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Spartakist Nummer 180

November 2009

USA/NATO/Bundeswehr raus aus Afghanistan!

Nieder mit dem imperialistischen Krieg in Afghanistan!

Sowjetische Intervention von 1979 brachte sozialen Fortschritt

Die afghanischen Präsidentschaftswahlen vom 20. August waren nie etwas anderes als eine demokratische Fassade für die imperialistische Besetzung Afghanistans unter Führung der USA. Die wirklichen Herrscher sind die Massenmörder im Weißen Haus und im Pentagon. Am 4. September wurden bei einem Luftangriff der USA/NATO, von der Bundeswehr befohlen, in der Nähe von Kunduz etwa 90 Personen getötet. Dies war der letzte der fortwährenden Luftangriffe, durch die in Afghanistan und auf der anderen Seite der Grenze in Pakistan Tausende niedergemetzelt wurden.

Von größerer Bedeutung als die Wahlen ist jedoch die Tatsache, dass die US/NATO/Bundeswehr-Besatzer militärisch an Boden verloren haben. Der Aufstand der Taliban, die zum größten Teil Paschtunen sind, hat jetzt ungefähr 40 Prozent der Provinzen des Landes erfasst. Die Regierung hat inzwischen keine Kontrolle mehr über den größten Teil Südafghanistans, und die Situation in den größeren Städten wie Kabul und Jalalabad ist sehr angespannt. In der südlichen Provinz Helmand, einer Hochburg der Taliban, haben sich durch Obamas Truppenverstärkung die Kämpfe weiter verschärft. Die Bundeswehr-Besatzer im Norden Afghanistans haben das Feigenblatt des „zivilen Aufbaus“ endgültig abgelegt und erscheinen offen als das, was sie immer waren: brutale imperialistische Besatzer, die Krieg gegen die Zivilbevölkerung führen.

Die brutale militärische Besetzung durch die USA, Britannien und andere NATO-Kräfte und die damit einhergehenden Gräueltaten haben insbesondere bei den Paschtunen, die mit ungefähr 42 Prozent die größte ethnische Gruppe Afghanistans darstellen, erbitterten Widerstand angefacht. Wenige Tage nachdem die USA am 4. und 5. Mai bei einem fortgesetzten Bombenangriff auf drei Dörfer in der westlichen Provinz Farah über 100 Zivilisten getötet haben, brachten tausende Dorfbewohner aus der Umgebung 15 neu entdeckte Leichen zum Haus des Provinzgouverneurs und riefen „Tod für Amerika“ und „Tod der Regierung“. Wie nicht anders zu erwarten war, haben sich viele Paschtunen immer mehr den wieder erstarkenden Taliban und anderen Kräften angeschlossen, und zwar sowohl in Afghanistan als auch auf der anderen Seite der pakistanischen Grenze, die künstlich geschaffen wurde und ethnische Gruppen auseinanderreißt. US-Luftangriffe auf Pakistan haben unter Obamas Präsidentschaft merklich zugenommen.

Jetzt trifft die Obama-Administration Vorbereitungen, die 68 000 bereits stationierten Soldaten um weitere 45 000 zu verstärken. Obama übertrug kürzlich Generalleutnant Stanley McChrystal, einem Kommandeur für „Spezialeinsätze“, den Oberbefehl der US/NATO-Truppen in Afghanistan. Ein Artikel der Washington Post vom 13. Mai beschrieb die „Menschenjäger“-Qualitäten seiner Kommandoeinsätze im Irak, Afghanistan und Pakistan: „Als Kommandeur des geheimen militärischen Joint Special Operations Command (JSOC) hat McChrystal seit 2003 federführend fast fünf Jahre lang eine Kampagne angeleitet, die der Perfektion der Kunst dient, Feinde aufzustöbern und sie dann gefangen zu nehmen oder zu töten.“ Im Irak beaufsichtigte das JSOC ein von Sondereinheiten betriebenes Folterzentrum namens Camp Nama für die Gefangenen.

