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Spartakist Nummer 190 |
Oktober 2011 |
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Beschluss der Linkspartei denunziert Antizionismus als „antisemitisch“
Nahostkrieg in der Linkspartei
Verteidigt das palästinensische Volk! Für eine Sozialistische Föderation des Nahen Ostens!
Die Auseinandersetzungen um den Nahen Osten haben in der Linkspartei mit dem vom Parteivorstand durchgepeitschten Beschluss der Bundestagsfraktion Die Linke vom 7. Juni einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Der für alle Fraktionsmitglieder und deren Mitarbeiter bindende Beschluss legt fest: „Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahost-Konflikt, die eine Ein-Staaten-Lösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte noch an der diesjährigen Fahrt einer ,Gaza-Flottille‘ beteiligen.“ Dies wurde damit begründet, „dass Deutschland wegen der furchtbaren Verbrechen der Deutschen an den Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus eine besondere Verantwortung gegenüber Israel und gegen jede Art von Antisemitismus, Rassismus, Unterdrückung und Krieg hat“. Dieses Verbot, an Solidaritätsaktionen mit dem unterdrückten palästinensischen Volk teilzunehmen, spuckt auf den Kampf gegen Rassismus, Unterdrückung und reaktionären Krieg – denn all dem sind die Palästinenser seit Jahrzehnten ausgesetzt. Damit ist es auch dem Kampf gegen Antisemitismus entgegengesetzt.
Die Resolution basiert auf der falschen Gleichsetzung von Juden, hebräischer Nation und Israel, die von den zionistischen Herrschern Israels und von Antisemiten betrieben wird. Die Mehrheit der heute ca. 13,5 Millionen Juden lebt außerhalb Israels. Nur 80 Prozent der israelischen Staatsbürger sind Juden. 20 Prozent sind arabische Israelis, die rassistisch diskriminiert und besonders unterdrückt werden. Die knapp sechs Millionen Juden, die in Israel leben, bilden aufgrund ihrer gemeinsamen Sprache, Kultur und Wirtschaft die hebräische Nation. Diese Nation ist in Klassen gespalten, die entgegengesetzte Interessen haben. Israel wiederum ist ein kapitalistischer Staat, bestehend aus besonderen Formationen bewaffneter Menschen und zugehörigen Unterdrückungsinstitutionen, d. h. Polizei, Armee, Gefängnisse usw. Dieser Staat dient der israelischen Kapitalistenklasse – einer winzigen Minderheit der hebräischsprachigen Nation –, deren Interessen er nicht nur gegen die Palästinenser durchsetzt, sondern auch gegen die hebräischsprachigen arbeitenden Massen.
Die Massendemonstrationen in den letzten Monaten in Tel Aviv und anderen Städten Israels sind Anzeichen der Unzufriedenheit großer Teile des Kleinbürgertums dieser Klassengesellschaft. Während allgemein „soziale Gerechtigkeit“ gefordert wurde und wird, ist die Protestbewegung aber nicht entlang von Klassenlinien differenziert und die Arbeiterklasse tritt nicht als selbständige Klasse in Aktion, sondern wird der „nationalen Einheit“ untergeordnet. Von der Führung der Proteste wird die Palästinenserfrage explizit nicht angesprochen, um die „nationale Einheit“ der Proteste nicht zu gefährden, so dass auch reaktionäre/faschistoide Siedler an den Protesten teilnehmen konnten. Die Frage der Palästinenser ist die zentrale Frage in Israel. Wie Marx schon über England und Irland sagte, wird sich die englische Arbeiterklasse nicht befreien können, ohne für die unterdrückten Iren einzutreten. Ebenso kann die hebräischsprachige Arbeiterklasse Israels sich nicht befreien, ohne gegen die Unterdrückung der Palästinenser durch ihre eigene Bourgeoisie zu kämpfen.
Das zionistische Projekt, „ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ zu erobern, lief in der Realität immer darauf hinaus, ein Volk aus dem Land zu vertreiben und durch ein anderes Volk zu ersetzen. Auf jahrzehntelange Landnahme folgten 1947/48 die Massenvertreibung von Palästinensern und die Gettoisierung der Araber, die im neuen Staat Israel verblieben. Die Eroberung der besetzten Gebiete beflügelte 1967 die Träume von einem „Groß-Israel“ und führte zur weiteren Vertreibung von Palästinensern im Gazastreifen, in Ostjerusalem und in der Westbank.
Als revolutionäre Marxisten und proletarische Internationalisten verteidigen wir das palästinensische Volk gegen den zionistischen Staatsterror. Wir sind unversöhnliche Gegner des chauvinistischen Zionismus, so wie wir Gegner jedes Nationalismus sind. Wir kämpfen darum, den kapitalistischen Staat Israel durch eine hebräisch-arabische Arbeiterrevolution zu stürzen. Dies ist Teil unseres Kampfes, die Mullahs, Scheichs, Obristen und zionistischen Herrscher im Kampf für eine sozialistische Föderation des ganzen Nahen Ostens hinwegzufegen. Dabei ist es ganz zentral, das Proletariat für die Verteidigung der zahllosen unterdrückten nationalen Minderheiten der Region, von den Kurden in Irak, Iran, Syrien und der Türkei bis zu den Palästinensern in Israel, Gaza und der Westbank, dem Libanon, Jordanien usw. zu mobilisieren.
