Spartakist Nr. 208 |
Mai 2015 |
Kritischer Gesundheitszustand
Mumia in Lebensgefahr Freilassung sofort!
Folgende Erklärung des Partisan Defense Committee (PDC), US-Schwesterorganisation des Komitees für soziale Verteidigung (KfsV), wurde am 13. April veröffentlicht.
Am 30. März wurde der Klassenkampf-Gefangene Mumia Abu-Jamal aus dem Staatsgefängnis Mahanoy in Pennsylvania eilends auf die Intensivstation des Schuylkill Medical Centers eingeliefert. Sein Zustand war einem diabetischen Koma nahe. Aus reiner Grausamkeit verweigerten die Gefängnisbehörden anfangs nicht nur seiner Frau Wadiya und anderen Familienmitgliedern eine Besuchserlaubnis, sondern weigerten sich auch, Informationen über seinen Gesundheitszustand preiszugeben. Auch Pam Africa, Mumias offizieller Kontakt für Notfälle, wurde der Besuch verweigert. Gefängnisbeamte lenkten dann nach zahlreichen Protesten ein, und Wadiya, Mumias Sohn Jamal Hart und seinem älteren Bruder Keith wurden gerade mal 30 Minuten Besuchszeit genehmigt. Mumia hatte eine Insulininfusion in einem Arm, Handschellen am anderen, er konnte kaum sitzen, zitterte und hatte Schmerzen, das Atmen fiel ihm schwer. Wadiya schilderte, wie sie „von seinem Zustand schockiert“ war. Trotz seines heiklen Gesundheitszustands wurde Mumia am 1. April wieder zurück ins Staatsgefängnis Mahonay verlegt, wo die Gefängniswärter ihn gerade erst durch schlechte Behandlung und medizinische Unterversorgung an den Rand des Todes gebracht hatten.
Es ist kein Geheimnis, dass führende Regierungsbeamte nicht nur in Pennsylvania, sondern im ganzen Land Mumia tot sehen wollen. Diese jüngste Notfallsituation macht noch mal drastisch klar, dass Mumia jeden Tag um sein Leben fürchten muss, den er in den Händen derjenigen Behörden verbringt, die seit 30 Jahren das Ziel haben, ihn legal zu lynchen. Nachdem 2011 die Todesstrafe, die gegen Mumia aufgrund einer abgekarteten Anklage verhängt worden war, aufgehoben wurde, sind sie entschlossen, Mumias Gefängnispritsche zu seinem Totenbett zu machen.
Vor drei Monaten berichtete Mumia über den Ausbruch eines Ekzems mit blutigen Wunden und Blasen am ganzen Körper. Mumias Haut reagierte extrem auf eine Behandlung durch Gefängnisärzte. Seit dieser Zeit hat Mumia über 50 Pfund an Gewicht verloren. Die Ergebnisse dreier Bluttests im Februar wurden ihm Berichten zufolge vorenthalten. Selbst das inkompetenteste medizinische Personal hätte erkennen müssen, dass da etwas schief läuft – aber Mumia ließ man dahinsiechen, während seine Blutzuckerwerte immer weiter anstiegen. Die Gefängnisbehörden ließen keine Gelegenheit aus, gegen ihn vorzugehen. So erhielt er eine Disziplinarstrafe, weil er Anfang Januar den Appell versäumte, da er aufgrund seines Zustands in einen trance-ähnlichen Schlaf gefallen war.
Der Mantel des Schweigens, den die Gefängnisbehörden über Mumias Gesundheitszustand verhängten, erinnert an den mysteriösen Tod seines Genossen Phil Africa im Staatsgefängnis in Dallas, Pennsylvania, am 10. Januar. Phil wurde fünf Tage lang völlig isoliert im Krankenhaus festgehalten, und Janine, seiner Frau, mit der er 44 Jahre verheiratet war, wurde bis zwei Tage vor seinem Tod jeder Besuch verweigert. Bis heute haben die Gefängnisbehörden die Ursache für Phils Tod nicht bekanntgegeben.
Mumia ist unschuldig, und seit langem kämpfen wir für seine Freiheit. Nun erfordert die elementare Forderung nach angemessener medizinischer Behandlung seine sofortige Freilassung. Freiheit für Mumia, sofort!
