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Spartakist Nummer 161

Winter 2005/2006

Fünfzehn Jahre kapitalistische Konterrevolution: Zynismus, Arbeitslosigkeit, klerikale Reaktion

Die Rechte gewinnt polnische Wahlen

Der folgende Artikel ist eine Übersetzung aus Workers Vanguard Nr. 857 vom 28. Oktober 2005 und wurde in leicht redigierter Fassung in Platforma Spartakusowców Nr. 13, Dezember 2005, abgedruckt.

Warschau, 24. Oktober – Die kürzlichen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Polen fanden unmittelbar nach den obszönen Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der klerikal-nationalistischen, antikommunistischen Solidarność statt, der Speerspitze imperialistisch unterstützter kapitalistischer Konterrevolution im früheren Sowjetblock. Kennzeichnend für die 15 Jahre seit dem Sieg der Konterrevolution in Polen 1989/90 sind die Verarmung der Masse der arbeitenden Bevölkerung und der Aufstieg der katholischen Reaktion. Bösartiger Antikommunismus und Bigotterie gegen Frauen, virulenter Antisemitismus und polnischer Chauvinismus – der ganze alte Dreck von Marschall Pilsudskis Polen zwischen den Weltkriegen ist zurückgekommen.

Während es in großen polnischen Städten ein städtisches Kleinbürgertum gibt, das von der kapitalistischen Restauration profitierte und sich die teuren Cafés westlichen Stils in der Altstadt von Warschau leisten kann, liegen die offiziellen Arbeitslosigkeitszahlen seit mehreren Jahren bei 20 Prozent. Das deutsche Fernsehen berichtete letztes Jahr über die Lebensbedingungen von 15 000 Bergarbeitern, die durch die Schließung der staatlichen Kohlengruben in der südpolnischen Stadt Walbrzych ihren Arbeitsplatz verloren haben. Im verzweifelten Kampf ums Überleben riskieren viele ehemalige Bergarbeiter ihr Leben – und einige sterben – beim Kohleschürfen mit Pickeln und Äxten in biedaszyby (wörtlich: Schächte der Armen) wie im kapitalistischen Polen vor dem Zweiten Weltkrieg. Was sie aus dem Verkauf ihrer Kohle erhalten, ist drei- oder viermal mehr als die Arbeitslosenunterstützung und zehnmal mehr als die Sozialhilfe.

Die Wahlbeteiligung war die niedrigste seit den Wahlen von 1989, die eine kapitalistische Regierung an die Macht brachten: Nur 40 Prozent gaben ihre Stimme bei den Parlamentswahlen ab und etwa 50 Prozent bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl. Die niedrige Wahlbeteiligung spiegelt den tiefen Zynismus wider, mit dem die Polen die kapitalistischen Politiker betrachten, die seit 1989 regieren, wobei alle vier Jahre eine kapitalistische Koalition eine andere ersetzt und die abgewählte dann oft auseinander fällt.

Die aus Solidarność hervorgegangene Regierung, die 1989 die Macht übernahm, demontierte Polens vergesellschaftete Wirtschaft und führte eine ökonomische „Schockbehandlung“ durch, die den Großteil der Sozialleistungen zerstörte, die den Polen unter dem deformierten Arbeiterstaat zugute kam – von praktisch kostenloser Gesundheitsversorgung über billige, subventionierte Wohnungen bis zu Renten, von denen man leben konnte. Entsprechend katholischer „Familienwerte“ wurde das Recht auf sichere und kostenlose Abtreibung abgeschafft. Die Solidarność-Regierung wurde von einer aufgebrachten Wählerschaft rausgeschmissen. Aber die kapitalistische Regierung, die sie ersetzte, geführt von der exstalinistischen, sozialdemokratischen Allianz der Demokratischen Linken (SLD), machte keine dieser reaktionären Maßnahmen rückgängig. Tatsächlich erwies sich die SLD – eine bürgerliche Arbeiterpartei, organisatorisch auf die Arbeiterklasse gestützt, aber mit prokapitalistischer Führung und ebensolchem Programm – als ein verlässliches Werkzeug zur weiteren Festigung der kapitalistischen Herrschaft. Sie führte 1996 Massendeportationen von Roma durch und begrüßte die Einladung Polens zur NATO. Nachdem die SLD die Hoffnungen ihrer vorwiegend zur Arbeiterklasse gehörenden Wählerschaft enttäuscht hatte, wurde sie 1997 abgewählt und von einer Regierung der Wahlaktion Solidarność (AWS) abgelöst. Währenddessen blieb SLD-Führer Kwasniewski Präsident und leitete 1999 Polens Eintritt in die NATO.

