Spartakist Extrablatt, Bundestagwahl 2005

5. September 2005

Keine Stimme für SPD, Grüne, WASG/PDS!

Brecht mit der Klassenzusammenarbeit!
Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei!

Die kapitalistische SPD/Grünen-Regierung ist nach sieben Jahren loyaler und effektiver Herrschaft für den deutschen Imperialismus weitgehend erledigt, weil sich die Arbeiterbasis von der SPD entfremdet hat. Die Wut auf Schröders „Reformen“ – Angriffe auf die Gewerkschaften, das Gesundheitswesen, die Arbeitslosen und Armen, symbolisiert durch die verhassten Gesetze zu Agenda 2010 und Hartz IV – ist weiter gewachsen. Die Bilanz von SPD/Grünen wurde brutal klargestellt: Die Profite der Bosse steigen und die Massenarbeitslosigkeit steigt auch. Im Januar überschritten die offiziellen Arbeitslosenzahlen die Fünf-Millionen-Marke. Die SPD/Grünen-Regierung hat gleichzeitig die außenpolitischen Ziele des deutschen Imperialismus kräftig vorangetrieben. 1999 beteiligte sie sich am US-geführten imperialistischen Angriff auf Serbien, der erste deutsche Kriegseinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg. Darauf folgte die Teilnahme am Krieg gegen Afghanistan. Nach innen hat SPD-Scharfmacher Schily im Namen des „Kriegs gegen den Terror“ demokratische Rechte abgebaut und rassistische Staatsrepressionen verschärft.

Ein großes Problem für viele Arbeiter ist, dass sie von der Schröder-SPD die Nase gestrichen voll haben, aber wissen, dass eine Merkel-Regierung übelsten Sozialraub bedeuten wird. Ermutigt durch die Angriffe von SPD/Grünen-Regierung kündigen CDU/CSU schon in ihrer Wahlkampagne eine Mehrwertsteuererhöhung auf 18 Prozent an und wollen Schröders Sozialraub noch schärfer fortsetzen. Die Wahl zwischen Schröder-Pest und Merkel-Cholera wurde schon von Karl Marx charakterisiert: „Den Unterdrückten wird in mehreren Jahren einmal gestattet, darüber zu entscheiden, welcher Vertreter der unterdrückenden Klasse sie im Parlament ver- und zertreten soll!“ Gerade im Osten wissen viele, was kam, als die CDU noch „blühende Landschaften“ versprach; nicht zuletzt deshalb ist die Linkspartei.Die Linke.PDS laut Umfragen die stärkste Partei im Osten mit über 30 Prozent und wird in ganz Deutschland als Möglichkeit gesehen, linken Protest gegen Schröder an der Wahlurne auszudrücken. Doch das Wesen dieses Bündnisses besteht genau darin, die Wut gegen die Schröder-Regierung in bürgerlichen Parlamentarismus zu kanalisieren. Der Berliner SPD/PDS-Senat zeigt, dass die Linkspartei für die Kapitalisten brutale Kürzungen gegen die Bevölkerung durchsetzt. Was wir stattdessen brauchen, ist harter Klassenkampf, unabhängig von den Kapitalisten und ihrem Staat, als Teil des Kampfes, den Kapitalisten die Macht zu entreißen, deren brutales, anarchisches System keines der grundlegenden Bedürfnisse der Menschheit befriedigen kann. Dazu benötigen wir eine Avantgardepartei, die die Hindernisse auf dem Weg zur Arbeiterrevolution bekämpft.

In ganz Westeuropa haben die Bourgeoisien während der letzten anderthalb Jahrzehnte versucht, Angriffe auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiter durchzusetzen, um ihre Profite zu steigern. Die Regierungen waren austauschbar: In Deutschland übernahm die „linke“ SPD/Grünen-Regierung von der konservativen Kohl-Regierung; in Frankreich und Italien gingen den jetzigen konservativen Regierungen Volksfront-Koalitionen von Sozialdemokraten mit rein bürgerlichen Parteien voraus; jetzt geht die Verlagerung höchstwahrscheinlich wieder zur „Linken“ durch Volksfronten, die wieder einmal die Zügel von den Konservativen übernehmen, während hierzulande erwartet wird, dass die CDU die nächste Regierung führt. Schon das zeigt den Bankrott der Politik des „kleineren Übels“, die benutzt wird, um Arbeiter und linke Jugendliche in die parlamentarische Strategie einzubinden, daran zu arbeiten, die eine oder andere, mehr oder weniger „linke“ kapitalistische Regierung an die Macht zu bringen.

