Spartakist Nr. 193

Mai 2012

 

Klassenzusammenarbeit von Verdi-Führung fällt GdF-Streik in den Rücken

Hände weg vom Streikrecht!

Für Industriegewerkschaften! Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung!

Auf dem Flughafen Frankfurt streikten Mitte Februar an verschiedenen Tagen die in der kleinen Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) organisierten 200 Arbeiter und Vorfeldlotsen, nachdem die Bosse sogar einen Schlichterspruch für eine Lohnerhöhung rundweg abgelehnt hatten. In der ersten Streikperiode waren die Auswirkungen des Streiks recht groß. Am 16. Februar wurden 280 von 1082 geplanten Flügen abgesagt. Insgesamt wird von 1400 Flügen gesprochen, die aufgrund des Streiks nicht stattfinden konnten. Bei der zweiten Streikwelle Ende Februar waren die Auswirkungen deutlich geringer, weil der Betreiber des Flughafens Frankfurt, die Fraport AG, verstärkt Streikbrecher einsetzte und dadurch die Sicherheit der Passagiere und Arbeiter des Flughafens massiv gefährdete. In dieser Situation rief die GdF die ebenfalls von ihr organisierten Fluglotsen der Flugsicherung zu einem sechsstündigen Unterstützungsstreik am 29. Februar auf.

Gab es schon vorher in den Medien eine Hetzkampagne gegen die angeblich völlig überzogenen Forderungen der GdF und den Ruf nach Einschränkung ihres Streikrechts, kannte die Hasskampagne gegen die Streikenden nun kein Halten mehr. Die streikenden Fluglotsen hätten nicht so einfach durch Streikbrecher ersetzt werden können. Die Bosse von Fraport, Lufthansa und Flugsicherung riefen gemeinsam das Arbeitsgericht an, um den Streik der Fluglotsen und den der Arbeiter des Vorfelds verbieten zu lassen. Das Gericht stellte sich, wie eigentlich immer, wenn es wirklich um was geht, auf die Seite der Kapitalisten. Um gegen dieses Streikverbot zu kämpfen, war es notwendig, dass alle Arbeiter des Flughafens die Arbeit niederlegen und sich mit ihren Kollegen der GdF solidarisieren, denn ein Streikverbot gegen eine „kleine“ Gewerkschaft wird sich sehr schnell gegen alle richten. Weg mit allen Einschränkungen des Streikrechts durch den bürgerlichen Staat! Für Streikpostenketten, die niemand überquert!

Doch Verdi, die Industriegewerkschaft, die die meisten der Beschäftigten am Flughafen Frankfurt organisiert, rührte keinen Finger in Solidarität mit der GdF. Stattdessen lamentierte laut Hannoverscher Allgemeiner Zeitung (HAZ) (16. Februar) der verantwortliche Verdi-Sekretär für den Flughafen, Gerold Schaub: „Der Betriebsfrieden ist nachhaltig gestört.“ Verdi forderte dann sogar die Bosse auf, das angeblich „überhöhte“ Angebot an die GdF zurückzuziehen! Bsirske, Vorsitzender von Verdi, die mehrere millionenschwere Einsparungen zu Lasten der Flughafenarbeiter mitgetragen hat, einschließlich der Billigung, im Rahmen der Hartz-Gesetze mit einer Personal-Service-Agentur zusammenzuarbeiten, drohte Fraport: „Wenn sich nur in annähernder Größenordnung diese Gruppe durchsetzen sollte, dann wird das entsprechende Forderungen auch für die anderen beschäftigten Gruppen an diesem Flughafen geben.“ Anstatt diese Gelegenheit zu ergreifen, um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen für alle Flughafenarbeiter zu erkämpfen, stellte sich die Verdi-Führung damit deutlich auf die Seite der Bosse.

