Ein revolutionärer Weg zur Befreiung der Palästinenser
Nachfolgend drucken wir die Spartacist-Erklärung vom 10. Oktober ab.
Lasst uns zwei Dinge klarstellen. Erstens: Die Palästinenser sind brutaler nationaler Unterdrückung und wahlloser Ermordung durch den Staat Israel ausgesetzt – sie haben jedes Recht, sich zu verteidigen, auch mit Gewalt. Zweitens: Die gezielte Ermordung israelischer Zivilisten durch die Hamas und ihre Verbündeten ist ein verabscheuungswürdiges Verbrechen, das für die Befreiung der Palästinenser völlig kontraproduktiv ist. Angesichts der Tatsache, dass dem Gazastreifen nun Aushungerung und Massenmord durch die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) drohen, muss sich die internationale Arbeiterbewegung diesem Angriff dringend entgegenstellen. Aber um voranzukommen und zu siegen, braucht der Kampf für die Befreiung der Palästinenser einen völlig anderen Weg als alles, was angeboten wird, ob Islamismus oder säkularer Nationalismus. Was wir brauchen, sind keine leeren Mitleidsbekundungen der linksliberalen und der pseudosozialistischen Meute, sondern einen revolutionären Weg zur Befreiung der Palästinenser.
Wie man den zionistischen Staat besiegt
Um seinen Feind zu besiegen, muss man seine Schwächen ausnutzen und seine Stärken neutralisieren. Die Widerstandsfähigkeit des Staates Israel beruht auf der Tatsache, dass die Millionen von Juden, die innerhalb seiner Grenzen leben, ihn als die einzige Möglichkeit sehen, sich in einer feindlichen Region zu verteidigen. Solange dies der Fall ist, werden die Israelis bis zum Tod kämpfen, um den zionistischen Staat zu verteidigen. Das alles war Teil des Plans, seit der britische Imperialismus beschlossen hat, das zionistische Projekt zu unterstützen. Heute sichern die USA und Israel ihre Interessen im Nahen Osten, indem sie die nationalen Rechte des palästinensischen Volkes verletzen und einen permanenten Zustand der Feindseligkeit zwischen Juden und Muslimen befeuern. Die Kombination aus einer militarisierten Bevölkerung und imperialistischer Unterstützung verleiht dem israelischen Staat seine Stärke und den Anschein der Unbesiegbarkeit.
Dieses Gebilde ist jedoch brüchig und wird nur durch eine Belagerungsmentalität aufrechterhalten, die von der herrschenden Klasse gefördert wird. Der Schwachpunkt ist eben, dass es sich um einen militarisierten theokratischen Staat handelt, der von einer immer extremeren Clique korrupter Fanatiker regiert wird. Die arbeitende Bevölkerung Israels ist mit Wehrpflicht, religiöser Reglementierung und brutalen Arbeits- und Lebensbedingungen konfrontiert. Widerstand gegen irgendetwas davon wird als Verrat an Juden bezeichnet. Diese Situation schafft tiefe rassische, soziale und politische Risse in Israel, die ausgenutzt werden müssen, um den zionistischen Staat zu zerschlagen und die Palästinenser zu befreien.
Die Dschihad-Strategie der Hamas tut nichts von alledem und bedient nur die Stärken Israels. Durch die Angriffe auf israelische Zivilisten ist es ihr nur gelungen, alle Israelis hinter der verhassten Netanjahu-Regierung zu versammeln und zu garantieren, dass die gesamte Gesellschaft geschlossen hinter der blutigen militärischen Reaktion gegen den Gazastreifen stehen wird. Eine militärische Konfrontation unter diesen Bedingungen wird dem palästinensischen Volk eine Niederlage und unzählige Tote bringen. Es kann keinen Sieg geben, ohne die Verbindung zwischen der jüdischen arbeitenden Bevölkerung und ihren Machthabern zu brechen, und dies kann nicht geschehen, ohne das demokratische Recht des israelisch-jüdischen Volkes anzuerkennen, als Nation in Israel/Palästina zu leben.
Islamisten und palästinensische Nationalisten sind immer in der Zwickmühle, entweder ihren Kampf gegen das gesamte jüdische Volk in Israel zu richten oder ein Zusammenleben mit dem zionistischen Staat zu akzeptieren. Beides sind Sackgassen. Der Schlüssel liegt darin, einen Keil zwischen das israelische Volk und den theokratischen Staat zu treiben. Dies kann nur mit einer marxistischen militärischen und politischen Strategie geschehen, die auf der Einsicht beruht, dass die miteinander verknüpften Klassen- und Nationalitätenkonflikte nicht innerhalb der Grenzen des Privateigentums gelöst werden können. Nur von diesem Ausgangspunkt aus ist es möglich, ein Programm auszuarbeiten, das den Interessen sowohl der Palästinenser als auch der israelischen Arbeiterklasse entspricht.