Aufgrund der zunehmenden Opposition gegen die Besetzung Afghanistans beschwört Obama den „Krieg gegen Terror“, „nationale Einheit“ und Furcht – wie schon sein Vorgänger Bush. Am 17. August verkündete er vor einem Publikum von Veteranen: „Dies ist kein Krieg unserer Wahl. Es ist ein Krieg der Notwendigkeit. Diejenigen, die am 11. September Amerika angegriffen haben, verschwören sich, um es wieder zu tun. Wenn der Aufstand der Taliban nicht aufgehalten wird, würde er eine noch größere Zuflucht bieten, von wo aus Al-Kaida die Tötung von weiteren Amerikanern planen würde.“ Auch in Deutschland wird mit dem „Krieg gegen den Terror“ Angst geschürt, um immer schärfere „Sicherheits“gesetze durchzupeitschen: Das Münchner Oktoberfest wurde in eine von schwerbewaffneter Polizei belagerte Zone verwandelt, angebliche Islamisten wurden ohne Grund verhaftet, und seit kurz vor der Bundestagswahl gehören Polizisten mit Maschinenwaffen zum alltäglichen Straßenbild. Das dient sowohl der Einschüchterung der Bevölkerung als auch zur Begründung für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.

Unser Ausgangspunkt ist proletarische Klassenopposition gegen die kapitalistischen Herrscher, egal ob hier oder in den USA, und gegen das imperialistische System als Ganzes. Im Vorfeld der Invasion in Afghanistan 2001 und im Irak 2003 riefen wir zur militärischen Verteidigung dieser Länder auf, ohne den reaktionären, Frauen hassenden Taliban-Mörderbanden oder der kapitalistischen Diktatur Saddam Husseins irgendwelche politische Unterstützung zu geben. Heute treten wir für die militärische Verteidigung dieser Kräfte ein, insofern sie ihre Schläge gegen die imperialistischen Besatzer richten, und geben ihnen dabei nicht die geringste politische Unterstützung. Alle US-Truppen raus aus Irak und Afghanistan, sofort! Hände weg von Pakistan! Bundeswehr raus aus Afghanistan und dem Balkan!

DIE LINKE, Afghanistan und der deutsche Imperialismus

Die SPD/Grünen-Bundesregierung unter Schröder und Fischer nutzte nach dem Balkankrieg 1999 die Anschläge des 11. September 2001 dazu, nun endlich die Bundeswehr auch außerhalb Europas einsetzen zu können. Das Ziel war und ist die imperialistische Unterjochung Afghanistans im Rahmen des „Kriegs gegen den Terror“. Um Unterstützung für diesen Feldzug unter der weitgehend pazifistisch eingestellten Arbeiterklasse zu gewinnen, hat man die fürchterliche Unterdrückung der afghanischen Frauen demagogisch ausgenutzt, als ob der Krieg und die Besetzung Afghanistans auch zur Befreiung der Frauen geführt würden. Nach acht Jahren imperialistischer Besetzung sind die afghanischen Frauen so unterdrückt wie eh und je. Die SPD/Grünen-Regierung stand Pate für das Karzai-Regime, welches bei einer Konferenz auf dem Bonner Petersberg am 5. Dezember 2001 als Handlanger seiner imperialistischen Herren inthronisiert wurde. Bis zu dem Massaker von Kunduz wurde von der Regierung immer wieder versucht, diesen Krieg als humanistischen Einsatz darzustellen und das Wort „Krieg“ zu vermeiden. Tatsächlich aber war die Bundeswehr an allen Sauereien in Afghanistan genauso beteiligt wie der US-Imperialismus. Zu den Folterern von Murat Kurnaz, der 2001 in Pakistan verhaftet, in Afghanistan und Guantanamo gefangen gehalten wurde, gehörten auch deutsche KSK-Soldaten in einem US-Lager in Afghanistan. Ex-Außenminister Steinmeier (SPD) ist direkt verantwortlich dafür, dass Kurnaz jahrelang unschuldig im Folterknast Guantanamo war.

DIE LINKE hatte als eine ihrer zentralen Forderungen bei der Bundestagswahl: „Raus aus Afghanistan!“ Damit versuchte sie die immer kritischere Stimmung gegen den Krieg in Afghanistan in Wählerstimmen umzuwandeln. Sie spricht gern von sich als der einzigen Antikriegspartei. Kaum aber machte die SPD vor den Wahlen Töne, dass sie eine Koalition mit der Linken nicht mehr ausschließe, wenn diese nur ihre Opposition gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan aufgebe, schon wurde bei vielen Führern der Linken aus dem „Raus“ ein „ehrlicher Zeitplan“ für den Abzug, für den man die SPD gewinnen will. Bodo Ramelow stellte in dem Interview mit Welt am Sonntag am 4. Oktober auch ganz klar: „Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug.“ Oskar Lafontaine dementierte dies zwar umgehend: „Die Position der Partei ist klar: Wir sind für einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.“ Er selbst hatte aber der Sächsischen Zeitung am 16. September erklärt: „Sofort heißt natürlich nicht kopflos“, und klargestellt, dass die Regierung die Modalitäten eines Rückzugs mit „den Partnern“ klären müsse.