Die ungeheuren Verbrechen des deutschen Imperialismus gegen die jüdische Bevölkerung Europas sind für die Entstehung Israels zentral verantwortlich. Wie wir in „Holocaust, deutscher Imperialismus und Zionismus“ (Spartakist Nr. 148, Herbst 2002) schrieben:
„Die deutsche herrschende Klasse lieferte durch die Herrschaft von Hitlers Nazis die soziale Basis für die reaktionäre zionistische Bewegung – durch das systematische Abschlachten von sechs Millionen Juden und die Schaffung von Millionen verzweifelten Flüchtlingen, die außer nach Palästina nirgendwo hingehen konnten. Sicherlich tragen die Zionisten, die ,demokratischen‘ Imperialisten und die Stalinisten alle auf die eine oder andere Art Verantwortung: Die Zionisten kollaborierten mit den Faschisten, die ,demokratischen‘ Imperialisten verschlossen jüdischen Flüchtlingen ihre Türen, die Stalinisten verrieten die revolutionären und emanzipatorischen Ziele der bolschewistischen Revolution und stimmten in der UNO für die Teilung Palästinas. Aber im Wesentlichen war es der deutsche Imperialismus, der es der winzigen zionistischen Bewegung ermöglichte, die Fußsoldaten zu bekommen, die sie andernfalls nie hätte bekommen können trotz Jahrzehnten von Bekehrungsarbeit und Kolonisierung. Die Menschen, die schließlich die hebräische Nation wurden, waren in ihrer Mehrheit keine ideologischen Zionisten, sondern verzweifelte Menschen, entwurzelt aus den Ländern, in denen ihre Vorfahren Jahrhunderte lang gelebt hatten und in denen sie – wie zum Beispiel in Deutschland und Österreich – großenteils assimiliert waren.“
Aber es waren nicht klassenübergreifend „die Deutschen“ für Hitler verantwortlich, wie die Linksparteiresolution unter Wiederkäuung der nationalistischen Kollektivschuldlüge behauptet, sondern die Kapitalistenklasse brachte Hitler an die Macht, um die deutsche Arbeiterklasse zu zerschlagen. Die deutsche Bourgeoisie hat den Holocaust zu verantworten. Die Verteidigung Israels, d. h. der zionistischen Herrscher, und das Verbot der Verteidigung der Palästinenser durch die Linksparteiführung haben absolut nichts mit dem Kampf gegen Antisemitismus zu tun, aber alles damit, die Interessen des bluttriefenden deutschen Imperialismus voranzubringen, für den der israelische Staat ein wichtiger Verbündeter in der Region ist. Die Linksparteiführung will sich damit in den Augen der Bourgeoisie von Auschwitz als „regierungsfähig“ erweisen.
Das Ganze ist dem notwendigen Kampf gegen die herrschende Kapitalistenklasse diametral entgegengesetzt, die Rassismus und Antisemitismus benutzt, um das multiethnische Proletariat zu spalten und die Wut der Massen über die Entbehrungen des Kapitalismus auf Sündenböcke abzulenken, z. B. auf Muslime, Roma, Juden. Wir kämpfen darum, das multiethnische deutsche Proletariat gegen jede Form rassistischer Diskriminierung zu mobilisieren. Letztlich kann nur der Sturz des deutschen Imperialismus durch eine Arbeiterrevolution im Kampf um die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa die Wurzel von Faschismus, Rassismus und Krieg beseitigen.
Unser Verständnis der jüdischen Frage wurde vom belgischen jüdischen Trotzkisten Abraham Léon in seinem Buch Die jüdische Frage – Eine marxistische Darstellung (Dezember 1942) dargelegt. Léon führte aus, dass die Juden in der feudalen und vorfeudalen Gesellschaft eine spezielle soziale Rolle hatten: als Händler und Geldverleiher. Er nannte sie eine „Volksklasse“. Diese besondere soziale Rolle, das Leben in den Poren der feudalen Gesellschaft, liefert eine materialistische Erklärung für die fortdauernde Existenz des jüdischen Volkes in Europa über Jahrhunderte hinweg mit seiner eigenen Sprache, Kultur und Religion, und für die brutale Unterdrückung dieses Volkes im Kapitalismus. Denn der Aufstieg des Handelskapitalismus in Europa setzte der speziellen Rolle der Juden als Händler ein Ende. Sie wurden in Westeuropa entweder assimiliert oder in den wirtschaftlich rückständigeren Osten abgedrängt. In Osteuropa zerbrach die Feudalordnung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Zeit, als der Kapitalismus schon ins Stadium des Imperialismus getreten und im Verfall begriffen war. Leon erklärte:
„Der Kapitalismus hat mit der sozialen Differenzierung des Judentums, mit seiner wirtschaftlichen Integration und mit der Emigration die Grundlagen für die Lösung der jüdischen Frage geschaffen. Aber er hat sie nicht gelöst. Im Gegenteil, die furchtbare Krise der kapitalistischen Ordnung im 20. Jahrhundert hat die Lage der Juden unerhört verschlechtert. Den aus ihren wirtschaftlichen Positionen im Feudalismus verdrängten Juden gelang es nicht, sich in die im Auflösungsprozess befindliche kapitalistische Wirtschaft zu integrieren. In seinen Krisenanfällen verwirft der Kapitalismus selbst jene jüdischen Elemente, die er sich noch nicht völlig einverleibt hat.