Was das Land betrifft, so fordern die Palästinenser zu Recht eine Entschädigung für das an ihnen begangene historische Verbrechen. Innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Strukturen ist dies unmöglich mit dem Recht der Juden zu vereinbaren, das Land zu behalten, auf dem sie oft seit Generationen leben. Aber Israel ist, wie alle kapitalistischen Gesellschaften, extrem ungleich. Das meiste Land und Eigentum wird von einem winzigen Teil der Bevölkerung kontrolliert, während die Mehrheit darum kämpft, über die Runden zu kommen. Indem man diese parasitäre Schicht enteignet, kann man sowohl damit beginnen, den Palästinensern zu ihrem Recht zu verhelfen, als auch die Bedingungen der jüdischen Werktätigen verbessern.
Auf militärischer Ebene ist es notwendig, maximalen Druck auf die IDF auszuüben, um der israelischen Gesellschaft zu zeigen, dass der Preis für die Unterdrückung der Palästinenser zu hoch wird. Raketen blind auf israelische Städte abzuschießen erhöht nur die Kampfbereitschaft der Truppen. Stattdessen muss die gesamte palästinensische Bevölkerung dafür mobilisiert werden, jeden Zentimeter ihres Territoriums gegen Übergriffe zu verteidigen und die Belagerung des Gazastreifens und der Westbank zu durchbrechen.
Aber bewaffneter Widerstand allein kann nicht den Sieg bringen: Er muss mit einer Perspektive des Klassenkampfes innerhalb Israels kombiniert werden. Dies erfordert Kämpfe für die wirtschaftliche Befreiung der Arbeiter, gegen die rassistische Diskriminierung von Arabern und nicht-weißen Juden und für die Trennung von Religion und Staat. Diese müssen mit der Überwindung des Haupthindernisses verbunden werden, das jedem sozialen Fortschritt im Wege steht: die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel. Die vorrangige Aufgabe von Revolutionären in Israel besteht gerade darin, dafür zu kämpfen, dass die Arbeiterbewegung die Sache der palästinensischen Befreiung aufgreift, im Kampf gegen die zionistischen Arbeiterführer.
Entscheidend ist, dass der Klassenkampf in den Städten auch in die israelische Armee hineingetragen wird, mit der Perspektive, sie zu spalten. Die IDF besteht zum überwiegenden Teil aus Wehrpflichtigen, die zum Dienst gezwungen werden. Wenn der Militärdienst nicht mehr als lebenswichtig für das Überleben des jüdischen Volkes angesehen wird, wenn die Kosten der Unterdrückung des palästinensischen Volkes zu hoch werden und wenn der Konflikt innerhalb Israels einen Siedepunkt erreicht, kann und wird die israelische Armee auseinanderbrechen.
Mehr als 75 Jahre brutaler Geschichte haben die Schicksale der israelischen Juden und der Palästinenser vollständig miteinander verwoben. Die Befreiung Palästinas erfordert die Zerschlagung des zionistischen Staates, die ohne die Befreiung der israelischen Arbeiterklasse unmöglich ist. Die wirtschaftliche, demokratische und soziale Entwicklung der israelischen Arbeiter und selbst ihr Fortbestehen im Nahen Osten erfordert wiederum das Ende der Unterdrückung Palästinas, die gerade das Fundament des zionistischen Staates ist.
Wie man den Imperialismus besiegt
Israel wird von den USA und allen anderen imperialistischen Mächten unterstützt, wie ihre bedingungslose Unterstützung des Angriffs auf Gaza einmal mehr zeigt. Die Befreiung der Palästinenser erfordert daher eine Strategie zur Konfrontation und Niederlage des Imperialismus im Nahen Osten und letztlich weltweit. Doch die Nationalisten sind dazu völlig unfähig, da sie ihr Vertrauen in die UNO und die „internationale Gemeinschaft“ setzen oder sich darauf verlassen, dass die arabischen Staaten sich gegen die USA zur Wehr setzen werden.
Die UNO ist eine Räuberhöhle, die von den USA und den „Groß“mächten beherrscht wird, die selbst für die Zerstückelung Palästinas und seine fortgesetzte Unterdrückung verantwortlich sind. Der Konsens unter den Imperialisten ist durch und durch pro-israelisch. Selbst wenn sie einen Waffenstillstand oder ein Friedensabkommen aushandeln würden, würde dies zwangsläufig ihr Interesse widerspiegeln, das darin besteht, den zionistischen Staat als ihren Vorposten in der Region zu erhalten. Von der PLO bis zur BDS-Kampagne: Jede Strategie, die sich auf die Räuber der Welt stützt, kann die Unterdrückung Palästinas nur verstärken und zu einer Niederlage führen.
Die muslimischen Staaten, von Ägypten über Jordanien und den Libanon bis hin zum Iran, sind den Palästinensern um ihrer eigenen opportunistischen Interessen willen hundertfach in den Rücken gefallen. Die Scheichs, Diktatoren und Mullahs, die über die muslimische Welt herrschen, werden Palästina nur in dem Maße „verteidigen“, wie es ihren eigenen wirtschaftlichen und militärischen Zielen dient und ihre eigene Position stärkt. Jede Strategie, die den Kampf für die Befreiung Palästinas an sie bindet, wird zwangsläufig in Verrat enden.