Die zunehmende Popularität der linken Koalition von WASG und PDS in Deutschland spiegelt eine ähnliche Entwicklung im übrigen Europa wider, wie sie auch in den „Nein“-Stimmen zur „EU-Verfassung“ in Frankreich und den Niederlanden zum Ausdruck kam. In Frankreich versuchen die Kräfte des „linken Nein“, die Wut in der Arbeiterklasse über die Chirac-Regierung in Unterstützung für eine künftige „linke“ Regierung zu kanalisieren. Sie denunzieren die „EU-Verfassung“ und versprechen stattdessen ein „soziales“ kapitalistisches Europa. Was die Sozialdemokraten von WASG/PDS und die Kräfte des „linken Nein“ mit Schröder und Chirac verbindet, ist ihre Unterstützung des EU-Vorhabens, die Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber den USA und Japan auszubauen. Mit der EU versuchen die imperialistischen Hauptmächte Europas, gemeinsam ihre Interessen durchzusetzen, die jedoch auch im Widerspruch zueinander stehen. Die EU kann nur bestehen auf Kosten der multiethnischen Arbeiterklasse in Europa und all derer, die unter dem Stiefel des Neokolonialismus leben. Nieder mit der kapitalistischen EU und ihrer Ausweitung!

Die Antwort auf die Erpressung der Bosse, die mit Produktionsverlagerung drohen, kann nicht sein, dass Arbeiter in Deutschland mit den Löhnen in diesen Ländern „konkurrieren“, ein Spiel, das sie nur verlieren können und nur den Kapitalisten dabei hilft, den Lebensstandard aller Arbeiter zu senken. Stattdessen müssen die mächtigen Gewerkschaften hier ihre Solidarität zeigen mit den Kämpfen ihrer Klassenbrüder in Polen und Osteuropa und sie auf konkrete Weise im Kampf für anständige Löhne und Arbeitsbedingungen unterstützen gegen die kapitalistische Profitgier, die nach der Konterrevolution weitaus weniger gezügelt wird. Dazu ist eine revolutionäre internationalistische Partei notwendig, die den Kapitalisten und ihrem Profitsystem den unversöhnlichen Krieg erklärt. Eine solche Partei würde dafür kämpfen, die rassistische „Festung Europa“ von innen her zu erschüttern durch die Mobilisierung der Arbeiterbewegung an der Spitze aller Unterdrückten, zum Kampf gegen Diskriminierung, staatliche Verfolgung und Willkür unabhängig davon, welcher Teil der Bevölkerung davon betroffen ist. Vor allem würde diese Partei die Worte des Kommunistischen Manifests auf ihr Banner schreiben: „Arbeiter aller Länder, vereinigt euch!“ Nur eine internationale Planwirtschaft unter der Kontrolle der Arbeiterklasse kann die riesigen wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern beseitigen und sie auf das Niveau der heutigen fortgeschrittenen Industrieländer und noch höher heben. Das bedeutet einen Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa als Teil des Kampfes für die sozialistische Revolution weltweit.

Für Klassenkampf gegen Sozialabbau! Brecht mit der Sozialdemokratie – SPD und WASG/PDS!

Wir warnten 1998 genau vor dem, was eine kapitalistische SPD-geführte Regierung den Arbeitern bringen würde, und schrieben: Wir Spartakisten sagen klipp und klar: Keine Stimme für die SPD! Keine Stimme für die PDS! Dies sind die Parteien der kapitalistischen Konterrevolution, des rassistischen Staatsterrors und des imperialistischen Krieges!“ Die Politik der SPD/Grünen-Regierung, besonders die Angriffe auf Sozialleistungen, hat weit verbreitete Wut hervorgebracht, organisierter Widerstand durch das mächtige und gut organisierte Proletariat in Deutschland wurde jedoch weitgehend verhindert. SPD wie WASG/PDS sind bürgerliche Arbeiterparteien: Ihre Führungen und Programme sind vollkommen prokapitalistisch, während sie gleichzeitig ihre Basis in der Arbeiterklasse haben, insbesondere über die Gewerkschaftsbürokratie. Das macht sie zu einer geeigneten Alternative, für die Bourgeoisie zu regieren, weil sie diese Verbindungen nutzen, um „Klassenfrieden“ aufrechtzuerhalten und soziale Kämpfe gegen die brutalen Angriffe der Bosse bereits im Ansatz zu unterdrücken.

