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Spartakist Nummer 182

März 2010

Spartakist-Jugend

Studentenbürokraten verbannen Spartakisten vom Campus

Britannien: Chauvinistischer Englisch-Zwang an Londoner Uni

Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten!

Nachfolgend drucken wir einen Artikel unserer britischen Genossen der Spartacus Youth Group (SYG) ab, der Jugendorganisation der Spartacist League/Britain. Sie wurden vom Campus der School of Oriental and African Studies (SOAS, Uni London) verbannt, weil sie unnachgiebig gegen eine chauvinistische Maßnahme aus dem Arsenal des rassistischen „Krieg gegen Terror“ kämpften, wonach das Verbreiten jeglicher fremdsprachiger Literatur am dortigen Campus verboten ist. Auch in Deutschland dient der „Krieg gegen Terror“ der Ausgrenzung und Stigmatisierung von Immigranten und ethnischen Minderheiten mit arabischem oder muslimischem Hintergrund, was insbesondere Türken, Kurden und Palästinenser trifft. Unter der SPD/Grünen-Regierung begonnen, gehört er zur Teile-und-herrsche-Politik der Kapitalisten, die damit die Arbeiterklasse entlang ethnischer Linien spalten wollen, damit sie nicht vereint für ihre gemeinsamen Interessen kämpft.

Der krisengeschüttelte Kapitalismus hat den meisten Jugendlichen keine Perspektive zu bieten – krasse soziale Selektion im Bildungswesen, knappe Ausbildungsplätze, drohende Arbeitslosigkeit. Jugendliche nichtdeutscher Herkunft trifft das besonders: Während ihre Eltern oft in entscheidenden Sektoren der Arbeiterklasse und den Gewerkschaften integriert sind, finden sie noch schwerer einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, der die Grundlage wäre für Unabhängigkeit und die Hoffnung, sich integrieren zu können. So bekamen 2006/07 bundesweit nur 14 Prozent aller „jungen Migranten“ einen mittleren oder höheren Schulabschluss, gegenüber 70 Prozent bei den „ethnisch Deutschen“. Bei der Ausbildungsquote ist das Verhältnis 23 Prozent zu 57 Prozent (Tagesspiegel, 20. Dezember 2007). Zu dieser rassistischen Diskriminierung kommt die Hetze gegen „Parallelgesellschaften“ oder „gewalttätige Migrantenjugendliche“, wie 2006 gegen die Neuköllner Rütli-Schüler.

Wir wenden uns gegen Diskriminierung und nationalen Chauvinismus und sind für die volle soziale, kulturelle und politische Gleichberechtigung, gegen jegliche Hindernisse für die Integration ethnischer Minderheiten in alle Bereiche der Gesellschaft – in Schule, Universität und Beruf. Das ist Teil des Kampfes, das Bewusstsein zu schaffen, dass der Kapitalismus weltweit gestürzt werden muss. Dazu ist eine revolutionäre, multiethnische Arbeiterpartei notwendig, die den Kampf gegen jede Form von Unterdrückung aufgreift. Dringend notwendig ist die Verbindung des Kampfes gegen rassistische Unterdrückung mit den Kämpfen der Arbeiterklasse. Nur sie hat sowohl das objektive Interesse, den Rassismus zu überwinden, der sie spaltet, und die soziale Macht, seine materielle Grundlage zu beseitigen, indem sie den Kapitalismus stürzt.

Anfang 2009 wurde in Berlin – mit den Stimmen fast aller Linkspartei-Abgeordneter – eine reaktionäre zentrale Schülerdatei eingeführt, die neben diversen Personendaten der Schüler insbesondere auch ihre Staatsangehörigkeit und Muttersprache erfassen soll. Wohin das führt, zeigt ein Fall aus Hamburg: Die damals 15-jährige Magdalena und ihre Mutter sollten im Sommer 2009 nach Bolivien abgeschoben werden, weil sie sich „illegal“ in Deutschland aufhielten. Entdeckt wurden sie durch das dortige zentrale Schülerregister. Zwar hat Magdalena inzwischen einen Ausbildungsplatz gefunden und darf als „Geduldete“ in Deutschland bleiben – aber ihre Mutter wird wohl trotzdem abgeschoben (Das Parlament, 14. Dezember 2009).