Als die SLD 2001 wieder die Regierung übernahm, führte sie die gegen die Arbeiterklasse gerichteten Maßnahmen der AWS fort. Die SLD-Regierung unterstützte 2003 die Invasion des Irak durch die bluttriefenden US-Herrscher und entsandte 3000 polnische Soldaten als Teil der imperialistischen Besatzungsmacht. Motiv dieses Schritts war die Besorgnis der polnischen Bourgeoisie über die engen Beziehungen, die sich zwischen dem imperialistischen Deutschland und Russland entwickelten. Im Namen der Wahrung polnischer „Unabhängigkeit“ ist Polens herrschende Klasse zu einem Lakaien der imperialistischen USA geworden. Nachdem die SLD erneut ihre Pflicht für Polens Kapitalisten getan und erneut ihre Arbeiterbasis betrogen hatte, hatte sie 2003/04 eine Reihe von Spaltungen wegen Korruptionsskandalen und machte den Weg frei zu einem weiteren Sieg der Rechten.

Polens neue Regierung wird nun aus einer parlamentarischen Koalition der Bürgerplattform (PO) von Donald Tusk und der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski bestehen. Lech Kaczynski, der gestern in einem zweiten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählt wurde, propagiert eine „Vierte Republik“, einen starken präsidialen Staat unter noch größerem Einfluss der Kirche. In seiner Propaganda, die unmittelbar vor den Wahlen an Gemeindepfarrer verschickt wurde, prahlte er mit seinem Kampf „zur Verteidigung des katholischen Glaubens“ und gegen „Äußerungen von Demoralisierung“ – eine Anspielung auf eine schwul-lesbische „Parade der Gleichberechtigung“, die er als Bürgermeister von Warschau letzten Juni verbot. Sein unterlegener Rivale im Kampf um die Präsidentschaft, Tusk, ist in sozialen Belangen geringfügig liberaler, aber ein starker Befürworter der Austerität des „freien Marktes“.

Trotz ihrer Differenzen werden Tusk und die Kaczynski-Zwillinge gut miteinander auskommen, denn was sie eint, ist, Solidarność-Konterrevolutionäre der ersten Stunde zu sein. Tusk gründete das Gdansker Solidarność-Studentenkomitee, und die Kaczynskis standen in der Befehlshierarchie im Streikkomitee der Lenin-Werft vom August 1980, aus dem Solidarność hervorging, an zweiter Stelle hinter Solidarność-Führer Lech Walesa. Als Walesa 1990 der erste Präsident des kapitalistischen Polens wurde, machte er die „bösen Zwillinge“ zu seinen Vizepräsidenten.

Das kapitalistische Erbe von Solidarność

Die Regierung und das gesamte politische Spektrum in Polen von links bis rechts feierte den 25. Jahrestag von Solidarność – jeder auf seine eigene Art. Die Regierung organisierte Feiern in der Stadt Gdansk, einschließlich eines Konzerts des französischen Popstars Jean-Michel Jarre in der ehemaligen Lenin-Werft. Der frühere SLD-Präsident Kwasniewski, der 1980 Mitglied der herrschenden stalinistischen Partei war, zollte Solidarność’ Kampf für den „Sturz des Kommunismus“ Respekt. Im Juli schlug das Parlament einen „Tag der Solidarność“ vor. Westliche Staatsmänner stimmten ein in das Lob auf Solidarność’ konterrevolutionäre Dienste im antisowjetischen Kalten Krieg, so erklärte das Europaparlament den 31. August zu einem „Tag von Freiheit und Solidarność“ und erkannte Solidarność’ Beitrag zur Osterweiterung der imperialistischen Europäischen Union an.

