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Spartakist Nummer 206

Januar 2015

Hongkong-Proteste: Speerspitze kapitalistischer Konterrevolution

Enteignet die Hongkonger Tycoons! Für proletarisch-politische Revolution in China!

Nachfolgend drucken wir die leicht redigierte Übersetzung aus Workers Vanguard Nr. 1054, 17. Oktober 2014, Zeitung unserer Genossen der Spartacist League/U.S., ab.

Seit Ende September bis Mitte Dezember blockierten imperialistisch unterstützte „Demokratie“-Aktivisten Straßen in Teilen der Stadt bei dem Versuch, die Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) über die kapitalistische Enklave Hongkong zu beenden. Die Demonstranten, bekannt als Regenschirm-Bewegung, versuchen Hongkongs kapitalistischen Parteien zur direkten politischen Machtausübung zu verhelfen und benutzen dazu die Forderung nach allgemeinen Wahlen als Hebel. Es liegt im Interesse der Werktätigen weltweit, diesen Protesten entgegenzutreten. Die politische Macht in den Händen der Bourgeoisie in Hongkong wäre ein Rammbock zur Zerschlagung des bürokratisch deformierten Arbeiterstaats China und zur Öffnung des Festlands für ungehinderte kapitalistische Ausbeutung.

Die Forderungen der Regenschirm-Bewegung werden von einem Chor reaktionärer Kräfte unterstützt, vom Weißen Haus und dem Sender Fox News bis zum Vatikan. Bei einem Treffen mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi am 1. Oktober 2014 betonte US-Außenminister John Kerry nachdrücklich Washingtons Unterstützung für „freie Wahlen“ in Hongkong. Hongkongs ehemalige britische Kolonialherren, die das Gebiet anderthalb Jahrhunderte lang ohne das geringste demokratische Brimborium beherrschten, haben ebenfalls ihre Unterstützung bekundet. Der stellvertretende Premierminister Nick Clegg bestellte den chinesischen Botschafter ein, um „Bestürzung und Sorge“ auszudrücken über Beijings Weigerung, „den Menschen von Hongkong das zu geben, was sie absolut erwarten dürfen“. Seit langem ist „Demokratie“ ein bevorzugter Vorwand für imperialistische Machenschaften, insbesondere während des antisowjetischen Kalten Krieges. Im Falle der Hongkonger Proteste sind die Imperialisten jedoch etwas zurückhaltender, um nicht ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu China aufs Spiel zu setzen.

China ist kein kapitalistisches Land, obgleich seine „Marktreformen“ groß angelegten Investitionen ausländischer Unternehmen die Tür öffneten und zum Aufkommen einer Kapitalistenschicht auf dem Festland führten. Chinas Wirtschaft wird straff vom KPCh-Regime kontrolliert, die wichtigsten Industriesektoren sind kollektiviert und in staatlichem Besitz. Es ist das Ziel der Imperialisten, durch eine kapitalistische Konterrevolution die Kontrolle des Staates zu brechen. Zu diesem Zweck arbeiten sie auf eine wirtschaftliche Durchdringung Chinas hin und fördern interne konterrevolutionäre Kräfte wie die Regenschirm-Bewegung. Die andere Seite ihrer Strategie ist der militärische Druck, den die USA und Japan und andere amerikanische Verbündete ausüben, wie es jüngst in einer Reihe von Provokationen im Ost- und Südchinesischen Meer zum Ausdruck kam, ganz zu schweigen von Spionageflügen vor Chinas Ostküste. Chinas Reaktion war recht zurückhaltend. Man stelle sich vor, welche Hysterie die US-Regierung hochpeitschen würde, wenn die chinesische Flotte 80 km westlich von Kalifornien gesichtet würde!

Das kapitalistische Hongkong bietet den imperialistischen Mächten die wunderbare Gelegenheit, auf einen „Regimewechsel“ hinzuarbeiten. Das tun sie mit großem Eifer, so zahlt Washington jährlich Tausende von Dollars an Fördergeldern des Außenministeriums, um „demokratische Institutionen“ in der Enklave zu entwickeln und junge Menschen zu politischen Aktivisten auszubilden. Auch Spionageoperationen haben sie in Hongkong aufgezogen, so hackte die NSA chinesische Mobiltelefone, wie Edward Snowden enthüllte. Die Regenschirm-Bewegung ist nur die jüngste Erscheinungsform vom Imperialismus gestützter antikommunistischer „Demokratie“-Proteste, die schon mehr als ein Jahrzehnt lang stattfinden. Die gegenwärtige Forderung nach „freien Wahlen“ richtet sich gegen einen Plan Beijings, Hongkongs Regierungschef aus einer Liste wählen zu lassen, die ein unter dem Einfluss der KPCh stehendes Komitee zuvor abgesegnet hat.

