Spartakist Nr. 207 |
März 2015 |
US-Imperialisten eröffnen diplomatische Beziehungen
Verteidigt die Errungenschaften der Kubanischen Revolution!
Für proletarisch-politische Revolution in Kuba!
Der nachfolgende Artikel erschien zuerst in Workers Vanguard (Nr. 1059, 9. Januar), Zeitung unserer Genossen der Spartacist League/U.S.
Mehr als ein halbes Jahrhundert lang haben die US-Imperialisten unerbittlich daran gearbeitet, die Kubanische Revolution zu Fall zu bringen und die Herrschaft des Kapitals auf der Insel wiederherzustellen: von der Schweinebucht-Invasion 1961 bis zu wiederholten Versuchen, Fidel Castro zu ermorden, von terroristischen Provokationen der CIA und der exilkubanischen Gusanos bis zu Sabotageakten. Jetzt hat Obamas Weißes Haus angekündigt, es wolle mit Kuba durch die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen „einen neuen Kurs abstecken“, d. h. einen vermeintlich effektiveren Weg verfolgen, um dasselbe strategische Ziel zu erreichen. Die Beziehungen zu Havanna hatte Washington abgebrochen, nachdem die Castro-Regierung 1960 die Kapitalistenklasse auf der Insel enteignet hatte, was den kubanischen Massen enorme Errungenschaften brachte.
Was zur Debatte steht, ist verhältnismäßig bescheiden: die Lockerung verschiedener Reisebeschränkungen, die Zulassung eines gewissen Ausmaßes an Handel und Exporten und die Erleichterung von Banktransaktionen zwischen den beiden Ländern. Das erdrückende US-Embargo, ein Akt wirtschaftlicher Kriegsführung, das die kubanischen Arbeiter und Bauern seit Jahrzehnten stranguliert, wird gelockert, aber nicht aufgehoben. Obama behauptet, er könne ohne die Zustimmung des Kongresses das Torricelli- und das Helms-Burton-Gesetz nicht kippen. Diese Gesetze verschärften das Embargo nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991/92, durch den wichtige Wirtschafts- und Militärhilfe für Kuba wegfiel. Sie wurden unter dem Demokraten Clinton unterzeichnet und zielten darauf ab, „auf der Insel verheerenden Schaden anzurichten“. Nieder mit dem Embargo!
Als revolutionäre Marxisten sagen wir, dass Kuba das Recht hat, zu jedem beliebigen kapitalistischen Land diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen aufzunehmen, nicht zuletzt als ein Mittel, um zu versuchen, das sehr ernste Problem seiner wirtschaftlichen Stagnation zu bewältigen. Vermehrte wirtschaftliche und finanzielle Beziehungen zu US-Unternehmen würden nicht an sich auf eine schleichende Restauration des Kapitalismus hinauslaufen. Doch bergen sie die sehr ernste Gefahr in sich, die inneren Kräfte für eine kapitalistische Konterrevolution auf der Insel zu stärken.
Unterdessen erinnert die Existenz des US-Marinestützpunkts und Foltergefängnisses in Guantánamo Bay – wo etwa 130 Gefangene des US-„Kriegs gegen den Terror“ festgehalten werden – daran, dass sich Kuba militärisch immer noch im Fadenkreuz der Imperialisten befindet. Trotz der Freilassung Dutzender Gefangener im vergangenen Jahr ist Obama nicht bereit, diesen Kerker zu schließen oder gar Guantánamo an Kuba zurückzugeben. Sofortiger Abzug der USA aus Guantánamo Bay!
Zum Tauwetter in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern kam es nach mehr als einjährigen Verhandlungen, die von der kanadischen Regierung ausgerichtet und vom Vatikan vorangetrieben wurden. Wie frühere Vorstandschefs des US-Imperialismus hat Obama gegenüber Kuba offen revanchistische Ziele. Unter Obamas Aufsicht hat die US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) – seit den 1960er-Jahren berüchtigt für ihre Zusammenarbeit mit der CIA – verschiedene konterrevolutionäre Pläne ausgeheckt, um proimperialistischen Dissens auf der Insel zu säen. Ein jüngstes Komplott beinhaltet die Unterwanderung von Kubas Untergrund-Hip-Hop-Gruppen, um eine gegen das Regime gerichtete Jugendbewegung ins Leben zu rufen.