Gleichzeitig boykottierten die früheren Solidarność-Koryphäen Andrzej Gwiazda und Anna Walentynowicz die offiziellen Feiern und organisierten ihre eigenen Festivitäten. Gwiazda war 1980 Walesas rechte Hand gewesen, und Walentynowicz war die Kranführerin, deren Entlassung im August 1980 die Bestreikung/Besetzung der Lenin-Werft auslöste. Sie protestierten heuchlerisch gegen den Ausverkauf der Werft, deren Belegschaft von 15 000 in den 1980er-Jahren auf heute 3000 geschrumpft ist. Die September-Ausgabe von Poland Monthly zitiert Gwiazda: „Was wir heute in Polen sehen, ist das Gegenteil der Ideale von Solidarność. Jetzt erkennen die Leute, dass sie zum Narren gehalten wurden. Sie dachten, der Name ,Solidarität‘ und der Name ,Walesa‘ bedeuteten etwas, aber nun erkennen sie, dass 1989 alles vorbei war.“ Die fanatisch antikommunistische Walentynowicz behauptete bei den „unabhängigen Feiern“ sogar: „Walesa wurde von Anfang an vom kommunistischen Geheimdienst SB gesteuert“ (Warsaw Voice, 7. September).

Selbsternannte sozialistische Gruppen in Polen und auf der ganzen Welt reihen sich ein in das Lob und die Feiern für Solidarność. Zbigniew Kowalewski vom pseudotrotzkistischen Vereinigten Sekretariat (VS), der 1981 beim Gründungskongress von Solidarność Delegierter war, schrieb: „Zweck der lautstarken Festivitäten zum Jahrestag der Geburt von Solidarność ist, ihre wahre Natur zu verstecken – eine Arbeiterrevolution, geführt im Namen authentisch sozialistischer Werte“ (International Viewpoint Online, September 2005). Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie die Pseudolinken die Solidarność-Konterrevolution und ihre eigene Unterstützung dafür abdecken.

Solidarność entstand in der Streikwelle des Sommers 1980 und stützte sich anfänglich auf die berechtigte Unzufriedenheit der Arbeiter. Schon drei Mal zuvor – 1956, 1970 und 1976 – hatten Arbeiterunruhen den polnischen deformierten Arbeiterstaat an den Rand einer proletarisch-politischen Revolution gebracht. Aber Solidarność war eine Abkehr von diesen früheren prosozialistischen Kämpfen. Polnische Arbeiter fühlten sich von den Lügen des stalinistischen Führers Gomulka verraten, der 1956–1970 an der Macht war, und von denen seines Nachfolgers Gierek. Gierek verpfändete auf ruinöse Weise Polens Reichtum an westliche Bankiers und schröpfte ebenso die Wirtschaft, um die landbesitzenden Bauern zu subventionieren.

Als Arbeiter 1980 mit heftigen Kämpfen auf steigende Preise und den Mangel an Lebensmitteln und anderen Konsumgütern reagierten, schauten sie auf die mächtige katholische Kirche als die anerkannte Opposition gegen das diskreditierte stalinistische Regime. Anfänglich sangen die Streikenden in Gdansk die „Internationale“, aber bald wurde diese durch die alte Nationalhymne „Oh Gott, der du Polen verteidigt hast“ ersetzt. Walesa nannte sich bei jeder Gelegenheit einen wahren Sohn der polnischen Kirche. Als Walentynowicz gefragt wurde, ob sie Sozialistin sei, antwortete sie, sie sei eine Gläubige. Viele der „Dissidenten“ waren offen reaktionär – bösartig nationalistisch, antikommunistisch, antidemokratisch und antisemitisch (ungeachtet der Tatsache, dass in Polen nur noch wenige Juden lebten). Der ehemalige Linke Jacek Kuron, dessen Arbeiter-Verteidigungskomitee (KOR) Solidarność Ratschläge lieferte, war ein Sozialdemokrat, der Bauernkämpfe für Privateigentum unterstützte und behauptete: „Die katholische Bewegung kämpft für die Verteidigung von Gewissensfreiheit und Menschenwürde.“ Als Solidarność 1989 an die Macht kam, wurde Kuron der erste Arbeitsminister eines nun kapitalistischen Polens. Eine seiner ersten Taten war die Zerschlagung eines Eisenbahnerstreiks im Mai 1990. Und Kuron war der Liebling der westlichen Linken, das „sozialistische“ Gesicht der Solidarność-Reaktion.