Gerade in Berlin sieht die herrschende Klasse eine ganze Schicht von Immigranten-Jugendlichen als „überflüssige“ Bevölkerung an, da sie für den Produktionsprozess nicht gebraucht werden. Jegliche Maßnahmen für wirkliche Integration widersprechen daher den Profitinteressen der Kapitalisten. An der Gustav-Falke-Grundschule im Bezirk Mitte, wo ethnische Minderheiten etwa 40 Prozent der Einwohner ausmachen, wird zum kommenden Schuljahr sogar eine Klasse ausschließlich für Kinder mit „sehr guten Deutschkenntnissen“ eingerichtet – angeblich „besteht die Angst, das Unterrichtsniveau könnte zu niedrig sein“ (taz, 6. November 2009)! Diese Initiative wurde von SPD-Bürgermeister Wowereit und Grünen-Bildungspolitiker Özcan Mutlu als „zukunftsweisend“ begrüßt. Wir sind gegen chauvinistische Forderungen, „nur Deutsch“ zu reden, und gegen die Verschärfung der Einwanderungsbeschränkungen unter dem zynischen Vorwand, dass Immigranten Deutsch lernen sollen. Selbst die begrenzten Programme für zweisprachigen Unterricht wurden in Berlin fast vollständig abgeschafft. Wie wir zur Verteidigung von türkisch-deutschsprachigem Unterricht gegen rassistische Angriffe schrieben, „verstehen wir, dass es für diejenigen, die hier leben, lebenswichtig ist, Deutsch lernen zu können, weil dies das einzige Mittel für die Integration in eine deutschsprachige industrielle Gesellschaft ist, die eine gemeinsame Sprache für Produktion und Handel verlangt… Wir befürworten kostenlose zweisprachige Programme als eine rationale Herangehensweise, Kindern eine Brücke zu bauen zwischen ihrer Muttersprache und der deutschen Sprache“ (Spartakist Nr. 144, Sommer 2001). Volle Staatsbürgerrechte für alle, die hier leben!

Nachfolgend drucken wir den Artikel der SYG aus Workers Hammer Nr. 209 (Winter 2009/10) ab.

* * * * *

Der „Krieg gegen Terror“ des britischen Staates ist das einheimische Gegenstück zur blutigen imperialistischen Besetzung des Irak und Afghanistans. An den Universitäten spiegelt sich dies in Regierungsrichtlinien zur „Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus“ wider, die Studenten und eingewanderte Arbeiter unmittelbar polizeilicher Repression aussetzen. Was das genau bedeutet, konnte man am 8. April 2009 sehen, als die Polizei elf asiatische Männer, überwiegend Studenten, unter der falschen Anklage des „Terrorismus“ verhaftete. Als die Bullen schließlich zugaben, keine Beweise zu besitzen, und die Männer nach zwei Wochen ohne Anklageerhebung freiließen, wurden zehn von ihnen – alle pakistanische Staatsangehörige – von der britischen Einwanderungsbehörde inhaftiert. Acht wurden abgeschoben, während zwei noch im Gefängnis sitzen und ihre Abschiebung zu verhindern suchen.

Ein Artikel im Guardian vom 4. Dezember mit dem Titel „Unter Terrorismusverdacht verhaftete Studenten kämpfen um ihren guten Ruf“ beschreibt: „Im vergangenen April griffen Männer in Kampfmontur Rizwan Sharif in der Nähe einer Liverpooler Hochschule auf und hielten ihm eine Schusswaffe vor den Kopf.“ Ein anderer der Verhafteten, der 25 Jahre alte Student der Betriebswirtschaft Janas Khan, erzählte dem Guardian, dass sein Leben durch diese Erfahrung ruiniert sei, und erklärte: „Die ganze Sache ist Unsinn. Es gab keine Bombenfabrik, keine Verbindung zu Al Qaida, und die wissen es.“

Es liegt im grundlegenden Interesse von Studenten, Dozenten und Uni-Arbeitern, sich dem „Krieg gegen den Terror“ und immigrantenfeindlichen Hexenjagden an der Hochschule zu widersetzen. Nach den drakonischen neuen Einwanderungsbestimmungen von Labour sind Universitäten und Lehrer gezwungen, als Hilfstruppen der Einwanderungspolizei zu fungieren, indem sie ausländische Studenten überwachen und dem Staat alles „Verdächtige“ melden. Dies hat viele Dozenten zu Recht empört. Doch während die Dozentengewerkschaft UCU sich „absolut gegen diese Gesetzgebung“ ausspricht, fordert sie doch ihre Mitglieder zur Kooperation auf und erklärt, „diese Aufgaben gehören zu den gesetzlichen Verpflichtungen an Universitäten“ und „der Mitgliederschutz der Gewerkschaft kann sich nicht auf die Unterstützung von Gesetzesbruch hinsichtlich des PBS [System zur Regulierung der Einwanderung] erstrecken oder auf die Verteidigung von Mitgliedern, die solchen begehen“ („Points-based Immigration“, Anweisung der UCU, Februar 2009).

