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Spartakist Nummer 187 |
März 2011 |
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Frauen und Revolution
Von Weimar bis Hitler
Feminismus und Faschismus
Für Frauenbefreiung durch sozialistische Revolution!
Der folgende Artikel erschien in Women and Revolution Nr. 22, Frühjahr 1981, herausgegeben von der Frauenkommission der Spartacist League/U.S seit 1971. Die Geschichte der Unterstützung der deutschen Feministinnen für das Nazi-Regime ist bedeutsam zum Verständis der gegenwärtigen Entwicklung von feministischer Ideologie. Feministinnen sehen die grundsätzliche Spaltung der Gesellschaft zwischen Frauen und Männern und versuchen eine Bewegung aufzubauen, die für eine bessere Postion der Frauen innerhalb des Kapitialimus kämpft. Im Gegensatz zum Feminismus sehen wir die Macht der Arbeiterklasse als Motor für sozialen Fortschritt durch Klassenkampf und letztendlich durch sozialistische Revolution.
Feministische Schriften waren in letzter Zeit dominiert von einer Schwemme von Traktaten, die über das „Übel“ der Pornografie herziehen, aber auch ein anderes Thema hat ein bisschen Furore gemacht. In einem Artikel in off our backs [links-feministische Zeitung in den USA, 2007 eingestellt] mit dem Titel: „Deutsche Feministinnen und die Rechte: Kann das auch hier passieren?“ (Dezember 1980) sorgt sich die Autorin Carol Anne Douglas:
„Wo heute Rezession, Inflation und Arbeitslosigkeit wachsen und Ronald Reagan als Präsident kandidiert (natürlich könnte er nicht gewinnen), wo die Moral Majority [die rechte ,moralische Mehrheit‘] im Land herumkreischt und das ERA [Equal Rights Amendment, Verfassungszusatz zur Gleichberechtigung der Frau] einen langsamen Tod stirbt, schien es die passende Zeit zu sein, über deutsche Geschichte zu lesen… Welche Zeichen gab es damals für den drohenden Faschismus? Sahen die Feministinnen diese Zeichen? Was taten sie, als der Faschismus näher kam? Warum wurden einige Frauen Nazis?“
Douglas bespricht in ihrem Artikel vier kürzlich erschienene Bücher über deutschen Feminismus und Faschismus. Auch das Magazin Ms. veröffentlichte eine zweiteilige Reihe von Gloria Steinem zum gleichen Thema, „Die Nazi-Connection“, aber dort wird keine einzige feministische Organisation oder Einzelperson beim Namen genannt.
„Die Weimarer Republik – ‚der Feminismus eine Macht‘“
Für Feministen ist der Kampf gegen das Patriarchat theoretisch der höchste Imperativ; und Nazideutschland war in den Worten der Feministin Adrienne Rich „Patriarchat in reinster, elementarster Form“. Zweifellos existiert ein inhärenter Widerspruch zwischen dem Feminismus als Variante des bürgerlichen Liberalismus, der innerhalb des Rahmens der kapitalistischen Gesellschaft mehr individuelle Freiheiten für Frauen erkämpfen will, und dem Faschismus. Aber unter bestimmten Umständen wurde dieser Widerspruch hintangestellt. So steht es zum Beispiel außer Frage, dass das Dritte Reich sich unter deutschen Feministinnen einer breiten Unterstützerbasis erfreuen konnte.