Das ganze Hin und Her ist einerseits einfacher Opportunismus gegenüber der deutschen Bourgeoisie, andererseits aber auch der Versuch, mit einer pazifistischen Scheinopposition die pazifistischen Gefühle der Massen auszunutzen, um sie von einem Bruch mit dem Kapitalismus abzuhalten und an das kapitalistische System zu binden. Eine Partei, die wirklich gegen imperialistischen Krieg ist, kann nicht pazifistisch sein, denn sie muss für den Sturz der eigenen herrschenden Klasse kämpfen. Im Ersten Weltkrieg rief Karl Liebknecht die Arbeiter auf, den innerimperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg gegen die jeweils „eigenen“ Kapitalistenklassen zu verwandeln: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ Im Fall von Afghanistan, einem neokolonial unterdrückten Land, treten revolutionäre Marxisten für die Niederlage der imperialistischen Bourgeoisien ein und beziehen eine militärische Seite mit denjenigen Kräften die gegen die Imperialisten kämpfen, insoweit diese ihre Schläge gegen die imperialistischen Truppen richten. DIE LINKE hingegen hat ihren Frieden mit dem imperialistischen Deutschland längst gemacht und strebt vehement eine Machtbeteiligung an. Der „Pazifismus“ der LINKEN dient nur dazu, der Arbeiterklasse Sand in die Augen zu streuen und sie gegenüber ihrer eigenen räuberischen Bourgeoisie zu entwaffnen.

Unter linken Organisationen in oder außerhalb der LINKEN gab es leise Kritik an der LINKEN-Führung. Hatte die reformistische SAV in der September-Ausgabe der Solidarität die LINKE noch dafür gelobt, „eine Reihe sinnvoller Initiativen gestartet“ zu haben wie „Opposition gegen die Beteiligung der Bundeswehr am Afghanistan-Krieg“, so jammert jetzt diese loyale „Opposition“ in der LINKEN darüber, dass es deren Führung nur noch darum geht, „sich auch für die Beteiligung an der nächsten Bundesregierung schon jetzt der SPD anzudienen“. Die SAV will linke Arbeiter und Jugendliche glauben machen, dass die sozialdemokratische LINKE durch Druck der Basis nach links geschoben werden könnte, was die SAV bis in die 90er-Jahre hinein mit der SPD versucht hatte. DIE LINKE ist wie die SPD eine bürgerliche Arbeiterpartei, die eine Arbeiterbasis hat, aber eine durch und durch prokapitalistische Führung. Es ist notwendig, diese Arbeiterbasis von solchen Parteien zu brechen. Die SAV tut das Gegenteil davon. Soweit ihr Einfluß reicht, kettet sie dadurch, dass sie ebenfalls „Pazifismus“ vertritt und sich darüber beschwert, dass die LINKE nicht konsequent genug pazifistisch ist, die Arbeiterbasis an die bürgerliche Führung.

DIE LINKE ist für Kriegseinsätze, wenn diese unter einem UN-Mandat laufen. Das heißt im Grunde nichts anderes, als dass die USA eine geringere Rolle spielen und Staaten wie Deutschland und Russland eine größere. Das ist nur eine andere, alternative, vom US-Imperialismus unabhängigere, Strategie des deutschen Imperialismus. Das ist, was der russische Revolutionär Lenin, in Bezug auf die Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg, Sozialchauvinismus nannte. Wie sehr die LINKE dem deutschen Imperialismus ergeben ist, zeigt sich daran, dass sie kein Wort der Kritik an der imperialistischen Besetzung des Balkans äußert, bei der der deutsche Imperialismus eine viel bedeutendere Rolle spielt.

Afghanistan und die sowjetische Intervention

Unterstützung für die bürgerliche Demokratische Partei in den USA oder für die Sozialdemokratie hier in Deutschland und Antikommunismus nach außen sind für große Teile der reformistischen Linken das Hauptmerkmal gewesen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, haben all diese reformistischen „Sozialisten“ in das Wutgeheul der Imperialisten eingestimmt, die in den 1980er-Jahren den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan forderten.

