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Spartacist (deutschsprachige Ausgabe) Nummer 32

Herbst 2020

IKL schließt Mitglieder der polnischen Sektion aus

Die folgende Erklärung wurde am 31. März 2019 vom Internationalen Exekutivkomitee der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten) herausgegeben.

Im März wurden zwei Mitglieder der Spartakusowska Grupa Polski aus der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten) ausgeschlossen, weil sie gegen den demokratischen Zentralismus verstoßen hatten. Ein Mitglied hatte gegenüber einem Nichtmitglied interne politische Beschwerden vorgebracht, und beide Mitglieder verteidigten später diesen Verstoß gegen den elementaren Leninismus. Diese Handlungen waren ein direkter Verstoß gegen die Organisationsregeln und -richtlinien der IKL, in denen festgelegt ist: „Politische Zusammenarbeit mit Nichtmitgliedern der IKL muss durch das zuständige Parteigremium formal autorisiert werden“ (Spartacist, deutschsprachige Ausgabe Nr. 20, Sommer 1998). Unsere winzige polnische Gruppe, die eine sympathisierende Sektion der IKL gewesen war, existiert nicht mehr.

In dem Brief, der den Ausschluss mitteilte, stellt das Internationale Sekretariat (IS) der IKL fest, dass die Zurückweisung des leninistischen demokratischen Zentralismus seitens dieser nunmehr ehemaligen Genossen den Kulminationspunkt ihrer Gegnerschaft gegen unser trotzkistisches Programm bildete:

„Schon seit langem gibt es politische Differenzen zwischen den SGP-Genossen und der Führung der Internationale: Ihr seid durchwegs vor der Stalinophobie eingeknickt, unser Programm zur Frauenfrage und zur jüdischen Frage habt ihr nicht verteidigt, und allgemein gesagt seid ihr vor dem Druck des antikommunistischen polnischen Nationalismus eingeknickt. Während der letzten Jahre hat die Internationale einen beharrlichen Kampf geführt, um euch für den Standpunkt der IKL zu gewinnen, aber eure kürzlichen Verstöße gegen den demokratischen Zentralismus bringen eure politische Praxis voll in Einklang mit eurem politischen Bewusstsein.“

Ein Antrag des IS, die SGPler auszuschließen, wurde danach einstimmig vom Internationalen Exekutivkomitee (IEK) unterstützt.

Die SGP entstand 1990 aus einer Fusion der Bewegung der Jungen Linken Polens mit der IKL, basierend auf harter Opposition gegen die polnisch-nationalistische katholische Reaktion, die von der konterrevolutionären Solidarność angeführt wurde. Die SGP wurde 2001 vom IEK aufgelöst und dann auf der Fünften Internationalen Konferenz der IKL 2007 als sympathisierende Sektion wiedergegründet. Die wiedergegründete SGP erwies sich als weitgehend unfähig, aus eigener Kraft trotzkistische Politik und Propaganda auszudrücken. Daher blieb sie eine sympathisierende Sektion, die die Zustimmung des IS für ihre Publikationen brauchte. Die IKL hatte gehofft, dass die SGP durch interne Schulungen und Diskussionen von ihrer erklärten politischen Übereinstimmung zu einem klaren Verständnis und wirklicher Übereinstimmung gelangen würde. Aber die Differenzen der SGP mit der IKL verschärften sich qualitativ in den letzten paar Jahren unter dem sozialen Druck verstärkter politischer Reaktion in Polen und der offen chauvinistischen und klerikalistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die 2015 die Regierung übernahm.

Das von unserer Siebten Internationalen Konferenz 2017 angenommene Dokument „Der Kampf gegen die chauvinistische Hydra“ beschrieb die anhaltenden Kämpfe mit der SGP gegen deren Anpassung an den polnischen Nationalismus. Mehrere Beispiele dieser Rückständigkeit wurden aufgeführt, darunter ihre ursprüngliche Weigerung, ein Mitglied auszuschließen, das bei seinem Austritt aus der Organisation verkündete, er sei ein immigrantenfeindlicher, antimuslimischer Rassist; die Internationale musste erst darauf bestehen, dass er ausgeschlossen wird. Das Dokument führte auch den Kampf gegen ein Mitglied an, das kein Problem darin sah, die polnische Fahne als Aufnäher auf seinem Hemd zu tragen.