Bereits bevor die Streiks der GdF überhaupt begonnen hatten, erklärte der Arbeitsdirektor der Fraport AG und ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft ÖTV Herbert Mai in Focus (15. Februar): „Was die GdF fordert, ist eine inakzeptable Erhöhung der Gehälter. Darauf können wir nicht eingehen, weil es gegenüber den anderen gut 20 000 Beschäftigten bei Fraport nicht vertretbar ist.“ Mai versucht hier die anderen Beschäftigten der Fraport gegen die in der GdF organisierten Arbeiter auszuspielen. Die GdF hat im Vergleich zu den von DGB-Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträgen der letzten Jahre, die Reallohnkürzungen darstellten, tatsächlich relativ hohe Forderungen gestellt, die echte Verbesserungen bringen würden. Diese beinhalteten auch die Angleichung der Lohn-/Gehaltsstruktur von jüngeren Arbeitern an das Niveau von älteren Arbeitern, also einen richtigen Schritt weg von deutlich niedrigeren Lohnniveaus für jüngere Arbeiter. Letzteres ist neben Leiharbeit, Zeitverträgen und Outsourcing eine der Methoden, mit der die Bosse in den letzten zwei Jahrzehnten die Löhne nach unten gedrückt haben. Die Schritte der GdF, dieses Mehrklassen-Lohnsystem zu durchbrechen, sind völlig im Interesse aller Arbeiter, um die Abwärtsspirale bei den Löhnen zu durchbrechen. Mitte März kam es wieder zu Verhandlungen zwischen Fraport und GdF und zu einem möglichen Abschluss, dessen Details nicht vorliegen.

DGB und BDA gemeinsam für „Tarifeinheit“ = Einschränkung des Streikrechts

Im Rahmen der Versuche der Bosse und ihres Staates, die Macht der Gewerkschaften durch Liberalisierung zu brechen, entschied im Sommer 2010 das Bundesarbeitsgericht, den „Grundsatz der Tarifeinheit“ aufzugeben. Gerichte hatten bis dahin über Jahrzehnte entschieden, dass es für jeden Betrieb nur einen Tarifvertrag geben solle, der dann von der größten Gewerkschaft ausgehandelt wurde und kleinere Gewerkschaften der Friedenspflicht unterwarf. Hintergrund für diese Gerichtsentscheidung ist das Ziel, die Macht der Industriegewerkschaften des DGB zu schwächen und kleinere Gewerkschaften und „Betriebsgewerkschaften“, wie sie sich z. B. der Briefdienst PIN herangezogen hat, zu ermöglichen. Diese gelben, streikbrecherischen „Betriebsgewerkschaften“ haben dann „Tarifverträge“ zu absoluten Hungerlöhnen vereinbart, wie z. B. die christlichen „Gewerkschaften“ bei den Zeitarbeitsfirmen. Die Löhne sollen weiter nach unten gedrückt und die Ausbeutungsrate erhöht werden.

Nur ging diese Rechnung der Bosse nicht ganz auf; schon seit einigen Jahren gab es vermehrt Streiks kleinerer, aber zentraler Berufsgruppen, die sich in Berufs- oder Spartengewerkschaften organisiert haben. Zum Beispiel begannen die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) oder die Ärzte des Marburger Bundes ihre Macht in zentralen Bereichen einzusetzen und für die Interessen ihrer Mitglieder zu streiken. Sie verließen damit die jahrzehntelang eingeübte Streikvermeidung, die mit der DGB-Politik der Klassenzusammenarbeit einherging. Seither häufen sich die Rufe nach Streikverboten für diese kleineren Gewerkschaften, die dann durchgesetzt werden. Nicht nur gegen die GdF, wie jetzt in Frankfurt; schon im August 2007 erging für mehrere Wochen ein Streikverbot gegen die GdL. Die GdL wollte die Lokführer im Fernverkehr in den Streik rufen, um ihre völlig berechtigten Forderungen durchzusetzen.

Hatten sich 2007 noch Verdi-Chef Bsirske und DGB-Vorsitzender Sommer verbal gegen das Streikverbot ausgesprochen, so hat sich die Position des DGB seit damals geändert. Zusammen mit dem Kapitalistenverband Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) drängte der DGB die Regierung dahin, ein Gesetz für die „Tarifeinheit“ zu verabschieden, um die Streikmacht kleinerer Spartengewerkschaften zu brechen. Nach Widerständen, insbesondere von der Basis von Verdi, wurden die Versuche letzten Sommer eingestellt, nur um jetzt wieder von den Bossen aus dem Hut gezaubert zu werden. Die HAZ (16. Februar) schrieb: „Fraport-Arbeitsdirektor Mai verlangte gesetzlichen Schutz vor dem Einfluss der Spartengewerkschaften. ,Zwei Prozent der Beschäftigten dürfen einfach nicht ein Unternehmen erpressen‘, sagte der frühere ÖTV-Chef. Das Gesetz müsse geändert werden, um wieder zu dem Grundsatz ,ein Betrieb, ein Tarifvertrag‘ zurückzukehren.“