Überall entwickelt sich ein wütender Antisemitismus in den Mittelschichten, die an den kapitalistischen Widersprüchen zugrunde zu gehen drohen. Das Großkapital bedient sich dieses elementaren Antisemitismus des Kleinbürgertums, um die Massen um die Fahne des Rassismus zu mobilisieren.
Die Juden werden zwischen zwei Systemen zerrieben: dem Feudalismus und dem Kapitalismus, von denen jeder den Fäulnisprozess des anderen vorantreibt.“
Deshalb besteht die einzige progressive Lösung der jüdischen Frage, wie auch für die anderen tiefgreifenden Probleme der Menschheit, im Sturz des Kapitalismus durch proletarische Revolution.
„Antideutsche“ – reaktionärer Rammbock
der Linksparteiführung
Unmittelbarer Auslöser der antipalästinensischen Parteidisziplinierung war ein Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 19. Mai, worin behauptet wurde, „dass sich sogar im parlamentarischen Spektrum der bundesdeutschen Linken inzwischen eine Kraft etabliert hat, die antisemitische Positionen in ihren Reihen toleriert“. Der Artikel lobte, dass „der thüringische Landtagsfraktionschef Bodo Ramelow, Bundestagsvize Petra Pau, mehrere Bundestagsabgeordnete und der ,Bundesarbeitskreis Shalom‘ der Linksjugend ,Solid‘“ im Gegensatz zu den beiden Linksparteivorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch konsequent „antisemitische Reflexe ihrer Genossen“ brandmarken würden. Der Linksparteiführer Stefan Liebich wird zitiert: „Diejenigen, die in unserer Partei die israelfeindlichen Äußerungen unserer Mitglieder bekämpfen, müssen zahlreicher und lauter werden.“
In ihrem Artikel bezog sich die FR auf eine „Studie“, deren Titel „Antisemiten als Koalitionspartner?“ schon klarmachte, dass es darum ging, den auf gute Beziehungen zu SPD und Grünen bedachten rechten Parteiflügel dazu aufzustacheln, jegliche Initiativen von Teilen der Linkspartei zur Solidarität mit den belagerten Palästinensern zu unterdrücken. Die „Studie“ betreibt die verlogene Gleichsetzung von Antizionismus mit Antisemitismus und „belegt“ die Anschuldigung des „antizionistischen Antisemitismus“ gegen die Linksparteilinken mit deren angeblicher „Dämonisierung der Politik Israels“ und ihrer „einseitigen Parteinahme zugunsten der Palästinenser, bis hin zu einer offenen Solidarisierung mit den terroristischen Kräften innerhalb dieses Spektrums“. Letzteres ist ein Ruf nach staatlicher Repression gegen Linke!
Dieser provokative Charakter der „Studie“ ist keine Überraschung. Ihre beiden Verfasser, Sebastian Voigt und Samuel Salzborn, publizieren in verschiedenen „antideutschen“ Postillen wie der Jungle World, und Sebastian Voigt ist einer der Begründer des „antideutschen“ „Bundesarbeitskreises Shalom“ (BAK Shalom). Die sogenannten „Antideutschen“ sind reaktionäre rassistische Befürworter des zionistischen Terrors gegen die Palästinenser und haben sich die Zerstörung der Linken zum Ziel gesetzt. Dabei überziehen sie ihre Feinde nicht nur mit Antisemitismusvorwürfen, diese Schläger haben auch immer wieder Linke angegriffen, so mehrfach die Veranstaltungen der Spartakist-Jugend im Sommer 2003. Sie überfielen 2004 auf dem Karneval der Kulturen das Kontingent zur Verteidigung des schwarzen politischen US-Gefangenen in der Todeszelle Mumia Abu-Jamal. Letztes Jahr verhinderten sie, dass Norman Finkelstein eine Veranstaltung in Berlin durchführen konnte.
Seit 1990 pflegt ein Teil der Linkspartei- bzw. damals PDS-Führung gute Beziehungen zu den „antideutschen“ Ex-Linken. Die ehemalige PDS-Führerin Angela Marquardt meldete regelmäßig „antideutsche“ Demonstrationen an, so immer Anfang Februar zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens die Demo des Dresdner Bündnisses „Keine Versöhnung mit Deutschland!“, das das Abschlachten von zehntausenden Zivilisten durch die imperialistischen Alliierten im Zweiten Weltkrieg mit „Selber Schuld – Deutsche TäterInnen sind keine Opfer“ und „Bomber-Harris, do it again!“ feierte. Petra Pau unterstützt auch die von den „Antideutschen“ getragene Kampagne „Stop the Bomb“, die für einen imperialistischen Angriff auf Iran die Trommel rührt.
2003 trat Marquardt aus der PDS aus und 2008 der SPD bei, wo sie heute als rechte Hand der SPD-Führerin Andrea Nahles die „Denkfabrik“ leitet, wo Führer von SPD, Linkspartei und Grünen über künftige Bundeskoalitionen diskutieren. Es ist in diesem Kontext bemerkenswert, dass einige Mitglieder der Linksparteiführung mit dem Übertritt zur SPD drohten, sollte der antipalästinensische Beschluss vom 7. Juni nicht abgestimmt werden. Ivo Bozic, heute einer der Redakteure der Jungle World und Autor bei der konservativen Springer-Zeitung Die Welt, arbeitete bei Angela Marquardt als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Dies ist nur ein Beispiel von finanzieller Unterstützung und politischer Förderung. So waren Mitglieder des BAK Shalom angestellt beim Linkspartei-MdB und Polizisten Frank Tempel, bei Bodo Ramelow und bei Gesine Lötzsch.
