstützt hatte.

Die reformistische Linke in Deutschland ist über die Proteste im Iran gespalten: Die einen gesellen sich auf die Seite des westlichen Imperialismus und fordern wie dieser „Solidarität mit der Oppositionsbewegung“, während andere Ahmadinedschads blutiges Regime groteskerweise als „antiimperialistisch“ beschönigen. Für erstere steht exemplarisch ein Aufruf der „Autonomen Antifa“ zu einem „Bundesweiten Antifa-Aktionstag Iran“ am 12. August (www.autonome-antifa.com). Der Aufruf verwendet viele Floskeln über eine „emanzipatorische Bewegung“ und eine „linksradikale Perspektive“. Aber was sie anstreben, ist eine breite sozialchauvinistische Mobilisierung gegen den Iran, die sogar die rassistischen, offen pro-imperialistischen „Antideutschen“ einschließen soll, um die Entwaffnung des Iran angesichts imperialistischer Bedrohung zu fordern: „Um die iranische Opposition zu unterstützen, muss mensch keineswegs ,AntideutscheR‘ sein oder sich auf eine Version linker Gesellschaftskritik festlegen. Denn schon aus einer antimilitaristischen Sicht drängt sich diese Unterstützung auf. Mit jeder Schwächung des Regimes, das den Iran zur Nuklearmacht machen will, wird eine militärische Konfrontation im Nahen Osten unwahrscheinlicher.“ Ungeachtet einer Menge hohler moralischer Anklagen gegen deutsche Konzerne wie Siemens und Mercedes gründen sich der Aufruf und der „Aktionstag“ auf Appelle an den deutschen Imperialismus, härter gegen Iran vorzugehen: „Kreativer Protest gegen regimefreundliche Exporte der Bundesrepublik“ soll die Kosten des Handels mit dem Iran hochtreiben, „das Image beschädigen“ und als „eine unmißverständliche Absage an den ,pragmatischen Kurs‘ der Großen Koalition aus SPD und CDU“ dienen.

Auf der anderen Seite dieser Polarisation stellen sich die abgehalfterten Stalinisten um die Linkspartei-nahe Tageszeitung junge Welt (jW) mit dem Pro-Ahmadinedschad-Flügel des Klerus gegen die Proteste. Am 26. Juni druckte junge Welt ein „Exposé“, um die Wahlen der Islamischen Republik „demokratisch“ schönzufärben, und sie rechtfertigen mehr oder weniger unverhüllt den Terror der Basidsch-Miliz und der Revolutionsgarde. So schreibt der langjährige jW-Autor Werner Pirker in seiner Kolumne vom 20. Juni: „Was sich im Iran abzeichnet, ist die konterrevolutionäre Revanche an der Islamischen Revolution als Emanzipationsprozeß der Volksklassen.“ Hunderttausende Ermordete nationaler Minderheiten, Linke und Gewerkschafter, brutal verschärfte Frauenunterdrückung – das ist laut junge Welt ein „Emanzipationsprozeß“! Hinter dieser widerwärtigen Linie steckt die „alternative Strategie“ von junge Welt und Co. für den deutschen Imperialismus: Gemeinsam mit Lafontaine und einem Teil der deutschen Bourgeoisie möchten sie, dass Deutschland einen kapitalistischen Gegenpol zur Dominanz des US-Imperialismus bildet, vor allem durch engere Verbindungen mit dem kapitalistischen Russland und seinen Satelliten. Mit der „Autonomen Antifa“ und anderen Unterstützern der „Reform“-Mullahs, die die Opposition führen, haben junge Welt und Co. gemeinsam, dass sie die Arbeiterklasse ablehnen und stattdessen einem „fortschrittlichen“ Flügel der nationalen Bourgeoisie und deren imperialistischer Oberherren nachlaufen.

Entscheidend für die Zukunft des Iran ist das Proletariat, die einzige Klasse mit der sozialen Macht und dem objektiven Interesse, unter seiner Führung radikalisierte Jugendliche, Frauen und unterdrückte Nationalitäten hinter sich zu scharen zu einem Angriff auf das kapitalistische System selbst. Während zweifellos einzelne Arbeiter an den Protestdemonstrationen teilgenommen haben, gibt es bisher keine Anzeichen, dass irgendein Teil des mächtigen iranischen Proletariats interveniert hat, um seine unabhängigen Klasseninteressen gegen das islamische Regime zur Geltung zu bringen. Zwei Erklärungen von Arbeitergruppen im Iran wurden im Internet weit verbreitet. Eine, unterschrieben von „Laborers of Iran Khodro“ [Arbeiter von Iran Khodro] (dem größten Automobilunternehmen im Nahen Osten), rief zu einem dreißigminütigen Proteststreik in „Solidarität mit der Bewegung des iranischen Volkes“ auf. Und in einer Erklärung des Vahed-Syndikats, das Teherans Busarbeiter vertritt, drückte die Gewerkschaft ebenfalls ihre Unterstützung für „die Bewegung des iranischen Volkes zum Aufbau einer freien und unabhängigen Zivilgesellschaft“ aus.