Warum? Ganz sicher kann niemand argumentieren, dass sie an der Nase herum geführt wurden. Hitler posaunte sein Programm für Frauen sogar noch deutlicher hinaus, als Mussolini das zuvor getan hatte. Mussolini beschwichtigte 1923 Feministinnen, indem er Frauen das Wahlrecht bei Kommunalwahlen zugestand, aber das ursprüngliche Programm der Nazis forderte, das Wahlrecht für Frauen ganz abzuschaffen. „Hitler erklärte: ‚Die Botschaft der Gleichberechtigung der Frau ist eine Botschaft, die einzig vom jüdischen Geist entdeckt wurde, und ihr Inhalt ist von demselben Geist geprägt‘“ (Mein Kampf, zitiert in Kate Millett, Sexus und Herrschaft, 1971). Gleiche Rechte für Frauen, so Hitler, bedeuteten in Wirklichkeit einen Entzug von Rechten, weil es Frauen in Gebieten beträfe, in denen sie notwendigerweise unterlegen seien, zum Beispiel im öffentlichen Leben. Gottfried Feder, einer der frühesten „Theoretiker“ der Nazipartei, schrieb:
„Der Jude hat uns die Frau durch seine Art von Geschlechtsdemokratie gestohlen. Wir, die Jugend, müssen hinausmarschieren und den Drachen töten, damit wir das Heiligste auf Erden wieder zurückgewinnen, die Frau als Magd und Dienerin.“ (zitiert in Kate Millett, ebenda)
Ebenso kann niemand argumentieren, dass Hitler triumphierte, weil die organisierte feministische Bewegung schwach gewesen sei. In den Worten von Kate Millett stellte 1928 in Deutschland „der Feminismus eine Macht dar“. Sie weist darauf hin, dass in jenem Jahr Gertrud Bäumer, die autoritativste Sprecherin des deutschen kleinbürgerlichen Feminismus, ein Mitglied des Reichstags und eine hohe Beamtin im Innenministerium war.
Millett erklärt die feministische Unterstützung für Hitler folgendermaßen: Zwischen 1925 und 1933, als Hitler an die Macht kam, sei die feministische Bewegung durch Nazi-Infiltration ausgehöhlt und pervertiert worden. Tatsache ist jedoch, dass der deutsche Feminismus von 1933 sich unvermeidlich und organisch aus dem entwickelt hatte, was er sogar schon vor dem Ersten Weltkrieg dargestellt hatte.
Der bei weitem vorherrschende deutsche feministische Zusammenschluss, der Bund Deutscher Frauenvereine (BDF), der 1925 fast eine Million Mitglieder hatte, war seit 1908 zunehmend konservativer geworden. Als die Möglichkeit bestand, dass die Mitglieder die Legalisierung der Abtreibung unterstützen könnten, überredete der rechte Flügel des BDF den großen und extrem reaktionären Deutsch-Evangelischen Frauenbund, sich dem BDF anzuschließen und mit Hilfe ihrer Stimmen diesen Antrag abzuschmettern. Diesem Manöver folgte dann 1910 der Rausschmiss der Präsidentin Marie Stritt und ihre Ersetzung durch die weit konservativere Bäumer sowie der Ausschluss zweier „linker“ Strömungen, des Bunds für Mutterschutz 1910 und einer kleinen pazifistischen Fraktion 1915 (die in der Folge half, die liberal-pazifistische Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit zu gründen).
Bevor nun Feministen versucht sind, dem Verlust dieser „Radikalen“ zu viel Bedeutung beizumessen, wollen wir erwähnen, dass der Bund für Mutterschutz, der stark von der für sexuelle Freiheit eintretenden Helene Stöcker beeinflusst war und dessen Manifest für ein Ende „der kapitalistischen Männerherrschaft“ und für die Errichtung eines Matriarchats eintrat, das Ziel hatte, Landkolonien für unverheiratete Mütter und ihre Kinder zu schaffen, um die „deutsche Rassengesundheit“ zu fördern. Rassisch „ungesunde“ Mütter waren nicht zugelassen. „Es ist wirklich verstörend“, klagt Carol Anne Douglas, „dass die ersten Frauen, die sexuelle Freiheit unterstützten, Rassisten waren.“
Der frühzeitige Konservatismus des BDF erklärt sich nicht durch den Abgang dieser kleinen dissidierenden Elemente, sondern durch die Tatsache, dass der BDF von Anfang an in einer hoch politisierten klassenpolarisierten Gesellschaft mit einer Massenpartei der Arbeiterklasse existierte – der SPD, die außerdem eine starke sozialistische Frauenbewegung entwickelt hatte. Frauen, die eher links gesinnt waren oder der Arbeiterklasse angehörten und gegen ihre Unterdrückung kämpfen wollten, schlossen sich der SPD an, nicht dem BDF.