Schnell zeigte sich, wie gefährlich der gemeinsame Ruf der DGB-Gewerkschaften mit den Kapitalisten nach gesetzlicher Regelung, d. h. Einschränkung des Streikrechts, für alle Gewerkschaften ist. Im Rahmen der Warnstreiks der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes streikte das Bodenpersonal am Frankfurter Flughafen und legte den Flughafen praktisch lahm. Zuvor hatte Verdi schon Arbeiter der Gepäck- und Abfertigungsfirma GlobeGround an den Berliner Flughäfen zu Streiks aufgerufen, um Lohnerhöhungen durchzusetzen und Lohnkürzungen an den Berliner Flughäfen zu verhindern. Die Kampagne, die sich gegen die GdF gerichtet hatte, wandte sich nun unmittelbar gegen Verdi und die Streiks im öffentlichen Dienst. In der bürgerlichen Presse, wie der Frankfurter Allgemeinen vom 20. März, wurden Vorschläge ominöser Juraprofessoren breitgetreten, die die Einschränkung des Streikrechts bei der „Daseinsvorsorge“ forderten, was praktisch den gesamten öffentlichen Dienst einschließt.

Die angemessene Antwort auf diese Angriffe auf das Streikrecht ist, jedes Mal, wenn dies passiert, solidarisch über die Organisationsgrenzen hinweg die Streiks auszuweiten und breitere Schichten der Arbeiterklasse in die Kämpfe einzubeziehen. Als die amerikanische Fluglotsengewerkschaft PATCO 1981 zum Streik aufrief, wurde dieser von der rabiat antikommunistischen Reagan-Regierung verboten. Die Gewerkschafter wurden in Handschellen abgeführt und alle ihre Mitglieder entlassen. Bei Protesten gegen diese ungeheuerlichen Maßnahmen rief unsere amerikanische Schwesterorganisation, die Spartacist League/U.S., dazu auf: „Entfesselt die Macht der Arbeiter! Macht die Flughäfen dicht!“ Es gab keine Solidaritätsstreiks, was es den Bossen ermöglichte, PATCO zu zerschlagen. Dies warf die Gewerkschaftsbewegung insgesamt zurück und bremste Klassenkämpfe in den USA. Die deutschen Kapitalisten ihrerseits haben seit der Konterrevolution in der DDR Blut gerochen und setzen immer stärker darauf, die Arbeiterklasse anzugreifen und ihre in langen Kämpfen erzielten Errungenschaften zurückzudrängen. Der Burg„frieden“, den die Gewerkschaftsführungen mit den Kapitalisten halten wollen, ist in Wirklichkeit ein ständiger Angriff auf die Arbeiterklasse. Schluss mit der Klassenzusammenarbeit! Für Klassenkampf gegen die deutschen Kapitalisten und ihre Regierung! Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung!

Der vom DGB angeführte Grundsatz „ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ soll hauptsächlich den „Betriebsfrieden“ sichern, d. h. immer im Betrieb für Ruhe sorgen und die Kapitalisten vor Streiks schützen. Tatsächlich wurden so bereits erkämpfte Tarife und Arbeitsbedingungen unterminiert, weil die Gewerkschaftsbürokratie Ausverkauf betrieb: Arbeitszeitverlängerung, Zeitarbeit, niedrigere Tarife für jüngere Arbeiter, für Alte, für Frauen statt gleichen Lohn für gleiche Arbeit – und die Kapitulation vor den Sklavenhändlern der Zeitarbeitsindustrie. Dies ist den Interessen der Arbeiterklasse entgegengesetzt. Die Politik der Klassenkollaboration der DGB-Bürokraten hat in den letzten Jahren zu massiven Reallohnverlusten geführt, wodurch die Spartengewerkschaften an Zulauf gewannen, weil die Interessen großer Teile der Belegschaften vom DGB nicht mehr effektiv vertreten wurden. Die DGB-Bürokratie und der BDA rufen jetzt nach dem Staat, um die Macht kleinerer Gewerkschaften zu brechen. Dagegen muss sich die gesamte Arbeiterbewegung wehren.