Im Rahmen des kürzlich geschlossenen Abkommens ließ Obama die drei Mitglieder der Cuban Five frei, die sich noch in Haft befanden, nachdem sie 2001 aufgrund erfundener Spionage- und Mordkomplottanklagen verurteilt worden waren. Es ist ein Grund zum Feiern, dass die Cuban Five nun in Freiheit sind – Männer, die heroisch versuchten, terroristische Akte gegen Kuba durch Infiltration und Überwachung konterrevolutionärer Exilgruppen in Florida zu verhindern. Im Austausch schob Präsident Raúl Castro zwei amerikanische Spione ab: den ehemaligen kubanischen Geheimdienstoffizier Rolando Sarraff Trujillo – der die abgekartete Festnahme der Cuban Five ermöglicht hatte – und den USAID-Dienstleister Alan Gross, der entsandt worden war, um für Spionagezwecke Computer- und Satellitenkommunikationsausrüstung nach Kuba zu schmuggeln.
Die Internationale Kommunistische Liga hat schon immer für die bedingungslose militärische Verteidigung Kubas gegen die Bedrohung durch kapitalistische Konterrevolution und imperialistische Angriffe gekämpft. Dies entspringt unserem Verständnis, dass Kuba ein Arbeiterstaat ist, in dem der Kapitalismus gestürzt wurde. Doch dieser Arbeiterstaat war von Anfang an bürokratisch deformiert, das heißt die politische Macht wird durch eine parasitäre herrschende Bürokratie vereinnahmt. Die materielle Grundlage für diese Bürokratie ist die Verwaltung der kollektivierten Wirtschaft unter Bedingungen des Mangels.
Die Abschaffung der Profitproduktion zusammen mit der Einführung von zentraler Planung und staatlichem Außenhandels- und Investitionsmonopol erlaubte es Kuba, alle mit Arbeit, Wohnung und Ausbildung zu versorgen. Bis heute hat Kuba eine der höchsten Alphabetisierungsraten der Welt und eine niedrigere Kindersterblichkeit als die USA oder die Europäische Union. Kubas anerkannt gutes Gesundheitssystem mit mehr Ärzten pro Kopf der Bevölkerung als irgendwo sonst auf der Welt bietet kostenlose medizinische Versorgung von höherer Qualität als selbst in vielen fortgeschritteneren Ländern. Kubanische Ärzte haben weltweit Leben gerettet und werden regelmäßig entsandt, um Katastrophenopfern zu helfen, auch bei der Ebola-Krise in Afrika. Es zeugt von der Überlegenheit einer kollektivierten Wirtschaft, dass eine winzige, relativ arme Insel so lange unter erdrückenden Sanktionen und militärischen Provokationen des nur 150 Kilometer von seiner Küste entfernten US-Kolosses überlebt hat.
Raúl Castro verkündete die Wiederannäherung zwischen den USA und Kuba in einer Rede vom 20. Dezember 2014 vor der kubanischen Nationalversammlung. In dieser Rede warnte er davor, für die Wiederbelebung der stagnierenden Wirtschaft des Landes zu „Schocktherapien“ oder beschleunigten Privatisierungen Zuflucht zu nehmen, denn das würde bedeuten, „die Flaggen des Sozialismus zu streichen“. Doch Sozialismus ist eine klassenlose, egalitäre Gesellschaft des materiellen Überflusses in internationalem Maßstab. Ein isolierter Arbeiterstaat ist enormem Druck, seitens der ihn umgebenden kapitalistischen Welt ausgesetzt – Druck der ihn unterminiert und ihn letztendlich zerstören wird. Kubas Schicksal und seine Weiterentwicklung zum Sozialismus sind verbunden mit dem Kampf für proletarische Macht in ganz Lateinamerika und der übrigen Welt, insbesondere in den USA.