1997, als Hongkong aus britischer Herrschaft an China zurückfiel, versprach die KPCh, in Hongkong die kapitalistische Wirtschaft beizubehalten unter dem Motto „ein Land, zwei Systeme“, wobei den örtlichen Kapitalisten auch ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Regierung zugestanden wurde. Die stalinistischen Bürokraten in Beijing verfolgten mit dieser Regelung das Ziel, für ausländische Investitionen auf dem Festland zu werben, indem sie ausländische Kapitalisten davon überzeugten, dass Geschäfte mit China sicher seien. Die Internationale Kommunistische Liga „schloss sich dem Jubel an, als das verrottete britische Empire endlich seinen letzten großen Kolonialbesitz verlor“, warnte aber, dass das Fortbestehen des Kapitalismus in Hongkong „wie ein Damoklesschwert über den verbliebenen Errungenschaften der Chinesischen Revolution von 1949 hängt“ (WV Nr. 671, 11. Juli 1997). Im Gegensatz zu den atomisierten Kapitalisten auf dem Festland ist die Hongkonger Bourgeoisie politisch organisiert, hat Parteien, die ihre Klasseninteressen vertreten, sowie eine Anzahl von Zeitungen und anderen Medien.

Die Gegnerschaft der IKL gegenüber der Regenschirm-Bewegung entspringt unserer bedingungslosen militärischen Verteidigung des chinesischen Arbeiterstaats gegen Imperialismus und innere Konterrevolution. Wir rufen zur Enteignung der Hongkonger Finanzmagnaten auf, einschließlich ihrer Beteiligungen auf dem Festland. Gleichermaßen ist es notwendig, die neuen einheimischen kapitalistischen Unternehmer in China zu enteignen und die Konditionen für ausländische Investoren im Interesse der Werktätigen neu zu verhandeln. Doch um diese Aufgaben durchführen zu können, ist eine proletarisch-politische Revolution notwendig zum Sturz der korrupten Beijinger Bürokratie, die als Krebsgeschwür am Arbeiterstaat existiert und durch ihre Politik kapitalistisch-restaurative Kräfte in China ermutigt.

Schon lange propagieren die Beijinger Stalinisten eine Wiedervereinigung mit Taiwan nach der Formel „ein Land, zwei Systeme“, die auch in Hongkong Anwendung fand. Die Bourgeoisie in Taiwan, die unter dem unmittelbaren militärischen Schutz des amerikanischen Imperialismus steht, herrscht über die Insel seit ihrer Flucht vor Mao Zedongs KPCh-Streitkräften. Wiedervereinigung mit einem kapitalistischen Taiwan – wie unwahrscheinlich dies auch sein mag – würde den Kräften der kapitalistischen Restauration auf dem Festland ungeheuren Auftrieb verleihen, viel mehr noch als im Falle Hongkongs. Wir treten für revolutionäre Wiedervereinigung ein: proletarisch-politische Revolution in der Volksrepublik China und proletarisch-sozialistische Revolution in Taiwan, wo die Bourgeoisie enteignet werden muss.

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing

In einem nützlichen Exposé über die Regenschirm-Bewegung berichtete Tony Cartalucci (New Eastern Outlook, 1. Oktober 2014): „Deckt man die Identität der Führer auf, folgt man dem Weg des Geldes und untersucht man die westliche Berichterstattung über diese Ereignisse, so stellt sich mit Gewissheit heraus, dass wieder einmal Washington und Wall Street emsig am Werk sind, Chinas Insel Hongkong für Beijing so schwer regierbar zu machen wie möglich“. Insbesondere beschrieb Cartalucci ausführlich die Rolle der National Endowment for Democracy [Nationale Stiftung für Demokratie] (NED) des US-Außenministeriums – die Anfang des Jahres bis über beide Ohren in den faschistisch verseuchten Putsch in der Ukraine verwickelt war – und deren Ableger National Democracy Institute (NDI). Auch christliche Kirchen mit ihrer langen schmutzigen Spur der Organisierung antikommunistischer Dissidenten in den deformierten Arbeiterstaaten spielen in der Bewegung eine herausragende Rolle. Sie sind ein Vermächtnis des britischen Kolonialismus und stellen in Hongkong, wo praktisch an jeder Straßenecke eine Kirche steht, eine mächtige Kraft der sozialen Reaktion dar.