Wir verteidigen die Spartengewerkschaften, wenn sie für die Arbeiter kämpfen, aber es ist auch klar, dass Spartengewerkschaften nicht der Weg vorwärts sind, wenn man die Gesamtinteressen der Arbeiterklasse und der Beschäftigten vor Augen hat. Die Erfahrungen der Streiks von sogar strategisch sehr gut positionierten Spartengewerkschaften wie GdF oder GdL haben gezeigt, dass die Macht der schweren Bataillone der Arbeiterklasse notwendig ist, um die Interessen der Arbeiter gegen die Kapitalisten und ihren Staatsapparat durchzusetzen. Als letztes Jahr die Beschäftigten der Berliner Uniklinik Charité streikten, hielten sich die Ärzte des Marburger Bundes an ihre „Friedenspflicht“ und gaben höchstens verbale Unterstützung. Die Charité weigerte sich, dem Reinigungspersonal, Gärtnern, Hausmeistern und anderem technischen Personal, ausgegliedert in eine privatisierte Gesellschaft namens CFM, überhaupt einen Tarifvertrag anzubieten. Diese Arbeiter wurden völlig allein gelassen, als Verdi für das Pflegepersonal einen Tarifvertrag abschloss. Hier war es höchste Zeit, mit diesen Arbeitern von CFM Solidarität zu zeigen und die Bosse in die Knie zu zwingen. Doch nichts dergleichen geschah. Tatsächlich wollten die Charité-Bosse, darunter der SPD/Linkspartei-Senat, beim Umbau des Krankenhauses zu einem profitorientierten Unternehmen einen effektiven gemeinsamen Streik verhindern und hatten so Ärzte, Pflegepersonal und technisches Personal in unterschiedlichen Firmen, Verträgen und Arbeitsbedingungen voneinander getrennt. Der Weg aus dieser Situation ist der solidarische Kampf in klassenkämpferischen Industriegewerkschaften – ein Betrieb, eine Gewerkschaft. Dies nützt insbesondere auch den schwächsten Teilen der Belegschaften und muss alle möglichen Arten des Kampfes wie Solidaritätsstreiks, Betriebsbesetzungen, politische Streiks und auch den Generalstreik einschließen. Diese Streikrechte wird es nicht durch Gesetzesinitiativen geben, sondern nur durch Klassenkampf, der sie gegen die Kapitalisten und ihren Staat durchsetzt.

Als Kommunisten nehmen wir am Kampf der Arbeiterklasse für die Verbesserung ihrer Lage aktiv teil. Wir wollen die stärkstmögliche Einheit der Arbeiter gegen die kapitalistischen Ausbeuter erreichen und lehnen daher zünftlerische Spaltungen der Arbeiterklasse ab, ebenso Spaltungen der Gewerkschaften entlang ethnischer oder politischer Linien. Aus diesem Grund treten wir für Industriegewerkschaften ein und sehen es als zentrale Aufgabe, einen politischen Kampf innerhalb der Gewerkschaften gegen jede Form der Klassenzusammenarbeit und Unterordnung unter den bürgerlichen Staat zu führen und für eine neue Führung mit einem klassenkämpferischen Programm zu kämpfen.

Die nationalistische „Standort-Deutschland“-Politik der Gewerkschaftsführungen muss durch gemeinsamen Klassenkampf mit den Gewerkschaften in den anderen Ländern Europas und darüber hinaus ersetzt werden. Die Lohnverzichts- und Sozialkahlschlagspolitik in Deutschland in den letzten 15 Jahren führt jetzt zu massiven Angriffen auf die Arbeiter insbesondere in Südeuropa. Aber auch die herrschende Klasse in Frankreich will jetzt die „Reformen“, die hier bereits die SPD/Grünen-Regierung unter Kanzler Schröder durchsetzte, dort umsetzen und die französische Arbeiterklasse bluten lassen. Wenn diese Reformen in Frankreich durchgesetzt werden können, wird sich die Abwärtsspirale auch in Deutschland noch stärker beschleunigen. Die Zukunft der multiethnischen Arbeiterklasse in Deutschland liegt im gemeinsamen solidarischen Kampf mit den Arbeitern z. B. Polens, Griechenlands, Frankreichs, Italiens und der anderen Länder gegen ihre jeweils eigene und gegen die stärkste europäische Bourgeoisie, die deutsche, die zunehmend in der EU das Sagen hat.

EU für Einschränkung des Streikrechts – Nieder mit der EU!

Die EU, dieses Bündnis der führenden kapitalistischen Regierungen Europas gegen die Arbeiterklasse und die imperialistische Konkurrenz, ist dabei, eine Einschränkung des Streikrechts zu befürworten. Das ist die Reaktion der krisengeschüttelten kapitalistischen Regierungen auf den Widerstand der Arbeiter gegen die Austeritätsprogramme, mit denen das Geld für die Rettung des Finanzkapitals herausgepresst werden soll. Es ist sicherlich kein Zufall, dass für diese Papiere der EU-Kommission, die das Streikrecht einschränken will, Mario Monti verantwortlich ist. Monti ist jetzt der von Merkels und Sarkozys Gnaden auserkorene Premierminister Italiens und soll dort die einst mächtige italienische Arbeiterbewegung in die Knie zwingen, um die Austeritätspolitik der europäischen Imperialisten durchzusetzen.