Die Politik der Castro-Bürokratie in Havanna hat sich von Anfang an als ein Hindernis für diese Perspektive erwiesen. Das kubanische Regime ist ebenso wie die stalinistische Bürokratie der ehemaligen Sowjetunion dem nationalistischen Dogma vom Aufbau des „Sozialismus in einem Land“ verpflichtet. Dies hat bedeutet, sich den revolutionären Möglichkeiten außerhalb der Insel entgegenzustellen. In den frühen 1970er-Jahren begrüßte Fidel Castro Chiles Volksfrontregierung unter Salvador Allende, deren Ziel es war, eine drohende Arbeiterrevolution abzuwürgen und das militante Proletariat zu entwaffnen, was Pinochets blutigem Militärputsch den Weg ebnete. Ein Jahrzehnt später ermahnte Fidel die kleinbürgerlichen nicaraguanischen Sandinisten, die die unterdrückerische Diktatur Somozas gestürzt und den kapitalistischen Staat zerschlagen hatten, nicht den kubanischen Weg einzuschlagen und nicht die Bourgeoisie zu enteignen. Die Castro-Leute haben von jeher bürgerlich-nationalistische Regime unterstützt, zum Beispiel verherrlichen sie den inzwischen verstorbenen venezolanischen populistischen Machthaber Hugo Chávez als angeblichen Revolutionär.
So ist die Verteidigung der Kubanischen Revolution durch die Trotzkisten direkt verbunden mit dem Aufruf zu einer proletarisch-politischen Revolution, um die Castro-Bürokratie zu stürzen und die Arbeiterklasse an die Macht zu bringen durch die Errichtung eines auf Arbeiterdemokratie und revolutionärem Internationalismus basierenden Regimes. Dies erfordert die Schmiedung einer leninistisch-trotzkistischen Avantgardepartei, die Kubas werktätige Massen im Kampf mobilisieren wird.
Imperialistische Verwüstungen und „Marktreformen“
Die Lockerung der Restriktionen gegen Kuba rief erwartungsgemäß in der antikommunistischen Schlangengrube kubanischer Exilanten und ihrer Kreaturen, z.B. Senator Marco Rubio aus Florida, Wutausbrüche hervor. Doch von einem breiten Sektor der Bourgeoisie, einschließlich der Handelskammer der Bosse, und von kapitalistischen Medien wird sie gefeiert. Die New York Times hat in den vergangenen Monaten wiederholt die Aufhebung des Embargos gefordert. Ein Kommentar in Forbes (16. Januar 2013), der kriegerische US-Politik als kontraproduktiv und veraltet einschätzt, bemerkte: „Ein unbefristetes Embargo gegen ein Entwicklungsland, das sich auf Reformen zubewegt, ist wenig sinnvoll, insbesondere wenn Amerikas Verbündete dem Embargo offen ablehnend gegenüberstehen. Es verhindert das Zustandekommen einer breiteren Diskussion über kluge Reformen in Kuba und ist wirtschaftlich sinnlos.“
Die Obama-Regierung bekundet ihren Wunsch nach „einem demokratischen, wohlhabenden und stabilen“ Kuba, womit sie die Rückversetzung Kubas in den neokolonialen Zustand durch eine Restauration des Kapitalismus meint, der den US-Herrschern profitable Investitionen auf Grundlage von Niedriglohnarbeit ermöglichen würde, sowie die Errichtung eines willfährigen politischen Regimes. Europäischen und kanadischen Kapitalisten gelang es, mithilfe von Joint Ventures in den kubanischen Markt vorzudringen, und sie beabsichtigen, das Land mit Billigimporten zu überschwemmen. Mehrere US-Großunternehmen, darunter Caterpillar, Colgate-Palmolive und Pepsico, haben Angst, den Markt ihren Konkurrenten überlassen zu müssen.
Es steht viel auf dem Spiel: Letztendlich wird die einzige vergesellschaftete Wirtschaft in Lateinamerika entweder durch die internationale Ausweitung der Revolution überleben oder eine kapitalistische Konterrevolution wird Kuba wieder zur Spielwiese der US-Bourgeoisie machen. In Verratene Revolution (1936) beschrieb der revolutionäre marxistische Führer Leo Trotzki die Lage, in der sich der sowjetische degenerierte Arbeiterstaat befand, d. h. seine Einkreisung durch technologisch und industriell fortgeschrittenere kapitalistische Länder. Trotzki schrieb: „Aber ihrem Wesen nach steht die Frage ,wer wen?‘ vor der UdSSR im Weltmaßstab, und zwar nicht so sehr als eine militärische, sondern als Wirtschaftsfrage. Die Militärintervention ist gefährlich. Die Intervention billiger Waren im Gefolge der kapitalistischen Armeen wäre weitaus gefährlicher.“ Diese Feststellung trifft auf die Gefahren zu, denen sich Kuba heute gegenübersieht.