Die Regenschirm-Bewegung entstand aus einem Studentenstreik, zu dem am 22. September die Hong Kong Federation of Students [Hongkonger Studentenbund] und eine Schülerorganisation mittlerer und höherer Schulen namens Scholarism aufgerufen hatten. Die Federation of Students ist bedeutender Bestandteil der jährlichen Proteste am 1. Juli gegen die Rückgabe der ehemaligen britischen Kolonie an China. Scholarism ist weitgehend eine Schöpfung Joshua Wongs, eines 18-Jährigen, der unter dem Einfluss seiner missionierenden Eltern zum politischen Aktivisten wurde. (Sein Vater, ein Ältester der Lutheranischen Kirche, ist ein ausgesprochener Gegner von Schwulenrechten.) Wong sammelte erste politische Erfahrung und erntete Lob vom NDI mit der Organisierung einer Kampagne gegen einen Beijing-freundlichen Schullehrplan, den er als „Gehirnwäsche“ bezeichnete.

Eine weitere Kraft hinter den Protesten für kapitalistische „Demokratie“ ist die Führung von Occupy Central, die enge, langjährige Verbindungen zu den Imperialisten unterhält. Der meistgepriesene unter den Occupy-Gründern, Juraprofessor Benny Tai, spricht häufig bei NED-gesponserten Veranstaltungen. Weitere Führer sind etwa der Baptistenpfarrer Chu Yiu-ming, der nach den Protesten auf Beijings Tiananmen-Platz 1989 prokapitalistische Dissidenten flugs in die USA verschwinden ließ, und Martin Lee, Gründer und Vorsitzender von Hongkongs kapitalistischer Demokratischer Partei, 1997 Empfänger des Demokratiepreises der NED. Letzten April reisten Lee und seine Occupy-Führungskollegin Anson Chan nach Washington, wo sie sich mit US-Vizepräsident Joe Biden und Nancy Pelosi von den Demokraten trafen. Jimmy Lai von Occupy Central, ein Medienzar, bestritt jegliche Konspiration mit den USA, nachdem er sich im Mai fünf Stunden lang auf seiner Privatyacht mit seinem „guten Freund“, dem ehemaligen stellvertretenden US-Verteidigungsminister und Neokonservativen Paul Wolfowitz getroffen hatte (Hongkonger Standard, 20. Juni 2014).

Der Hongkonger Gewerkschaftsbund Confederation of Trade Unions (CTU) rief einen eintägigen Generalstreik aus, nachdem die Polizei versucht hatte, Studenten, die das Regierungsviertel Ende September lahmgelegt hatten, mit Tränengas und Pfefferspray zu vertreiben. Die CTU, die hauptsächlich Büroangestellte und Lehrer vertritt, steht im Gegensatz zu der Beijing-freundlichen Hong Kong Federation of Trade Unions in der antikommunistischen Tradition „freier Gewerkschaften“, die von den Imperialisten unterstützt werden. Unter den Bossen, die sich für den CTU-Streik aussprachen, gab es die Werbefirma McCann Worldgroup Hong Kong, die ihrer Belegschaft deutlich machte: „Das Unternehmen wird keinen bestrafen, der etwas unterstützt, das wichtiger ist als Arbeit“ (South China Morning Post, 30. September 2014).

An dem reaktionären Charakter der „Demokratie“-Proteste, die von Studenten und anderen kleinbürgerlichen Schichten dominiert werden, gibt es keinen Zweifel. Ein Demonstrant sagte der New York Times (7. Oktober 2014), er würde lieber „von einem demokratischen Land regiert werden“, was er mit seinem T-Shirt verdeutlichte, auf dem der Union Jack prangte, die bluttriefende Fahne von Hongkongs ehemaligen Kolonialherren. Unter den Demonstranten findet man häufig offenen Antikommunismus im Verbund mit arroganter Verachtung gegenüber Festlandchinesen, die als „Heuschrecken“ verspottet werden.

