|
|
Spartakist Nummer 187 |
März 2011 |
|
|
Freiheit für Bradley Manning! Hände weg von Julian Assange!
WikiLeaks, imperialistische Lügen und Vergeltung
Der folgende Artikel ist übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 971 (7. Januar), Zeitung der Spartacist League/U.S.
Nachdem WikiLeaks etwa 250 000 Depeschen des US-Außenministeriums veröffentlicht hatte, folgte eine bösartige Vergeltungskampagne der Herrscher des US-Imperialismus gegen Julian Assange, Gründer der Website, und den Gefreiten Bradley Manning, der beschuldigt wird, Geheimmaterial zugänglich gemacht zu haben. Generalstaatsanwalt Eric Holder bereitet Berichten zufolge Anklageerhebung vor gegen Assange, einen australischen Staatsbürger, möglicherweise unter dem Espionage Act [Spionagegesetz] von 1917. Manning droht ein Verfahren vor dem Kriegsgericht und im Falle einer Verurteilung bis zu 52 Jahren Haft. Er zog Washingtons Zorn auf sich, als letzten April das Video eines US-Kriegsverbrechens in Bagdad bei WikiLeaks eingestellt wurde. Es zeigte, wie ein Apache-Helikopter mindesten 12 Menschen niederschoss und tötete, darunter zwei Reuters-Journalisten, und wie die Piloten sich an dem Blutbad ergötzen.
Manning – falls er wirklich die Quelle der durchgesickerten Informationen war – und Assange sind mutige Leute, die einen lobenswerten Dienst erwiesen haben, indem sie, wenn auch nur ein bisschen, den Schleier der Geheimhaltung und der Lügen gelüftet haben, der die Machenschaften der Imperialisten verhüllt. Sie verdienen es nachdrücklich, von Arbeitern und Unterdrückten der Welt verteidigt zu werden. In einer Reihe von Ländern gab es Proteste in Verteidigung von Assange, und der größte australische Gewerkschaftsverband Australian Council of Trade Unions hat sich für ihn eingesetzt. Es ist von zentraler Bedeutung, dass die internationale Arbeiterklasse WikiLeaks und Assange verteidigt und auch Freiheit für den Gefreiten Manning fordert, der unter qualvollen Bedingungen in Einzelhaft auf dem Marinestützpunkt Quantico, Virginia, festgehalten wird.
Obwohl man das angesichts der wütenden Reaktion der Obama-Regierung auf die kürzlich durchgesickerten Informationen kaum vermuten würde, enthalten sie tatsächlich wenig an dramatisch neuen Enthüllungen. Die Imperialisten sind einfach außer sich, wenn auf ihre Handlungen auch nur das kleinste Licht geworfen wird. Sicher sind einige der Depeschen recht peinlich für die USA und ihre Klientenstaaten. So enthüllen die durchgesickerten Dokumente, dass die NATO einen geheimen Militärplan entwickelt hat für die Verteidigung Polens und der baltischen Staaten gegen Russland. Es wird enthüllt, dass Saudi-Arabien, Bahrain und andere arabische Länder die USA drängen, einen Militärschlag gegen Irans Programm für nukleare Anreicherung zu führen, was erneut zeigt, dass Iran Atomwaffen braucht, um einen Angriff der USA oder ihres Stellvertreters Israel abzuschrecken. Und es wird gezeigt, dass Palästinensische Autonomiebehörde und libanesische Regierung mit Israel zusammenarbeiten, um die Hamas bzw. die Hisbollah aufs Korn zu nehmen.
Die Depeschen liefern auch eine Insider-Sicht über die eigenmächtigen Operationen des US-Imperialismus innerhalb der Grenzen seiner Klientenstaaten. Sie zeigen, wie sich die USA an der operationellen Führung des „Drogenkriegs“ in Mexiko beteiligten, von der Entwicklung der allgemeinen Strategie bis dahin, Einzelpersonen ins Visier zu nehmen. US-Beamte im Jemen handelten mit dem Präsidenten des Landes einen Plan aus, US-Luftangriffe auf vermutete Al-Qaida-Lager als Angriffe der jemenitischen Regierung zu tarnen, auch wenn dabei Zivilisten in die Luft gejagt werden. Um es mal gelinde auszudrücken: Solche Enthüllungen sind den Imperialisten oder ihren Handlangern nicht dienlich. Unter den Depeschen ist auch ein Bericht des US-Botschafters in Honduras über den Sturz des populistischen Präsidenten Manuel Zelaya im Juni 2009, in dem die Aktionen „des Militärs und/oder wer auch immer diesen Putsch anordnete“ als „illegal“ bezeichnet wurden. Wie auch immer, die Obama-Regierung hat die Regierung unterstützt, die dieser Putsch zur Macht brachte.