Sozialistische Frauenbewegung kontra BDF
Die Frauenbewegung der SPD wurde in den 1890er-Jahren von Clara Zetkin gegründet und basierte auf dem marxistischen Verständnis, dass Frauen angesichts der unlösbaren Verbindung zwischen Frauenunterdrückung, Familie und Privateigentum an Produktionsmitteln als Teil der revolutionären proletarischen Bewegung organisiert werden müssen. Von Anfang an war dies dem bürgerlichen Feminismus entgegengesetzt. 1914 hatten die SPD-Frauenorganisationen 175 000 Mitglieder, und Zetkins Zeitung Die Gleichheit hatte eine Auflage von 124 000.
Zetkin gab auf dem III. Weltkongress der Kommunistischen Internationale diese machtvolle Stellungnahme ab:
„Es gibt keine besondere kommunistische Frauenorganisation. Es gibt nur eine Bewegung, es gibt nur eine Organisation der Kommunistinnen innerhalb der Kommunistischen Partei zusammen mit den Kommunisten. Die Aufgaben und Ziele der Kommunisten sind unsere Aufgaben, unsere Ziele. Keine Sonderbündelei, keine Eigenbrödelei, die irgendwie geeignet wäre, die revolutionären Kräfte zu zersplittern und abzulenken von ihren großen Zielen der Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat und dem Aufbau der kommunistischen Gesellschaft.“ (Protokoll des III. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Bd. II)
Die Geschichte der SPD im Kampf um Frauenrechte war bei weitem nicht makellos (bei Kommunalwahlen ließ sie manchmal die Forderung nach Frauenwahlrecht fallen, und im Namen der „Bescheidenheit“ trat sie der offenen Diskussion über Abtreibung und Verhütung entgegen), aber im frühen 20. Jahrhundert war sie doch der standhafteste Kämpfer für das Voranbringen der Sache der Frauen in Deutschland. 1895 brachte die Partei eine Forderung nach Frauenwahlrecht im Reichstag ein und stand 1896 fast alleine da als Gegner des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das die Vorherrschaft der Männer festschrieb. Die SPD führte Kampagnen für den Schutz arbeitender Frauen und für Gleichheit der Frauen in Ausbildung und Beruf. Sie unterstützte gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Kindertageseinrichtungen für arbeitende Mütter. Die SPD kritisierte auch die Abtreibungsgesetze in Deutschland, trat dafür ein, dass Verhütungsmittel zugänglich sein sollten, und hielt Schulungskurse ab, um Frauen als Führerinnen der proletarischen Bewegung zu trainieren und zu fördern.
Im Gegensatz dazu hatte in der gleichen Periode der feministische kleinbürgerliche BDF die Position, dass nur eine Minderheit von Frauen entweder die Fähigkeit hatte oder es nötig sah, sich politisch zu betätigen oder ins Berufsleben einzutreten, und es wurde als selbstverständlich angesehen, dass die Frauen, die das taten, unverheiratet blieben. So unterstützte der BDF ein Gesetz, das Lehrerinnen auferlegte, im Fall ihrer Heirat den Beruf aufzugeben (und später stellte sich der BDF nicht gegen ein Gesetz – unterstützt von allen großen politischen Parteien außer der KPD –, das die Entlassung verheirateter Frauen aus dem Öffentlichen Dienst vorsah).
Der Erste Weltkrieg legte die interne Verrottetheit der SPD bloß, die die imperialistische Kriegsmobilisierung Deutschlands unterstützte (der BDF tat das natürlich auch). Viele der linkeren Kader aus der Frauenarbeit der SPD verließen die Partei zusammen mit der Anti-Kriegs-Minderheit, einige schlossen sich der großen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) an, andere der viel kleineren Gruppe revolutionärer Sozialisten, die 1916 den Spartakusbund und später die KPD gründete. Trotz heroischer Arbeit und persönlichem Mut gelang es diesen Sozialisten nicht, die revolutionäre Krise, die Deutschland nach dem Krieg überrollte, wirklich auszunutzen. Die Weimarer Republik wurde befestigt durch den Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und die blutige Niederlage der Spartakisten.