Das Konferenzdokument zitiert einen 2015 auf einer Sitzung der SGP bei Anwesenheit von IEK-Mitgliedern angenommenen Antrag, in dem die zunehmende Anpassung der SGP an den Antikommunismus verurteilt wird:

„Wie sich vor kurzem bei mehreren Vorfällen gezeigt hat, gibt es eine alarmierende politische Degenerierung in der SGP in Richtung stalinophoben polnischen Nationalismus. Das zeigt sich in dem vor kurzem geschriebenen Artikelentwurf ‚Die Prägung Polens durch den Stalinismus‘, der mit seiner Linie zum Massaker von Katyn´ 1940 und zum Warschauer Aufstand von 1944 im Widerspruch steht zu den erklärten Positionen der IKL.“

Hier wiederholten die SGP-Mitglieder die antikommunistische Propaganda der polnischen Nationalisten gegen die sowjetische Rote Armee, die Polen von den Nazis und deren Kollaborateuren befreit hat. Nach dem Sieg der Roten Armee wurde der Kapitalismus gestürzt und ein bürokratisch deformierter Arbeiterstaat in Polen errichtet.

Die SGP-Mitglieder hatten auch wiederholt gegen die Verwendung von Begriffen wie „Kapitalistenklasse“, „der große bolschewistische Führer Lenin“, „deformierter/degenerierter Arbeiterstaat“ und „blutrünstiger US-Imperialismus“ bei der Übersetzung von IKL-Artikeln für ihre Zeitung Platforma Spartakusowców argumentiert. Sie reagierten mit offener Feindseligkeit, als IKL-Genossen dagegen argumentierten, marxistische Begriffe fallenzulassen und antikommunistische Empfindlichkeiten zu bedienen. Ebenso reagierten sie feindlich, als sie wegen ihrer abweisenden Haltung zu den „Schwarzen-Montag“-Demonstrationen für Abtreibungsrechte im Oktober 2016 kritisiert wurden, im katholischen Polen eine explosive Frage.

Während der internationalen Vorkonferenzdiskussionen 2017 sagte Wartecki, eines der jetzt ausgeschlossenen Mitglieder, Hebräisch sei „die dümmste Sprache überhaupt“. Nachdem er wegen seines Nachäffens der notorischen antijüdischen Hetze in der kapitalistischen Gesellschaft Polens angegriffen wurde, versuchte er die Frage unter den Teppich zu kehren mit der Behauptung, das sei alles ein Missverständnis gewesen. Jedoch ergingen sich die beiden SGP-Mitglieder in endlosen Verleumdungen und warfen perverserweise der IKL antipolnische Hetze vor, weil wir darauf hingewiesen hatten, dass Polen von giftigem Judenhass durchdrungen ist!

Unser internationales Konferenzdokument kam hinsichtlich der SGP zu dem Schluss: „Dieses Verhalten und die damit einhergehende Politik sind der IKL fremd. Die weitere Existenz der SGP als Sektion der IKL steht in Frage.“ Der SGP-Delegierte auf der Konferenz, Jedniak, stimmte für das Dokument. Aber diese formale Übereinstimmung brachte keine substanzielle Änderung mit sich – eine Praxis, die denjenigen Genossen, die mit der polnischen Sektion gekämpft hatten, allzu bekannt war.

Anfang 2018 verabschiedete die PiS-Regierung ein Gesetz, das jede Erwähnung polnischer Komplizenschaft beim Holocaust verbot. Es war absolut notwendig, dass die IKL-Gruppe in Polen – diesem Brennpunkt des Holocaust – eine Erklärung herausbringt, die dieses antijüdische Gesetz verurteilt und die Wahrheit sagt über die Komplizenschaft der polnischen Herrscher bei den Massakern an Juden und vielen anderen unter der Nazi-Besetzung. Einige Monate und drei Entwürfe später fuhr die SGP immer noch fort, Opposition gegen dieses Gesetz auf eine Verteidigung der „historischen Debatte“ zu reduzieren, die polnische Komplizenschaft als klassenlose Kollektivschuld darzustellen und die Beteiligung der polnischen Nationalisten sowie der antikommunistischen und antijüdischen bürgerlichen Heimatarmee an der Ermordung der Juden durch die Nazis herunterzuspielen.