Hongkong: Sweatshop für Büroangestellte

Die Chinesische Revolution von 1949 war von welthistorischer Bedeutung. Hunderte Millionen Bauern erhoben sich und nahmen das Land in Besitz, auf dem ihre Vorfahren seit Urzeiten ausgebeutet worden waren. Die nachfolgende Schaffung einer geplanten, kollektivierten Wirtschaft legte die Grundlage für enormen sozialen Fortschritt. Die Revolution ermöglichte es Frauen, sich aus ihrer ehemaligen elenden Stellung heraus zu katapultieren, die in konfuzianischen Praktiken wie Zwangsehe wurzelte. Eine durch ausländische Mächte geplünderte und gespaltene Nation wurde vereinigt (mit der Ausnahme Hongkongs, Taiwans und Macaos) und von imperialistischer Unterjochung befreit.

Doch die Revolution war unter der Herrschaft von Mao Zedongs KPCh-Regime, einer an der Spitze des Arbeiterstaats thronenden Bürokratenkaste, von Anfang an deformiert. Im Gegensatz zur russischen Oktoberrevolution von 1917, die ein klassenbewusstes, vom bolschewistischen Internationalismus W. I. Lenins und Leo Trotzkis geleiteten Proletariat durchgeführt hatte, war die Chinesische Revolution von 1949 das Ergebnis eines bäuerlichen Guerillakriegs unter der Führung von Maos stalinistisch-nationalistischen Kräften. Nach dem Vorbild der stalinistischen Bürokratie, die seit 1923/24 in der Sowjetunion die politische Macht an sich gerissen hatte, predigten die Regime Maos und seiner Nachfolger, einschließlich des heutigen Xi Jinping, immer die zutiefst antimarxistische Vorstellung, dass Sozialismus – eine klassenlose, egalitäre Gesellschaft auf Grundlage materiellen Überflusses – in einem einzigen Land aufgebaut werden könne. Im Gegensatz zu der Perspektive einer internationalen Arbeiterrevolution bedeutet „Sozialismus in einem Lande“ immer Anpassung an den Weltimperialismus.

Ein Paradebeispiel dafür war die Haltung der KPCh-Führung zur britischen Herrschaft über Hongkong. Während des Bürgerkriegs, vor der Revolution von 1949, befahl Mao den Kräften der KPCh, kurz vor dem Fluss Shenzhen, der das Festland von Hongkong abgrenzt, Halt zu machen. Im Gegenzug war Britannien eines der ersten Länder, das die Volksrepublik China anerkannte. 1959 erklärte Mao: „Es ist besser, Hongkong so zu lassen, wie es ist… Sein gegenwärtiger Status ist für uns trotzdem nützlich.“ 1967 organisierten Hongkonger Kommunisten und Gewerkschaftsführer eine Protestbewegung gegen die britische Herrschaft inklusive groß angelegter Streiks, die mehr als acht Monate lang andauerte. Dieser Kampf wurde vom maoistischen Regime verraten, das es vorzog, mit den imperialistischen Kolonisatoren ein freundliches Verhältnis zu pflegen.

Beijing hält Hongkong als einen Knotenpunkt des Finanzkapitals aufrecht und gesteht dessen Bevölkerung gewisse politische Freiheiten zu, die es der Bevölkerung auf dem Festland verweigert. Diese Freiheiten gehen Hand in Hand mit Hongkongs Ruf als Sweatshop für Büroangestellte, die dort üblicherweise 12 Stunden für den Lohn von acht Stunden arbeiten. Vor 1997 war Hongkong ein Zentrum sowohl des Handels als auch der Leichtindustrie, in dem die Arbeiter brutal ausgebeutet wurden, unter schrecklichen Bedingungen leben mussten und der grundlegendsten Rechte beraubt waren. Seit Anfang der 1990er-Jahre sind 80 Prozent der Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie verschwunden, weil die Hongkonger Kapitalisten ihre Betriebe auf das Festland verlagert haben. In einer der teuersten Städte der Welt, voller Designerläden und Luxushotels, lebt ein Fünftel der Bevölkerung unter der offiziellen Armutsgrenze. Für die meisten Jugendlichen sind die Zukunftsaussichten düster. Derweil bereichern sich korrupte KPCh-Funktionäre durch ihre Beziehungen zu Hongkonger Finanziers.