Mit dem BAK Shalom haben sich die „Antideutschen“ 2007 offen in der Linkspartei etabliert. Ihre Stellungnahme vom 2. März 2010 sagt alles über diese Reaktionäre:
„Was die Autoren von Bahamas und Co. machen, besonders im Hinblick auf die deutsche Linke, ist Kritik in 300%iger Form, die mit Sicherheit nötig ist. Doch der BAK Shalom bewegt sich entgegen der Bahamas … innerhalb eines Jugendverbands einer linkssozialdemokratischen bis sozialistischen Partei, die im Bundestag vertreten ist. Dieses Spannungsverhältnis … zwingt uns, pragmatische Politik zu machen und Polemik und Radikalkritik anderen Kreisen zu überlassen.“
Die Bahamas, das ideologische Flagschiff der „Antideutschen“, ist ein unverhohlen rassistisches Hetzblatt. Sie verehrt die italienische antimuslimische Rassistin Oriana Fallaci, zieht rassistisch über muslimische Immigranten her und bejubelte 2010 die „English Defense League“ – britische Faschisten (zur EDL siehe „Fascists Feed on Labour Government Racism“, Workers Hammer Nr. 209, Winter 2009/10). Bahamas und BAK Shalom betreiben eine Arbeitsteilung bei der Verfolgung des gleichen reaktionären Zieles: die Zerstörung der Linken.
Wie kommt es, dass sich solche Typen in der Linkspartei tummeln können? Im Spartakist Nr. 152, Herbst 2003, schrieben wir in unserem Exposé „ ‚Antinationale/Antideutsche‘: Schlägertrupps für SPD/Grünen-Regierung“:
„Da die PDS den Kapitalismus mitverwaltet, greift sie die sozialen Errungenschaften der arbeitenden Bevölkerung massiv an und führt den rassistischen Staatsterror mit durch. Man denke nur an die Rasterfahndung und die über 30 Selbstmordversuche der verzweifelten Insassen des SPD/PDS-verwalteten Abschiebeknasts in Berlin-Köpenick. Das richtet sich direkt gegen die Interessen auch ihrer eigenen Basis in der Arbeiterklasse. Mit einer zunehmend unzufriedenen Arbeiterklasse verschärfen die SPD- und PDS-geführten kapitalistischen Regierungen den Staatsterror gegen die Linke, die sie als potenzielle Bedrohung sehen. Und dieses dreckige Geschäft zieht Abschaum wie die ,Antinationalen‘ an, die sich ja als Schläger gegen die Linke in Deutschland anbieten.“
Als Teil einer Bundesregierung müsste die Linkspartei aber auch außenpolitisch die Klasseninteressen der deutschen Bourgeoisie vertreten, sie wäre dann Teil des politischen Generalstabs des deutschen Imperialismus und seiner Bundeswehr. Genau deshalb hatte Gysi in seiner Rede zum 60. Jahrestag der Gründung Israels am 14. April 2008 bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung dazu aufgerufen, dass sich die Linkspartei zur „Solidarität mit Israel“ bekennen müsse. Nur einen Monat zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt, „Israels Existenzrecht sei Deutschlands Staatsräson“. Darauf Bezug nehmend dozierte Gysi, die Linkspartei müsse ernsthaft diskutieren, wo „die Staatsräson … hingenommen werden muss … damit wirklich klar wird, was es für uns tatsächlich bedeutete, etwa in einer Bundesregierung mitzuwirken“.
Verteidigt das palästinensische Volk!
Was „Solidarität mit Israel“ bedeutet, zeigt ein Blick auf Westjordanland und Gaza. Das Westjordanland ist durch eine Gettomauer abgetrennt und zudem zerstückelt durch militärische Kontrollposten und vom israelischen Militär kontrollierte Straßen, die nur von Juden benutzt werden dürfen. Inzwischen gibt es 350 000 schwer bewaffnete israelische Siedler im Westjordanland. Über den Gazastreifen wurde von Israel 2001 als Kollektivbestrafung für die zweite Intifada eine Wirtschaftsblockade verhängt, die 2007 aufgrund der Wahl der Hamas noch verschärft wurde. Die Auswirkungen sind mörderisch. Die Arbeitslosigkeit ist in Gaza von 14,5 Prozent im Jahr 2000 auf heute 45 Prozent gestiegen. Drei Viertel der Einwohner sind auf UN-Hilfsrationen angewiesen, das Trinkwasser ist großteils verseucht und über die Hälfte aller Haushalte leidet an Unterernährung. Kranke sterben in Gaza nur wenige Kilometer von Krankenhäusern in Israel oder dem Westjordanland entfernt, die sie versorgen könnten – 40 Prozent der Anträge auf eine medizinische Behandlung außerhalb Gazas werden von den israelischen Behörden abgelehnt und bei den restlichen kommt die Genehmigung nicht selten zu spät.