Der Aufruf zu vorgezogenen Wahlen sollte auch die Abwanderung von SPD-Mitgliedern und Wählern aus der Arbeiterklasse stoppen. Der SPDler Gernot Erler wird in der International Herald Tribune (19. August) zitiert: „Wenn die Sozialdemokraten in die Opposition gehen, ,könnte es die Radikalisierung des linken Flügels stoppen‘.“ Aber die Hauptarbeit, um wütende Arbeiter und linke Jugendliche innerhalb des Rahmens des sozialdemokratischen Reformismus zu halten, leistet das linke Bündnis der Wahlalternative (WASG) und der PDS, geführt von Lafontaine und Gysi. Das Linksbündnis stellt sich als Gegner der verhasstesten „Strukturreformen“ und als Verteidiger des so genannten Sozialstaats dar. Vor allem geht es jedoch darum, die Sozialdemokratie als glaubwürdige Regierungsoption für die Bosse aufrechtzuerhalten und auch den Landesregierungen von SPD/PDS-Koalitionen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern den Rücken frei zu halten, da sie im Land die Vorreiterrolle dabei spielen, brutale Sozialkürzungen durchzudrücken und die Gewerkschaften anzugreifen. Als revolutionäre Marxisten kämpfen wir dafür, das Bewusstsein der Arbeiterklasse über ihre unabhängigen Klasseninteressen und über ihre einzigartige, revolutionäre historische Aufgabe zu entwickeln. Wir stellen uns gegen das WASG/PDS-Bündnis, das mit seiner offenen Klassenzusammenarbeit und mit seiner direkten Abdeckung der Angriffe der PDS auf Arbeiter unmittelbar entgegengesetzt ist zum Klassenkampf und zur Verteidigung der grundlegenden Interessen der Arbeiter. Keine Stimme für SPD oder WASG/PDS!

Die Ursache für die jetzigen allseitigen sozialen Angriffe sind die kapitalistischen Konterrevolutionen in der DDR, in Osteuropa und in der Sowjetunion 1990–92, die den Arbeitern dort Armut und Arbeitslosigkeit brachten und auf internationaler Ebene eine welthistorische Niederlage für die Arbeiterklasse bedeuteten. Wir haben mit all unserer Kraft gegen die Konterrevolution gekämpft. Der „Wohlfahrtsstaat“ wird heute von der Bourgeoisie als überflüssig betrachtet, weil dieses System von Zugeständnissen zum einen eine Reaktion auf massive soziale Kämpfe war und gleichzeitig dazu dienen sollte, die Arbeiter davon abzuhalten, „Rote“ zu werden, und sie auf der Linie des antisowjetischen Kalten-Kriegs-Konsens zu halten. Wir von der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL) haben die kollektivierten, geplanten Wirtschaften der bürokratisch deformierten bzw. degenerierten Arbeiterstaaten gegen die Konterrevolution verteidigt, wie es die Pflicht von Revolutionären ist, die erzielten Errungenschaften zu verteidigen. Wir haben 1989/90 all unsere Kräfte aufgeboten, um gegen die kapitalistische Wiedervereinigung zu kämpfen, für eine politische Revolution, um die parasitäre SED-Bürokratie durch Arbeiter- und Soldatenräte abzulösen, und für die Ausweitung der Errungenschaften des Arbeiterstaats durch sozialistische Revolution im Westen. Die Sozialdemokratie – SPD und Gewerkschaftsbürokratie – tat alles in ihrer Macht Stehende, der westdeutschen Bourgeoisie dabei zu helfen, die DDR einem wiedervereinigten, kapitalistischen Vierten Reich einzuverleiben, was ihre nationalistische Loyalität zu den Interessen der herrschenden Klasse widerspiegelt. Nachdem die Entscheidung von Gorbatschow getroffen war, leistete die PDS Beihilfe bei der Preisgabe des deformierten Arbeiterstaats DDR an die westdeutsche Bourgeoisie 1990. Heute ist es die Pflicht aller klassenbewussten Arbeiter, die verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten China, Kuba, Nordkorea und Vietnam bedingungslos gegen die Imperialisten und gegen innere Konterrevolution militärisch zu verteidigen.