Die elende Lage der mehr als 300 000 Hausangestellten Hongkongs – 97 Prozent von ihnen aus Indonesien und den Philippinen – wirft ein besonders schroffes Licht auf die dortige Klassenspaltung. Andere Immigranten erhalten, wenn sie sieben Jahre lang in Hongkong leben, das Wahlrecht. Nicht so die Hausangestellten. Werden sie entlassen, müssen sie das Land innerhalb von zwei Wochen verlassen, ohne eine Möglichkeit, von Arbeitgebern, die gewalttätig sind oder sie anderweitig missbrauchen, Entschädigungen zu erhalten. Wie ein Artikel in Al Jazeera (30. September 2014) hervorhob: „Hongkongs Demonstranten fordern Demokratie, aber nicht für die Hausangestellten.“ Unsere Forderung, die Hongkonger Bourgeoisie zu enteignen, zieht eine scharfe Klassenlinie gegen die proimperialistischen Demonstranten und konkretisiert die Forderung nach Verteidigung und Ausweitung der Errungenschaften der Revolution von 1949.

Für Arbeiterdemokratie, nicht kapitalistische Konterrevolution!

Kapitalistische Demokratie ist in Wirklichkeit eine politische Form der Diktatur der Bourgeoisie. In einem solchen System ist die Arbeiterklasse politisch auf atomisierte Individuen reduziert. Die Bourgeoisie kann die Wählerschaft durch ihre Kontrolle über die Medien, das Erziehungssystem und andere Institutionen der öffentlichen Meinungsbildung effektiv manipulieren. In allen kapitalistischen Demokratien sind sowohl gewählte als auch nicht gewählte Amtsträger im Grunde von den Banken und großen Konzernen gekauft.

Parlamentarische Demokratie, die hauptsächlich den reichen imperialistischen Ländern vorbehalten ist, gibt der Masse der Bevölkerung das Recht, alle paar Jahre zu entscheiden, welcher Vertreter der herrschenden Klasse sie unterdrücken soll. Lenin erklärte 1918 in seiner Streitschrift Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky:

„Die Teilnahme am bürgerlichen Parlament (das in der bürgerlichen Demokratie nie über die wichtigen Fragen entscheidet: diese Fragen werden von der Börse, von den Banken entschieden) ist den werktätigen Massen durch tausenderlei Hindernisse versperrt, und die Arbeiter wissen und empfinden, sehen und fühlen ausgezeichnet, dass das bürgerliche Parlament eine ihnen fremde Einrichtung ist, ein Werkzeug zur Unterdrückung der Proletarier durch die Bourgeoisie, eine Einrichtung der feindlichen Klasse, der ausbeutenden Minderheit.“

Lenin betonte auch: „Es gibt keinen einzigen Staat, und sei es auch der demokratischste, wo es in der Verfassung nicht Hintertürchen oder Klauseln gäbe, die der Bourgeoisie die Möglichkeit sichern, ,bei Verstößen gegen die Ruhe und Ordnung‘ – in Wirklichkeit aber, wenn die ausgebeutete Klasse gegen ihr Sklavendasein ,verstößt‘ und versucht, sich nicht mehr wie ein Sklave zu verhalten – Militär gegen die Arbeiter einzusetzen, den Belagerungszustand zu verhängen u. a. m.“

Bei ihrem Kreuzzug zur Zerstörung des sowjetischen degenerierten Arbeiterstaats und seiner Ostblockverbündeten förderten die Imperialisten allerlei konterrevolutionäre Kräfte, die das Banner der „Demokratie“ gegen stalinistischen „Totalitarismus“ hochhielten. Der Zweck war, die KP-Regime auf die eine oder andere Weise zu stürzen, darunter auch durch freie Wahlen, bei denen Bauern und andere kleinbürgerliche Schichten wie auch politisch rückständige Arbeiter gegen den Arbeiterstaat mobilisiert werden konnten. Als die stalinistischen Regime sich ihrem endgültigen Zusammenbruch näherten, brachte eine Wahl in Polen 1989 eine konterrevolutionäre Regierung unter Führung von Solidarność hervor, deren Konsolidierung dann die Restauration kapitalistischer Herrschaft besiegelte. Ein Schlüsselereignis bei der kapitalistischen Wiedervereinigung Deutschlands im Frühjahr 1990 waren die von der CDU, der Regierungspartei des deutschen Imperialismus, gewonnenen Wahlen.