Gegen diese unmenschlichen Bedingungen protestierte letztes Jahr die Gaza-Hilfsflotte, an der sich die zwei Linkspartei-Bundestagsabgeordneten Annette Groth und Inge Höger sowie der ehemalige MdB Norman Paech beteiligten. Sie versuchte die mörderische Wirtschaftsblockade zu durchbrechen und 10 000 Tonnen Hilfsgüter dorthin zu bringen. Dabei wurden am 31. Mai 2010 neun Teilnehmer der Gaza-Hilfsflotte auf der „Mavi Marmara“ ermordet, über 48 verletzt, als das israelische Militär die Flotte überfiel. International gingen Tausende auf die Straße, um gegen das zionistische Blutbad zu protestieren. Die SpAD, die Spartacist League/U.S. und andere Sektionen der Internationalen Kommunistischen Liga beteiligten sich an den Protesten und forderten: Nieder mit der Hungerblockade des Gazastreifens! Verteidigt das palästinensische Volk! Alle israelischen Truppen und Siedler raus aus den besetzten Gebieten, einschließlich Ostjerusalem!
Ende 2008, Anfang 2009 schlachtete Israel 1400 Palästinenser im Gazastreifen ab (fast 1000 Zivilisten, darunter über 300 Kinder) und verwundete über 5000. Tagelang bombardierte es rund um die Uhr diesen kleinen, 40 Kilometer langen und wenige Kilometer breiten Flecken Erde in Grund und Boden. Dabei setzte es in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde, auf dem 1,5 Millionen Palästinenser zusammengepfercht dahinvegetieren, Phosphorbomben und Pfeilgranaten („Flechettes“), die wie Splitterbomben wirken, ein. Anschließend rollte die israelische Armee mit ihren schweren Panzern und 10 000 Mann in den rauchenden Schutthaufen ein. Während der eine Teil der Linkspartei „Nein zu Israels Krieg und zur Bombardierung Gazas!“ erklärte, hielt der Berliner Linksparteivorsitzende Klaus Lederer am 11. Januar 2009 eine Rede auf der Kundgebung „Solidarität mit Israel“, die das Massaker an den Palästinensern unterstützte.
Das wirft die Frage auf, was diese Partei zusammenhält. Ganz grundsätzlich teilt der propalästinensische Flügel um Wolfgang Gehrcke, Norman Paech usw. und auch marx21, Anhänger des verstorbenen Tony Cliff, die Perspektive der Beteiligung an einer linken parlamentarischen, d. h. kapitalistischen Regierung. Bei Gehrcke und Paech muss das nicht weiter belegt oder begründet werden, zahllos sind ihre Ratschläge an den deutschen Imperialismus, wie er eine bessere, humanitärere Politik verfolgen könnte. Was marx21 angeht, so rechtfertigten ihre beiden Unterstützerinnen in der Bundestagsfraktion, Nicole Gohlke und Christine Buchholz, in einem Brief (junge Welt, 16. Juni) ihre Nichtabstimmung am 7. Juni, wodurch der Beschluss einstimmig gefasst werden konnte, wie folgt: „Für uns ist weiterhin richtig, dass die Linke die einzige Partei ist, die sich konsequent gegen Kapitalismus und Krieg stellt und so eine im internationalen Maßstab einmalige Rolle spielt. Der Preis, dieses Projekt an die Wand zu fahren, ist sehr hoch.“ Wie kann eine Partei, die den Kapitalismus schon jetzt verwaltet, „antikapitalistisch“ sein? Und was hat eine „Solidarität mit Israel“, einem kapitalistischen Staat, der das palästinensische Volk blutig unterdrückt, mit Internationalismus gemein? Hier werden massive Illusionen in die sozialdemokratische Linkspartei geschürt.
Solid Hamburg – linker Reformismus
Linker als marx21 tritt der Hamburger Landesverband von Solid auf, der bei der Linkspartei Anträge gegen Regierungsbeteiligungen einbrachte – und verlor:
„Der Beschluss der Bundestagsfraktion ist eine Kapitulation vor den Regierungsambitionen der Parteirechten – nach der Sudan-Abstimmung und der üblichen Realpolitik in Berlin und Brandenburg der erste gravierende Schritt auf dem Wege, die deutsche Staatsräson zur Matrix der LINKEN zu machen. Für uns ist damit ein Punkt erreicht, an dem das Projekt DIE LINKE selbst zur Disposition gestellt worden ist. Wir, für unseren Teil, werden die Beschlüsse des Partei- und Fraktionsvorstandes nicht akzeptieren. Wir wollen linke Opposition, nicht sozialdemokratischen Opportunismus.“ (13. Juni)
Doch auch die Perspektive der „linken Opposition“ ist auf den Rahmen des Kapitalismus beschränkt, innerhalb dessen man gegen Verschlimmerungen usw. kämpft. Das wird von folgenden Ausführungen der Hamburger Solid-Sprecherin Christin Bernhold zur Perspektive von Solid unterstrichen, die über die „punktuellen“ Bündnisse mit den außerparlamentarischen Gruppen hinaus „auch mittel- und langfristig eine gesellschaftliche Kraft“ formieren will, die „diesem enormen Angriff selbst auf die bürgerlichen Errungenschaften der Geschichte Widerstand leistet. Das eint uns als Linksjugend und wie ich glaube auch die Partei Die Linke mit weiten Teilen des nicht-,antideutschen‘ Lagers der außerparlamentarischen Opposition“ (schattenblick.de, 25. Januar).