Mumia war im Fadenkreuz des kapitalistischen Staates, seit er als Teenager in den 1960er-Jahren ein Sprecher der Black Panther Party war. Die Feindseligkeit gegen ihn wuchs in den 1970er-Jahren: Als Journalist, der bekannt war als die „Stimme der Entrechteten“, deckte Mumia die rassistische Vendetta der Polizei von Philadelphia gegen MOVE auf, eine hauptsächlich aus Schwarzen bestehende naturverbundene Gruppe, deren Unterstützer er wurde. Mumia wurde in einer abgekarteten Anklage beschuldigt, 1981 Daniel Faulkner, einen Polizisten in Philadelphia, getötet zu haben. Polizei und Staatsanwaltschaft fabrizierten Beweise, um ihn zu verurteilen, zum Beispiel terrorisierten sie Zeugen und heckten zwei Monate nach seiner Verhaftung ein falsches Geständnis aus. Nach einem Prozess 1982, bei dem Mumia das Recht verweigert wurde, sich selbst zu vertreten, und in dem er wiederholt des Gerichtssaals verwiesen wurde, erhielt er explizit für seine politischen Ansichten die Todesstrafe, hauptsächlich wegen seiner Black-Panther-Mitgliedschaft. Nationale und bundesstaatliche Gerichte haben sich immer wieder geweigert, Beweismaterial zu prüfen, das Mumias Unschuld belegt, besonders das beeidigte Geständnis von Arnold Beverly, dass er, und nicht Mumia, Faulkner erschossen hat.
Wie fest Mumia nach wie vor der Sache der Unterdrückten verpflichtet ist, kann man daran sehen, dass er trotz seiner so geschwächten Gesundheit am 10. April einen Radiokommentar abgab zu dem kaltblütigen rassistischen Mord eines weißen Polizisten an dem 50-jährigen Schwarzen Walter Scott in South Carolina sechs Tage zuvor. Die rassistischen Kräfte von „Recht und Ordnung“ unter Führung der Fraternal Order of Police [Polizeibruderschaft] haben mit ihrem Rachefeldzug gegen Mumia darum gekämpft, Mumia zum Schweigen zu bringen und so ziemlich jeden, der irgendwie Unterstützung für Mumias Rechte äußert – von Gewerkschafts- und Studentenaktivisten bis zu liberalen Promis und gelegentlich einem Politiker – zu verteufeln. An dem Tag, als Mumia im Eiltempo ins Krankenhaus gebracht wurde, begannen in einem Gericht von Pennsylvania Anhörungen zu seiner Klage gegen den „Revictimization Relief Act“ [besagt in etwa: Mumias „Opfer“ sollen durch seine Kommentare nicht erneut behelligt werden], der im Oktober letzten Jahres eingeführt wurde mit dem ausdrücklichen Ziel, Mumias Kommentare aus dem Gefängnis und seine Bücher zu unterdrücken.
Nach einem Aufschrei in der bürgerlichen Presse wurde Marilyn Zuniga, Lehrerin von Drittklässlern in Orange, New Jersey, am 10. April ohne Gehalt suspendiert, weil sie ehrenwerterweise Schüler dazu ermutigt hatte, Mumia Genesungswünsche zu schicken. Das PDC schickte einen Protestbrief und fordert Zunigas sofortige Wiedereinstellung ohne Lohneinbußen.
Die medizinische Vernachlässigung derjenigen, die in Amerikas Verliesen eingekerkert sind, erreicht epidemische Ausmaße. Zwar hat die fehlende Betreuung von Menschen, die an schwerwiegenden psychiatrischen Problemen leiden, einige Aufmerksamkeit erregt, erst kürzlich dank der Folterkammern in dem Gefängniskomplex Rikers Island in New York City. Doch dass den Menschen hinter Gittern, hauptsächlich Schwarzen und Latinos, die notwendige medizinische Behandlung verweigert wird, wurde überwiegend ignoriert.
Die medizinische Vernachlässigung in der Gefängnishölle wurde noch verschärft durch die Privatisierung der Gesundheitsversorgung im Gefängnis durch Pfennigfuchser wie den Konzern Corizon Health, der allein schon für fast 350 000 Häftlinge in 27 Bundesstaaten zuständig ist. Gegen Corizon laufen zahlreiche Klagen, unter anderem die der Familie von Javon Frazier, der in einem Bezirksgefängnis in Florida einsaß. Frazier hatte vier Monate lang über Schmerzen in der linken Schulter geklagt und dagegen nur Tylenol bekommen; als er schließlich ins Krankenhaus kam, wurde Knochenkrebs diagnostiziert und sein Arm amputiert. Er starb mit 21 Jahren, wenige Monate nach seiner Freilassung.
Die albtraumhafte Behandlung von Häftlingen gilt noch um ein Vielfaches verstärkt für Menschen wie Mumia, der weggeschlossen wurde, weil er gegen diese rassistische kapitalistische Ordnung kämpft. Das PDC spendete für Mumias medizinische Versorgung und fordert eindringlich Gewerkschaftsaktivisten und Kämpfer für die Freiheit der Schwarzen sowie Studentenaktivisten dazu auf, die sofortige Freilassung von Mumia Abu-Jamal zu fordern. Leser, die helfen wollen, Mumias Kosten zu decken, können spenden an: www.indiegogo.com/projects/mumia-abu-jamal-needs-medical-care-now. Um mit Mumia zu korrespondieren, schreibt an: Mumia Abu-Jamal, AM 8335, SCI Mahanoy, 301 Morea Road, Frackville, PA 17932.