Trotzkisten, die diesen Namen verdienen, ehren stolz die sowjetische Rote Armee, die Ost- und Mitteleuropa von der faschistischen Pest befreit hat. Aber in ihren Entwürfen verschwieg die SGP praktisch die Rolle der Roten Armee und ließ unser trotzkistisches Programm fallen: die bedingungslose militärische Verteidigung des damals noch existierenden degenerierten Arbeiterstaats Sowjetunion sowie der deformierten Arbeiterstaaten – einschließlich der Volksrepublik Polen! – gegen imperialistischen Angriff und innere Konterrevolution. Es war das historische Verbrechen des polnischen Stalinismus, dass er über die Jahre das historisch sozialistische polnische Proletariat in die Arme der katholischen Reaktion trieb. Trotzkisten riefen zur politischen Revolution auf, um die parasitäre stalinistische Bürokratie zu stürzen. Bezeichnend für die Stalinophobie der SGP war, dass sie in einem Entwurf diese Losung als Auftakt zu der falschen Schlussfolgerung aufstellte, dass die polnischen Stalinisten verantwortlich seien für antijüdische Pogrome in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg – Pogrome, die in Wirklichkeit von antikommunistischen polnisch-nationalistischen Kräften verübt worden waren.

Wir sahen uns gezwungen, uns auf Genossen außerhalb Polens zu stützen, um endlich den Artikel zu schreiben („Poland: Capitalist Rulers Glorify Anti-Jewish Pogromists“ [Polen: Kapitalistische Herrscher verherrlichen antijüdische Pogromisten], Workers Vanguard Nr. 1145, 30. November 2018). Dort heißt es: „Die Internationale Kommunistische Liga ist der Schmiedung einer revolutionären internationalistischen Partei des polnischen Proletariats verpflichtet. Eine dringende Aufgabe der SGP ist es, in diesem Kampf die Geschichte der Komplizenschaft der polnischen Bourgeoisie bei der Auslöschung der Juden durch die Nazis ins Bewusstsein der Arbeiterklasse einzubrennen.“ Es war dieser letzte Satz, dem die SGP am heftigsten widersprach, nachdem der Artikel mit ihrer Zustimmung veröffentlicht worden war.

Wir hatten innerhalb der IKL eine zunehmend verhärtete stalinophobe Opposition, die vor polnischem Nationalismus in die Knie ging und seine Begleiterscheinungen herunterspielte: antikommunistische, antijüdische, frauenfeindliche, immigrantenfeindliche Hetze. Wir waren bereit, den Kampf über ihre Politik weiter auszufechten. Aber die früheren Mitglieder machten jeden weiteren Kampf innerhalb der IKL hinfällig, indem sie interne politische Fragen aus der IKL hinaustrugen und dann dieses Vorgehen verteidigten.

Wir haben eine demokratisch-zentralistische Internationale. Ein Zweck des demokratischen Zentralismus ist es, die Partei als Ganzes vor dem Einfluss von Elementen mit niedrigerem Bewusstsein außerhalb der Partei zu schützen. Internationaler demokratischer Zentralismus ermöglicht es auch Genossen aus anderen Sektionen, die nicht unter dem gleichen sozialen Druck stehen, gegen die Borniertheit in nationalen Sektionen zu intervenieren und politische Anpassungen zu korrigieren. Wir lehnen eine föderierte Internationale ab, in der es jeder Sektion erlaubt ist, vor dem Druck ihrer eigenen Gesellschaft zu kapitulieren. Wir haben ein kleines Fenster zu einem wichtigen Land in Mitteleuropa verloren, was bedauerlich ist. Doch das ist besser, als den Antileninismus in Programm und Praxis derjenigen zu tolerieren, die unsere ehemalige polnische Sektion bildeten.

 

Spartacist (deutsche Ausgabe) Nr. 32

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