Spartakist Nr. 195

Oktober 2012

 

COSATU-Kongress: Bürokraten verbrennen Zeitungen, die Streik unterstützen

Den folgenden Brief schickten unsere Genossen in Südafrika am 25. September an den Kongress Südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU).

Am 20. September gingen Unterstützer von Spartacist/South Africa, Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten), zum 11. Nationalkongress von COSATU, um unsere Zeitungen zu verkaufen. Ein wichtiges Ziel war dabei für uns, mit Delegierten in Kontakt zu kommen, die über das brutale Polizeimassaker vom 16. August an streikenden Bergarbeitern in Marikana wütend sind und die Solidarität mit den wilden Streiks in Marikana und andernorts empfinden.

Wir verbreiteten unsere Erklärung vom 23. August, in der wir das Massaker verurteilen, sowie die neueste Ausgabe (14. September) des von der US-amerikanischen Sektion der IKL herausgegebenen Workers Vanguard, mit der Schlagzeile: „ANC/SACP/COSATU-Führer: Handlanger für die Bergwerksbosse – Streikende Bergarbeiter nach Massaker standhaft“. Auf unseren Plakaten erklärten wir die Notwendigkeit von Arbeitersolidarität mit diesen Streiks, wofür unsere Genossen weltweit eingetreten sind. So forderten wir: „Weg mit allen Anklagen! Sieg den streikenden Bergarbeitern!“ Mit einem anderen Plakat betonten wir das – durch das Marikana-Massaker blutig bestätigte – marxistische Verständnis, dass die Bullen keine Arbeiter sind, sondern die bezahlten Killer der Bourgeoisie: „Bullen und Wachleute raus aus den Gewerkschaften!“ Ein drittes Plakat machte klar, dass die Arbeiterklasse unabhängig von bürgerlichem Nationalismus sein muss und gegen den Kapitalismus der Neo-Apartheid eine revolutionäre Perspektive braucht: „Brecht mit der bürgerlichen Dreierallianz! Für eine zentral von Schwarzen getragene Arbeiterregierung!“

Während nicht wenige Delegierte Interesse zeigten, sich unsere politischen Losungen und die Zeitschriften mit unserem umfassenderen Programm für neue Oktoberrevolutionen und den authentischen Kommunismus von Lenin und Trotzki einmal anzusehen, waren einige andere nicht so erfreut uns zu sehen. Zu letzteren gehörten definitiv Mitglieder von POPCRU, der mit COSATU verbundenen Bullen-„Gewerkschaft“, und einige Spitzenbürokraten der Bergarbeitergewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers), die infamerweise die Streikenden aus Marikana denunziert und sowohl vor als auch nach dem Massaker vom 16. August staatliche Repression gegen sie gefordert hatten. Nach etwa einer Stunde Anwesenheit unserer Genossen am Tagungsort des Kongresses beschloss eine Gruppe von Bürokraten – unfähig, unserer Kritik mit politischen Argumenten zu begegnen –, ihre Fäuste einzusetzen, um unsere Unterstützung für die streikenden Gesteinshauer und unsere Ablehnung des Neo-Apartheid-Massakers zum Schweigen zu bringen. Eine organisierte Gruppe von 10 bis 15 Schläger-Bürokraten rückte an, schlug unsere Genossen zusammen, warf unseren Büchertisch um und zündete unsere Zeitungen und Plakate an. Mehrere Delegierte, die den Angriff miterlebten, protestierten gegen diese Schlägermethode zum Mundtotmachen politischer Gegner, aber die Bürokraten hörten auf niemanden.

Unmittelbar war dieser Angriff zwar gegen unsere Genossen gerichtet, der Zweck war aber, gegen jeden eine Warnung auszusenden, der sich innerhalb von COSATU für Arbeitersolidarität mit den wilden Streiks der Bergarbeiter einsetzen oder dagegen auftreten würde, dass die prokapitalistischen Bürokraten die Gewerkschaften im Würgegriff halten. Die Lonmin-Bergarbeiter führten einen sechs Wochen langen, entschlossenen Kampf gegen die Bergwerksbesitzer. Sie trotzten blutiger Repression seitens der kapitalistischen Regierung, während ihnen die Führer von NUM und COSATU in den Rücken fielen. Und sie errangen einen wichtigen Sieg: Am 18. September stimmte Lonmin beträchtlichen Lohnerhöhungen für Gesteinshauer und andere Arbeiter zu. Die COSATU-Bürokraten haben Angst, dass andere Teile der Arbeiterklasse sich davon inspirieren lassen, den Weg des Klassenkampfes zu wählen und so die netten Beziehungen der Bürokraten mit den Kapitalisten und deren Regierung über den Haufen zu werfen. Aus diesem Grund verurteilen die Spitzen der Dreierallianz nun die Lonmin-Bosse für ihr „Einknicken“ vor dem wilden Streik. Laut Mail & Guardian online (19. September) beschwerte sich COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi am Tag des Streikabschlusses über Twitter: „Cosatu und NUM müssen schnell reagieren, oder dieser Abschluss kann das [sic] jedes vorhandene Verhandlungssystem umkippen… er kann die Nachricht vermittelt [sic]: Arbeiter können sich selbst führen und bekommen, was sie wollen.“