Statt einer „breiten Kraft“, die auf einem oppositionellen Minimalkonsens beruht und sich daher zwangsläufig auf den bürgerlichen Rahmen beschränkt, ist es notwendig, eine revolutionäre Avantgardepartei aufzubauen, in der die politisch fortgeschrittensten Teile der Arbeiterklasse und revolutionäre Intellektuelle darum kämpfen, die Arbeiterklasse für den Sturz des Kapitalismus zu mobilisieren. Wie Lenin 1917 in Staat und Revolution gegen den linken Theoretiker des Opportunismus, Karl Kautsky, ausführte:
„Kautsky wird die angenehme Gesellschaft der [rechten sozialdemokratischen Opportunisten] Legien, David, Plechanow, Potressow, Zereteli und Tschernow teilen müssen, die alle durchaus bereit sind, für eine ,Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb der Staatsgewalt‘, für die ,Gewinnung der Mehrheit im Parlament und die Erhebung des Parlaments zum Herrn der Regierung‘ zu kämpfen – ein hochedles Ziel, an dem für die Opportunisten alles akzeptabel ist, bei dem alles im Rahmen der bürgerlichen parlamentarischen Republik bleibt.
Wir aber werden mit den Opportunisten endgültig brechen; und das ganze klassenbewusste Proletariat wird mit uns sein im Kampf nicht um eine ,Verschiebung der Machtverhältnisse‘, sondern um den Sturz der Bourgeoisie, um die Zerstörung des bürgerlichen Parlamentarismus, um die demokratische Republik vom Typ der Kommune oder die Republik der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten, um die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“
Die russischen Bolschewiki spalteten 1903 von den Opportunisten, den Menschewiki, und waren dadurch in der Lage, die Oktoberrevolution von 1917 zum Sieg zu führen. Sozialdemokratische Parteien wie SPD und Linkspartei wurden von Lenin als „bürgerliche Arbeiterparteien“ bezeichnet, denn sie haben zwar eine Basis in der Arbeiterklasse, aber ein bürgerliches Programm. Wir müssen eine multiethnische revolutionäre Arbeiterpartei aufbauen, die darum kämpft, die Arbeiterbasis von SPD und Linkspartei wegzubrechen, um damit den Weg zur proletarischen Revolution zu bahnen. Die Illusionen, die die Linksparteilinke schürt, sind dafür ein Hindernis.
Nieder mit dem rassistischen
„Krieg gegen Terror“
Am 25. Mai wurde eine aktuelle Stunde im Bundestag einberufen, wo von CDU bis SPD und Grünen auf die Linksparteiführung eingedroschen wurde, sie solle entschlossen gegen die „antisemitischen“ Positionen in ihren Reihen vorgehen. Was für ein abstoßendes Possenspiel. Die gleichen Parteien, die sich als Kämpfer gegen Antisemitismus aufspielten, betreiben seit Jahren den „Krieg gegen den Terror“, der durch Rasterfahndung, Razzien, Sicherheitsüberprüfungen usw. gegen die Bevölkerung mit muslimischem Hintergrund zielt und Rassismus gegen sie schürt. Dem renommierten Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) und seinem damaligen Leiter Prof. Wolfgang Benz schlug eine Welle des Hasses und der Diffamierung in den bürgerlichen Medien entgegen, als sie vor der zunehmenden Muslimfeindlichkeit warnten:
„Die Parallelen zu Antisemitismus und Judenfeindschaft sind unverkennbar: Mit Stereotypen und Konstrukten, die als Instrumentarium des Antisemitismus geläufig sind, wird Stimmung gegen Muslime erzeugt. Dazu gehören Verschwörungsfantasien ebenso wie vermeintliche Grundsätze und Gebote der Religion, die mit mehr Eifer als Sachkenntnis behauptet werden. Die Wut der neuen Muslimfeinde gleicht dem alten Zorn der Antisemiten gegen die Juden.“ (17. Jahrbuch des ZfA, 2008)
Stattdessen wurden kurz darauf die „Thesen“ von Thilo Sarrazin, in denen er beispielsweise die miese Bildung und Armut unter muslimischen Immigranten auf ihre Gene zurückführte, ungeniert und wohlwollend debattiert, als ob das Dritte Reich nicht gezeigt hätte, wohin solcherart „Rassentheorien“ führen. Im Gegenteil: Sarrazins Mitgliedschaft wurde in der SPD bestätigt, die gleichzeitig ihre Unterstützer muslimischen Hintergrunds mit ein paar Quoten für Führungsgremien beschwichtigen wollte.
Wie gefährlich die rassistische antimuslimische Hetze ist, die von Sarrazin, dem ehemals liberalen nun zum reaktionären Spiegel-Kolumnisten gewandelten Henryk M. Broder und vielen anderen betrieben wird, wurde am 22. Juli in Norwegen deutlich. Der Faschist und Islamhasser Anders Breivik zündete in Oslos Regierungsviertel eine Bombe und überfiel anschließend das Zeltlager der Jugend der sozialdemokratischen Arbeiterpartei auf der Insel Utoya. In einer Orgie nationalistischen Hasses ermordete er kaltblütig 77 Menschen, die meisten waren Jugendliche. Breivik hat in seinem ideologischen Machwerk, mit dem er das Massaker rechtfertigte, auch Broder zustimmend zitiert. Die bürgerliche Presse stellt Breivik als einen Einzeltäter dar, tatsächlich aber kommt der rassistische nationalistische Hass, der Breivik antreibt, aus der kapitalistischen Gesellschaft und wird durch staatliche Unterdrückung und rassistische Kampagnen der bürgerlichen Medien geschürt.