Die grundlegende Frage, mit der das iranische Proletariat heute konfrontiert ist, ist der notwendige Aufbau einer marxistischen Arbeiterpartei, die für die Klassenunabhängigkeit des Proletariats – vom Klerus, von den Nationalisten und den proimperialistischen Elementen – und für proletarische Herrschaft kämpft. Ein entscheidender Unterschied zwischen der Situation heute und der von 1979 vor dem Sieg der „Islamischen Revolution“ ist, dass bedeutende Teile des Proletariats damals unter der Führung linker Parteien, vor allem von Tudeh, standen. Diese Generation linksgerichteter Arbeiterkader wurde genau von dem Regime ausgelöscht, dem die Führer von Tudeh und anderen linken Parteien zur Macht verholfen hatten.

Für permanente Revolution

In den Jahren 1978/79 unterstützte die Linke im Iran und international die von Chomeini geführten Kräfte der klerikalen Reaktion mit der Begründung, diese würden eine „antiimperialistische“ Revolution anführen. Die International Socialist Organization hatte einen Artikel mit der Überschrift „Die Form – religiös, der Geist – Revolution“ (Socialist Worker, Januar 1979). Die Socialist Workers Party (SWP) in den USA verkündete: „Sieg im Iran: Iranische Massen weisen Arbeitern rund um die Welt den Weg“ (Militant, 23. Februar 1979). Die britische Gruppe von Ernest Mandels (1923–1995) pseudotrotzkischem Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale (VS, in Deutschland damals Gruppe Internationale Marxisten, GIM) hatte einen Führer namens Brian Grogan, der sich sogar brüstete, auf Demonstrationen in Teheran bei „Allah-Akbar“-Sprechchören mitgerufen zu haben. Die dem VS angeschlossene HKS ging so weit, 1979 bei den Wahlen für den Expertenrat der Mullahs zu kandidieren – bevor auch sie Opfer der Mullahs wurde.

Während wir umgehend die Verteidigung der HKS und anderer vom Mullah-Regime verfolgter Linker aufnahmen, spielten die amerikanische SWP und das VS, verblendet durch ihren grotesken Opportunismus, monatelang die Gefahr herunter, die ihren eigenen inhaftierten Genossen drohte. Wie wir in „Kriminelle Politik von GIM/VS: Ihr wolltet Chomeini – jetzt habt ihr ihn!“ (Kommunistische Korrespondenz [Vorläufer des Spartakist] Nr. 27, November 1979) schrieben: „VS, SWP, GIM, HKS – Ernest Mandel, Jack Barnes und Konsorten – ihr habt ein Verbrechen begangen, für das ihr vor dem Gericht der Geschichte verantwortlich gemacht werden werdet. Ihr müsst damit leben, weil eure eigenen Genossen deswegen vielleicht sterben müssen.“

Die sogenannte „Islamische Revolution“ von 1979 war eine negative Bestätigung für die Theorie und das Programm der permanenten Revolution des bolschewistischen Führers Leo Trotzki. In der Epoche des Imperialismus gilt für Länder mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung wie dem Iran: Alle Flügel der Bourgeoisie sind zu abhängig von ihren Bindungen an die Imperialisten und fürchten zu sehr die unabhängige Aktion der Arbeiterklasse, als dass sie irgendeine fortschrittliche Rolle spielen könnten. Sie sind unfähig, die bürgerlich-demokratischen Aufgaben zu lösen, die mit den großen europäischen Revolutionen des 17. und 18. Jahrhunderts verbunden sind, wie Agrarrevolution, nationale Unabhängigkeit, demokratische Freiheiten und Frauenrechte.

