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Spartakist Nummer 163

Sommer 2006

REVOLUTION über WASG:

Opportunisten kritisieren Reformisten

Spartakist-Jugend

Wer sich dieser Tage die Revolution (Zeitung der GAM-nahen Jugendgruppe Revolution, kurz Revo) reinzieht, kriegt den Eindruck, dass Revo Gefallen daran gefunden hat, die WASG scharf anzugreifen. So findet man mit dem Artikel „Trotz Trotzki – Wäre der Revolutionär Leo Trotzki auch in der WASG?“ in Ausgabe 18 (29. Mai) den beherzten Versuch, sich als orthodoxe Trotzkisten von SAV und Linksruck abzugrenzen, die sich in entgegengesetzten Flügeln der WASG opportunistisch liquidiert haben. So höhnt Revo:

„Alles in allem muss man feststellen, dass die WASG einen ,Wir sind die guten Sozialdemokraten‘-Stil fährt. Somit stellt sie keine Perspektive für revolutionäre Linke dar – in ihrem Programm ist nichts als Vorschläge, wie man den Kapitalismus etwas menschlicher gestalten könnte. Es kann uns nicht um die Reform des bestehenden Staates, es muss um dessen Zerschlagung gehen.“

So weit, so gut. Aber was schlägt Revo als Alternative vor? Sie reden viel von der Notwendigkeit, eine „revolutionäre Massenbewegung“ aufzubauen, so im Zusammenhang mit den Protesten gegen das CPE in Frankreich: „Wenn in Zukunft solche Proteste wieder entflammen und die Reformisten wieder zur Ruhe aufrufen – und das passiert zwangsläufig! –, muss die Gegenstimme einer revolutionären Massenbewegung zu hören sein“ (Revolution Nr. 17, 24. April). Als Leninisten wissen wir, dass eine wirkliche revolutionäre Bewegung nur eine Bewegung unter der Führung der Arbeiterklasse sein kann, die allein die soziale Macht und das historische Interesse hat, den Kapitalismus zu zerschlagen. Voraussetzung dafür ist die politische Unabhängigkeit des Proletariats von den Kapitalisten und ihrem Staat. Und wir wissen, dass das unerlässliche Instrument dafür eine proletarische Avantgardepartei ist, die für den konsequenten Bruch mit allen Opportunisten eintritt. Deshalb intervenieren wir in Klassenkämpfe wie die Anti-CPE-Proteste, um diese Kämpfe voranzutreiben und um Arbeiter und Jugendliche für die Perspektive zu gewinnen, eine solche Partei aufzubauen.

Revo und die GAM (Gruppe Arbeitermacht) lehnen das ab. Stattdessen passen sie sich an die Vorurteile von kleinbürgerlichen Radikalen wie der Antifa und der Antiglobalisierungs-Bewegung an. Den Charakter der „Massenbewegung“, die sie sich vorstellen, sieht man am Beispiel der Sozialforen. Von bürgerlichen Stiftungen und Regierungen wie Lulas Volksfront in Brasilien geschaffen und gesponsert, dienen sie dazu, Jugendliche, die etwas gegen die schlimmsten Auswüchse des Kapitalismus haben, in Bahnen zurückzuführen, die niemals die kapitalistische Herrschaft gefährden werden. Denn die Sozialforen sind Volksfronten: Sie sind Bündnisse von Organisationen der Arbeiterklasse mit bürgerlichen Institutionen auf der Basis eines bürgerlichen Programms, und das bedeutet effektiv die Unterordnung der Interessen des Proletariats unter die der Kapitalisten. Zwar beschwert sich Revo über den Würgegriff der Sozialdemokraten und Gewerkschaften, empfiehlt aber dennoch diese Institutionen der Klassenzusammenarbeit: „Trotzdem bleibt das ESF – wie es auf einem der zahlreichen Flugblätter ausgedrückt wurde – ,trotz seiner Schwächen der einzige Rahmen für die Zusammenarbeit der europäischen Linken‘ “ (Revolution Nr. 18). Die Liga für die Fünfte Internationale (L5I) der GAM schlägt die Sozialforen gar als Mittel vor, „um eine neue Internationale zu schaffen – eine Weltpartei der sozialistischen Revolution“ (Anti-Capitalism: Summit Sieges and Social Forums)! Was wohl die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung und die CIA-verbundene Ford Foundation (beides Sponsoren der Welt-Sozialforen) dazu sagen werden?