Wir brauchen eine Strategie, die nicht auf der „internationalen Gemeinschaft“ der Imperialisten und regionalen kapitalistischen Herrscher beruht, sondern auf der Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse gegen alle imperialistischen und kapitalistischen Mächte. Wir brauchen ein Bündnis der Arbeiter und Bauern im gesamten Nahen Osten, um die US-Imperialisten rauszuschmeißen und die gesamte Region zu befreien. Dazu gehören auch die israelisch-jüdischen Arbeiter, die kein Interesse daran haben, weiterhin als Schachfiguren für die USA benutzt zu werden. Außerdem müssen die Kämpfer für Palästina eine internationale Front mit amerikanischen, britischen, französischen und deutschen Arbeiterorganisationen aufbauen, um Waffenlieferungen an Israel zu stoppen. Diese Arbeiter sind diejenigen, die diese Güter transportieren. Und es sind ihre Kämpfe, die der sicherste Weg sind, den Imperialismus zu schwächen und die Sache der palästinensischen Befreiung voranzubringen.
Aber wir können sehen, dass diese verlässlichsten Verbündeten diejenigen sind, die von den Panislamisten und Nationalisten abgelehnt werden. Indem diese sich mit den arabischen Herrschern verbünden, verbünden sie sich mit den Ausbeutern der arabischen Massen. Und die amerikanischen und europäischen Arbeiter, einschließlich der jüdischen Arbeiter, werden niemals für einen Kampf gewonnen werden, der unter dem islamischen Banner und für die Vernichtung aller Israelis geführt wird.
Sozialistische Cheerleader für die Hamas
Nach der Hamas-Offensive gegen Israel am 7. Oktober haben die pro-israelischen Medien eine massive Propagandakampagne entfesselt, um Israels blutige militärische Vergeltung zu rechtfertigen und die Unterdrückung der Palästinenser zu beschönigen. Dagegen haben die sogenannten Kommunisten und Sozialisten von der Socialist Workers Party in Britannien bis zur Kommunistischen Partei Griechenlands die verbrecherischen Angriffe der Hamas auf Zivilisten im Namen von Palästinas Recht auf Selbstverteidigung unter den Teppich gekehrt.
Damit wird nicht nur der Name des Kommunismus in den Dreck gezogen, indem er mit den Verbrechen der Hamas in Verbindung gebracht wird, sondern es wird auch in Kauf genommen, dass das palästinensische Volk weiterhin von diesen fanatischen islamistischen Schlächtern geführt wird. Sie wissen sehr wohl, dass die Hamas die palästinensische Freiheit nicht herbeiführen wird, schweigen aber dazu aus hohler liberaler Solidarität.
Die gesamte Strategie der Hamas zielt darauf ab, eine starke israelische Reaktion zu provozieren und ganz Gaza praktisch einen selbstmörderischen Sprengstoffgürtel umzulegen. Es ist notwendig, den Gazastreifen ohne Wenn und Aber gegen die blutige Vergeltung Israels zu verteidigen und sich gleichzeitig dieser katastrophalen Strategie zu widersetzen.
Einige Linke wie Left Voice, die US-Sektion der trotzkistischen Fraktion (in Deutschland Klasse Gegen Klasse/RIO), flüstern am Ende ihres Artikels: „Wir stehen auf der Seite des Widerstands des palästinensischen Volkes, ohne zu behaupten, dass wir die Strategie und die Methoden der Hamas teilen, deren Ziel die Errichtung eines theokratischen Staates ist“ (7. Oktober). Nichts von dem, was sie schreiben, zielt jedoch darauf ab, den Griff von Nationalismus und Islamismus auf den palästinensischen Befreiungskampf zu brechen. Wie die meisten Linken nehmen sie die Rolle liberaler Cheerleader ein, die keine Kritik an unterdrückten Gruppen üben können, auch wenn diese an den Abgrund geführt werden.
Die Rolle der pseudosozialistischen Linken ist umso verabscheuungswürdiger, als die Palästinenser ein verzweifeltes und immer dringender werdendes Bedürfnis nach einem gangbaren Weg zur Befreiung haben. Die Ereignisse bewegen sich rasch auf ein Maß an Gemetzel und Reaktion zu, wie man es seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat. Wenn Sozialisten nicht für eine revolutionäre Lösung des Konflikts kämpfen, wird die wachsende Verzweiflung des palästinensischen Volkes einmal mehr in die Arme der islamistischen Reaktion gelenkt, während die Juden noch tiefer in die Arme des Zionismus getrieben werden. Dieses Tollhaus der Reaktion wird nicht innerhalb der Grenzen Israels und Palästinas bleiben, sondern sich über den ganzen Nahen Osten und die ganze Welt ausbreiten. Es ist die dringende Aufgabe von Sozialisten, diesen Kreislauf zu durchbrechen.
- Verteidigt Gaza!
- Israel raus aus der Westbank und den Golanhöhen!
- Für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens!