Vom 17. bis 23. September fand in Berlin der ver.di-Bundeskongress mit etwa 1000 Delegierten statt. Politisch dominiert wurde der Kongress von der Frage des Ukrainekriegs und der Haltung der Gewerkschaft dazu. Beim Kongress legte die ver.di-Führung unter Werneke einen Leitantrag vor, der die Gewerkschaftsmitglieder auf Regierungslinie, inkl. Waffenlieferungen, zwingen sollte. Dagegen hatte sich enormer Unmut in der Arbeiterbasis gebildet – zu offensichtlich ist es diese Regierungslinie, die die Krise im Land und damit die Angriffe auf die Arbeiter direkt befeuert.

Die Wut der Arbeiter spiegelte sich auch im Aufruf einiger Linken wider, die eine „Sagt-Nein“-Petition gegen den Leitantrag gestartet hatten. Sie organisierten im Kongress, dass einzelne Delegierte Zettel wie „Soziales statt Aufrüstung“, „Verhandeln statt aufrüsten“ bei der Rede von Kanzler Scholz hochhielten. Vor dem Kongress hielten sie einen kleinen Protest ab, an dem wir Spartakisten teilnahmen. Werneke erhielt am Ende über 90 Prozent der Stimmen, der regierungstreue Leitantrag der Führung etwas über 60 Prozent, es war also nicht einfach ein durchschlagender Erfolg für die Pro-NATO-Führer. Um aber einen entscheidenden Schritt vorwärtszukommen und z. B. einen Boykott von Waffenlieferungen durchzusetzen, ist ein Bruch mit und Kampf gegen die ver.di-Führung notwendig. Genau deshalb intervenierten wir Spartakisten mit dem nachfolgend abgedruckten Flugblatt und Antragsvorschlag, die Pro-NATO-ver.di-Führer rauszuschmeißen. Während viele Delegierte das Flugblatt gerne nahmen, lehnten die Petitionäre dies als „zu radikal“ ab. Der notwendige Kampf gegen die Pro-NATO-Führer ist nicht ihre Sache.


Seit einem Jahr wächst die AfD ununterbrochen und steht in Umfragen weit vor der SPD. Wie kommt das? Die bedingungslose Unterstützung der Ampel-Regierung für die NATO im Ukrainekrieg führte zu katastrophalen Angriffen auf die Arbeiterklasse wie Inflation, Heizungshammer und Lohnkürzungen. Die rechtspopulistische AfD steht gegen den NATO-Kurs der Regierung und will russisches Gas reinlassen und mit Russland Handel treiben. Weil sie als einzige Opposition zur verhassten Ampel und zum Status quo angesehen wird, erhält sie immer mehr Auftrieb.

Die AfD will einen von den USA unabhängigeren Kurs für den deutschen Imperialismus einschlagen ohne die liberale Fassade von Scholz und Baerbock und operiert dagegen mit offenem Chauvinismus. Während die AfD die Deindustrialisierung und die Angriffe auf die Renten kritisiert, steht sie genau wie die kapitalistische Ampel-Regierung für die Herrschaft der deutschen Banken und Bosse von VW, BASF und Siemens. Deshalb ist ihr Programm auch vollkommen reaktionär für die Arbeiterklasse.

Die jetzigen Führer der Arbeiterbewegung, von SPD, Linkspartei und Gewerkschaften, drücken jeweils auf ihre eigene Art den NATO-Kurs der Regierung voll durch. Das ruiniert die Wirtschaft hier und schnürt den Arbeitern die Luft ab. Um auch nur einen Schritt vorwärtszugehen, braucht es dringend einen Kampf gegen die aktuellen Führer der Arbeiterbewegung. Aber genau das lehnen Sahra Wagenknecht und alle Linken in ihrem Schlepptau ab, die an der Einheit mit diesen Führern festhalten und so verhindern, dass es vorwärtsweisende Kämpfe gegen die Regierung gibt. Das hat die Misere der Arbeiterklasse nur verstärkt und das Anwachsen der AfD befeuert. Nötig ist, mit dieser politischen Einheit zu brechen. Schmeißt die Pro-NATO-Führer wie Scholz, Werneke und Wissler aus der Arbeiterbewegung!

Olaf Scholz und Konsorten in der SPD-Führung sind die treibende Kraft in der Ampel-Regierung für Militarisierung und Kürzungen im Sozialbereich. Ihre Politik ist, die Kosten der Krise auf die Arbeiter abzuwälzen, die steigenden Energiepreise sind nur ein Beispiel. Das wird begleitet von der Hetze, dass jeder, der nur die leiseste Kritik äußert, als Rechter oder sogar Nazi abgestempelt wird.

Frank Werneke und die DGB-Gewerkschaftsführung stützen die Regierung von A bis Z und hindern die Arbeiter daran, einen Kampf gegen diese zu führen. Sie sorgen für einen Tropfen auf den heißen Stein wie mit Einmalzahlungen, um die Lohnsenkungen durchzukriegen und die Arbeiterklasse ruhig zu stellen. Ihre Lüge, dass die bisherigen Tarifabschlüsse angesichts der Wirtschaftskrise ein Erfolg seien, geht Hand in Hand mit der falschen Behauptung, es wäre im Interesse der Arbeiter, genau wie die imperialistischen Räuber eine Seite mit der Ukraine im Krieg zu haben.