Die Erfahrung der bolschewistischen Revolution von 1917 hat gezeigt, dass in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung nur das Proletariat an der Spitze der bäuerlichen und städtischen plebejischen Massen die Gesellschaft befreien kann. Im Nahen Osten kann nur das Proletariat die Ketten des reaktionären Traditionalismus und imperialistischer Unterjochung zerbrechen. So erklärte Trotzki 1928, „dass die Bourgeoisie desto nichtswürdiger und niederträchtiger wird, je weiter man nach Osten kommt, und sich dem Proletariat umso größere Aufgaben auf die Schultern legen“ (Die Dritte Internationale nach Lenin). Bei der Eroberung der Staatsmacht und der Errichtung der Diktatur des Proletariats werden die Arbeiter der zurückgebliebenen Länder gezwungen sein, sozialistische Maßnahmen zu ergreifen wie Enteignung der Produktionsmittel und Einrichtung einer geplanten Wirtschaft. Doch diese Revolutionen werden nur überleben und gedeihen, wenn sie auf die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder des Westens und Japan ausgeweitet werden.

Die Tudeh-Partei lehnte diese marxistische Perspektive ab, womit sie dem Beispiel der stalinisierten Kommunistischen Internationale (Komintern) folgte. Sie beharrte darauf, dass das Proletariat wegen der wirtschaftlichen und historischen Rückständigkeit des Iran die Macht nicht im eigenen Namen ergreifen könne. Stattdessen, so wandte sie ein, müsse es eine „Zwei-Etappen-Revolution“ geben, deren erste Etappe von der „progressiven“ oder „antiimperialistischen“ Bourgeoisie angeführt und auf die Lösung der Aufgaben eines demokratischen Kapitalismus beschränkt bleiben würde. Die sozialistische Revolution, behauptete sie, würde in ferner, nicht näher umrissener Zukunft kommen. Wie immer kam die zweite, proletarische Etappe der Revolution nie.

Tudeh und der Rest der iranischen Linken stellten dem islamischen Klerus ein „antiimperialistisches“ Zeugnis aus, machten so ihre proletarische Basis blind für die ernsten Gefahren, die ihr im Falle eines Sieges der Mullahs drohten, und gaben die Arbeiter brutaler Unterdrückung preis. Tatsächlich gingen in den Anfangsjahren des Mullah-Regimes Tudeh-Kader so weit, Schulter an Schulter mit den mörderischen Pasdaran und den faschistoiden Hezbollah-Schlägern zu kämpfen und andere iranische Linke umzubringen. Und während des Iran-Irak-Kriegs, der auf beiden Seiten reaktionär war, forderte die Tudeh-Partei ihre Mitglieder dazu auf, sich bei ihren Moscheen (!) zum Kriegsdienst unter den Pasdaran zu melden.

Stalin und seine Kumpane konnten sich bei ihrer Propagierung des Konzeptes der „Zwei-Etappen-Revolution“ wenigstens darauf berufen, dass sie modernisierende bürgerliche Kräfte unterstützten. Zum Beispiel wurde während der Chinesischen Revolution von 1925–27 die Kommunistische Partei Chinas von Stalin und seinen Handlangern angewiesen, sich der bürgerlich-nationalistischen Guomindang unter Chiang Kai-shek unterzuordnen. Die Stalinisten behaupteten, dieser Schritt hin zur Vollendung der „ersten Etappe“ der chinesischen Revolution sei gerechtfertigt, weil Chiang die verfallende Mandschu-Dynastie bekämpfte und das Binden der Füße von Frauen anprangerte. Dennoch war diese stalinistische Politik ein Verrat und führte zum Abschlachten von Zehntausenden von Kommunisten und militanten Arbeitern, die im April 1927 von Chiang beim Massaker von Schanghai entwaffnet wurden.

Welchen Modernisierungsanspruch könnte die rückwärtsgewandte Mullah-Kaste im Iran wohl gehabt haben? Der reaktionäre Charakter der islamischen Opposition war von Anfang an klar, vor allem durch ihre Position in der Frauenfrage. In „Down With the Shah! Down With the Mullahs!“ (Nieder mit dem Schah! Nieder mit den Mullahs!, Workers Vanguard Nr. 219, 17. November 1978) warnten wir:

„Die Muslime rufen nach einer islamischen Republik. Sie unterstützen die Verfassung von 1906 und insbesondere deren 1907 angefügten Passus, der ein ausdrückliches Vetorecht des Klerus bei der gesamten Gesetzgebung vorsieht. Die Opposition der Mullahs gegenüber dem Schah ist reaktionär, ganz gleich wie sehr sie die Verbrechen der Schahdiktatur auszuschlachten versucht. Der fanatische Hass auf jeglichen gesellschaftlichen Fortschritt seit der Zeit des Propheten Mohammed (7. Jahrhundert n. Chr.!) hat seine Entsprechung bei den vom Militär abhängigen Regimen Pakistans und Libyens und in dem regionalen Aufschwung von religiösem Obskurantismus und seiner rabiaten Frauenunterdrückung.“