Nachdem die SED-PDS-Spitzen um Gysi und Modrow das prosozialistische DDR-Proletariat verraten hatten, bauten sie die PDS als eine zweite Sozialdemokratie auf. Besonders im Osten hat die PDS der deutschen Bourgeoisie enorme Dienste geleistet, was daran liegt, dass die PDS wirkungsvoller die dortige Bevölkerung vom Kampf gegen das wachsende Elend, das die Bourgeoisie geschaffen hat, abhalten kann. Das ist genau, was die SPD/PDS-Regierungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern tun: dem Widerstand die Spitze zu nehmen mit dem Argument, die Maßnahmen des SPD/PDS-Gespanns wären erforderlich, um Schlimmeres durch eine rechte Regierung zu vermeiden. Wir kämpfen darum, diesen demoralisierenden Würgegriff der Sozialdemokratie gegen die machtvolle Arbeiterklasse aufzubrechen. Gegen die reformistische Politik des „kleineren Übels“ stellen wir ein Programm von Klassenkampf, um die sozialen Errungenschaften zu verteidigen und um die brennenden Bedürfnisse der multiethnischen Arbeiterklasse und der größeren Bevölkerungsschichten aufzugreifen. Die Macht und der Zusammenhalt der Gewerkschaften müssen verteidigt werden, und die Versuche, Tarifverträge zu untergraben, müssen zurückgeschlagen werden, indem die machtvolleren Teile der Arbeiterschaft wie Produktionsarbeiter mobilisiert werden, um Reinigungskräfte und andere schwächere Teile gegen Outsourcing und gestaffelte Lohnvereinbarungen zu schützen. Gegen die Versuche der Bosse, Deutsche gegen Immigranten auszuspielen, Polen gegen Türken, Ost gegen West, Männer gegen Frauen, Junge gegen Ältere usw., ist es erforderlich, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu fordern und die Unorganisierten zu organisieren. Die Kapitalisten benutzen bewusst, mit Hilfe des bürgerlichen Staates, die heikle Lage von „illegalen“ ausländischen Arbeitern als ein Mittel, um sie in die Superausbeutung zu zwingen und um sie als Knüppel gegen die Gewerkschaften zu benutzen. Dagegen muss die Arbeiterbewegung für volle Staatsbürgerrechte für alle, die es hierher geschafft haben, kämpfen und gegen alle gesetzlichen und anderen Formen von Diskriminierung.

Vor allem ist es der Druck der Massenarbeitslosigkeit, der wie eine Schlinge um die Arbeiterbewegung liegt. Hartz IV und die 1-Euro-Zwangsarbeitsjobs sind wirkliche Bedrohungen für die Gewerkschaften. Ein ernsthafter Kampf gegen die Angriffe der Bosse muss einen Kampf gegen die massive strukturelle Arbeitslosigkeit beinhalten, auf Kosten ihrer Profite: Verteilt die vorhandene Arbeit auf alle Hände – Für eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich! Solch ein Forderungsprogramm würde außerordentlich dabei helfen, diejenigen, die am schlimmsten von Arbeitslosigkeit und Hartz IV getroffen sind – immigrierte Arbeiter, Arbeiter aus dem Osten und Frauen – mit der sozialen Macht der Industriearbeiterschaft zu verbinden. Klassenkampf, um die Produktion so zu reorganisieren, dass sie den Bedürfnissen der Menschheit dient, kollidiert direkt mit den Interessen der Bourgeoisie und mit der Irrationalität des kapitalistischen Systems. Solcher Klassenkampf wirft die Frage auf, welche Klasse die Macht über die Produktionsmittel hat. Der Kampf um jegliche ernsthafte Errungenschaften muss daher ein Teil des Kampfes zur Enteignung der Bourgeoisie sein mit dem Ziel, eine geplante Wirtschaft unter einer Arbeiterregierung, die sich auf Arbeiterräte stützt, zu errichten.