Besonders zu vermerken ist der Fall des Folteropfers Khaled El-Masri, der in einer Reihe der durchgesickerten Dokumente angesprochen wird. El-Masri, deutscher Staatsbürger libanesischer Herkunft, wurde Ende 2003 bei einem Urlaub in Mazedonien ergriffen und in ein geheimes CIA-Gefängnis in Afghanistan gebracht, wo er in Einzelhaft gehalten, vernommen und geschlagen wurde. Sogar nachdem die CIA sich sicher war, dass El-Masri nicht derjenige war, den sie suchten (sein Name ähnelt einem der Verdächtigen der Angriffe des 11. September 2001), hielten sie ihn weiter ohne Kontakt zur Außenwelt fest, denn „er wusste zu viel“. Schließlich, nach fast fünfmonatiger Gefangenschaft, wurde El-Masri in einem entlegenen Teil Albaniens abgesetzt, ohne jemals irgendeines Verbrechens angeklagt worden zu sein.
Die von den US-Botschaften in Deutschland, Spanien und Mazedonien 2006 und 2007 geschickten Depeschen über El-Masri bestätigen, was lange vermutet worden war: Berlin setzte die Haftbefehle gegen 13 CIA-Agenten nicht durch, die angeklagt waren, an der Entführung dieses deutschen Staatsbürgers beteiligt gewesen zu sein, denn Washington übte starken Druck aus und warnte vor „potenziell negativen Auswirkungen für unser bilaterales Verhältnis“, falls der Fall weiterverfolgt werden sollte.
Obamas Weißes Haus: brutal und rachsüchtig
Nach der Veröffentlichung des Videos über den Helikopterangriff in Bagdad veröffentlichte WikiLeaks etwa 76 000 geheime Militär-Feldberichte aus der Afghanistan-Besatzung, die die Brutalität dokumentieren, die imperialistische Kräfte gegenüber Zivilisten begingen, einschließlich CIA-geführte Kräfte, die aus Basen entlang der Grenze zu Pakistan operierten. Dann veröffentlichte WikiLeaks im Oktober fast 400 000 Feldberichte über den Irakkrieg und die Besatzung, in denen mehr als 109 000 Todesfälle aufgeführt werden, hauptsächlich Zivilisten.
Die Obama-Regierung schlug wütend gegen den Gefreiten Manning los und setzte ihn unmenschlichen Gefängnisbedingungen aus, die klar dazu dienen sollen, seinen Willen zu brechen. Seit seiner Verhaftung letzten Mai wird Manning in Einzelhaft festgehalten. Es ist ihm nicht erlaubt zu trainieren oder Fernsehnachrichten zu sehen; Wärter sehen alle fünf Minuten nach ihm; in seiner Zelle brennt dauernd ein Licht, auch wenn er versucht zu schlafen. Der Journalist David House, der einzige außer Mannings Anwalt, der ihn im Gefängnis besucht, sagt: „Er wird schon vor seinem Prozess unter Bedingungen festgehalten, die ihn irgendwie bestrafen sollen, und dies schwächt eindeutig seinen Geisteszustand“ (BBC News, 24. Dezember 2010).
Manning ist, wie Assange richtig sagte, ein politischer Gefangener. Währenddessen steht Assange unter Hausarrest in Britannien und kämpft gegen einen Auslieferungsantrag Schwedens wegen angeblicher „Vergewaltigung“ und „sexueller Belästigung“. Diese Anschuldigungen – die auf Anklagen wegen ungeschützten Sex hinauslaufen, und zwar in allem Anschein nach einvernehmlichen Beziehungen – sind offenkundig erfunden. Staatsanwälte in Schweden eröffneten erst eine Untersuchung über die Anschuldigungen, die von einigen WikiLeaks-Groupies gemacht wurden, dann ließen sie sie fallen, und dann eröffneten sie sie erneut. Tatsache ist: Assange ist keinerlei Verbrechens angeklagt.