Die Islamische Republik war die Hölle für Frauen. Nach seiner Machtübernahme führte Chomeini den Hijab für Frauen in der Öffentlichkeit wieder ein. Diejenigen, die die Vorschrift missachteten, mussten mit 74 Peitschenhieben oder einem Jahr Gefängnis büßen. Indessen wurden Zeugenaussagen eines Mannes als doppelt so wertvoll angesehen wie die einer Frau. Von den Gerichten wurden Auspeitschungen und Amputationen verhängt, und wegen Ehebruchs verurteilte Frauen konnten mit Steinigung bestraft werden. Kinderheirat wurde wiedereingeführt, während Gesetze Polygamie förderten und Frauen daran hinderten, ihren Ehemann wegen Misshandlung zu verlassen. Das Recht des Ehemanns auf einseitige Scheidung wurde wiedereingeführt.

Dennoch sind moderne Gewohnheiten in den Iran eingesickert. Obgleich die Kinderheirat wiedereingeführt wurde, stieg doch das Durchschnittsalter von Frauen bei ihrer ersten Eheschließung von 19 Jahren vor 1979 kontinuierlich auf 24 Jahre heute. Dem New York Review of Books (2. Juli) zufolge liegt der Alphabetisierungsgrad bei beiden Geschlechtern über 95 Prozent. Heute ist eine Mehrheit der Studierenden weiblich. Doch trotz dieser Entwicklungen machen Frauen nur 15 Prozent der gemeldeten Arbeitskräfte aus. Die iranische Volkszählung von 2006 enthüllte, dass nur 3,5 Millionen iranische Frauen festangestellte Arbeiterinnen sind, im Vergleich zu 23,5 Millionen Männern.

Während einer Protestwelle im Iran vor sechs Jahren legten wir unsere Perspektive für Frauenbefreiung durch sozialistische Revolution dar:

„In den Ländern des Ostens ist die Frage der Frauenunterdrückung eine der stärksten Triebkräfte für eine sozialistische Revolution. Als die Bolschewiki in den Jahren nach der Oktoberrevolution nach Zentralasien kamen, waren es tatsächlich die Frauen, unter denen sie den meisten Rückhalt für ihr Programm fanden und ihre wichtigsten Kader gewannen. Dasselbe gilt für den Iran. Eine leninistisch-trotzkistische Partei, die gegenüber dem jahrhundertealten Würgegriff von Religion und Familie für Frauenrechte eintritt, wird ihre treuesten und mutigsten Kämpfer unter den Frauen finden.“ („For Workers Revolution in Iran!“ [Für Arbeiterrevolution im Iran!], WV Nr. 807, 1. August 2003)

AKPI: Fürsprecher des „demokratischen“ Imperialismus

Die Arbeiterkommunistische Partei des Iran (AKPI) hat sowohl den Ahmadinedschad- als auch den Mussawi-Flügel des klerikalen Regimes verurteilt. Jedoch hat die AKPI in ihrem Widerstand gegen die Islamische Republik eine lange Geschichte von Appellen an die imperialistischen Mächte als potenzielle Verbündete – die größere Feinde der Unterdrückten der Welt sind als die Ajatollahs des verarmten neokolonialen Iran. So schrieb ein AKPI-Vertreter an den Londoner Evening Standard (17. Juni) zu den Protesten im Iran: „Jetzt ist es Zeit für Menschen im Westen, auf westliche Regierungen Druck auszuüben, um das Regime politisch zu isolieren, anstatt es zu rechtfertigen und zu legitimieren.“ Ein Internetbeitrag vom 22. Juni brüstet sich damit, dass AKPI-Führer Hamid Taqvaee „im Namen des Volkes des Iran an Staatsoberhäupter und den UN-Generalsekretär geschrieben und sie dazu aufgerufen habe, ,sofort alle politischen Beziehungen zu der Islamischen Republik Iran abzubrechen, deren Botschaften und Konsulate zu schließen und ihren Ausschluss aus den Vereinten Nationen und anderen internationalen Institutionen sicherzustellen‘ “.

Der reaktionäre Charakter der Appelle der AKPI an den „demokratischen“ Imperialismus hat sich tatsächlich im Irak gezeigt. Im Jahre 2003 unterstützte die damalige Schwesterorganisation der AKPI im Irak die imperialistische Besetzung dieses Landes und rief lediglich dazu auf, die US-/britischen Besatzer durch eine „Intervention der Vereinten Nationen“ zu ersetzen. Und dies, nachdem ein UN-Embargo gegen den Irak im Anschluss an den Golfkrieg von 1991 den Tod von mehr als anderthalb Millionen Menschen zur Folge gehabt hatte.