Ganz aufgeblasen und durchdrungen von ihrer eigenen Wichtigkeit machten sich die kleinbürgerlichen und reformistischen Statthalter des zerschmetterten Kaiserstaates grandiose Illusionen über ihre historische Rolle. 1919 proklamierte der BDF in seinem Programm das Ziel, deutsche Frauen jeder Partei und jeder Weltsicht zu vereinen, um „ihre nationale Zusammengehörigkeit zum Ausdruck zu bringen und die allen gemeinsame Idee von der Kulturaufgabe der Frau zu verwirklichen“. Dieses Programm erklärte Haushalt und Mutterschaft zur richtigen Bestimmung der Frau und wies die Vorstellung zurück, Männer und Frauen seien gleich. Es befürwortete „eugenische“ Politik und die Sterilisierung „antisozialer“ Elemente und betrieb eine aktive Kampagne für höhere Geburtenraten. BDF-Mitglied Adele Schreiber trat für die Sterilisation von „Trinkern“ ein; Else Lüders kämpfte für die Eliminierung interrassischer Ehen; und der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft, dessen einziger Existenzgrund es war, sich gegen die Heirat deutscher Einwohner der Kolonien mit nichtweißen ortsansässigen Frauen zu stellen, schloss sich dem BDF an.
Der BDF unterstützte vehement die Wiedereroberung des Territoriums, das Deutschland im Krieg verloren hatte. Er behauptete, alle politischen Parteien würden für Spaltung arbeiten, und unterstützte das Ideal einer organischen Volksgemeinschaft, aber in Wirklichkeit war er antikommunistisch und hauptsächlich verbunden mit kleinen bürgerlichen Parteien wie der Deutschen Demokratischen Partei. Während der gesamten Weimarer Republik steckte er die meiste Energie in das gleiche Vorhaben, mit dem sich heutzutage kleinbürgerliche Feministinnen wie Susan Brownmiller und Robin Morgan beschäftigen – eine Kampagne gegen Pornografie. Der BDF arbeitete auch für eine striktere Zensur von Filmen, Büchern und Theaterstücken und gegen Verhütung und „Lasterhaftigkeit“.
Faschismus: Der Kapitalismus ändert seine äußere Form
Das Nachkriegs-Chaos in der Weimarer Republik, die weltweite Depression 1919 und vor allem die Ansicht, dass die Arbeiterbewegung nicht fähig sei, diese Sackgasse zu durchbrechen, trieb Massen frustrierter und verarmter Kleinbürger den Nazis in die Arme. Aber Hitler und seine radikal-lumpenproletarischen Straßenbanden hätten nie die Staatsmacht erreicht, wenn die Bourgeoisie sich nicht mit Macht hinter ihn gestellt hätte, weil sie in der Nazibewegung ein Werkzeug sah, um die Arbeiterbewegung ein für allemal zu zerschlagen und dem deutschen Imperialismus wieder einen ungehinderten Weg zu öffnen. Wie Trotzki in seiner brillanten Analyse des Faschismus erklärte, ist der Faschismus eine Fortführung des Kapitalismus in anderer Form. Versteht man dies, kann man besser erklären, warum Massen bürgerlicher Feministinnen, die loyal den Kaiser und/oder die Weimarer Republik unterstützt hatten, es nicht so schwierig fanden, auch das Dritte Reich zu akzeptieren.