In dem Augenblick, als die mit der Sowjetunion verbündete Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) im April 1978 an die Macht kam, fing Washington an, die islamischen Mudschaheddin (Heilige Krieger) mit Waffen einzudecken. Als modernisierende Linksnationalisten versuchte die DVPA ein Programm zur Umverteilung des Landes, zur Senkung des Brautpreises, für die Ausbildung von Frauen und für deren Befreiung von der Burka umzusetzen. Diese relativ moderaten Reformen waren im Rahmen des rückständigen, vorfeudalen Afghanistans nichts anderes als revolutionär. Als die riesige Mullah-Kaste einen heftigen Aufstand startete, intervenierte die Sowjetunion im Dezember 1979 nach wiederholten Bitten des bedrängten DVPA-Regimes. Noch unter dem Demokraten Jimmy Carter benutzten die USA die Intervention der Roten Armee, um eine erneute antisowjetische Offensive (den zweiten Kalten Krieg) zu starten, die unter dem Republikaner Ronald Reagan fortgesetzt wurde. Dabei führten sie insbesondere einen Stellvertreterkrieg, der auf die Tötung sowjetischer Soldaten und Offiziere in Afghanistan abzielte.

Für Marxisten war es vollkommen klar, welche Seite die arbeitenden und unterdrückten Massen überall auf der Welt bei diesem Konflikt hatten. Die Gefahr einer von der CIA unterstützten islamischen Machtergreifung an der südlichen Flanke der UdSSR zeigte glasklar die Notwendigkeit der bedingungslosen militärischen Verteidigung der Sowjetunion, eines bürokratisch degenerierten Arbeiterstaates. Darüber hinaus eröffnete die sowjetische Militärintervention die Möglichkeit einer sozialen Befreiung der afghanischen Massen, insbesondere der Frauen. Wir Trotzkisten erklärten: Hoch die Rote Armee! Weitet die sozialen Errungenschaften der Oktoberrevolution auf die Völker Afghanistans aus!

Im Gegensatz dazu forderte die Vorläuferorganisation von marx21 (Linksruck), damals Sozialistische Arbeitergruppe (SAG): „Russen raus aus Afghanistan!“ In das gleiche Horn von sozialdemokratischem Antikommunismus stießen die maoistischen Organisationen in Deutschland, die mit Ausnahme vom Kommunistischen Bund (KB) die Intervention der Sowjetunion in Afghanistan verurteilten. Um ihre Parteinahme für die reaktionären Mudschaheddin und deren imperialistische Schutzherren zu rechtfertigen, griff die reformistische Linke zu der Lüge vom „armen kleinen Afghanistan“ und heulte darüber, dass der „Sowjet-Imperialismus“ auf den nationalen Rechten des Landes herumtrampeln würde. Tatsächlich wäre selbst dann, wenn Afghanistan eine Nation wäre, die Frage des nationalen Selbstbestimmungsrechts den vorrangigen Klassen- und sozialen Fragen untergeordnet gewesen – d. h. der Verteidigung der Sowjetunion sowie dem Kampf für Frauenrechte und sozialen Fortschritt in Afghanistan.

Afghanistan ist jedoch keine Nation, sondern ein Flickenteppich von Stämmen und Völkern mit einem winzigen Proletariat. Es gab nicht genügend innere Klassenkräfte zur Unterstützung der DVPA-Reformen, ganz zu schweigen von einer sozialen Revolution. Die sowjetische Militärintervention stellte jedoch die Möglichkeit dar, die Grundherren, die Warlords der Stämme und die Mullahs, die bis dahin die afghanische Gesellschaft beherrscht und ihre Rückständigkeit aufrechterhalten hatten, zu stürzen. Der soziale Fortschritt, der den afghanischen Völkern potenziell offenstand, zeigte sich in dem krassen Gegensatz zwischen Afghanistans ärmlicher Rückständigkeit und den riesigen Fortschritten beim Lebensstandard, bei der Bildung und bei Frauenrechten direkt nördlich der Grenze im sowjetischen Zentralasien, das einst Afghanistan sehr stark geähnelt hatte.