Werneke trat anfangs sogar für schärfere Sanktionen gegen Russland ein, was die Arbeiter noch weiter in die Hände der AfD treibt. Kurz vor dem ver.di-Kongress tritt er jetzt angesichts der sich verschlimmernden Krise für soziale Verbesserungen ein. Lasst Euch nicht täuschen! Wer für tatsächliche Verbesserungen kämpfen will, muss den Kampf gegen die Pro-NATO-Führer wie Werneke aufnehmen. Für die Gewerkschaften ist es dringend notwendig, die Sanktionen zu durchbrechen, russisches Gas reinzulassen, alle Kraftwerke und Pipelines zu beschlagnahmen und die Energie zu Produktionskosten zu verteilen. Aber schon diese grundlegenden Maßnahmen erfordern einen Bruch mit den Gewerkschaftsführern wie Werneke und Co., die durch eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung ersetzt werden müssen.

Janine Wissler, Vorsitzende der Linkspartei, hat seit dem Erfurter Parteitag 2022 gezeigt, was ihr die papierene Opposition zur NATO und zu Waffenlieferungen, an der formal festgehalten wurde, wert ist: einen Dreck. Sie hat jegliche linke Kritik an der NATO mundtot gemacht und drängt den Wagenknecht-Flügel immer mehr raus, der sich das gefallen lässt, wenn auch unter Tränen. Wissler vernebelt ihre Aktionen mit dem Gerede über „soziale Gerechtigkeit“ und setzt die Einheit in der Linkspartei mit dem offenen Pro-NATO-Flügel von Gysi, Ramelow und Lay durch. Ja klar, alle brauchen soziale Verbesserungen. Aber Wisslers Kurs, als Handlanger Ramelows für die Solidarität mit der Ukraine und die NATO-Parole „Russische Truppen raus“ einzutreten, steht grundlegenden Verbesserungen entgegen.

Gegen die Offensive der Pro-NATO-Stiefellecker hatten wir Spartakisten bereits kurz nach Ausbruch des Krieges eine klare Antwort gegeben, wofür gekämpft werden muss: Schmeißt die EU/NATO-Unterstützer aus der Linken! Höhepunkt unserer Intervention in die damalige Polarisierung der Linken über den Krieg war beim Parteitag. Jeder Delegierte hat unseren Antrag zum Rausschmiss von Gysi, Ramelow, Lay und Co. bekommen, aber abgelehnt, dafür zu kämpfen. Während viele von ihnen sich als Sozialisten und sogar Kommunisten bezeichnen, haben sie jedoch in der Praxis die heilige Einheit mit den Führern der Linkspartei über die Interessen der Arbeiter gestellt.

Was macht Wagenknecht seit Ausbruch des Krieges? Sie greift die verheerende Politik der Ampel-Regierung an und fordert ein Ende des Wirtschaftskriegs gegen Russland. Das bringt ihr einiges an Sympathie ein. So windelweich ihre Kritik an der NATO auch ist, sie ist für die deutsche Bourgeoisie eine rote Linie und völlig inakzeptabel. Deshalb gibt es eine andauernde Kampagne der bürgerlichen Presse gegen Wagenknecht, und deren Echo sind Wissler und ihre Pro-NATO-Kumpanen. Wagenknecht hat vor dieser Offensive kapituliert und an der Einheit mit der Pro-NATO-Führung geklebt wie ein zäher Kaugummi. Wer nicht mal mit Wissler fertig wird, kann ganz bestimmt keinen Kampf gegen die Kapitalisten führen!

Das wird sehr klar bei der einzigen Aktion, die Wagenknecht seit letztem Jahr durchgeführt hat: ihr „Aufstand für den Frieden“ im Februar 2023 zusammen mit der bürgerlichen Feministin Alice Schwarzer. Um die 50 000 Leute kamen zu ihrer Demonstration, viele, weil sie sich mit Wagenknechts Opposition gegen Waffenlieferungen, NATO und antirussische Sanktionen identifizieren. Aber tatsächlich hat ihr Demoaufruf jegliche Opposition zur NATO fallengelassen, um es den NATO-Sprachrohren wie Gysi und Ex-General Vad zu ermöglichen, ihn zu unterstützen.

Dies zeigt, wie das Festklammern an der Einheit mit den offen sozialchauvinistischen Führern bedeutet, dass Wagenknecht nicht mal für ihre eigenen richtigen Forderungen wie den Stopp der Sanktionen kämpft. Auf diese Weise treibt Wagenknecht jeden Arbeiter und Kleinbürger, der nach einem Weg sucht, sich gegen die Regierung zu wehren, in die Arme der AfD.