Der Zerfall der stalinistischen Bürokratien angesichts des kapitalistischen Ansturms bewies, dass sie keine besitzende Klasse, sondern eine zerbrechliche und widersprüchliche Kaste waren, die auf den Arbeiterstaaten thronte. Ein entscheidender Faktor für den Sieg der Konterrevolution in Ost- und Mitteleuropa und 1991/92 in der Sowjetunion selbst war, dass die Arbeiterklasse, durch Jahrzehnte stalinistischer Missherrschaft atomisiert und demoralisiert, nicht auf den Plan trat, um die Kräfte der kapitalistischen Restauration zu stoppen und die politische Macht im eigenen Namen zu übernehmen. Diese Konterrevolutionen waren eine historische Niederlage für die Werktätigen auf der ganzen Welt. Millionen von Arbeitern in den ehemaligen Arbeiterstaaten verloren ihren Arbeitsplatz und die garantierten Sozialleistungen und auch Frauenrechte erlitten einen großen Rückschlag (zum Beispiel durch das Abtreibungsverbot in Polen), und die Völker der ehemaligen Sowjetunion und Jugoslawiens wurden zerrissen durch massenhaftes nationalistisches Blutvergießen. Derweil fühlten sich die USA und andere imperialistische Mächte in ihren brutalen Übergriffen rund um die Welt und gegen die Werktätigen zu Hause ermutigt.

Für China würde eine kapitalistische Konterrevolution die Rückkehr zu imperialistischer Versklavung und die Zerstörung historischer sozialer Errungenschaften bedeuten. Trotzkisten sehen im frühen sowjetischen Arbeiterstaat das Vorbild, das den Bestrebungen der arbeitenden Menschen sowohl in Hongkong als auch auf dem Festland nach demokratischen Rechten und einer Regierung, die ihre Interessen vertritt, eine Antwort bietet. Lenin erläuterte in seiner Polemik gegen Kautsky, einen erbitterten Gegner der Oktoberrevolution: „Die Sowjetmacht ist die erste Macht in der Welt (strenggenommen die zweite, denn die Pariser Kommune hatte dasselbe zu tun begonnen), die die Massen, gerade die ausgebeuteten Massen, zur Regierung heranzieht.“

Eine politische Revolution der Arbeiter in China würde die Entscheidungsgewalt über die Leitung der Wirtschaft und die Organisierung der Gesellschaft in die Hände gewählter Arbeiter- und Bauernräte legen und so bürokratisches Missmanagement und Korruption beenden. Tatsächlich hätten unter der Führung von Chinas riesiger Arbeiterklasse nichtproletarische Sektoren wie die Bauernschaft durch ihre Repräsentation in solchen Räten weit mehr zu sagen als in irgendeiner kapitalistischen Republik. China hat in den vergangenen Jahrzehnten in Industrie und Städtebauentwicklung gewaltige Fortschritte gemacht und gleichzeitig enorme finanzielle Reserven angesammelt. Doch eine allseitige Entwicklung Chinas, insbesondere der gegenwärtig rückständigen Landwirtschaft, hängt entscheidend von proletarischen Revolutionen in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern ab, was den Weg ebnen würde zu einer weltweiten Planwirtschaft auf Grundlage des höchsten technologischen und industriellen Niveaus. Diese trotzkistische Perspektive, deren Voraussetzung die bedingungslose Verteidigung des chinesischen Arbeiterstaats gegen seine imperialistischen und einheimischen Feinde ist, hat absolut nichts gemein mit dem Programm des proimperialistischen Lagers für „demokratische“ Konterrevolution.

Speichellecker der kapitalistischen Demokraten

Eines der krassesten Beispiele von Beihilfe für die Sache der Bourgeoisie in Hongkong liefert Socialist Action, zusammen mit Socialist Alternative in den USA und der SAV in Deutschland Teil des Komitees für eine Arbeiterinternationale (CWI) von Peter Taaffe. Diese im falschen Ruf des Trotzkismus stehende Organisation hat eine lange und schändliche Geschichte der Unterstützung kapitalistischer Konterrevolution im Namen des Kampfs gegen Diktatur. In der Sowjetunion schlossen sich im August/September 1991 die Vorläufer des CWI in der Militant-Tendenz den Kräften der kapitalistischen Restauration auf Boris Jelzins Barrikaden in Moskau an. Unsere trotzkistische Internationale dagegen verteilte Zehntausende von Flugblättern mit dem Aufruf an die sowjetischen Arbeiter, die von Jelzin angeführten und vom Weißen Haus George H.W. Bushs unterstützten konterrevolutionären Kräfte zu zerschlagen.