Trotzki wies in seinem Artikel „Was nun? Schicksalsfragen des deutschen Proletariats“ von 1932 darauf hin, was das Wesen des Faschismus ausmacht:
„Die Reihe ist ans faschistische System gekommen, sobald die ,normalen‘ militärisch-polizeilichen Mittel der bürgerlichen Diktatur mitsamt ihrer parlamentarischen Hülle für die Gleichgewichtserhaltung der Gesellschaft nicht mehr ausreichen. Durch die faschistische Agentur setzt das Kapital die Massen des verdummten Kleinbürgertums in Bewegung, die Banden deklassierter, demoralisierter Lumpenproletarier und all die zahllosen Menschenexistenzen, die das gleiche Finanzkapital in Verzweiflung und Elend gestürzt hat… Die Faschisierung des Staates bedeutet … vor allem und hauptsächlich die Zertrümmerung der Arbeiterorganisationen, Zurückwerfung des Proletariats in amorphen Zustand, Schaffung eines Systems tief in die Massen dringender Organe, die eine selbständige Kristallisation des Proletariats unterbinden sollen. Darin besteht das Wesen des faschistischen Regimes.“
In Deutschland konnte sich die Bourgeoisie nur deshalb in dieses System retten, weil das Proletariat, gelähmt durch den Verrat seiner politischen Führung – der reformistischen SPD und der stalinisierten KPD –, nicht stattdessen die sozialistische Revolution durchführte.
Feministinnen schließen sich Hitler an …
Der BDF – jene „Macht“ des Feminismus – war dann schließlich im Jahre 1930 gegen Verhütung, sexuelle Freizügigkeit und Abtreibung auf Wunsch, verteidigte die Familie und bekräftigte, die wahre Bestimmung der Frau erfülle sich durch Heirat und Mutterschaft. 1932 schlossen sich die Feministinnen dann dem allgemeinen Angriff auf das parlamentarische System an und drängten auf die Errichtung eines korporativen Staats nach italienischem Vorbild, mit der Ausnahme, dass eine der „Korporationen“ aus Frauen bestehen sollte.
Die Feministinnen des BDF, ebenso wie ihre Männer und Brüder betroffen von Chaos und Wirtschaftskrise, waren desillusioniert durch den impotenten Parlamentarismus des Weimarer Staates und hießen so die von Hitler versprochene „nationale Revolution“ willkommen. Sogar seine Erklärung: „Die Gleichberechtigung der Frau besteht darin, dass sie auf dem Lebensgebiet, das ihr von Natur aus bestimmt ist, die Hochachtung erfährt, die ihr gebührt“ schien ihnen verheißungsvoll zu sein. Die BDF-Präsidentin Agnes von Zahn-Harnack ließ verlauten, „es sei keine andere Haltung denkbar, als die nationalsozialistische Regierung gutzuheißen und sich hinter sie zu stellen“ (Claudia Koonz, „Mütter im Vaterland“, 1994), und dass der BDF „alles in seiner Macht Stehende tut, um uns zu helfen, zusammen zu arbeiten, und sicher persönliche Kontakte zu den besten Frauen im Nationalsozialismus herstellen wird.“
Bei den letzten Wahlen der 1930er-Jahre, in denen Deutsche noch irgendeine Freiheit der Wahl hatten – im März 1933 –, gab der BDF den Nazis beträchtliche Unterstützung und der Hoffnung Ausdruck, dass Hitler bald eine „biologische Politik“ einführen möge, um die deutsche Familie zu bewahren und ein „Schutzgesetz“, um sie vor „asozialen Personen“ zu schützen. (Bürgerliche Feministinnen in anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern hat der Rassismus des BDF damals wohl nicht so sehr schockiert; zu jener Zeit war in der konventionellen bürgerlichen Soziologie gängige Annahme, dass „Asoziale“ und „Unterrassen“ genetisch minderwertig seien.)
Der zentrale Punkt, warum der BDF sich Hitler unterordnete, ist, dass er an jedem Scheidepunkt den Klasseninteressen der Bourgeoisie folgte, denen der Ehemänner und Brüder der BDF-Mitglieder – und dass er bereit war, diesem Ziel sogar seine sehr konservativen Oberschicht-Ziele unterzuordnen, die doch bedeuteten, bürgerlichen Frauen mehr Zugang zu den Privilegien der Männer der Oberklasse zu geben. Weil der BDF das bürgerliche Mysterium der heiligen Kleinfamilie akzeptierte und von den nationalistischen Bestrebungen seiner Klasse durchdrungen war, konnte er nicht gegen Hitlers mystische, rassistische, zoologische Sicht der menschlichen Gesellschaft argumentieren.