Unter dem scheinbar um Arbeiterrechte besorgten Titel „Kommission stärkt Schutz für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ wird die gerichtliche Kontrolle von Streiks auf „Verhältnismäßigkeit“ hin vorgeschlagen, d. h. Streiks sollen der direkten Kontrolle des Staates bzw. auch der EU-Bürokratie unterworfen werden. Das Ergebnis solcher „Kontrollen“ kann man sich vorstellen: Kaum ein Streik darf mehr stattfinden bzw. nur in einem Rahmen, den die Bosse und ihre Lakaien in Berlin und Brüssel als „gerechtfertigt“ ansehen.

Die IG BAU protestiert in einer Presseerklärung vom 21. März gegen die vorgeschlagene Richtlinie. Der Vorsitzende der IG BAU und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Wiesehügel erklärt, dass so Streiks für Forderungen, die über den Mindestschutz der Arbeiter hinausgehen, verboten werden könnten, und warnt: „Das gilt ja für die meisten Tarifforderungen. Dann gäbe es keinen sozialen Fortschritt mehr und wir hätten alle nur noch Löhne auf Hartz-IV-Niveau und die 48-Stunden-Woche. Damit würde die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie hier und überall in der EU total ausgehöhlt.“ Wiesehügel führte weiter aus: „Wenn die Brüsseler Beamten die Beschneidung des Streikrechts ernsthaft für gerecht halten, muss jedem Beschäftigten Angst und Bange werden.“ Das Problem sind nicht nur die Brüsseler Bürokraten sondern vielmehr die deutschen und anderen europäischen Kapitalisten und ihre nationalen Regierungen, die tatsächlich in der EU das Sagen haben. Diese haben ein massives Interesse daran, die Macht der Arbeiterbewegung einzuschränken, um ihre immer neuen Sparpakete in der EU mit möglichst wenig Widerstand durchzusetzen.

Statt effektiv für das Streikrecht und gegen seine gerichtliche Einschränkung einzutreten und konkrete Solidarität zu üben, wie etwa mit den streikenden Flughafenarbeitern in Frankfurt, appellieren die IG BAU und Wiesehügel aber wieder nur: „EU-Präsident Manuel Barroso muss seine Behörde zurückpfeifen.“ Die hart erkämpften Rechte der Arbeiterklasse werden sich nur durch die Mittel aufrechterhalten und erweitern lassen, mit denen sie jahrzehntelang erkämpft wurden, und das ist nicht die Sozialpartnerschaft, sondern der Klassenkampf. Die multiethnische Arbeiterklasse in Deutschland hat ein besonders hohes Gewicht und eine dementsprechende Verantwortung, den Kapitalisten in den Arm zu fallen – und hier insbesondere den „eigenen“, die die EU deutlich dominieren – und sich mit den Arbeitern und ihren Kämpfen in anderen Ländern Europas zu solidarisieren und den gemeinsamen Feind zu besiegen. Nieder mit der EU! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

Brecht mit sozialdemokratischem Reformismus – egal ob SPD oder Linkspartei

Die sozialdemokratische Gewerkschaftsbürokratie setzt zentral auf die Zusammenarbeit mit den Bossen und geht grundlegend von der Lüge aus, die Kapitalisten und ihr Staat sowie die Arbeiter hätten gleiche Interessen. Nach dem Motto: Geht es dem Betrieb gut, geht es den Arbeitern gut. Im öffentlichen Dienst werden die Märchen wiedergekäut, dass kein Geld da sei und die Schulden zurückgefahren werden müssen, wobei zur Rettung der Banken immer genug Geld da ist. Es sind die gleichen Lügen, die die SPD verbreitet, um sich in den Augen der Kapitalistenklasse regierungsfähig zu machen. Es war kein Zufall, dass die massiven Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme von der SPD/Grünen-Regierung unter SPD-Kanzler Schröder eingeführt wurden, während die Steuern für die Kapitalisten gesenkt und ein riesiger Niedriglohnsektor geschaffen wurde.