30 Jahre lang profitierte Kuba von umfangreichen sowjetischen Subventionen. Im letzten Jahrzehnt setzte es in hohem Maße auf das kapitalistische Venezuela als Haupthandelspartner, das Kuba mit billigem Öl versorgte. Doch dies ist eine heikle Situation angesichts der Tatsache, dass Venezuela durch den Zusammenbruch der weltweiten Ölpreise selbst eine schwere Krise durchmacht, von Inflation geplagt wird und neuerdings unter zusätzlichen Rachesanktionen der USA zu leiden hat.
Kuba hat sich von der schweren Krise, die auf die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion folgte, nie ganz erholt. Seit einer als „Sonderperiode“ bezeichneten Zeit in den frühen 90er-Jahren hat die kubanische Bürokratie das Land für imperialistische wirtschaftliche Durchdringung geöffnet und im Rahmen von „Marktreformen“ Sektoren der kollektivierten Wirtschaft an private Kleinunternehmer übergeben. Durch diese und andere Maßnahmen, wie die Ermutigung zu selbstständigem Unternehmertum im Dienstleistungssektor und größere Autonomie für Staatsunternehmen, nahm auf der Insel die Ungleichheit zu. Kubanische Schwarze, die durch die Revolution ungeheure Errungenschaften erlangten, sind besonders hart betroffen, da sie weniger Zugang zu harten Devisen haben etwa durch Überweisungen aus dem Ausland oder durch einen Job im Tourismussektor.
Kuba beherbergt heute bedeutende imperialistische Investitionen und ist auf weitere aus. In dem 50 km von Havanna entfernten Tiefwasserhafen Port of Mariel hat die kubanische Regierung die Errichtung einer besonderen „Freihandels“-Wirtschaftszone genehmigt, wo die größten Frachtschiffe der Welt anlegen können. Brasilien hat bereits fast eine Milliarde Dollar in das Projekt investiert. Jetzt, wo die Aussicht auf neuerlichen Handel mit den USA besteht, wiederholen wir unsere Warnung, dass eine solche Entwicklung „die Bedeutung des staatlichen Außenhandelsmonopols [unterstreicht] – d. h. strikte Regierungskontrolle aller Importe und Exporte“ („Kuba: Wirtschaftskrise und ,Marktreformen‘ “, Spartakist Nr. 191, Januar 2012).
Das kubanische Regime hat zur reaktionären katholischen Kirche auf der Insel wieder Beziehungen aufgenommen und fördert diese potenzielle Brutstätte der kapitalistischen Konterrevolution. Papst Franziskus erhielt sowohl von Obama als auch von Castro Beifall für seine Rolle bei dem Abkommen. Dieser jesuitische Papst hat es dem Vatikan ermöglicht, sein Image etwas aufzumöbeln, indem er die Kirche zu größerer Offenheit mahnte (Abtreibung und Frauenordination lehnt er weiterhin entschieden ab) und indem er gegen die „Tyrannei“ des Kapitalismus predigte. Dabei verfolgt er aber genau so finstere Absichten wie seine Vorgänger.
Der Vatikan ist berüchtigt dafür, lateinamerikanische Militärdiktaturen zu unterstützen und kapitalistische Restauration unter dem Deckmantel angeblich freier Wahlen und „demokratischer“ Reformen zu fördern. Der kubanische Kardinal Jaime Ortega – er wurde in den frühen Jahren der Revolution, als die Vorherrschaft der katholischen Kirche gebrochen wurde, in ein Straflager gesperrt – ist ein ausgesprochener Befürworter solcher „Reformen“ auf der Insel, genauso wie Papst Franziskus. 1998 empfing Fidel begeistert Papst Johannes Paul II. und 2012 Papst Benedikt XVI. Im ganzen Land erinnern Fotos und Denkmäler an das Treffen zwischen Castro und Johannes Paul, dem Schutzpatron der Konterrevolution, der unermüdlich an der Restauration des Kapitalismus in den osteuropäischen deformierten Arbeiterstaaten arbeitete, insbesondere in seinem Geburtsland Polen.