Hitler kam zur Macht und ging daran, brutal die Arbeiterbewegung zu vernichten. Das machtvollste Proletariat Westeuropas wurde zertreten, seine Organisationen zerschlagen, sein Geist für eine Generation gebrochen, ohne dass es einen Schlag zu seiner eigenen Verteidigung führte. Und in dieser triumphalen Welle reaktionären Terrors wurde auch der bürgerlich-feministische BDF einfach beiseite gefegt.
Im April orderte die Nazi-Regierung, der BDF solle seine jüdische Mitgliedsorganisation, den Jüdischen Frauenbund (JFB), die größte Einzelorganisation, ausschließen und sich den Frauenmassenorganisationen der Nazis anschließen, die gerade gebildet wurden. Die BDF-Führerin Gertrud Bäumer unterstützte dies öffentlich und erklärte, sie denke, die Nazi-Frauenorganisationen seien einfach größere Versionen des BDF – „eine neue, spirituelle andere Phase der Frauenbewegung“. Sie befürwortete, ihre Anhänger sollten sich der neuen Ordnung anpassen. Im Juni 1933 wurde der BDF formell von seinen Mitgliedern aufgelöst.
Heutige Feministinnen sind außer sich über diese erzwungene Auflösung des BDF und charakterisieren es als eine Manifestation nackter faschistischer Tyrannei. Und wirklich, eine Stimme erhob sich damals, die der Präsidentin von Zahn-Harnack, und argumentierte, der BDF solle nicht aufgelöst werden – denn seine Ziele seien durchweg vereinbar mit denen des Nationalsozialismus! Sie führte die Unterstützung der Organisation für „eugenische“ Politik und für die Sterilisation „antisozialer Elemente“ an, die Verdammung der Revolution von 1918 und des Versailler Vertrags und die Anerkennung „unterschiedlicher Sphären“ von Männern und Frauen. Es nützte alles nichts – die Auflösung wurde beschlossen und dies war dann das Ende der „Macht“ des Feminismus.
Am tragischsten war wohl das Schicksal des Jüdischen Frauenbunds, der alle Illusionen des BDF geteilt hatte, mit einer auf Erziehung bedachten, respektablen Mittelstands-Orientierung und Loyalität zur deutschen Gesellschaft. Er zog sich in die jüdische Gemeinschaft zurück, wo er schon immer Sozialarbeit betrieben hatte (etwa junge Frauen dazu auszubilden, Hausmädchen und Dienerinnen zu werden), und drängte seine Mitglieder, „nicht aufzufallen“, nicht laut oder auffällig zu agieren und „gute Deutsche“ zu sein. Nach der Pogromnacht am 10. November 1938, als die Faschisten Waisenhäuser des JFB niederbrannten und die Organisation auflösten, fand man jüdische Feministinnen an Bahnhöfen, wo sie Juden, die in Konzentrationslager deportiert wurden, Essenspakete zurechtmachten. Zum bitteren Ende 1942 taten nur noch acht Frauen an einem Berliner Bahnhof ihren Dienst, und dann wurden auch sie in den Tod transportiert.
Gertrud Bäumer hingegen veröffentlichte weiterhin während des Naziregimes die BDF-Zeitung Die Frau und behauptete später, der christlich-mystische Inhalt sei eine Art von Widerstand gegen den Nazismus gewesen. Aber wie off our backs zurecht vermerkt: „Wenn man sich überlegt, dass sie [die Nazis] ihr einfach so erlaubten, weiter zu machen, befürchteten sie wirklich keine Bedrohung.“
… und auch Mussolini
Die deutsche feministische Bewegung war natürlich geprägt von den besonderen Erfahrungen in der deutschen bürgerlichen Gesellschaft, aber niemand sollte glauben, dass die Antwort des BDF auf den Faschismus eine besondere deutsche Eigenart war. Auch in Italien unterstützte jede große feministische Organisation während der ersten Jahre von Mussolinis Präsidentschaft freiwillig den Faschismus – auf der Basis, dass dieser den Sozialismus, der als die größte Gefahr angesehen wurde, in Grund und Boden stampfen würde.