Das CWI schreibt China als autoritär und kapitalistisch ab und wurde zu einem der fanatischsten Werbetrommler für die Regenschirm-Bewegung. Ein Artikel in der CWI-Zeitung China Worker (30. September 2014) begeistert sich über die Möglichkeit, dass sich „der Kampf für Demokratie über ganz China ausbreiten würde – und der Zündfunke sehr wahrscheinlich von der Hongkonger Protestbewegung ausgeht“. Das glühende Verlangen des CWI, die „Demokratie“-Bewegung gegen die „KPCh-Diktatur“ auf dem Festland als Waffe einzusetzen, ist genau das, was sich das US-Außenministerium erhofft!

Das CWI suggeriert, dass die Regenschirm-Bewegung ein neues Tiananmen sein könnte, die Erhebung, die im Mai/Juni 1989 Festlandchina erschütterte. Hongkongs „Demokratie“-Befürworter veranstalten jedes Jahr im Juni große Gedenkfeiern und stellen den Tiananmen-Aufstand als einen Studentenprotest für kapitalistische Demokratie gegen das böse Kommunisten-Regime dar. Nichts könnte von der Wahrheit weiter entfernt sein.

Die Ereignisse von 1989, in deren Mittelpunkt der Tiananmen-Platz stand, begannen damit, dass Studenten mehr politische Freiheiten forderten und gegen die Korruption von Spitzenbürokraten protestierten. Den Protesten schlossen sich zunächst einzelne Arbeiter, dann ganze Kontingente aus Fabriken und anderen Arbeitsstätten an; Arbeiter, die von der hohen Inflation und wachsenden Ungleichheit als Folge des Programms der Bürokratie, den „Sozialismus“ durch Marktreformen aufzubauen, zum Handeln getrieben wurden. Zwar setzten einige Jugendliche auf eine kapitalistische Demokratie nach westlichem Muster, doch die Proteste waren vom Singen der Internationale – der internationalen Arbeiterhymne – und anderen Bekundungen prosozialistischen Bewusstseins geprägt.

Verschiedene Arbeiterorganisationen, die im Laufe der Proteste in Erscheinung traten, hatten den Charakter von embryonalen Organen proletarischer Klassenherrschaft. „Arbeiterstreikposten-Trupps“ und Betriebsgruppen von „Todesmutigen“, organisiert, um studentische Demonstranten gegen Repression zu schützen, trotzten der Ausrufung des Kriegsrechts durch das Deng-Xiaoping-Regime. Nachdem sich die Autorität der Regierung in Beijing verflüchtigt hatte und die Polizei von den Straßen verschwunden war, begannen Arbeitergruppen, die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit zu ergreifen. Die Teilnahme des chinesischen Proletariats an den Protesten in Beijing und im ganzen Land bedeutete den Beginn einer politischen Revolution. Nach wochenlanger Lähmung griff die KPCh am 3./4. Juni in Beijing gewaltsam und blutig durch.

Die Arbeiter zeigten ein enormes Kampfvermögen und schmiedeten Verbindungen zu Soldaten, von denen einige sich weigerten, auf Demonstranten zu schießen. Aber auf sich allein gestellt gelangten sie nicht zu dem Verständnis, dass eine politische Revolution zum Sturz der deformierenden Herrschaft der KPCh-Bürokratie notwendig war. Um die Arbeiterklasse mit diesem Bewusstsein zu erfüllen, ist das Eingreifen einer revolutionären marxistischen Partei nötig.

Die Imperialisten werden niemals Ruhe geben, bis sie den chinesischen deformierten Arbeiterstaat zerschlagen und wieder freie Hand haben, das Land nach Belieben auszuplündern. Die vom Imperialismus dominierte kapitalistische Weltordnung mit ihrem inneren Drang nach Beherrschung von Märkten und Senkung von Löhnen und Lebensstandards ist unvereinbar mit einer Entwicklung in Richtung Sozialismus. Um den Weg dahin zu öffnen, sind Arbeiterrevolutionen in Japan, den USA und anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern notwendig. Im Kampf für dieses Programm ist unser Ziel, die Kämpfe der Arbeiter in den imperialistischen Zentren mit der Verteidigung bereits gewonnener Errungenschaften zu verbinden, darunter die der Chinesischen Revolution von 1949.

 

Spartakist Nr. 206

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