Verteidigung Kubas am Scheideweg
Die Guerillakräfte, die 1959 unter Fidel Castros Führung in Havanna einmarschierten, waren eine politisch heterogene kleinbürgerliche Formation. Ihr Sieg führte nicht nur zum Sturz des verhassten Batista-Regimes, sondern auch zur Zerschlagung des alten bürgerlichen Staatsapparats. Die neue Regierung führte eine Reihe liberaler Reformen durch. Doch die Neuverteilung des Landes und die Maßnahmen gegen Batistas ehemalige Folterpolizisten erschreckten Castros eigene bürgerliche Unterstützer, die nach Miami zu fliehen begannen. Diese Maßnahmen alarmierten auch Washington, das Strafaktionen unternahm und so Castro dazu zwang, ein Handelsabkommen mit der Sowjetunion abzuschließen. Die Weigerung imperialistischer Raffineriebesitzer, sowjetisches Rohöl weiterzuverarbeiten, trieb Kuba zur Verstaatlichung des US-Besitzes, gefolgt von der Verstaatlichung aller Banken und Unternehmen im Oktober 1960, wodurch die kubanische Bourgeoisie als Klasse liquidiert wurde. Heute läuft Konzernen wie United Fruit, Standard Oil und Texaco das Wasser im Munde zusammen angesichts der Aussicht, für die vor einem halben Jahrhundert erfolgten Verstaatlichungen eine Entschädigung zu erzwingen.
Das Beste, was aus der Kubanischen Revolution ohne die Machtergreifung des Proletariats unter der Führung einer revolutionären Avantgardepartei hervorgehen konnte, war die Schaffung eines deformierten Arbeiterstaats. Wie es einer auf die Bauernschaft gestützten Guerillabewegung gelingen konnte, die kapitalistische Herrschaft zu stürzen, erläuterten wir 1966 in der Grundsatzerklärung der Spartacist League, angenommen auf der Gründungskonferenz:
„Bewegungen dieser Art können unter gewissen Umständen, d. h. der extremen Desorganisierung der kapitalistischen Klasse in dem kolonialen Land und dem Fehlen einer Arbeiterklasse, die unter eigener Fahne um die gesellschaftliche Macht kämpft, die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse zerstören; aber sie können der Arbeiterklasse nicht zu politischer Macht verhelfen. Eher bringen sie bürokratische, antiproletarische Regimes hervor, die jede weitere Entwicklung dieser Revolutionen in Richtung Sozialismus unterdrücken.“ (abgedruckt in Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 2, Herbst 1974)
Diese Revolution hätte nicht überlebt ohne die Sowjetunion, die sowohl ein militärisches Gegengewicht zum Imperialismus war als auch eine Lebensader für die kubanische Wirtschaft. Da es heute eine derartige Lebensader nicht mehr gibt, hat sich die historische Möglichkeit für kleinbürgerliche Kräfte, einen deformierten Arbeiterstaat zu schaffen, erledigt.
Der Kampf für die Verteidigung und Ausweitung der Kubanischen Revolution ist ein Markenzeichen unserer Tendenz seit unseren Anfängen als Revolutionäre Tendenz (RT), eine Minderheit innerhalb der Socialist Workers Party (SWP) in den USA. Die SWP-Mehrheit stellten das Castro-Regime auf eine Stufe mit der revolutionären bolschewistischen Regierung Lenins und Trotzkis. Damit bestritten die Führer der SWP-Mehrheit explizit sowohl die Notwendigkeit einer leninistisch-trotzkistischen Partei, die revolutionäre Führung gibt, als auch die zentrale Bedeutung des Proletariats im Kampf für eine sozialistische Revolution.