Auf das Ergebnis des Gdansker Werft-Streiks reagierten wir mit dem Aufruf in unserer Überschrift: „Bekämpft die klerikale Reaktion! Für proletarische politische Revolution!“ (Spartakist Nr. 32, September 1980). Über die Vereinbarung, die den Streik beendete, schrieben wir:

„Insoweit wie das Abkommen die polnische Arbeitermacht zum Kampf gegen die stalinistische Bürokratie vergrößert, können Revolutionäre den Streik und sein Ergebnis unterstützen. Aber man muss schon blind sein, um den ungeheuren Einfluss der katholischen Kirche und auch die prowestlichen Stimmungen unter den streikenden Arbeitern nicht zu sehen. Wenn das Abkommen die Arbeiterklasse organisatorisch stärkt, so stärkt es auch die Kräfte der Reaktion. Polen steht heute am Scheideweg.“

Solidarność konsolidierte sich auf ihrem Gründungskongress im September 1981 auf einem Programm für kapitalistische Konterrevolution. Das zeigte sich an ihren Aufrufen zu „freien Gewerkschaften“ – ein Schlachtruf des Kalten-Kriegs-Antisowjetismus – und zu „freien Wahlen“, was kapitalistische Restauration unter dem Deckmantel einer parlamentarischen Regierung bedeutet hätte (genau dies geschah 1989/90). Solidarność wurde aktiv von einem breiten Spektrum reaktionärer Kräfte unterstützt, vom Vatikan unter dem polnischen Papst Karol Wojtyla (alias Johannes Paul II.) über US-Präsident Ronald Reagan, dem Gewerkschaftszerstörer, bis hin zur konservativen britischen Premierministerin Margaret Thatcher. Ihnen schlossen sich die proimperialistische AFL-CIO-Gewerkschaftsbürokratie [US-Gewerkschaftsdachverband] und antikommunistische Sozialdemokraten wie die SPD an, die als Kanäle für CIA-Gelder fungierten und Solidarność auch anderweitige materielle Unterstützung zukommen ließen.

Die internationale Spartacist Tendenz, Vorläuferin der Internationalen Kommunistischen Liga, stellte die Losung auf: „Stoppt die Konterrevolution der Solidarność!“ (siehe Spartakist Nr. 40, Oktober 1981). Dem antisozialistischen Programm von Solidarność stellten wir die Forderung nach Gewerkschaften entgegen, die von bürokratischer Kontrolle unabhängig sind und auf einem Programm der Verteidigung des kollektivierten Eigentums basieren. Die Forderungen, die in unseren Artikeln erhoben wurden – für die strikte Trennung von Kirche und Staat, für die Kollektivierung der Landwirtschaft, für die Annullierung von Polens Schulden bei den imperialistischen Bankiers, für die militärische Verteidigung der UdSSR gegen den Imperialismus, für proletarische politische Revolution, um die stalinistische Bürokratie davonzujagen –, stellten den programmatischen Kern dessen dar, wofür eine trotzkistische internationalistische Avantgardepartei im Kampf zur Verteidigung des polnischen Arbeiterstaates gegen Imperialismus und kapitalistische Restauration eingetreten wäre. Wir betonten, dass polnische Arbeiter sich die stolzen Traditionen der polnischen kommunistischen Bewegung aneignen müssen. Wir verwiesen auf das Beispiel der internationalistischen jüdischen Kämpferin Rosa Luxemburg, die während der gescheiterten deutschen Revolution 1918/19, zu deren Führung sie zählte, auf Betreiben der SPD ermordet wurde. Wir verwiesen auch auf den Polen Feliks Dzierzynski, Luxemburgs Genosse in der polnischen revolutionären Arbeiterbewegung, der in die Reihen der russischen Bolschewiki eintrat und nach der Oktoberrevolution die Tscheka führte – die Gesamtrussische Außerordentliche Kommission zum Kampf gegen Konterrevolution, Sabotage und Spekulation.