Trotz ihrer harschen Worte war Revo immer zur Stelle, wenn sie als linkes Feigenblatt gebraucht wurde. Während der Anti-CPE-Proteste in Frankreich lief eine breite Kampagne, in der die Jugendlichen aus den Vorstädten, überwiegend mit Immigrantenhintergrund, rassistisch als „casseurs“ („Hooligans“) beschimpft wurden. Revo schweigt in ihrem Artikel darüber und dient so als Abdeckung für das Bündnis aus Sozialistischer Partei, Kommunistischer Partei, Gewerkschaftsführungen und deren linken Wasserträgern, die für die Präsidentschaftswahlen 2007 eine neue Volksfront aufbauen wollen und diese rassistische Kampagne mitgetragen haben. Und noch zur Bundestagswahl 2005 hat Revo selbst dazu aufgerufen, das Linkspartei-Bündnis aus PDS und WASG zu wählen! In ihrem Artikel zur Wahl schrieben sie: „Die Linkspartei tritt offen gegen die Agenda 2010 und Hartz IV auf. Jede Stimme für sie ist eine Stimme der Ablehnung der CDU/SPD/FDP/Grünen-Politik“ (Revolution Nr. 13, 2. September 2005). Und das, nachdem der Berliner SPD/PDS-Senat jahrelang die Speerspitze der Angriffe auf die Arbeiterklasse darstellte und die WASG als linke Arschabdeckung diente, indem sie z. B. gerade dann Bündnisverhandlungen mit der PDS aufnahm, als diese im Senat den BVG-Arbeitern massive Lohnkürzungen aufdrückte. Nicht, dass Revo davon nichts mitbekommen hätte: „Aber ist die Linkspartei so oppositionell, wie sie vorgibt? Die PDS sitzt in den Landesregierungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, wo sie Hartz IV, Privatisierungen und weitere neoliberale Maßnahmen durchsetzt“ (ebd.).

Ihr aktuelles Auftreten als linkere Kritiker des WASG-Ausverkaufsverbands bedeutet nicht, dass Revo jetzt die Perspektive hätte, Arbeiter und Jugendliche von diesem sozialdemokratischen Hindernis zu brechen. Um ihre Zielgruppe, autonom geprägte Jugendliche, zu erreichen, ist die WASG einfach nicht mehr attraktiv genug: „Doch es ist nicht gerade erfolgversprechend, wenn junge KommunistInnen keine Jugendarbeit mehr machen, damit sie einen Verein alter SPDler ein Stück nach links rücken können“ (Revolution Nr. 18). Diese ehrenvolle Aufgabe überlassen sie natürlich lieber ihrer großen Schwester GAM, die (wie der Bericht zur Konferenz der WASG-Linken auf Seite 6 zeigt) gut dafür geeignet ist. Als gute Schüler dieser Arschabdecker erwähnt Revo die opportunistischen WASG-Manöver der GAM – oder die GAM überhaupt – in ihrem Artikel „Trotz Trotzki“ mit keiner Silbe.

Unbefangen von ihrem eigenen Opportunismus klagt Revo weiter über SAV und Linksruck: „Eine wichtige Position der revolutionären Bewegung war und ist die Notwendigkeit, den Staat der Kapitalisten zu zerschlagen. Bei den ,revolutionären‘ Gruppen in der WASG ist von diesem marxistischen Grundsatz keine Spur zu finden.“ Meint Revo mit den „revolutionären“ Gruppen – d. h. nicht-revolutionären Gruppen – auch die GAM, die ja ebenfalls in der WASG ist und mit ihren Ratschlägen an die Sozialdemokraten um Klaus Ernst, sie sollten Arbeitermilizen und Räte in ihr Programm aufnehmen, groteske Augenwischerei betreibt? Allerdings stellt auch Revo ganz ähnlich an Lafontaine und Co. die Gretchenfrage:

„Welche Regierung würde sie errichten, wenn sie die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich bringen könnte? Eine bürgerliche Regierung, zusammengesetzt aus SPD, Grünen und Linke, die nur dort kürzt, wo es ,wirklich, absolut notwendig‘ ist? Oder eine sozialistische Regierung, die sich auf Räte der Werktätigen stützt, und beginnt, den Staatsapparat zu zersetzen und das Privateigentum abzuschaffen? Wer dieser Frage ausweicht, beantwortet sie im Sinne der herrschenden Verhältnisse!“ (Revolution Nr. 15, 13. Januar 2006)

Die Formulierung, in die Revo ihre Gedanken hier kleidet, weist Mängel auf, aber der Gedanke ist immerhin klar. Es fragt sich: Wer weicht hier aus? Ein kleiner Tipp für Revo: Die WASG schämt sich nicht, immer wieder deutlich zu machen, dass sie selbst den bürgerlichen Staat verwalten will. Dies zu vertuschen überlässt die WASG gerne den nützlichen Idioten von der GAM.

Doch diese Politik ist keine Dummheit, sondern hat bei der GAM programmatische Tradition. Im krassen Gegensatz zu ihrer Rhetorik von „Arbeitermilizen“ und „diesen Staat zerschlagen“ hat es die Tendenz von GAM/Revo/L5I immer ausgezeichnet, dass sie niemals die Diktatur des Proletariats verteidigt hat, wo diese, wenn auch bürokratisch deformiert, tatsächlich existiert. Obwohl sie gelegentlich von „deformierten Arbeiterstaaten“ schreibt, stand sie in der Praxis nie auf dem trotzkistischen Programm der bedingungslosen militärischen Verteidigung des degenerierten Arbeiterstaats UdSSR oder der früheren deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas gegen Imperialismus und kapitalistische Konterrevolution. Im Gegenteil stand sie, wie die Vorgänger von SAV und Linksruck, auf einer Seite mit den Imperialisten gegen die degenerierten/deformierten Arbeiterstaaten. Grundlage für unser Programm ist das marxistische Verständnis, dass der Staat aus „besonderen Formationen bewaffneter Menschen“ besteht und der Verteidigung bestimmter Eigentumsformen dient. In den deformierten Arbeiterstaaten wurden der kapitalistische Staat zerschlagen, die Kapitalisten enteignet und Staaten geschaffen, die kollektive Eigentumsformen verteidigen, allerdings unter der politischen Herrschaft einer parasitären Bürokratie. Weil diese Bürokratie den Arbeiterstaat in einer Weise verwaltet, die sein Fortbestehen unterminiert, ist eine politische Revolution der Arbeiterklasse nötig – das kann nur auf der Grundlage der bedingungslosen militärischen Verteidigung des deformierten Arbeiterstaates geschehen. Revo hat dieses Verständnis nicht und weigert sich heute, die deformierten Arbeiterstaaten China und Vietnam zu verteidigen. Zwar gibt sie vor, Kuba und Nordkorea zu verteidigen, fordert aber im selben Atemzug die „Zerstörung des stalinistischen Staatsapparates“ (Revo-„Manifest“). Damit meint Revo nichts anderes als die Zerschlagung des einzigen Instruments, welches das kollektivierte Eigentum an den Produktionsmitteln verteidigt: des deformierten Arbeiterstaates. Indem sie diesen mit der bürokratischen Kaste an seiner Spitze gleichsetzt, verwischt Revo seinen proletarischen Klassencharakter. Die Verteidigung bereits eroberter Errungenschaften ist die Voraussetzung dafür, die Arbeiterklasse zu neuen Siegen zu führen: Für proletarisch-politische Revolution gegen die Bürokratie in den deformierten Arbeiterstaaten! Für sozialistische Revolution, um den Kapitalismus zu stürzen!

Wie zynisch Revos Forderung nach der Zerschlagung von Arbeiterstaaten ist, wird im Übrigen offenbar, wenn man sich anschaut, wie ihre österreichischen Genossen von der Gruppe ArbeiterInnenstandpunkt kokette Plaudereien mit dem Polizei-Sicherheitsbeauftragten vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) des kapitalistischen Staates Österreich führen (siehe Interview-Video vom 1. März 2006 auf www.arbeiterinnenstandpunkt.net).

 

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