Assange wies darauf hin, dass die wirkliche Bedrohung für ihn eine mögliche Auslieferung an die USA ist, wo Politiker sowohl der Demokraten als auch der Republikaner lauthals seinen Kopf fordern. Vizepräsident Joe Biden und dann auch der republikanische Minderheitsführer im Senat Mitch McConnell brandmarkten Assange als „High-Tech-Terrorist“. Die Drohung, die dahinter steht, machte Tom Flanagan explizit, ein früherer Berater des kanadischen Premierministers Stephen Harper: Er erklärte, Assange „sollte ermordet werden“.
Assange ist im Wesentlichen ein leidenschaftlicher liberaler Kritiker imperialistischer Politik. Ende der 1990er-Jahre war er an der Entwicklung eines Verschlüsselungsprogramms namens Rubberhose beteiligt, das Aktivisten in Gegenden wie Osttimor, Russland, Kosovo, Guatemala, Irak, Sudan und Kongo nutzen konnten, um sensible Daten zu schützen. 2009 verlieh Amnesty International Assange den Medienpreis für eine WikiLeaks-Untersuchung darüber, wie Regierungskräfte in Kenia Hunderte junger Männer getötet hatten. Die Tatsache, dass Sprecher der US-Regierung darüber diskutieren, Assange auf Basis des Spionagegesetzes von 1917 zu belangen, ist eine kristallklare Demonstration, wie die kapitalistischen Herrscher „nationale Interessen“ beschwören, um rigoros gegen ihre Kritiker vorzugehen. Inzwischen haben Bank of America, MasterCard, PayPal und Visa Europe alles in ihrer Macht stehende getan, um dabei zu helfen, Assanges Website zu schließen, indem sie Zahlungen an WikiLeaks blockierten.
Der Espionage Act war Teil eines ganzen Arsenals unterdrückerischer Maßnahmen, die der US-Imperialismus nach seinem Eintritt in den Ersten Weltkrieg ergriff, um Aktivitäten gegen den Krieg zu kriminalisieren. Das Gesetz sah Gefängnis für jede Handlung vor, die als Behinderung der Soldatenrekrutierung angesehen wurde. Erschreckt vom Gespenst der bolschewistischen Revolution von 1917, die Russland dem kapitalistischen Markt entriss und seine Kriegsteilnahme beendete, verabschiedete der US-Kongress 1918 den Sedition Act [Gesetz gegen Volksaufwiegelung], der es zum Verbrechen erklärte, die „Regierungsform der USA“ zu kritisieren.
Unter den ersten und prominentesten Opfern des Spionagegesetzes war Eugene Debs, Sprecher der Sozialistischen Partei, der wegen einer Rede ins Gefängnis geworfen wurde, die er im Juni 1918 bei einer Arbeiterversammlung in Canton, Ohio, hielt, wo er den Krieg als kapitalistische Schlächterei anprangerte und den bolschewistischen Führern der Oktoberrevolution seinen Tribut zollte. Das gleiche Gesetz wurde 1953 angewandt, auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, um Julius und Ethel Rosenberg hinzurichten. Sie wurden angeklagt, während des Zweiten Weltkriegs für die Sowjets spioniert zu haben, zu einer Zeit, als die USA und die UdSSR Verbündete waren. Wie ihr Sohn Robert Meeropol in einem Statement zur Verteidigung Assanges vom 29. Dezember erklärte, machte der Espionage Act „abweichende Meinungen zu Verrat“. Anfang der 1970er-Jahre versuchte die Nixon-Regierung vergeblich das Gesetz gegen Daniel Ellsberg anzuwenden, dessen Weitergabe der Pentagon-Papiere an die New York Times ein Schlaglicht auf die Geschichte des Kriegs des US-Imperialismus gegen die vietnamesischen Arbeiter und Bauern warf.