Unsere Unterstützung dafür, dass der stalinistische General Jaruzelski im Dezember 1981 Solidarność’ konterrevolutionären Griff nach der Macht unterdrückte, war eine Anwendung unserer bedingungslosen militärischen Verteidigung der deformierten und degenerierten Arbeiterstaaten gegen kapitalistische Konterrevolution. Gleichzeitig warnten wir, dass die Stalinisten imstande seien, den polnischen deformierten Arbeiterstaat auszuverkaufen – was sie schließlich 1989/90 taten. Unter dem Eindruck unseres trotzkistischen Programms in Opposition zur Solidarność-Konterrevolution und unseres Kampfes gegen die kapitalistische Wiedervereinigung Deutschlands 1989/90 wurden die Militanten der Jungen Linken Bewegung (RML) in Polen zur IKL hingezogen. Das führte zur Gründung der Spartakusowska Grupa Polski (SGP, Spartakist-Gruppe Polen), einer sympathisierenden Sektion der IKL, die bis 2001 existierte. Im Gegensatz zu den polnischen „Linken“, die alle die Solidarność-Konterrevolution bejubelten und unterstützten, entlarvte und bekämpfte die SGP das klerikalistische, nationalistische Programm der kapitalistischen Restauration, für das Walesa, Walentynowicz, Gwiazda, Kuron u.a. von Anfang an eintraten.

Die Pseudolinke läuft immer noch hinter Solidarność her

Bei den letzten Wahlen gab es keinen Kandidaten, der unabhängig von den und gegen die bürgerlichen Parteien und Kandidaten antrat und dadurch die Arbeiterklasse repräsentierte. Trotzdem gaben Gruppen wie Demokratie der Werktätigen (PD), die mit der britischen Socialist Workers Party des verstorbenen Tony Cliff [in Deutschland Linksruck] verbunden ist, nachhaltige Unterstützung für die Präsidentschaftskandidatin Maria Szyszkowska, eine bürgerliche Liberale, die gegen den Irak-Krieg ist. PD teilt die liberalen antikommunistischen Ansichten von Szyszkowska, die die heutige Solidarność kritisiert, aber die Solidarność der 80er-Jahre lobt. Sie war dagegen, den 31. August zum „Tag von Solidarność“ zu machen und bestand darauf: „Das wäre eine Zurückweisung derjenigen, die bei der Umwandlung verloren haben“, stellte aber gleichzeitig fest: „Ich stelle das Bestreben nach Freiheit vor 25 Jahren nicht in Frage. Ich bewundere z. B. Frau Walentynowicz, Herrn Gwiazda oder den unglücklicherweise von uns gegangenen Jacek Kuron. Sie waren die Pioniere von Solidarność“ (www.senat.gov.pl). Von einem marxistischen Standpunkt aus war jegliche Wahlunterstützung dieser bürgerlichen Kandidatin völlig prinzipienlos. Ihr Wahlprogramm gab nicht einmal vor, für die Arbeiterklasse zu sprechen, ganz zu schweigen davon, dass es irgendetwas Sozialistisches propagiert hätte. Deshalb bedeutete der Aufruf an Arbeiter, Szyszkowska zu wählen, eine Unterordnung der Arbeiterklasse unter einen politischen Repräsentanten der Bourgeoisie – eine Form der Klassenzusammenarbeit, die Marxisten aus Prinzip ablehnen.

Szyszkowska bekam nicht genügend Unterschriften, um für das Präsidentenamt kandidieren zu können. Sie bekam dann einen Platz auf der Liste der Polnischen Arbeiterpartei (PPP) für die Parlamentswahlen, zog sich aber später von dieser Liste zurück. Alle Gruppen der polnischen „radikalen Linken“ warben dafür, die Kandidaten der PPP zu wählen, die ein politischer Arm der rechten Gewerkschaft Sierpien 80 [August 80] ist.

Sierpien 80 ist eine Abspaltung von einer Gruppe namens Solidarność 80, die von einem gewissen Marian Jurczyk geführt wird. Beim Gründungskongress von Solidarność 1981 war Jurczyk einer der rabiatesten Antikommunisten und erhielt als „radikaler“ rechter Opponent von Walesa ein Viertel der Stimmen. Damals erklärte Jurczyk, dass drei Viertel der stalinistischen Führung Polens in Wahrheit Juden seien, die ihren Namen geändert hätten, und „ein paar Galgen wären nützlich“, um mit diesen „Verrätern an der polnischen Gesellschaft“ fertig zu werden. Sierpien 80 spaltete sich von Solidarność 80 mit der Begründung ab, für „rein ökonomische Kämpfe“ zu sein, neigte aber genauso zu populistischem Nationalismus und wetterte: „Es macht keinen Sinn, einen Polen zu unterdrücken, um Italiener, Belgier und Spanier zufrieden zu stellen.“