Nach Mussolinis Marsch auf Rom boten sowohl der Consiglio nazionale delle Donne italiane (CNDI – Nationalrat der italienischen Frauen) und Giornale della donna (Zeitschrift der Frauen) offen ihre Hilfe beim Werk des „nationalen Wiederaufbaus“ an. Und sie halfen wirklich. Feministinnen spielten eine wichtige Rolle in mehreren großen faschistischen Propagandakampagnen, etwa für eine Glorifizierung des Landlebens, für eine steigende Geburtenrate und gegen Streiks. Die Aufgabe, städtische Frauen zum Widerstand gegen Streiks zu organisieren, wurde zu einem großen Teil von den Zeitschriften Voce Nuova (Neue Stimme) und Giornale della donna ausgeführt. Und auf dem Land drängte La donna nei campi (Frau auf dem Land) Frauen dazu, sich gegen Streiks zu wenden und ihre Männer zu überzeugen, das gleiche zu tun.
Trotzdem kam dann Ende der 1920er-Jahre der Widerspruch zum Ausdruck, der einer „feministisch-faschistischen“ Ideologie innewohnt. So druckte zum Beispiel die feministische Zeitung in Genua, La Chiosa (Der Kommentar) einen Leitartikel, der klagte:
„Wir möchten unsere lieben faschistischen Camerati fragen: Was habt ihr in letzter Zeit für Frauenrechte getan, dafür, dass Frauen ausgebildet und zu Höherem geleitet werden? Im Faschismus scheint ein Geist unerklärlicher, aber grimmiger Frauenfeindschaft zu existieren.“ (zitiert in Alexander De Grand, „Women under Italian Fascism“, Historical Journal, Bd. 19, Nr. 4, 1976)
Viel zu spät. Nachdem sie Mussolini unterstützt und sogar davor kapituliert hatten, dass die Faschisten nachdrücklich auf der Vorherrschaft der patriarchalischen Familie bestanden, trafen solche Klagen von Feministinnen, die überhaupt nichts begriffen hatten, auf ihre unvermeidliche Antwort. Die Mussolini-Regierung verwandelte La Chiosa einfach in ein Mode- und Filmmagazin.
Wohin führt „konsequenter Feminismus“?
Seit vielen Jahren haben wir mit Verachtung über die bescheuerte Losung der reformistischen Socialist Workers Party [in den USA] berichtet: „Konsequenter Feminismus führt zum Sozialismus“. Massenbewegungen unterdrückter Frauen waren eine treibende Kraft der Revolution in den rückständigen Gesellschaften der „Länder des Ostens“. Aber bürgerlicher Feminismus in den ökonomisch fortgeschrittenen Gesellschaften hatte vielerlei Ergebnisse – die Lehre des Kriegs zwischen den Geschlechtern, reformistische Pläne wie „affirmative action“ [Frauenquoten], neuerdings eine moralistische Kampagne gegen Pornografie –, aber nie war das Ergebnis Sozialismus. Wenn die Erfahrung des BDF und des italienischen Feminismus irgend etwas beweist, dann das, dass es überhaupt nicht so etwas wie „konsequenten Feminismus“ gibt. Das spezifische Programm und der Charakter unterschiedlicher feministischer Gruppen in unterschiedlichen historischen Perioden – wobei alle in gewissem Sinn eine Antwort auf die besondere Unterdrückung der Frauen sind – sind im Wesentlichen durch Klassengesichtspunkte bestimmt. Die Anpassung des BDF an den Faschismus reflektierte sowohl, dass der bürgerliche Liberalismus in einer Periode intensiver kapitalistischer Krise auf ganzer Linie versagte, als auch die grundlegende Feindschaft der Bourgeoisie gegen die proletarische Revolution, der einzige Ausweg für die Ausgebeuteten und Unterdrückten.