Die prokapitalistische Gewerkschaftsführung ist ein Hindernis. Genauso wie sie damals die kapitalistische Wiedervereinigung und den antisowjetischen Kalten Krieg unterstützt hat, stimmt sie heute grundsätzlich mit dem Ziel der Bourgeoisie überein, die „Wettbewerbsfähigkeit“ von Deutschland zu steigern. Das ist die nationalreformistische Lüge, „den Standort Deutschland zu schützen“, die in der Praxis bedeutet, Streiks und andere Verteidigungskämpfe auszuverkaufen, sobald sie die Profite der Bosse gefährden – also immer, wenn sie wirksam sind. Und sie haben Überstunden geleistet, um sicherzustellen, dass die sozialdemokratische Regierung nicht durch Arbeiterproteste gefährdet wird. Der WASG-Teil des Linksbündnisses stellt eine Reaktion von Teilen der Gewerkschaftsbürokratie auf die Wut an der Gewerkschaftsbasis auf die SPD/Grünen-Regierung dar. Es ist bezeichnend, dass die IG Metall offiziell eine Haltung relativer Offenheit gegenüber dem Linksbündnis eingenommen hat; sie stellte als entscheidenden Punkt für die Wahl einen Kurswechsel weg von der Agenda 2010 und Hartz IV auf. Es gibt eine Polarisierung in der Gewerkschaft zwischen denen, die zurück zur „alten SPD“ wollen und für die WASG eintreten, und anderen, die Schröder unterstützen.

Dies drückt zwar den Druck der Gewerkschaftsbasis aus, die von der SPD die Nase voll hat, ist aber keineswegs der Bruch von der Sozialdemokratie und von der Klassenkollaboration, den wir brauchen. Beim bedeutenden Opel-Streik in Bochum im Oktober 2004, als Arbeiter und Opfer des Sozialraubs aus der ganzen Gegend ihre Solidarität mit diesem militanten Kampf zeigten, blieb die WASG-Führung stumm, trotz Solidarität mit dem Streik an der WASG-Basis, und ließ die IGM-Führung den Streik isolieren und abwürgen. Die WASG-Spitzen, im wesentlichen IGM- und andere Gewerkschaftsbürokraten, wollten nicht in Konflikt mit der IGM-Führung kommen, mit deren nationalistischen reformistischen Anschauungen, den „Standort Deutschland“ zu sichern, sie übereinstimmen. Von daher war es nur konsequent, dass die WASG-Führer im Mai Bündnis-Verhandlungen mit der PDS aufnahmen, zur gleichen Zeit, als der arbeiterfeindliche SPD/PDS-Senat in Berlin gegen ver.di-organisierte BVG-Arbeiter vorging und Lohnkürzungen von 10–25 Prozent verlangte. Was benötigt wird, ist ein politischer Kampf in den Gewerkschaften gegen die sozialdemokratischen Ausverkäufe, egal ob sie von der SPD, der PDS oder der WASG kommen – Für eine klassenkämpferische Führung der Gewerkschaften!

Volle Staatsbürgerrechte für alle, die es hierher geschafft haben!

SPD/Grüne rühmen sich ihrer Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, wodurch 600 000 Immigranten die deutsche Staatsbürgerschaft erhielten und einige reaktionäre Auswüchse abgeschafft wurden. Doch gleichzeitig war sie gespickt mit Angriffen, wie der Überprüfung durch den Verfassungsschutz auf Treue zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Während die SPD zynisch versucht, die verschärften sozialen Angriffe auszumalen, die eine CDU-geführte Regierung sicherlich versuchen würde durchzuboxen, fällt es auf, dass im Wahlkampf beider Parteien die Immigration und der so genannte „Krieg gegen den Terror“ kaum eine Rolle spielen. Denn der SPD-Oberbulle Schily hat den rassistischen Staatsterror so drastisch verschärft, dass die CDU/CSU in dieser Frage nicht so viel schlimmer hingestellt werden kann als die SPD/Grünen-Regierung. Die deutschen Herrscher haben ebenso wie die Herrscher in den übrigen Ländern Europas und in den USA die verbrecherischen Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 und die Terroranschläge danach in Europa ausgeschlachtet und die Angst vor wahllosen Terroranschlägen benutzt, um demokratische Rechte abzubauen und den rassistischen Staatsterror gegen Immigranten zu verschärfen.