Nachdem die SWP jegliche Hoffnung in diese Perspektive aufgegeben hatte, begeisterte sie sich unkritisch für die Castro-Bürokratie. Im Januar 1961 verabschiedete die SWP Joseph Hansens „Thesen zur Kubanischen Revolution“, in denen es hieß, Kuba sei „in die Übergangsphase eines Arbeiterstaates eingetreten, wenn auch bei diesem bisher die Formen der demokratischen proletarischen Herrschaft fehlen“.
Mehr als ein halbes Jahrhundert später haben sich unsere trotzkistische Analyse und unser Programm vor der Geschichte bewährt. Diejenigen, die gestern die kubanische Bürokratie bejubelten, sind älter geworden, aber kein bisschen weiser. In einem am 23. Dezember bei counterpunch.org geposteten Artikel beschwört Jeff Mackler, Oberboss von Socialist Action (in Deutschland verbunden mit Revolutionär Sozialistischem Bund, RSB), einem Abkömmling der reformistischen SWP, Hansens Geist herauf und schreibt: „Zwar existieren in Kuba immer noch [!] keine formalen und lebensnotwendigen Einrichtungen einer Arbeiterdemokratie, … [dennoch] hat sich die gegenwärtige kubanische Führung nicht zu einer verfestigten Kaste entwickelt, deren Interessen nur durch Repression gewahrt werden können.“
In Wirklichkeit hat die Bürokratenkaste unter Führung der Castros schon immer die Arbeiterklasse von der politischen Macht ausgeschlossen und dabei Repression und die Ideologie des Nationalismus benutzt, um die kubanischen Arbeiter und Bauern atomisiert und politisch passiv zu halten. Das Castro-Regime sperrt nicht nur Dissidenten ein, die aktiv mit dem US-Imperialismus kollaborieren, sondern richtet seine Unterdrückung auch gegen prosozialistische Widersacher, darunter Kämpfer wie die Trotzkisten in den 1960er-Jahren. Das zeigt den von Haus aus widersprüchlichen Charakter der stalinistischen Bürokratenkaste, die zwischen der imperialistischen Bourgeoisie auf der einen Seite und der Arbeiterklasse auf der anderen balanciert.
Mackler ergeht sich in Lobhudeleien für das „Castro-Team“ als großen Hüter des Sozialismus. Er lobt die Marktreformen der Bürokratie – sie lägen „innerhalb des Rahmens der Aufrechterhaltung seiner [Kubas] sozialistischen Ideale mit dem Ziel, die Effizienz der kubanischen Wirtschaft zu verbessern“ – und trumpft absurderweise damit auf, diese Reformen würden „Millionen von Kubanern“ vor ihrer Durchführung „zur Diskussion, Debatte und Abänderung vorgelegt“.
Marktorientierte Maßnahmen sind ein Versuch, auf wirtschaftliche Stagnation so zu reagieren, dass die stalinistische Bürokratie die Kontrolle über die Wirtschaft behält. Wie wir in dem Artikel „Für zentrale Planung durch Sowjetdemokratie“ (abgedruckt in „Marktsozialismus“ in Osteuropa, Spartakist-Broschüre, August 1989) schrieben:
„Wirtschaftsplanung … kann nur dann effektiv sein, wenn Arbeiter, technische Intelligenz und Manager sich mit der Regierung identifizieren, die diese Pläne aufstellt…
Im Rahmen des Stalinismus gibt es also eine innere Tendenz, die zentrale Planung und Leitung zu ersetzen durch Marktmechanismen. Da Manager und Arbeiter nicht der Disziplin der Sowjetdemokratie (Arbeiterräte) unterworfen werden können, sieht die Bürokratie die einzige Antwort auf die wirtschaftliche Ineffizienz immer mehr darin, die Wirtschaftsakteure der Disziplin marktwirtschaftlicher Konkurrenz zu unterwerfen.“
Arbeiterräte sind nicht einfach irgendeine andere „Form“ proletarischer Herrschaft, sondern entscheidend für das rationale Funktionieren einer sozialisierten Planwirtschaft.