Das Marikana-Massaker und sein Nachspiel entlarven vor aller Augen das wirklich grauenvolle, brutal rassistische Wesen des Kapitalismus der Neo-Apartheid. Um die 78 Arbeiter wurden verwundet und mindestens 34 getötet, viele davon gejagt und abgeknallt in einem De-facto-Amoklauf der Bullen. Marikana zeigt, dass das Blut schwarzer Arbeiter heute, im „neuen“ Südafrika, genauso wenig wert ist wie unter der Apartheid-Herrschaft. Und es zeigt, was wir seit 1994 wiederholt betont haben: Unter der Neo-Apartheid sind die Führer der bürgerlichen Dreierallianz von ANC, SACP und COSATU die Einpeitscher des kapitalistischen Elends für die mehrheitlich schwarzen Massen, und sie verteidigen die Herrschaft der (überwiegend weißen) Bergwerksbosse, der Randlords und deren imperialistischer Oberherren.

Deutlich zeigt sich dies in der Rolle, die die verräterischen Führer der NUM spielen. Sie haben die Bullen verteidigt und wiederholt Repression gefordert gegen die Streikführer und besonders gegen die Gewerkschaft AMCU (Association of Mineworkers and Construction Union), der sich viele Arbeiter aus Abscheu über den Verrat der NUM-Bürokratie angeschlossen haben. Direkt nach dem Massaker sagte NUM-Generalsekretär Frans Baleni in einem Radiointerview: „Die Polizei war geduldig, doch diese Leute waren extrem ausgestattet mit gefährlichen Waffen.“

Beim COSATU-Nationalkongress stimmte der SACP-Generalsekretär (und Minister für höhere Bildung) Blade Nzimande mit Baleni überein; sie verurteilten die Bergarbeiter und riefen nach weiterer staatlicher Repression. In einer Rede an den Kongress vom 17. September wetterte Nzimande gegen „lumpen-patriarchalische Netzwerke“, die angeblich die Bergarbeiter betrügen und einschüchtern. Er erklärte unverfroren: „Die SACP unterstützt voll und ganz das harte Durchgreifen der Regierung gegen das illegale Tragen von Waffen, gegen Einschüchterung und das Aufstacheln zu Gewalt. Den Rädelsführern muss das Handwerk gelegt und sie müssen von der Masse fehlgeleiteter Streikender getrennt werden (von denen viele gar nicht bei Lonmin angestellt sind und nicht einmal Arbeiter sind).“

Die Führer von SACP und COSATU haben ein Problem: Nach mehr als 18 Jahren der Dreierallianz an der Macht entlädt sich an der Basis der Gesellschaft Wut über die anhaltende Unterdrückung unter der Neo-Apartheid. Das schließt auch viele SACP- und COSATU-Mitglieder ein, die von dem wiederholten, im Namen der bürgerlichen Dreierallianz begangenen Verrat ihrer Führung an Arbeiterkämpfen die Schnauze voll haben. Das Marikana-Massaker ist zu einem Brennpunkt dieser Wut geworden.

Internet-Berichten der bürgerlichen Zeitungen Mail & Guardian und Daily Maverick zufolge marschierten die Bürokraten, die unsere Zeitungen verbrannt hatten, danach in die Kongresshalle und sangen Pro-Zuma-Lieder, was zu einem Wortgefecht zwischen Pro- und Anti-Zuma-Delegierten führte. Wir sind gegen alle Fraktionen des bürgerlichen ANC und kämpfen dafür, Militante der Arbeiterklasse für einen Bruch von der Dreierallianz entlang von Klassenlinien zu gewinnen. Jahrelang wurden die Interessen der Arbeiter im Namen der bürgerlichen Dreierallianz und der Unterstützung dieses oder jenes bürgerlichen Politikers ausverkauft – vor [der ANC-Konferenz in] Polokwane 2007 war es Zuma kontra Mbeki; jetzt, vor Mangaung 2012, ist es Zuma kontra Motlanthe/Malema. Bei diesem Gezänk geht es nur darum, welchen Vertreter des Klassenfeindes zu unterstützen – wir weisen diesen Schwindel komplett zurück: Die Interessen der Arbeiterklasse sind denen der Bourgeoisie unversöhnlich entgegengesetzt. Um sich von dem Elend der kapitalistischen Neo-Apartheid zu befreien, brauchen die Arbeiter eine Führung, die von allen Flügeln der Bourgeoisie und von ihrem unterdrückerischen Staat unabhängig und ihnen entgegengesetzt ist. In unserem Kampf für den Aufbau der revolutionären internationalistischen Avantgardepartei, die dafür notwendig ist, bleiben wir unerschütterlich.