Die neuen Unterdrückungsmaßnahmen und der Staatsterror sind vor allem gegen die Immigranten gerichtet und dienen dazu, die Arbeiterklasse zu spalten und türkische, kurdische Arbeiter, überwiegend mit muslimischem Hintergrund, einzuschüchtern – die eine strategisch wichtige und potenziell militante Rolle spielen. Letztlich sind diese Maßnahmen gegen die gesamte Arbeiterklasse gerichtet, da die Bourgeoisie ihren verstärkten Staatsapparat gegen soziale Unruhen einsetzen wird. Gegen eine derartige Bedrohung muss die Arbeiterbewegung mobilisiert werden zur Verteidigung aller unserer Rechte, gegen Schilys endlose „Terrorpakete“, gegen das von dem rechten Hamburger Senat vor kurzem gestartete Programm der Abschiebung von tausenden afghanischen Flüchtlingen und gegen staatliche Repression im allgemeinen. Den Bullenrazzien gegen Moscheen und die Zentren von sozialen und politischen Immigrantenorganisationen folgen Razzien gegen die Linke und die Arbeiterbewegung, wie kürzlich die Polizeischikanen gegen den Journalisten Nick Brauns und die Web-Seite Labournet. Weg mit den Anklagen gegen Nick Brauns und das Labournet, sofort! Für Gewerkschaftsmobilisierungen zur Verteidigung von Moscheen und Immigrantenzentren gegen Staatsterror und Faschisten! Weg mit dem Paragraph 129a und den „Terrorpaketen“!

Der erste Monat des Wahlkampfs wurde dominiert von der Kontroverse über Lafontaines berüchtigte Chemnitz-Rede, wo er chauvinistisch über Arbeiter aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern herzog, dass „Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter ihnen zu Billiglöhnen die Arbeitsplätze wegnehmen“. Lafontaines Perspektive ist die eines nationalen Reformismus, und die logische Schlussfolgerung daraus ist notwendigerweise rassistisch und chauvinistisch. Wenn man es akzeptiert und anstrebt, Verantwortung für das Verwalten des Kapitalismus auf nationaler Grundlage zu übernehmen, was für eine Lösung hat man dann gegen Arbeitslosigkeit, außer dass man versucht, in Konkurrenz zu den Arbeitern anderer Länder „deutsche Jobs“ zu verteidigen? Natürlich hat es sowohl in der WASG als auch in der PDS Empörung über dieses Geschimpfe gegeben. Aber selbst wenn die linke Koalition den Ton ihres Wahlkampfs ändert, so ist doch die Linkspartei jeden Tag verantwortlich für das Verwalten des kapitalistischen Staates in Berlin, von der rassistischen Rasterfahndung gegen Studenten und Arbeiter muslimischer Abstammung und der Beibehaltung des Flüchtlingsknastes in Berlin-Grünau bis zu Polizeieinsätzen zum Schutz von Nazis oder zur Terrorisierung von Linken. Der kapitalistische Staat ist zwangsläufig ein rassistisches Unterdrückungsinstrument. Die sozialdemokratische Linke will den kapitalistischen Staat dahingehend reformieren, dass er im Interesse der Arbeiter und Unterdrückten handelt. Das ist eine tödliche Illusion. Neben vielen Aktivisten der Gewerkschafts„linken“ zeigt die Initiative „Wir wählen links“ auch an prominenter Stelle ein Mitglied der nationalen Führung der Bullen„gewerkschaft“ GdP. Die Polizei, die den rassistischen Staatsterror durchsetzt, ist auch eine professionelle Streikbrechergarde für die Bourgeoisie. Sie hat nichts in den Arbeiterorganisationen zu suchen: Bullen raus aus dem DGB!