Zwar weiß niemand genau, was die Obama-Regierung gegen Assange im Schilde führt, aber es steht außer Frage, dass die Vendetta gegen ihn bedrohliche weitere Angriffe gegen Redefreiheit, Pressefreiheit und andere demokratische Rechte ankündigt. Die New York Times (11. Juni 2010) schrieb in einem Kommentar über den Fall eines Geheimdienst-Beraters, gegen den das Spionagegesetz angewandt wurde, weil er offenlegte, was er als verschwenderische Ausgaben für Abhörprogramme ansah: „Die Obama-Regierung zeigt, dass sie aggressiver vorgeht als die Bush-Regierung, um unautorisiertes Durchsickern von Informationen zu bestrafen.“ Wie wir wiederholt betont haben: Barack Obama, der mit breiter Unterstützung von Liberalen und Linken ins Amt kam, führt einfach seine Aufgaben als Oberbefehlshaber des US-Imperialismus aus – von der Ausweitung der mörderischen Besatzung Afghanistans zum Verschärfen der Angriffe auf demokratische Rechte im Namen des „Kriegs gegen Terror“.
Bolschewiki kontra Geheimdiplomatie
Die wütende Reaktion der Obama-Regierung auf die WikiLeaks-Enthüllungen zeigt, welche Bedeutung die Herrscher des kapitalistischen Imperialismus der Geheimdiplomatie beimessen, die, wie der revolutionäre Führer Leo Trotzki im November 1917 erklärte, „für eine besitzende Minderheit, die gezwungen ist, die Mehrheit zu täuschen, um sie ihren Interessen zu unterwerfen, ein notwendiges Werkzeug“ ist. Das erklärte Trotzki in einem Statement, das er als Volkskommissar für äußere Angelegenheiten des sowjetischen Arbeiterstaats herausgab, der gerade aus der Oktoberrevolution hervorgegangen war. Trotzki gab Veröffentlichung und Außerkraftsetzung von Geheimverträgen bekannt, die das vorherige Zarenregime und die bürgerliche Provisorische Regierung mit ihren imperialistischen Verbündeten ausgeheckt hatten.
Schon bevor das Proletariat die Macht eroberte, hatte die bolschewistische Partei die Abschaffung der Geheimdiplomatie und die Veröffentlichung der Geheimverträge gefordert – das war Teil ihrer revolutionären proletarischen Opposition gegen den Ersten Weltkrieg, einen Konflikt zwischen konkurrierenden Imperialisten um die Neuaufteilung der Welt. Diese Forderung wurde gegen die Provisorische Regierung aufgestellt, die nach dem Sturz des Zaren in der Februarrevolution 1917 zur Macht kam und Russlands Kriegsbeteiligung fortsetzte.
Unmittelbar nach der Oktoberrevolution gab der Arbeiterstaat ein Friedensdekret heraus, das Russland aus dem Krieg herauszog und von den Kriegsteilnehmern einen „gerechten, demokratischen“ Frieden forderte, ohne Annexion oder Reparation. Zwei Wochen später begann die sowjetische Zeitung Iswestija damit, Verträge zu veröffentlichen, die während des Krieges abgeschlossen worden waren. Der Historiker E. H. Carr bemerkte in Bd. 3 von The Bolshevik Revolution, 1917-1923, dass die Veröffentlichung der Verträge in englischer Sprache im Manchester Guardian britische Radikale elektrisierte und „in den Vereinigten Staaten Aufsehen erregte“. Eugene Debs erklärte in seiner oben erwähnten Rede in Canton: „Als die Bolschewiki an die Macht kamen und die Archive durchforsteten, fanden sie die Geheimverträge und machten sie öffentlich – Verträge zwischen dem Zaren und der französischen Regierung, der britischen Regierung und der italienischen Regierung, in denen vorgeschlagen wurde, nach der Erringung des Sieges das Deutsche Reich zu zerstückeln und die Mittelmächte zu zerstören. Diese Verträge wurden niemals geleugnet oder widerrufen.“
Die Oktoberrevolution war ein Leuchtfeuer für die Ausgebeuteten und Unterdrückten in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und in der kolonialen und halbkolonialen Welt. Zusammen mit der sowjetischen Annullierung räuberischer Verträge, die frühere Regimes abgeschlossen hatten, unterstützte die Veröffentlichung der Verträge das Aufflammen von Wellen von Kämpfen der Menschen, die unter dem Stiefel der Imperialisten standen, deren dreckige Deals jetzt bloßgelegt waren.