Der Ursprung für solch reaktionäre Gewerkschaften liegt in der Tatsache, dass mit der Zerstörung des polnischen deformierten Arbeiterstaates Solidarność als Speerspitze für die kapitalistische Konterrevolution ausgedient hatte. Ihr Bauernsektor und viele Intellektuelle setzten sich ab, und Solidarność (und ihre Ableger) ähnelten ihrer sozialen Zusammensetzung nach jetzt eher Gewerkschaften. Wir stellten fest: „Die offizielle Gewerkschaft Solidarność posiert jetzt als Verfechter der Interessen der Arbeiterklasse, bringt aber gleichzeitig ihre antikommunistische Demagogie auf Hochtouren und macht Annäherungsversuche bei offen faschistischen Kräften“ (Workers Vanguard Nr. 614, 13. Januar 1995). Wir stützten uns nur auf den letzten Teil dieser Aussage, als wir in einem Artikel in Platforma Spartakusowców, der Zeitung der SGP, 1998 einseitig argumentierten: „Die Funktion von Solidarność hat nichts mit irgendeiner Form von ,Gewerkschaftertum‘ zu tun, weder ,militant‘ noch sonstwie.“ Diese Formulierung leugnete fälschlicherweise den Fakt, dass Solidarność sowohl eine Gewerkschaft als auch eine reaktionäre klerikalistische Organisation ist. Solidarność organisiert Arbeiter in der Produktion und führt manchmal defensive ökonomische Kämpfe; gleichzeitig fungiert sie als eine politische Bewegung, die eng mit der katholischen Hierarchie und explizit rechten nationalistischen Parteien verbunden ist.

Der politische Arm von Sierpien 80, die PPP, entstand vor den Parlamentswahlen im März 2001 als Wahlbündnis der rechten antisemitischen Konföderation für ein unabhängiges Polen-Vaterland, der Christlich-Nationalen Union und auch der faschistischen NOP. Im Mai 2002 schickte man eine Abordnung polnischer Bergarbeiter nach Paris, um an einem Aufmarsch von Le Pens faschistischer Nationaler Front gegen die Europäische Union teilzunehmen.

2004 polierte die PPP ihr Image auf. Der Vorsitzende der PPP Daniel Podrzycki (er starb bei einem Autounfall am Tag vor den letzten Parlamentswahlen) versuchte die PPP in sozialdemokratischen Farben zu malen. Im letzten Wahlkampf stellte sie Forderungen auf wie die 35-Stunden-Woche ohne Lohnverlust, generelles Arbeitslosengeld für die gesamte Zeit der Arbeitslosigkeit, Trennung von Kirche und Staat, Gleichheit von Frau und Mann, Toleranz und Respekt für alle Minderheiten – nationale, religiöse und sexuelle. Die PPP forderte auch den Abzug der polnischen Truppen aus dem Irak. Diese „Wende nach links“ soll der PPP Zugang zu den sozialdemokratischen Salons – und, ganz ohne Zweifel, zum Geld – der europäischen Sozialisten im Europaparlament verschaffen. Nachdem Polen der EU beigetreten war, drehte die PPP die Lautstärke ihres polnischen Chauvinismus etwas leiser. Aber trotz dieses neuen „Linksseins“ setzt Sierpien 80 in ihrer Kampagne gegen die SLD antikommunistische Grafiken ein und benutzt antikommunistische Rhetorik.

Die PPP organisierte ein Wahlbündnis mit den bürgerlichen Liberalen der Antiklerikalistischen Partei Polens, den bürgerlichen Grünen, Sozialdemokraten der Sozialistischen Partei Polens, die aus Solidarność stammen, und der exstalinistischen Kommunistischen Partei Polens (KPP). Die Kandidaten dieser Parteien kandidierten auf der PPP-Liste, die weniger als 0,8 Prozent der Stimmen bekam. Wenn man die PPP von ihrem politischen Programm und ihrer Geschichte her beurteilt, ist sie eine bürgerliche Formation. Die Arbeiterklasse aufzufordern, diese polnischen Nationalisten und klerikalen Reaktionäre zu wählen, ist ein Verrat an den Interessen des polnischen Proletariats.