Viele setzen Hoffnungen in die neue Partei, deren Gründung Wagenknecht tausendfach angedeutet hat, dass sie gegen den NATO-Kurs kämpfen und der AfD das Wasser abgraben könnte. Wenn Wagenknecht ihre Partei gründet, dann weniger aus eigenem Antrieb, sondern weil der Druck vonseiten der Linksparteiführung um Wissler sie dazu zwingt. Wenn man sich anguckt, wie Wagenknecht vor Wissler und Gysi seit letztem Jahr auf den Knien gerutscht ist, wird es allerdings glasklar, dass ihre neue Partei keinerlei Kampfinstrument gegen die Pro-NATO-Führer der Arbeiterbewegung sein wird, geschweige denn dafür, die Ursache von Krieg und Krise anzugehen.

Das liegt daran, dass Wagenknechts ganzes pazifistisches Programm darauf abzielt, die deutsche imperialistische Regierung anzuflehen, Friedensverhandlungen voranzutreiben. Der einzige Grund, warum Deutschland und die anderen NATO-Imperialisten einen Deal machen würden, wäre, ihre eigenen ausbeuterischen Interessen durchzusetzen. Dies würde nur mehr Unterdrückung bedeuten und die Grundlage für die nächsten Kriege legen. Wagenknecht verbreitet die Illusion, man könne aus dem Imperialismus eine Kraft für Frieden machen und seine Widersprüche wegregulieren. Das führt sie direkt zur Kapitulation und Einheit mit Typen wie Wissler, die ebenfalls für „Verhandlungen statt Panzer“ eintritt. So verhindert Wagenknechts pazifistisches Programm einen Kampf des Proletariats für seine Klasseninteressen gegen die Ausbeuter.

Sagt-Nein-Petition beim ver.di-Kongress

Oppositionelle Gewerkschafter haben sich um die Petition „Sagt Nein!“ organisiert. Sie wollen den kriegstreiberischen Leitantrag der ver.di-Führung zu Fall bringen und sprechen sich gegen Burgfrieden und Waffenlieferungen aus. Das spiegelt eine gerechtfertigte Wut an der Basis der SPD-geführten Gewerkschaften wider, die Frieden will und nach einem Weg sucht, die Angriffe auf ihren Lebensstandard zurückzuschlagen. Tatsächlich ist dies dringend notwendig.

Das entscheidende Hindernis, das die Arbeiter bisher davon abgehalten hat, hierfür kämpfen zu können, ist gerade die Einheit mit der jetzigen Pro-NATO-Führung. Besonders die in ver.di und EVG organisierten Transportarbeiter in Bahn und Hafen haben die Macht, Waffenlieferungen zu stoppen, jetzt! Das ist aber nicht möglich mit den Führern, die für diese eintreten. Doch genau den Schritt, mit diesen Führern zu brechen, macht auch die Sagt-Nein-Petition nicht! Stattdessen bittet sie diese sozialchauvinistischen Führer, doch etwas mehr für Frieden zu tun. So führt sie die bisherige Niederlagenstrategie der gesamten Linken weiter.

Während die Kapitalisten und ihre Ampel-Schergen mit ihrem Horror-Haushalt massive Militarisierung weitertreiben, bettelt die Sagt-Nein-Petition um Abrüstung und einen nicht militaristischen deutschen Imperialismus. Diese süßen Illusionen sind aber vollkommen akzeptabel auch für offene Pro-Imperialisten wie Werneke, der sich auch gegen das NATO-2-Prozent-Ziel ausspricht, während er die Arbeiter für die Linie der Regierung zu mobilisieren sucht. Das ist genau die Funktion dieser Abrüstungsfloskeln: die Arbeiter einzuseifen, um sie vom Bruch mit der proimperialistischen Führung abzuhalten.

Das imperialistische System kann nicht friedlich gemacht werden. Die Sagt-Nein-Kampagne verkauft den Arbeitern als Lösung, man müsse einfach zur relativ friedlichen Periode vor dem Ukrainekrieg zurückkehren. Aber genau in dieser Zeit hat der deutsche Imperialismus, in Zusammenarbeit mit den USA und unter ihrer Führung, durch kontinuierliche Ausweitung von NATO und EU diesen Krieg verursacht! Statt die Arbeiter für die Einheit mit den Lakaien des Imperialismus zu mobilisieren, müssen wir im Gegensatz dazu eine Einheit der Arbeiter in Deutschland, der Ukraine und Russland gegen den Imperialismus aufbauen. Das geht nur mit einer revolutionären Perspektive, hier in Deutschland die Arbeiter an die Macht zu bringen und dafür zu kämpfen, den reaktionären Krieg in der Ukraine in einen Bürgerkrieg umzuwandeln. Ukrainische und russische Arbeiter und Soldaten: Dreht die Gewehre um!

Der einzige Weg, die Abwärtsspirale für die Arbeiter und den Aufstieg der AfD umzukehren, ist ein Kampf, die aktuelle Führung endlich rauszuschmeißen. Die Hauptlehre aus dem letzten Jahr ist, dass dafür der politische Kampf gegen die linken Pazifisten geführt werden muss. Dafür müssen sich Arbeiter und Jugendliche mit einem revolutionären Programm gegen den Imperialismus bewaffnen. Nieder mit der vermaledeiten Einheit! Für eine revolutionäre Arbeiterpartei gegen NATO und EU!