Einer der ersten Verträge, die aufgedeckt wurden, war das Übereinkommen vom Mai 1916 zwischen Mark Sykes aus Britannien und Francois Georges-Picot aus Frankreich, in dem das Aufteilen des Osmanischen Reiches zusammen mit der Aufteilung Deutschlands geplant wurde, in Erwartung derer Niederlage im Ersten Weltkrieg. Das zaristische Russland stimmte diesem Pakt unter der Bedingung zu, dass es einen Teil Ostanatoliens und Konstantinopels (Istanbul) mit den Dardanellen bekäme, eine zentral wichtige Passage zwischen dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer. Die Aufdeckung dieses Deals, der bei Kriegsende zu Gunsten Britanniens revidiert wurde, hatte eine elektrifizierende Wirkung im Nahen Osten, dessen Völker erwartet hatten, dass eine Niederlage der Osmanen ihre Selbstbestimmung zur Folge haben würde. Streiks und Demonstrationen überrollten 1919 Ägypten, und im Jahr darauf erhoben sich die Massen in Mesopotamien (dem heutigen Irak) gegen die mehr als 130 000 Mann starken britischen Besatzer. Die Sowjetregierung machte auch Pläne des zaristischen Regimes und der Imperialisten zunichte, Persien (Iran) aufzuteilen.
Eine ähnliche Auswirkung gab es in China; ganze Stücke des Landes waren von den westlichen und japanischen Imperialisten aufgeteilt worden. Die Sowjets veröffentlichten einen Geheimvertrag, der 1916 von Japan und Russland unterzeichnet worden war und eine Reihe früherer geheimer Abkommen bekräftigte, die die Mandschurei im Nordosten Chinas in japanische und russische Einflusssphären aufteilen sollten. Auch andere Gebiete wie die Innere Mongolei waren für Ähnliches vorgemerkt. Dass die Bolschewiki die zaristischen Annexionen und Machenschaften in China zurückwiesen, machte einen tiefen Eindruck auf herausragende radikale Intellektuelle und auf Studenten, die nach dem Krieg nach China zurückkehrten. Viele der Studenten hatten Illusionen in die Versprechen des US-Präsidenten Woodrow Wilson über „Selbstbestimmung“ und soziale Gerechtigkeit für alle Völker. Aber mit dem Versailler Vertrag von 1919 vermachten die USA und andere Imperialisten das gesamte Territorium der besiegten Deutschen in China dem japanischen Reich. Dies rief eine Welle von Massenprotesten hervor, bekannt als Bewegung des 4. Mai, und einige der Führer dieser Bewegung waren später daran beteiligt, die Kommunistische Partei Chinas zu gründen.
Eine revolutionäre Perspektive
Eine Anzahl reformistischer „sozialistischer“ Organisationen auf der ganzen Welt haben sich angesichts der WikiLeaks-Enthüllungen positiv auf die sowjetischen Veröffentlichungen von Geheimverträgen bezogen – aber sie behaupten, zwischen beidem gäbe es eine direkte Verbindung. Julian Assange hat den Ausgebeuteten und Unterdrückten einen wertvollen Dienst erwiesen, aber er ist, was er nun mal ist: ein bürgerlicher Liberaler, der vergebens versucht, das imperialistische System von seinen schlimmsten Exzessen zu befreien, indem seine Verbrechen aufgedeckt werden. Die Bolschewiki hatten ein anderes Ziel. Sie legten die Taten der vorherigen Herrscher Russlands und derer imperialistischen Paten und Verbündeten bloß und trugen so dazu bei, die Arbeiterklasse in Russland und international zu schulen. Ihr Programm war, die Oktoberrevolution international auszuweiten, was, wie sie wussten, der einzige Weg war, eine sozialistische Gesellschaft zu erreichen. Aber die revolutionäre Welle, die mit und nach dem Ersten Weltkrieg durch Deutschland und andere europäische Länder rollte, schaffte es nicht, die Herrschaft des Kapitals zu stürzen, und der zentrale Grund dafür war, dass eine gestählte Avantgardepartei fehlte, wie sie W. I. Lenin in Russland aufgebaut hatte.