Imperialistischer Krieg nach außen – Sozialraub nach innen

Die Konterrevolution 1991/92 hat die Sowjetunion als militärisches Gegengewicht zu den Imperialisten zerstört. Besonders der US-Imperialismus, der militärisch seine nächsten Rivalen haushoch übertrifft, kann weitgehend ungehindert abhängige und neokoloniale Länder überall auf der Erde terrorisieren. Die Rivalitäten zwischen den imperialistischen Mächten haben sich ebenfalls verschärft, da die konkurrierenden imperialistischen Interessen nicht mehr dem antisowjetischen Konsens des Kalten Krieges untergeordnet sind. In diesem Zusammenhang ist die SPD/Grünen-Regierung bei den außenpolitischen Zielen des deutschen Imperialismus enorm vorangekommen und hat dazu beigetragen, Deutschland als eine „normale, demokratische“ imperialistische Macht zu etablieren, die wieder die Bundeswehr in imperialistischen Kriegen und Besetzungen einsetzen kann. Angesichts des in der Bevölkerung weit verbreiteten Pazifismus ist es keine Überraschung, dass die SPD und die Grünen die bevorzugten Parteien waren bei der Beaufsichtigung dieser ersten Schritte des Vierten Reichs, sich militärisch wieder Geltung zu verschaffen. Sie waren sehr effektiv darin, diese imperialistischen Kriege in „humanitären“ Farben zu malen. Der Gipfel davon war Fischers zynische Rechtfertigung des Bombenterrors gegen Serbien: „Nie wieder Auschwitz!“ Genau das meinte Schröder in seiner Rede zur Vertrauensfrage am 1. Juli, als er dazu aufrief, „Deutschlands Rolle als angesehene Friedensmacht zu stärken“.

Merkels Eintreten für einen Kurs mehr im Fahrwasser der USA hat nichts mit Unterwürfigkeit gegenüber Bush zu tun, sondern reflektiert eine andere Strategie für den deutschen Imperialismus. Schröders Opposition gegen Bush beim Irak-Krieg 2002/2003 war überhaupt kein Ausdruck von „friedlichen Absichten“ des deutschen Imperialismus – wie man an Serbien und Afghanistan sieht –, sondern Ausdruck von dessen Interessen, die von denen des US-Imperialismus abweichen. Abgesehen davon, dass Schröder damit die Bundestagswahl 2002 gewann, benutzte die SPD/Grünen-Regierung ihre Opposition gegen den Irak-Krieg dazu, die Arbeiter und die pazifistischen Massen an die kapitalistische Regierung des deutschen Imperialismus zu ketten. Wir betonten damals:

„Die militärische Überlegenheit der USA gegenüber dem Irak unterstreicht die Bedeutung von Klassenkampf in den imperialistischen Zentren. Jeder Widerstand gegen die Sparmaßnahmen, jeder Massenprotest gegen Angriffe auf Arbeiter und Minderheiten, jeder Streik und jeder Kampf gegen die Unterdrücker im eigenen Land und gegen Angriffe auf demokratische Rechte wird es schwieriger machen für die Bourgeoisie, ihre imperialistische Kriegshetze und Kriegstreiberei weiter zu führen. Antiimperialismus nach außen bedeutet Klassenkampf im eigenen Land!“ (Spartakist Nr. 149, Winter 2002/2003)

Im Gegensatz dazu hat die reformistische Linke in Deutschland und ganz Europa Überstunden gearbeitet, um Schröder, Chirac und die imperialistischen Staatschefs Europas als „Friedensmacht“ gegen Bush hinzustellen. Ein Vorbereitungstreffen des Europäischen Sozialforums, einer Art Volksfront, erklärte im September 2002: „Wir fordern alle Staats- und Regierungschefs Europas auf: Sprechen Sie sich öffentlich gegen diesen Krieg aus, unabhängig davon, ob die UNO ihn am Ende billigt oder nicht! Fordern Sie von George W. Bush, auf seine Kriegspläne zu verzichten“ (Liberazione, 13. September 2002). Zu den Unterstützern dieses sozialchauvinistischen Aufrufs gehörten die Socialist Workers Party und Workers Power, deren deutsche Schwesterorganisationen Linksruck und Gruppe Arbeitermacht (GAM) beide 2002 zur Wahl des Balkanschlächters Schröder und der SPD aufriefen. Der „Genosse der Bosse“ nutzte die Gelegenheit, die ihm die Reformisten und die Gewerkschaftsführer boten, … um neue und schärfere Angriffe auf die Arbeiter zu starten, die Repression gegen und die Abschiebungen von Immigranten zu verschärfen und demokratische Rechte anzugreifen. So kündigte Schröder die massiven Angriffe der Agenda 2010 in seiner „Blut-Schweiß-und-Tränen“-Rede am 14. März 2003 an, dem gleichen Tag, als Antikriegsproteste des Europäischen Gewerkschaftsbundes und des DGB stattfanden und weniger als eine Woche vor dem eigentlichen Kriegsbeginn. Die gleichen Pseudo-Linken, die damals Schröder unterstützten, als er seine Antikriegshaltung zynisch dazu benutzte, brutale soziale Angriffe auf die Bevölkerung voranzutreiben, bieten heute die WASG/PDS als eine angebliche Alternative an. Doch diese ist das Hauptwerkzeug, mit dem diejenigen Arbeiter und Jugendliche, die gerade wegen Agenda 2010 and Hartz IV eine Alternative zu Schröders SPD suchen, in einem sozialdemokratischen Rahmen gehalten werden sollen. „Nationale Einheit“ mit Schröder und Chirac „gegen den Krieg“ bedeutet nicht nur Angriffe auf Errungenschaften der Arbeiter und rassistischer Terror in diesem Land; sie ebnet direkt den Weg für künftige „nationale Einheit“ im Krieg, sobald der deutsche bzw. französische Imperialismus Krieg für die Durchsetzung ihrer Interessen als unumgänglich erachtet. US- und alliierte Truppen raus aus dem Irak und dem Nahen Osten! Bundeswehr, USA, NATO, UNO raus aus dem Balkan und Afghanistan! Keinen Cent, keinen Mann für die imperialistische Bundeswehr!