Um die Faschisten zu stoppen, ist die vom bürgerlichen Staat unabhängige Mobilisierung aller potenziellen Opfer des faschistischen Terrors unter der Führung der Arbeiterklasse notwendig. Die Arbeiterbewegung muss mit den Mitteln des Klassenkampfs gegen jede Art von Fremdenhass kämpfen und braucht eine leninistische Partei, die der Volkstribun aller Unterdrückten ist. Dies ist völlig entgegengesetzt zum Appell an die nationale Einheit, den die Kommunistische Partei Norwegens an die sozialdemokratische Regierung Norwegens richtete. In deren Erklärung vom 24. Juli heißt es: „Es ist wichtig, dass die Bevölkerung Norwegens zusammensteht, um diesem Trauma durch mehr Offenheit und Demokratie zu begegnen“ (unsere zeit, 29. Juli). Die bürgerliche „Demokratie“ ist, wie Marx erklärte, eine Form der Diktatur der Bourgeoisie und kann nicht die Faschisten bekämpfen. Auch die norwegische Bourgeoisie deckt die Faschisten und hält sie als bewaffnete Reserve gegen die Arbeiterbewegung bereit.
Bundesrepublik Deutschland –
Nachfolgestaat des Dritten Reichs
Die Rede der Linksparteisprecherin Luc Jochimsen bei der aktuellen Stunde im Bundestag spricht Bände über die Loyalität der Linkspartei gegenüber der deutschen bürgerlichen Demokratie: „Ich könnte es Ihnen jetzt einfach machen und sagen, dass es eine Unverschämtheit ist, dass ausgerechnet die CDU von Globke, Filbinger, Kiesinger und Oettinger und die FDP von Mende und Möllemann uns antisemitische und israelfeindliche Positionen vorwerfen… Es gibt in unserer Gesellschaft Antisemiten … Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unser gemeinsames Problem.“ Die Linkspartei will hier nicht aussprechen, was ist. Dieser kapitalistische Staat ist der Nachfolgestaat des Dritten Reichs. Seine Kontinuität erstreckt sich sowohl auf die Klasse, der er dient – d. h. die deutsche Bourgeoisie –, als auch auf das Personal, aus dem er wieder aufgebaut wurde. Und genau diesen Staat will die Linkspartei mitverwalten.
Es war die Rote Armee, die heldenhaft unter unsäglichen Opfern Europa von der Naziherrschaft befreite. Nach 1945 wurde mit dem Einsetzen des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion Westdeutschland als antikommunistisches Bollwerk wieder aufgebaut. In Ostdeutschland dagegen wurde der bürokratisch deformierte Arbeiterstaat DDR errichtet. Die Bourgeoisie wurde in der DDR als Klasse enteignet und kollektivierte Eigentumsformen wurden geschaffen. Damit wurde die Wurzel des Faschismus, der Kapitalismus, beseitigt. Es reflektiert die unterschiedliche Klassenbasis der beiden deutschen Staaten, dass in Ostdeutschland die ehemaligen KZ-Häftlinge den Staat wieder aufbauten, während im kapitalistischen Westdeutschland die alten Nazis wieder zu Amt und Ehren kamen und 1956 die KPD verboten.
Während die SPD als politische Polizei innerhalb der Arbeiterklasse fungierte, bildeten Nazis das Rückgrat für den Wiederaufbau des westdeutschen kapitalistischen Staates von der Bundeswehr über Polizei, das BKA und den BND bis hin zu den Gerichten. Hans Globke war im Dritten Reich zentral an der Ausarbeitung der berüchtigten Nürnberger Rassegesetze beteiligt und verfasste den entscheidenden Kommentar dazu. Die Erfassung der jüdischen Bevölkerung schuf die verwaltungstechnischen Voraussetzungen für den 1941 anlaufenden Holocaust. Unter Bundeskanzler Adenauer stieg Globke Anfang der 1950er-Jahre zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt auf, dem höchsten und mächtigsten Beamtenposten der Bundesrepublik. Die DDR verurteilte ihn in Abwesenheit 1963 als Judenmörder und Nazikriegsverbrecher zu lebenslanger Haft.
Kiesinger, Bundeskanzler von 1966 bis 1969, war Mitglied in der NSDAP ebenso wie Hans Filbinger, der in den 60er- und 70er-Jahren Ministerpräsident von Baden-Württemberg und stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU war. Filbinger fällte als Marinerichter Todesurteile, von denen mindestens eines, das er gegen den Matrosen Walter Gröger aufgrund von Desertion verhängte, noch am 16. März 1945 vollstreckt wurde. 1,5 Millionen Soldaten wurden von der NS-Militärjustiz verurteilt, von den 30 000 zum Tode verurteilten Soldaten wurden 23 000 hingerichtet. Direkt nach der Wiedervereinigung zerrte die westdeutsche Justiz Ende 1990 Karl Kielhorn und Gerhard Bögelein vor Gericht wegen der Tötung des für 178 Todesurteile verantwortlichen Nazi-Blutrichters Erich Kallmerten 1947 in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager. Gerhard Bögelein wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und starb an den Folgen von Haft und Verurteilung am 9. März 1993.