Für kleinbürgerliche Feministinnen von heute, die verstrickt sind in den Mythos, alle Frauen seien „Schwestern“, ist die Anpassung ihrer „Macht des Feminismus“ an Hitler auf ewig Quelle von Konfusion und Mysterium. Aber für uns revolutionäre Marxisten ist es einfach eine weitere schlagende Bestätigung unserer Position, dass Frauenbefreiung vor allem eine Frage des Klassenkampfes ist.
Viele der gegenwärtigen Sorgen im radikal-liberalen Milieu über „Nazismus jetzt?“ angesichts der Reagan-Jahre reflektieren tatsächlich nur liberale Illusionen, dass die [bei den Wahlen] rausgeschmissenen Demokraten irgendwie qualitativ besser gewesen seien, obwohl doch beide Parteien Kriegshetzer sind und Kahlschlagsmaßnahmen gegen die Arbeiterklasse erzwingen. Reagan ist kein Faschist, aber er ist sicher der rechteste Politiker, der in den letzten 50 Jahren an der Spitze der USA stand, und er reitet eine rückwärtsgerichtete Welle des Konservatismus gegen alle Ebenen der Gesellschaft. In dieser Atmosphäre der Reaktion fühlen sich natürlich Nazi- und andere faschistische Terrorgruppen ermutigt. Faschisten kandidieren offen sowohl auf Listen der Demokraten als auch der Republikaner; Kommunisten, Gewerkschaftsorganisatoren, Schwarze und Frauen werden in Greensboro, North Carolina, ermordet, und ihre KKK/Nazi-Mörder kommen völlig ungeschoren davon, während überall im Land siegesgewiss Ku-Klux-Klan-Kreuze brennen. Was war die feministische Antwort auf diesen jetzigen Aufschwung winziger rassistischer Terrorgruppen?
Wir waren es, die „konsequenten Sozialisten“ der Spartacist League, die zur Mobilisierung der Arbeiterbewegung aufriefen, um diesen Naziterror im Keim zu ersticken. Die Feministin Kate Millett, die sich in langen Ausführungen auf dem Papier den Kopf darüber zermarterte, welchen Launen des Schicksals eine Frau in Nazideutschland ausgesetzt war, weigerte sich, eine Demonstration zu unterstützen, um am 19. April 1980 den faschistischen Abschaum daran zu hindern, mitten in San Francisco Hitlers Geburtstag zu „feiern“. Wie die Socialist Workers Party, die tatsächlich für das „Rederecht“ für Faschisten eintritt, war auch Frau Millett mehr besorgt über die Sicherheit dieser Nazischläger als über die Sicherheit derer, die Mordopfer der Nazis werden sollten. Die Demonstration, unterstützt und zu großen Teilen organisiert von der Spartacist League, brachte 1200 Leute auf die Straße, um die Nazis wissen zu lassen, dass San Francisco eine Arbeiterstadt ist, keine Nazistadt – und die Faschisten wagten nicht, sich blicken zu lassen. Aber das war nicht das Verdienst von Millett oder jener bürgerlichen Feministen, die den Frauen sagen, sie sollen ihre Hoffnung dem kapitalistischen System von „Gesetz und Ordnung“ überlassen.
Die Erfahrung des deutschen Feminismus bekräftigt nur die Tatsache: Egal welch große oder mächtige feministische Bewegung geschaffen wird, das Schicksal der Frauen ist das Schicksal der Arbeiterklasse. Der Kampf, heute den Faschismus zu zerschlagen – ebenso wie der Kampf damals in Deutschland, um Hitler zu stoppen –, ist vor allem der Kampf zur Schmiedung einer revolutionären proletarischen Partei, die als „Volkstribun“ die Arbeiterklasse und alle Unterdrückten zum Sieg über den Kapitalismus führen und für immer mit dessen unvermeidlichen periodischen Krisen und giftigen Ideologien Schluss machen kann.
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