Zu den Gruppen, die Kandidaten der PPP unterstützten, gehört die Gruppe für die Arbeiterpartei (GPR), polnische Sektion des Komitees für eine Arbeiterinternationale (CWI) von Peter Taaffe. Die GPR unterstützte Grzegorz Kupis, einen PPP-Kandidaten in der Stadt Radom, und hob hervor, dass er Arbeiter bei der Straßenbahn und Mitglied von Sierpien 80 und „radikaler“ als die PPP sei. (Die PPP führte ihn auf ihrer Liste als einen Kandidaten der polnischen Ökologischen Partei, der Grünen.) Die Revolutionäre Linke Bewegung (NLR), die von sich behauptet, sie sei sowohl mit dem Vereinigten Sekretariat als auch mit dem britischen antikommunistischen Labour-Anhängsel Alliance for Workers Liberty brüderlich verbunden, rief dazu auf, die gesamte PPP-Liste und Podrzycki bei den Präsidentschaftswahlen kritisch zu unterstützen. Sie beschrieb die PPP-Koalition als eine „große Chance“, um bei Arbeitern Gehör zu finden, wodurch es angeblich einfacher würde, eine „starke linke Formation in der Zukunft aufzubauen, die Ausdruck der Stimme und der Interessen der werktätigen Klasse in Polen sein würde“ (www.marksizm.of.pl). Ähnlich bezeichneten die Cliff-Unterstützer von PD das PPP-Programm als „das interessanteste, das linkeste Wahlprogramm“ und erklärten salbungsvoll Podrzycki zum „Antikapitalisten“ (www.pd.w.pl). Wie schon in den 1980er-Jahren propagieren alle diese Gruppen Illusionen in den „linken“ Flügel der Solidarność-Reaktion.

Die Internet-Publikation Platforma Proletariacka (PP), die das erste Mal im September 2002 erschien und behauptet, sie „setzt die Arbeit der Spartakusowska Grupa Polski fort“, befürwortete die Stimmabgabe für Szyszkowska bei den Präsidentschaftswahlen, zog aber die Wahlunterstützung zurück, als deren Kandidatur auf der PPP-Liste bekannt gegeben wurde. Als Sympathisanten und Unterstützer der IKL in Polen in einer Erklärung vom 4. September 2005 diese prinzipienlose Unterstützung einer bürgerlichen Kandidatin anprangerten als „den verzweifelten Wunsch, in einer ,politischen Szene‘ zu existieren, die durchtränkt ist vom reaktionären Klima im Polen nach der Konterrevolution“, antwortete PP in einer Erklärung vom 6. Oktober: „Maria Szyszkowska als liberale bürgerliche Kandidatin zu sehen ist ganz richtig, aber die Schlussfolgerung [Szyszkowska nicht zu unterstützen] ist verzerrt und unbegründet!“ Mit anderen Worten: PP verkauft es als prinzipienfest, eine liberale bürgerliche Demokratin zu unterstützen, die aus ihrer Bewunderung für die antikommunistischen Gründer von Solidarność kein Hehl macht. Das ist eine Zurückweisung des prinzipienfesten Eintretens der IKL für die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von der Bourgeoisie und deren Repräsentanten. In einer Erklärung vom 13. Oktober erkannte PP an, sie habe einen „tödlichen Fehler“ begangen, und fügte hinzu: „So standen wir – unabsichtlich – in den Reihen der ,Solidarność‘-Linken.“

Im Gegensatz zur polnischen Pseudolinken hatte sich die SGP nicht nur konsequent geweigert, für Kandidaten unter dem Banner von Solidarność zu stimmen, sondern auch für die SLD, die nie auf der Basis der Klassenunabhängigkeit kandidierte. In Platforma Spartakusowców rief die SGP zum Aufbau einer leninistisch-trotzkistischen Partei auf – eines „Volkstribuns“, der Arbeiter und Minderheiten mobilisiert zur Verteidigung des Rechts auf freie Abtreibung auf Wunsch, zur Verteidigung von Immigranten gegen rassistische Abschiebungen und um faschistische, antisemitische Provokationen zu stoppen. Die SGP war gegen Polens Eintritt in die Europäische Union, die ein imperialistischer Block ist, der sich gegen die Arbeiterklasse und alle Unterdrückten richtet.

 

Spartakist Nr. 161

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