Lafontaines Vorschlag, die deutschen Truppen aus Afghanistan abzuziehen, um die Wahrscheinlichkeit terroristischer Angriffe zu verringern, hat vor kurzem Aufmerksamkeit erregt, und sowohl er als auch die PDS haben wegen ihrer Ablehnung des NATO-Kriegs gegen Serbien 1999 einigen Kredit bei Arbeitern und linken Jugendlichen, als Leute, die für „Frieden“ eintreten. Der Sozialpazifismus von WASG/PDS hat jedoch absolut nichts zu tun mit Opposition gegen den deutschen Imperialismus, sondern spiegelt vielmehr eine andere Auffassung wider, wie der deutsche Imperialismus seine Angelegenheiten regeln sollte. So befürwortet Lafontaine „den Aufbau einer UN-Streitmacht, die nur nach Polizeigrundsätzen vorgeht“ (Stern-Interview, 30. Juni). Wie WASG-Sprecher Murat Cakir klar macht, besteht ihre Hauptsorge darin, dass die imperialistischen Interventionen der „internationale[n] Staatengemeinschaft [...] demokratisch legitimiert werden. Es ist notwendig, dass wenigstens UN-Beschlüsse hierfür eingeholt und dann auch umgesetzt werden“ (german-foreign-policy.com).

Die UNO ist, frei nach Lenin, eine Höhle von imperialistischen Räubern und ihren Opfern. Siehe die „demokratisch legitimierte“ UN-Hungerblockade gegen den Irak, durch die in dem Jahrzehnt zwischen den beiden US-geführten Kriegen etwa 1,5 Millionen Iraker getötet wurden. Als diese Blockade verhängt wurde, hat die PDS sie begeistert unterstützt, bis sie im Nachhinein ihre Meinung änderte, aber weiterhin Illusionen in die UNO verbreitete. Der ganze Zweck von den Lügen über „international law“, wie sie Norman Paech, der „Menschenrechts“vertreter und Spitzenkandidat der Linkskoalition in Hamburg, propagiert, ist der, den Imperialisten ein „demokratisches“ Feigenblatt für deren Aggression zu geben und Kriegsgegner zu betrügen, damit sie denken, dass ein paar verlogene Verträge auf dem Papier dieses blutige System zähmen könnten. Kapitalismus basiert auf Ausbeutung, d. h. die Kapitalisten gewinnen ihre Profite aus der Lohnarbeit der Arbeiterklasse. In der Epoche des Imperialismus, des höchsten und letzten Stadiums des Kapitalismus, ist die Welt unter den imperialistischen Großmächten (hauptsächlich USA, Deutschland, Japan) aufgeteilt in Sphären von Einfluss, Ausbeutung und neokolonialem Raub. Diese Aufteilung erfolgt auf der Grundlage von ökonomischer und militärischer Stärke und das führt zwangsläufig zu Kriegen. Effektiv gegen den Wahnsinn des imperialistischen Krieges zu kämpfen heißt daher international für die sozialistische Revolution zu kämpfen. Wir müssen die Arbeiter und Jugendlichen brechen von den Sozialpazifisten und deren Lügen entlarven, der Imperialismus könne friedlich und menschlich gemacht werden. Wir müssen eine revolutionäre, proletarische und internationalistische Partei schmieden, die diesem Kampf die Führung geben kann.