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Spartakist Nummer 218 |
Herbst 2017 |
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Bericht eines Gewerkschafters
Folgenden Bericht erhielten wir am 2. September von einem Aktivisten der Ortsgruppe 6 der International Brotherhood of Electrical Workers (IBEW) in der Bay Area.
Die von der ILWU-Ortsgruppe 10 verabschiedete Resolution, am 26. August den Hafen stillzulegen und eine Demonstration anzuführen, um die Kundgebung der Alt-right-Gruppe Patriot Prayer in Crissy Field, San Francisco, zu stoppen, traf unsere kleine Gruppe von Antifaschisten in der IBEW wie ein Blitz. Seit Monaten waren wir dabei, Elektriker im Baugewerbe zu organisieren und von der tödlichen faschistischen Bedrohung zu unterrichten. Wir begannen sofort damit, daran zu arbeiten, die Unterstützung unserer Ortsgruppe für ein offizielles Kontingent von IBEW-Mitgliedern zu bekommen, das sich der ILWU anschließen sollte. Wir gaben einen Aufruf an unsere Kollegen und Kolleginnen heraus, besuchten Organisationstreffen und hielten unser eigenes ab. Doch mit jedem Schritt nahm die ILWU-Führung immer mehr Abstand von der ursprünglichen Absicht der Resolution.
Zuerst hörten wir, dass es keine Arbeitsniederlegung mehr geben sollte, dann wurde der Beginn der Demonstration vom ILWU-10-Gewerkschaftshaus an einen neuen Ort verlegt. Es folgte die Nachricht, dass die Gewerkschaftsführer in San Francisco sich mit dem Bürgermeister trafen, der die Leute öffentlich dazu aufrief, zuhause zu bleiben oder an Protesten „gegen Hass“ teilzunehmen, ein Ablenkungsmanöver am anderen Ende der Stadt, entfernt von der geplanten Kundgebung der Alt-right und der Faschisten. Zwei Tage vor der Demonstration zog unsere örtliche IBEW-Führung den offiziellen Status unseres Kontingents zurück, weil ihnen der Präsident von Ortsgruppe 10 gesagt hatte, dass es keine offizielle ILWU-Demonstration sei.
Viele IBEW-Mitglieder, insbesondere schwarze Mitglieder, die zu Recht fürchteten, sie würden besonders im Fadenkreuz stehen, hatten Solidarität mit unseren Zielen zum Ausdruck gebracht, aber auch Furcht vor Gewalttätigkeit der Faschisten und der Bullen. Unsere Entschlossenheit, einen disziplinierten Block zu haben, der bereit ist, sowohl sich gegen rechte Angriffe zu verteidigen als auch sich im Falle irgendwelcher Polizeigewalt als Gruppe zurückzuziehen, überzeugte viele, dass dies eine ernsthafte Gewerkschaftsmobilisierung sein würde.
Vor der Absage der nun inoffiziellen ILWU-Demonstration erwarteten wir mindestens 50 Mitglieder zur IBEW-Demonstration. Wir hatten gehört, dass die Mitglieder von HERE 2 [Gewerkschaft von Hotel- und anderen Arbeitern im Dienstleistungsgewerbe] auch auf die Straße gehen würden und dass auch Maler von der Gewerkschaftsortsgruppe in Portland kommen würden. Als sich dann unsere kleine Gruppe von IBEW-Mitgliedern am Morgen des 26. versammelte, waren wir nur 14. Wir sprachen mit Mitgliedern der Internationalist Group [IG]. Sie räumten ein, dass an diesem Morgen im ILWU-Gewerkschaftshaus die Abfertigungshalle geöffnet war und den Arbeitern gesagt wurde, sie sollten zur Arbeit gehen. Es würde keine ILWU-Demonstration geben, weder offiziell noch anderweitig.
Am Abend las ich dann den zynischen Internetartikel der Internationalist Group, wo behauptet wurde, die ILWU sei entscheidend dafür gewesen, die Faschisten zu verjagen. In der Woche unserer Organisierungsarbeit sahen wir aus erster Hand, wie die Gewerkschaftsbürokratie daran arbeitet, Arbeiterkampf zu demobilisieren: Die ILWU-Führung machte die von ihren Mitgliedern beschlossene Resolution, den Hafen dicht zu machen und als Gewerkschaft zu marschieren, um die Faschisten zu stoppen, null und nichtig. Als wir mit unseren geringen Kräften an dem Ort ankamen, der als Treffpunkt der zentral von der ILWU organisierten Kundgebung angekündigt worden war, standen wir neben einer Handvoll von Refuse-Fascism-Mitgliedern und zwei Unterstützern der IG allein da.
Die IG bestätigte, dass die Hafenarbeiter nach dem Fototermin von 6 Uhr morgens am ILWU-Gewerkschaftshaus zur Arbeit oder nach Hause gegangen waren. Später marschierten wir mit der IG und Mitgliedern der Malergewerkschaft in Portland und skandierten Losungen über die Notwendigkeit von Arbeiteraktionen, um die Faschisten zu zerschlagen, und für die Einheit der Arbeiter aller Länder. Wir riefen: hoch die Arbeiter und nieder mit den Faschisten, als wir zu jenen stießen, die erschienen waren, um der Alt-right am Alamo Square entgegenzutreten. Die Menge war begeistert, einen organisierten Gewerkschaftsblock zu sehen, wenn auch einen ziemlich kleinen und inoffiziellen. Stellt euch vor, wie es gewesen wäre, wenn Hunderte von uns in Gewerkschaftsblöcken marschiert wären, anstatt lediglich 20 als Einzelmitglieder.
In Kenntnis der Geschichte der IG und ihrer zentristischen Politik war ich nicht allzu überrascht, als ich an diesem Abend ihren Artikel sah, der von einem großen Sieg der ILWU sprach. Da standen all die richtigen revolutionären Formulierungen, aber der Verrat der ILWU-Führung wurde völlig vertuscht. Viele meiner Kollegen, die an diesem Tag auf die Straße gegangen waren, waren von diesem Artikel mehr als verwirrt. Sie fragten sich, ob die Mitglieder der IG Wahnvorstellungen hatten; wir alle hatten die ganze Woche lang das Vorgehen der ILWU-Führung gesehen und ihre Worte gehört! Für mich ist klar, dass die IG, wie der Rest der reformistischen Linken, vor einem Flügel der Gewerkschaftsbürokratie kapituliert und ihr nur ein revolutionäreres Mäntelchen umhängen will als einige der eher offen reformistischen sozialistischen Gruppen. Unbedingt notwendig ist ein Kampf für den Aufbau einer prinzipienfesten, programmatisch basierten Klassenkampfopposition gegen die jetzigen prokapitalistischen Irreführer in den Gewerkschaften, als Teil des Kampfes für den Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei.
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