Unter dem Schutz des sowjetischen Militärs begann die afghanische Regierung mit Massen-Alphabetisierungs-Kampagnen und machte medizinische Versorgung zugänglich. Über 300 000 Bauern erhielten Land. Ende der 1980er-Jahre waren die Hälfte der Studierenden in Afghanistan Frauen, und Frauen stellten 40 Prozent aller Ärzte des Landes, 70 Prozent seiner Lehrer und 30 Prozent des öffentlichen Dienstes. Die Zahl der Arbeiterinnen hatte sich verfünfzigfacht und 15 000 Frauen dienten als Soldaten und Kommandeure in der afghanischen Armee. Die Online-Ausgabe des Londoner Guardian (30. September 2001) zitierte Saira Noorani, eine Chirurgin, die 2001 Kabul verließ: „,Das Leben war unter den Sowjets gut‘, sagte Saira. ,Jedes Mädchen konnte die Oberstufe und die Universität besuchen. Wir konnten hingehen, wo immer wir wollten, und anziehen, was wir mochten.‘“ Sie sagte außerdem: „Seit damals ist alles eine lange schwarze Nacht.“

Afghanistan und die amerikanische Intervention

Um die Sowjetunion in Afghanistan militärisch und wirtschaftlich ausbluten zu lassen, führten die USA die größte verdeckte Operation der CIA in der Geschichte durch. Aber die Rote Armee erlitt keine militärische Niederlage in Afghanistan. Ein prominenter Kommandeur der Sowjetarmee in Afghanistan, Generalmajor Alexander Liakhovsky, erklärte in seinem Buch Afghan: Tragedy and Valor (1995) [Afghanistan: Tragödie und Tapferkeit]: „Während der Zeit des ,Afghanischen Krieges‘ sind sie [die sowjetischen Soldaten] kein einziges Mal zurückgewichen und haben ihre Positionen niemals aufgegeben.“ Er fügte hinzu: „Sie taten viel Gutes für das afghanische Volk, indem sie ihre friedenserhaltenden Funktionen durchführten (sie machten der Bevölkerung ärztliche Hilfe zugänglich; sie bauten Straßen, Schulen und Krankenhäuser; sie stellten humanitäre Hilfe zur Verfügung und so weiter). Für viele lange Jahre zum Beispiel bewahrten sie Kabul und andere größere Städte vor der Zerstörung, die, wie ich bereits sagte, zu Kriegsgebieten reduziert wurden, nachdem die Mudschaheddin an die Macht kamen, und die jetzt in Trümmern liegen.“

Dieser ehemalige sowjetische General ist nicht der einzige, der anerkennt, dass die Rote Armee nicht militärisch unterlegen war. Sogar am Vorabend des sowjetischen Rückzugs bemerkte ein Autor des Magazins Soldier of Fortune, dass die sowjetische Armee „in Afghanistan noch immer hingehen [könnte], wo immer sie will“ (zitiert in dem Buch von Diego Cordovez und Selig S. Harrison, Out of Afghanistan, 1995).

Der sowjetische Abzug 1988/89 war ein politischer Verrat der stalinistischen Bürokratie unter Michail Gorbatschow, der der kapitalistischen Konterrevolution 1991/92 in der Sowjetunion selbst die Türen öffnete. Die sowjetische Intervention lief dem nationalistischen Dogma der Stalinisten vom „Sozialismus in einem Land“ zuwider. Gorbatschows Verrat ergab sich aus der ganzen Perspektive der stalinistischen Bürokratie. Diese ordnete die Interessen des internationalen Proletariats dem Versuch unter, ihre eigene privilegierte Position als parasitäre Schicht, die sich auf die kollektivierte Wirtschaft stützt, zu bewahren, wodurch sie die Verteidigung des sowjetischen Arbeiterstaats selbst unterminierte. Wir kämpften für eine proletarisch-politische Revolution, um die stalinistische Bürokratie zu entmachten und die Sowjetunion wieder zum bolschewistischen Internationalismus Lenins und Trotzkis zurückzubringen. Von Anfang an warnten wir davor, dass die Kreml-Bürokratie in ihrem Streben nach „friedlicher Koexistenz“ mit dem US-Imperialismus einen Deal auf Kosten der afghanischen Völker machen könnte.

Nach dem sowjetischen Abzug kämpfte die afghanische Regierung drei Jahre tapfer weiter. Das Partisan Defense Committee (PDC) – eine rechtliche und soziale Verteidigungsorganisation, die mit der Spartacist League/U.S. verbunden ist – machte 1989 der DVPA-Regierung ein schriftliches Angebot, gegen die Kräfte der islamischen Reaktion „eine internationale Brigade zu organisieren, um bis auf den Tod … zu kämpfen“. Als dieses Angebot abgelehnt wurde, führte das PDC auf Bitte der afghanischen Regierung eine internationale Spendenkampagne durch, um den zivilen Opfern in der von den Mudschaheddin belagerten Stadt Jalalabad zu helfen, und sammelte über 44 000 Dollar. Die Kampagne wurde in Deutschland vom Komitee für soziale Verteidigung (KfsV) aktiv unterstützt.