SPD und Grüne machten den deutschen Imperialismus wieder extrem profitabel auf Kosten der Arbeiterklasse hier. Die Gewerkschaftsbürokratie der DGB-Gewerkschaften spielte zum größten Teil dabei mit, indem sie versuchte, den Unmut an der Gewerkschaftsbasis über die ständige Ausverkaufspolitik in nationalistische „Standort-Deutschland“-Politik zu kanalisieren, und Klassenkampf vermied. Die linkeren Teile, die diese Politik nicht mitmachen wollten und von der SPD brachen, um die WASG zu bilden und später – durch Fusion mit der PDS – die Linkspartei, waren ein Ausdruck der Unzufriedenheit. Doch die Linkspartei selbst hat keine grundlegend andere Politik als die SPD und setzt schon gar nicht auf Klassenkampf.

Das linke Gesicht der Linkspartei, der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine, tut sich durch scheinbar radikale Forderungen hervor, wie das Recht auf den politischen Generalstreik ins Grundgesetz zu schreiben. Im sogenannten „Wiesbadener Appell“ haben sich hunderte von linken Gewerkschaftern und Politikern, Lafontaine vorneweg, zusammengefunden, um ein „umfassendes Streikrecht“ zu fordern und zu beklagen, dass dieses nicht im Grundgesetz steht. Am Ende des Aufrufs, wohl um auch etwas kämpferisch zu erscheinen, heißt es: „Streikrechte sind elementare und soziale Menschenrechte, die erkämpft werden müssen.“ Wenn dies ernst gemeint wäre, dann hätten diese Gewerkschafter und Politiker ihr Gewicht in den Gewerkschaften dazu nutzen können, der GdF zu Hilfe zu kommen, deren Streiks gerade verboten wurden und die auf Solidarität angewiesen ist.

Tatsächlich sind die Aufrufe nach „umfassendem Streikrecht“ usw. Mittel der Linkspartei, linkere Elemente einzubinden, deren Energie auf parlamentarische Initiativen zu lenken und sich ein arbeiterfreundliches Image zu geben, um von der eigenen elenden Realpolitik abzulenken. Den Gewerkschaftsbürokraten dient die Streikrecht-Forderung als Entschuldigung für ihre Ausverkäufe und als Wahlmanöver. Die gerichtlichen Streikverbote und die Angriffe der Bullen auf Streikposten zeigen den kapitalistischen Klassencharakter des Staates. Streikrecht gibt es, wenn die Arbeiterklasse die Bourgeoisie in die Knie zwingt. Es ist keine Gnade, die vom bürgerlichen Parlament gewährt wird, sondern wurde in harten Klassenkämpfen erfochten. Es kann nur durch Klassenkämpfe verteidigt und erweitert werden.

In Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky (1918) führte Lenin aus:

„Auf Schritt und Tritt stoßen die geknechteten Massen auch im demokratischsten bürgerlichen Staat auf den schreienden Widerspruch zwischen der von der ,Demokratie‘ der Kapitalisten verkündeten formalen Gleichheit und den Tausenden tatsächlicher Begrenzungen und Manipulationen, durch die die Proletarier zu Lohnsklaven gemacht werden. Gerade dieser Widerspruch öffnet den Massen die Augen darüber, wie verfault, verlogen und heuchlerisch der Kapitalismus ist. Gerade diesen Widerspruch entlarven die Agitatoren und Propagandisten des Sozialismus ständig vor den Massen, um sie vorzubereiten für die Revolution!“

Dagegen vertuscht Lafontaine den Klassencharakter dieses Staates und führt gerade die linkeren Elemente, die nach einem Weg zum Kämpfen suchen, wieder in die Sackgasse des Vertrauens in den bürgerlichen Staat und seine Reformierbarkeit. Genau die gleichen Illusionen schürt auch die manchmal militant auftretende reformistische MLPD, die in einigen bedeutenden Betrieben der Metallindustrie eine Basis hat. So fordert sie ein „allseitiges, gesetzliches Streikrecht“, was auch zeigt, dass sie sich völlig zu Unrecht auf Marx und Lenin beruft.

In den Kämpfen um die Verteidigung der arbeitenden Massen und der Gewerkschaften muss eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung herausgebildet werden. Eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei ist essenziell um diese herauszubilden und die Arbeiterklasse zur Macht zu führen, was die einzige Möglichkeit ist, der Ausbeutung ein Ende zu bereiten. Diese Partei aufzubauen, die in den Klassenkämpfen geschmiedet werden wird, hat sich die SpAD zum Ziel gesetzt.