Gleichzeitig sticht die AKPI unter iranischen linken Gruppen hervor, weil sie an vorderster Stelle die Frage der Frauenrechte aufwirft und den Schleier ablehnt. Doch nach dem Einmarsch der Sowjetunion 1979 in Afghanistan gegen einen von der CIA unterstützten islamisch-fundamentalistischen Aufstand sah die AKPI die Rote Armee als ebenso reaktionär an wie die heiligen Krieger der Mudschaheddin. Sie schloss sich dem größten Teil der Linken an, der sich weigerte den sowjetischen Einmarsch zu unterstützen. Dies wurde von der AKPI mit der falschen Behauptung begründet, die Sowjetunion sei Mitte der 1920er-Jahre „staatskapitalistisch“ geworden.

Wir Trotzkisten verteidigten den sowjetischen degenerierten Arbeiterstaat bedingungslos gegen innere Konterrevolution und imperialistische Angriffe, während wir gleichzeitig zu einer proletarisch-politischen Revolution zur Entmachtung der parasitären stalinistischen Bürokratie aufriefen. Wir sagten „Hoch die Rote Armee in Afghanistan!“ und riefen dazu auf, die sozialen Errungenschaften der Oktoberrevolution auf die afghanischen Völker auszuweiten. Wir warnten, dass die Kremlbürokratie zum Ausverkauf an die Imperialisten imstande sei, wiesen aber darauf hin, dass die Intervention der Roten Armee objektiv im Interesse der Sowjetunion lag und einen Schlag gegen die islamischen Fundamentalisten darstellte, die Frauen praktisch wieder versklaven wollten. Der Rückzug des Kreml aus Afghanistan führte zum Sieg der Mudschaheddin mit den heutigen entsetzlichen Konsequenzen für afghanische Frauen und gab den Kräften der kapitalistischen Restauration, die in der Sowjetunion triumphierten, enormen Auftrieb.

Der Iran braucht eine Arbeiterrevolution!

Der heutige Iran ist ein Hexenkessel aus Widersprüchen und sich verschärfenden Spannungen, die jederzeit aufbrechen können. Eine neue Generation – 70 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt – ist herangewachsen, die die „Islamische Revolution“ von 1979 oder den brutalen Krieg mit dem Irak in den 1980er-Jahren nicht erlebt hat. Diese zum Großteil gut ausgebildeten jungen Menschen, deren Horizont sich durch Zugang zum Internet und zu anderen Medien erweitert hat, werden erdrückt von den mittelalterlichen Einschränkungen, die das klerikale Regime verordnet hat. Der Iran bleibt ein Völkergefängnis, in dem Aseris, Kurden, Araber, Belutschen und andere vom persisch-chauvinistischen Regime Unterdrückte fast die Hälfte der Bevölkerung ausmachen.

Die gegenwärtigen Proteste finden inmitten eines ernsthaften Wirtschaftsabschwungs statt, der durch die Weltfinanzkrise verschärft wurde. Die Deviseneinkünfte des Iran, der überwiegend vom Öl abhängig ist, sanken, als der Ölpreis von einem Höchststand von 140 Dollar pro Barrel auf heute etwa 70 Dollar fiel. Gleichzeitig beträgt die Inflationsrate etwa 24 Prozent, und die offizielle Arbeitslosigkeit 17 Prozent. Mehr als 35 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahren sind heute Langzeitarbeitslose.

Der einzige Weg zu wirklicher sozialer und wirtschaftlicher Modernisierung, zur Befreiung des Iran aus imperialistischer Unterjochung, zur Emanzipation der Frauen aus der Versklavung, zur Erringung des Rechtes auf nationale Selbstbestimmung für die Kurden und die unzähligen anderen unterdrückten Nationalitäten liegt in der Zerschlagung kapitalistischer Klassenherrschaft im Iran. Die iranischen Massen brauchen dringend eine revolutionäre proletarische Partei, die imstande ist, den Kampf gegen das reaktionäre klerikale Regime zu führen. Um solch eine Partei zu schmieden, müssen linke Aktivisten im Iran die Wurzeln des Verrats jener Irreführer verstehen, die 1979 die Kräfte der islamischen Reaktion als eine „progressive“ Alternative zum Schah begrüßten und damit dazu beitrugen, eine historische Niederlage vorzubereiten.

Nach Workers Vanguard Nr. 939, 3. Juli 2009