Als die Mudschaheddin 1992 schließlich Kabul einnahmen und die Frauen wieder versklavten, führten die Mudschaheddin-Milizen der verschiedenen Stämme rachedurstig einen Krieg des Massenmordes, der Folter und Vergewaltigung gegen rivalisierende ethnische Bevölkerungsgruppen durch, der allein in Kabul mindestens 50 000 Tote kostete. Die Taliban, die sich aus der historisch dominanten Bevölkerungsgruppe der Paschtunen rekrutierten, gingen daraus als die stärkste der Mudschaheddin-Fraktionen hervor. Die Taliban kamen 1996 mit der Rückendeckung der pakistanischen Regierung und der Unterstützung des US-Imperialismus an die Macht.

Durch die US/NATO-Invasion 2001 wurden die aus den Paschtunen stammenden Taliban-Fundamentalisten entmachtet und an ihrer Stelle ein Regime installiert, das sich großteils aus einer Koalition von ehemaligen islamischen Mudschaheddin-Milizen zusammensetzte – Tadschiken, Usbeken und Hazara –, die sich in der Nordallianz gruppiert hatten. Karzai wurde von den USA als die paschtunische Galionsfigur auserwählt, während Warlords der Nordallianz, hauptsächlich Tadschiken, zentrale Sicherheits- und Militärposten erhielten. Das ist mehr oder weniger immer noch das reaktionäre Regime, das bis heute von den USA kontrolliert wird. Karzais Vizepräsidentschaftskandidat bei den kürzlichen Wahlen, Muhammad Fahim, ist einer der größten Drogenbarone des Landes, während ein weiterer seiner Unterstützer, Abdul Rasul Sayyaf, dafür berüchtigt war, Frauen die Brüste abzuschneiden (Libération, 20. August). Und Abdullah Abdullah, ein ehemaliger Außenminister unter Karzai, war einst ein Berater von Ahmed Shah Massoud, einem tadschikischen Mudschaheddin-Anführer. Massoud war ein Schlächter, der 1993 das Massaker an hunderten Männern, Frauen und Kindern der Hazara anordnete und in Kabul bis zu tausend weitere Menschen tötete, als er die Viertel der Hazara zerstörte.

Während die US-Aufseher Afghanistans in zynischer Weise die Notlage der Frauen unter dem abgesetzten Taliban-Regime anprangern, haben sie 2004 eine Verfassung ausgehandelt, in der praktisch das islamische Recht (Scharia) verankert ist. Heutzutage beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung afghanischer Frauen und Männer 44 Jahre (das sind 24 Jahre unter dem weltweiten Durchschnitt für Frauen) und der Alphabetisierungsgrad beträgt 12,6 Prozent. Frauen sind noch immer gezwungen, in der Öffentlichkeit die von Kopf bis Fuß reichende Burka zu tragen. Nach Angaben des afghanischen Bildungsministeriums wurden bis zum frühen Sommer mindestens 478 Schulen, die meisten davon für Mädchen, durch islamistischen Terror zerstört, beschädigt oder aufgrund von Drohungen geschlossen.

Die USA führen ihren „Krieg gegen Terror“, um den unterdrückten Völkern auf der ganzen Welt ihren Willen aufzuzwingen. Die Gräuel, die der „heilige Krieg“ des Imperialismus gegen die Sowjetunion in Afghanistan hervorbrachte, wie auch die jetzige Besetzung des Landes, zeigen ein weiteres Mal, dass das kapitalistische System ein Hindernis für sozialen Fortschritt und eine Brutstätte für barbarische Reaktion ist. Unser Zweck ist die Schmiedung einer multiethnischen revolutionären Arbeiterpartei die für die Niederlage des deutschen Imperialismus durch sozialistische Revolution kämpft. Im Gegensatz zu unseren reformistischen Opponenten folgen wir dem proletarischen internationalistischen und revolutionären Weg der Bolschewiki von Lenin und Trotzki.

Nach Workers Vanguard Nr. 942, 11. September 2009

Spartakist Nr. 180

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