Indessen wurden am 12. Juni 2009 an der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London eingewanderte Reinigungskräfte der Vertragsfirma ESS zu einer „dringlichen Besprechung“ gerufen und unter Mithilfe der SOAS-Leitung von 40 Einwanderungsbullen überfallen, die sich im Raum verbargen. Neun der Reinigungskräfte wurden festgenommen, die meisten von ihnen anschließend abgeschoben. Dies war ein offener Angriff auf diese Belegschaft, die gerade erst nach einem Streik die Anerkennung als Gewerkschaft und den Londoner Mindestlohn erkämpft hatte. Die Spartacist League protestierte gegen die brutale Razzia und forderte volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten.

Es ist skandalös, dass die Studentenschaftsbürokratie [dortiges Pendant zum AStA], einschließlich der Socialist Workers Party (SWP – in Deutschland marx21, ehemals Linksruck), seit langem mit der Universitätsverwaltung zusammenarbeitet, um Studentengruppen für deren Literatur eine chauvinistische Englisch-Pflicht aufzuerlegen, die sich voll und ganz in den Rahmen der „Extremismus“-Richtlinien der Regierung von 2006 einfügt und vor allem islamische Gruppen trifft. Auf der Orientierungswoche vom September 2006 erließen Studentenschaftsbürokraten unter der Führung der damals prominenten SWP-Sprecherin Clare Solomon die Vorschrift, „jegliche Öffentlichkeitsarbeit hat auf Englisch stattzufinden“, und verkauften dies lächerlicherweise als Teil ihrer „Chancengleichheitspolitik“. Dies wurde später um die Festlegung ergänzt, dass jegliche Literatur eine unmittelbare englische Übersetzung enthalten müsse. Seitdem kämpfen wir bei Interventionen in Univeranstaltungen und bei regelmäßigen Verkäufen unserer Literatur (auch auf Arabisch, Chinesisch, Türkisch, Tagalog und in anderen Sprachen) gegen diesen Zensurversuch.

Diese chauvinistische Kampagne wurde noch ausgeweitet, als der gegenwärtige SOAS-Vizepräsident für Sport und Vereine, Ben Sellers, in einer E-Mail vom 25. August 2009 ankündigte, dass der Spartacus Youth Group (SYG) auf der Orientierungswoche 2009 kein Stand genehmigt würde, wenn wir nicht damit einverstanden wären, unsere fremdsprachige Literatur zu zensieren. Dies ist nicht ohne Ironie für die SOAS, die sich damit brüstet, ein „Hüter sprachlichen Fachwissens“ zu sein und „eine einmalige Palette nichteuropäischer Sprachen“ anzubieten (soas.ac.uk)! Die Antwort-E-Mail der SYG an die Studentenschaft gab eindeutig zu verstehen:

„Wir widersetzen uns dieser Politik aus politischem Prinzip heraus, weil sie ausländische Studenten diskriminiert und ein Werkzeug zur Vollstreckung des rassistischen ,Krieg gegen Terror‘ des kapitalistischen Staates an der Uni darstellt. Dies trifft vor allem muslimische Studenten, richtet sich aber letztendlich gegen alle Immigranten, Arbeiter und Linke wie uns selbst. Deshalb können und werden wir unsere fremdsprachige Literatur nicht zensieren.

Wir sind überzeugt, dass alle Studenten und Studentengruppen das Recht haben sollten, Literatur in jeder beliebigen Sprache zu verbreiten und jegliche politische Meinung zu äußern, einschließlich unseres Widerspruchs als revolutionäre internationalistische Sozialisten gegen diese chauvinistische Vorschrift.“

Als die SYG vor der Orientierungsveranstaltung einen Büchertisch aufbaute und unseren Widerstand gegen Rassismus und Chauvinismus, einschließlich des Maulkorberlasses gegen Fremdsprachen an der SOAS, klarmachte, war dies zu viel für die Bürokraten der Studentenschaft. In einer E-Mail vom 20. Oktober 2009 dozierte Ben Sellers: „Dies ist für die Verantwortlichen einer Studentenvereinigung ein nicht hinnehmbares Verhalten und von daher werde ich im kommenden Studienjahr keine Vereinsschriften der Spartacus Youth Group zulassen.“ Dieses Verbot gegen unsere kommunistische Gruppe ist empörend, und Studenten und Arbeiter an der Uni haben ein Interesse daran, sich dieser Zensur zu widersetzen. Was uns betrifft, so werden wir weiterhin gegen die Hexenjagd des „Krieg gegen den Terror“ vorgehen und fordern: Weg mit dem chauvinistischen Englisch-Zwang für Studentengruppen an der SOAS!

 

Spartakist Nr. 182

Spartakist Nr. 182

März 2010

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Zitat

Frauenbefreiung und sozialistische Revolution

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USA: Oberster Gerichtshof entscheidet gegen Mumia Abu-Jamal

Weg mit der rassistischen Todesstrafe!

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