Mackler behauptet auch, Kubas „humanitäre Anstrengungen“ im Ausland bezeugten seine „immer noch revolutionäre und sozialistische Orientierung“. Viele von Kubas internationalen Interventionen waren tatsächlich heroisch, vor allem als das Land in den 1970er-Jahren Tausende von Soldaten nach Afrika entsandte, um die eben erlangte Unabhängigkeit Angolas von Portugal gegen die dortigen vom US-Imperialismus und von Südafrikas Apartheid-Regime unterstützten reaktionären Kräfte zu verteidigen. Doch das Ziel der kubanischen Stalinisten war nie, beim Sturz des Kapitalismus in Afrika mitzuhelfen; ihre Intervention war Ausdruck ihrer politischen Unterstützung für die bürgerlichen angolanischen Nationalisten, an deren Seite sie kämpften. Selbst im Fadenkreuz der USA gelüstete es Fidel Castro immer danach, „Entspannung“ zu erreichen mittels eines „fortschrittlichen“ Flügels des amerikanischen Imperialismus – d. h. der Demokratischen Partei.
Während Pseudotrotzkisten wie Socialist Action die stalinistische Bürokratie mit Lob überhäufen, beteiligen sie sich anderswo an antikommunistischen Kreuzzügen der Imperialisten für „Demokratie“. Socialist Action verbündete sich mit den schlimmsten Feinden der Kubanischen Revolution, als sie für die Kräfte der kapitalistischen Restauration eintraten, die in den 1980er-Jahren gegen den degenerierten Arbeiterstaat Sowjetunion mobilisiert wurden, darunter die Lieblings„gewerkschaft“ von Papst Johannes Paul II., die konterrevolutionäre polnische Solidarność.
Andere Pseudosozialisten sind Gegner des Castro-Regimes aus übler antikommunistischer Feindschaft gegen den kubanischen Arbeiterstaat selbst. Dies trifft auf die International Socialist Organization (ISO) in den USA zu, entfremdete Cousins von Tony Cliffs internationaler Tendenz. Die Cliff-Leute sind bekannt dafür, dass sie Kuba zusammen mit China sowie der ehemaligen Sowjetunion und dem Ostblock als „staatskapitalistische Regime“ abgeschrieben haben, die „nichts mit Sozialismus zu tun haben“.
In einem Artikel in der Zeitschrift Jacobin (22. Dezember) pries Samuel Farber, der regelmäßig in der ISO-Presse Beiträge schreibt, die Wiederaufnahme der Beziehungen zu den USA als eine „bedeutende Errungenschaft für die kubanischen Menschen“. Farber zufolge, der sich wohl die Stichworte vom US-Außenministerium holt, kann das Abkommen „den Lebensstandard der Kubaner verbessern und dazu beitragen, die Bedingungen ihrer politischen Unterdrückung und wirtschaftlichen Ausbeutung zu liberalisieren, wenn auch nicht notwendigerweise zu demokratisieren“. Für Farber ist Kuba nur irgendein Staat, der auf kapitalistischer „Ausbeutung“ basiert, sich aber von den USA durch seinen Mangel an „Demokratie“ unterscheidet.
Revolutionäre in den USA haben eine besondere Pflicht, Kuba gegen eine kapitalistische Restauration und den räuberischen amerikanischen Imperialismus zu verteidigen. Das kann nicht auf die Frage reduziert werden, die einzigartige Kultur Kubas zu erhalten oder lediglich das Vordringen imperialistischer Monopole auf der Insel zu verhindern. Die Zukunft der kubanischen Massen – eng verknüpft mit der Befreiung Hunderter von Millionen Werktätiger in ganz Lateinamerika und verbunden mit dem Kampf zur Befreiung der Ausgebeuteten und Unterdrückten in der Höhle der Bestie US-Imperialismus – ist eine Klassenfrage. Wir kämpfen für die Schmiedung einer revolutionären Arbeiterpartei in den USA als Sektion einer wiedergeschmiedeten trotzkistischen Vierten Internationale. Eine solche Partei würde in der multirassischen amerikanischen Arbeiterklasse das Verständnis verankern, dass die Verteidigung der Kubanischen Revolution ein unerlässlicher Bestandteil ihres eigenen Kampfes gegen die kapitalistischen US-Herrscher und für eine sozialistische Weltrevolution ist.