Der junge sowjetische Arbeiterstaat hielt seine revolutionäre internationalistische Perspektive und sein Programm aufrecht, musste aber doch diplomatische Absprachen mit der kapitalistischen Welt eingehen. So unterzeichneten die Sowjets den Rapallo-Vertrag, der es dem deutschen Militär und seinen industriellen Zulieferern ermöglichte, den Betrieb auf sowjetischem Territorium aufzunehmen. Dies gab zwar den deutschen Militaristen die Möglichkeiten, sich wieder zu bewaffnen, aber es verschaffte auch die Mittel zur Mechanisierung und Modernisierung der Roten Armee und verbundener Zweige der sowjetischen Industrie. Dieser Teil des Rapallo-Vertrags musste vor den siegreichen Entente-Mächten geheim gehalten werden. Trotzki schrieb über die revolutionäre bolschewistische Regierung: „Natürlich täuschte sie den Klassenfeind, wo immer sie konnte; auf der anderen Seite sagte sie den Arbeitern die Wahrheit, die ganze Wahrheit, und nichts als die Wahrheit. Nur dank dem gewann sie das Vertrauen der Arbeiter in einem Maße, wie nie zuvor eine andere Partei in der Welt“ (Ihre Moral und unsere, 1938).
Nach der Niederlage der Deutschen Revolution von 1923 war der sowjetische Arbeiterstaat, der sehr unter den Auswirkungen des interimperialistischen Krieges und des Bürgerkriegs nach der Revolution gelitten hatte, isoliert. Unter den Bedingungen des Mangels trat eine neue konservative und bürokratisierte Schicht in Partei und Staatsapparat unter Führung von Josef Stalin in den Vordergrund, die beginnend 1923/24 die politische Macht an sich riss. Anstelle des Banners der sozialistischen Weltrevolution stellte Stalin 1924 das falsche Dogma des „Sozialismus in einem Land“ auf, aus dem sich dann dazu passend unvermeidlich die „friedliche Koexistenz“ mit dem Imperialismus entwickelte. Im Verlauf der Zeit, gegen die Opposition Trotzkis und seiner Anhänger, die darum kämpften, das Programm der Oktoberrevolution aufrecht zu erhalten, wurden dann die Kommunistischen Parteien aus Werkzeugen der Revolution in Werkzeuge der Klassenkollaboration verwandelt.
Trotzki vermerkte in Verratene Revolution (1936), seiner klassischen Analyse der stalinistischen Bürokratie: „Die Außenpolitik ist immer und überall eine Fortsetzung der Innenpolitik, denn sie wird von derselben herrschenden Klasse betrieben und verfolgt historisch dieselben Aufgaben. Die Entartung der herrschenden Schicht in der UdSSR musste mit einer entsprechenden Änderung in den Zielen und Methoden der Sowjetdiplomatie einhergehen.“ Trotzkisten verteidigten den degenerierten sowjetischen Arbeiterstaat bedingungslos gegen Imperialismus und innere kapitalistische Konterrevolution, aber gleichzeitig kämpften wir für proletarisch-politische Revolution, um die Bürokratie zu stürzen und zum Weg der Oktoberrevolution zurück zu kehren.
Der Verrat der Bürokratie führte schließlich dazu, dass 1991/92 die Oktoberrevolution durch die kapitalistische Konterrevolution endgültig zunichte gemacht wurde. Seither sind die Imperialisten, die hämisch über den „Tod des Kommunismus“ frohlocken, dreister denn je bei ihrem Amoklauf von Irak bis Afghanistan und bei ihrem Angriff auf demokratische Rechte und den Lebensstandard von Arbeitern „zu Hause“. Liberale und die reformistische Linke klammern sich an Enthüllungen über die (tagtäglichen) Machenschaften der kapitalistischen Herrscher – Desinformation, politische Geheimpolizei, Ermordungen etc. –, um die Imperialisten unter Druck zu setzen, eine „menschlichere“ Politik zu verfolgen. Unser Ziel ist es, eine Arbeiterpartei nach dem Vorbild der Bolschewiki aufzubauen. Der Imperialismus und seine brutalen Kriege und Besetzungen, die der Öffentlichkeit durch systematische Lügen und Täuschungen verkauft werden, wird erst durch erfolgreiche proletarische Revolution besiegt werden, die, international ausgeweitet, die Grundlage legen wird für die Befreiung der gesamten Menschheit in einer zukünftigen kommunistischen Welt.
|
|
|
|
|