Linksparteilinke schürt Kollektivschuldlüge …
Das 2009 veröffentlichte Buch von Wolfgang Gehrcke, Jutta von Freyberg und Harri Grünberg Die deutsche Linke, der Zionismus und der Nahost-Konflikt wurde als Antwort auf die prozionistische Offensive geschrieben, die mit Gysis Rede zum 60. Jahrestag der Gründung Israels gestartet worden war. Hier wird die gleiche Weißwaschung der deutschen Bourgeoisie mittels der Kollektivschuldlüge betrieben, wie wir sie auch beim rechten Parteiflügel finden:
„In die Vorbereitung, Durchführung und Rechtfertigung der NS-Vernichtungspolitik waren in Deutschland Millionen Menschen auf allen Ebenen der Gesellschaft einbezogen… Selbst die Bahnarbeiter, die die Weichen für die Züge nach Auschwitz stellten, haben ihren Beitrag zum Funktionieren des Holocausts geleistet… In keinem anderen faschistischen Land war die Vernichtung der Juden ein systematisch verfolgtes und industriell betriebenes Ziel der Regierungspolitik gewesen. Und nirgendwo sonst außer in Deutschland konnte eine faschistische Regierung auf millionenfache Unterstützung für ihre Politik der Auslöschung des jüdischen Volkes bauen.“
Gehrcke spricht hier von „millionenfacher Unterstützung“ für die „Politik der Auslöschung des jüdischen Volkes“. Dabei wählt er das Beispiel der Bahnarbeiter, um das deutsche Proletariat mit den SS-Mördern gleichzusetzen. In Wirklichkeit konnten die Nazis den Holocaust erst durchführen, nachdem sie alle Arbeiterorganisationen zerschlagen hatten. In der Illegalität leisteten Eisenbahner Widerstand, so wie tausende andere Proletarier auch. Aber die Deportationszüge nach Auschwitz konnten nur durch die Zerschlagung des Faschismus gestoppt werden. Und wenn alle die Nazis unterstützt hätten, warum dann der Terror? Und warum wurde die 1942 auf der Wannseekonferenz beschlossene „Endlösung der Judenfrage“ von den Nazis im Geheimen durchgeführt? Warum musste die NS-Militärjustiz gegen Millionen Wehrmachtssoldaten – für Marxisten Arbeiter in Uniform – wüten?
Das Ganze ist ein ekelhaftes Wiederkäuen des liberalen Unsinns von Daniel Goldhagen, der 1996 anhand eines Polizei-Batallions – d. h. den Berufsstreikbrechern des Kapitals – nachweisen wollte, dass Millionen „gewöhnlicher Deutscher“ für den Holocaust verantwortlich zeichnen (siehe Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 20, Sommer 1998). In dem 270 Seiten umfassenden Buch von Gehrcke, das auch ein Kapitel über die Arbeiterbewegung bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges enthält, findet sich nicht ein Wort darüber, dass die deutsche Arbeiterklasse gegen Hitler kämpfen wollte, aber von ihren SPD- und KPD-Führungen verraten wurde, die kampflos vor Hitler kapitulierten. Auch das soll durch die Kollektivschuldlüge vertuscht werden.
… und Illusionen in die UNO
Die Linie des Buches Die deutsche Linke … zu Israel wird wie folgt auf den Punkt gebracht:
„Nach dem Holocaust hätte die Linke verstehen müssen, dass der Zionismus mit seinem konkreten Ziel der territorialen Eigenständigkeit eine angemessene Antwort auf das fundamentale Bedürfnis des über Jahrhunderte verfolgten jüdischen Volkes nach Sicherheit war. Die Alternative, ein binationaler Staat des brüderlichen Zusammenlebens von Juden und Palästinensern, war – und ist leider bis heute – eine schöne, realitätsferne Utopie.“
Das ist eine glatte Kapitulation vor dem Zionismus: Die Zionisten haben es geschafft, mit ihrem blutigen Terror gegen die Palästinenser den Hass von über hundert Millionen Arabern in der Region auf die nicht einmal sechs Millionen zählende jüdische Bevölkerung in diesem kleinen Land zu ziehen. Die Zionisten rechtfertigen ihre blutige Unterdrückung der Palästinenser ja gerade damit, Israel „sichern“ zu müssen! In Wirklichkeit hat sich leider bewahrheitet, wovor die Marxisten von Anfang an warnten: Geschaffen wurde ein gewaltiges Getto, das von der Unterstützung durch die Imperialisten abhängig ist und dessen zionistische Herrscher atomar bewaffnet sind. Was hat diese Todesfalle mit „Sicherheit“ zu tun?
In dem Zusammenhang ist es auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass Gehrckes Buch ein zentrales schmutziges Kapitel in der Geschichte des Zionismus einfach schweigend übergeht: die Kollaboration der Zionisten mit Hitler im Namen „gemeinsamer Interessen“, d. h. Hitler wollte die Juden aus Deutschland raus haben und das wollten die Zionisten auch. In „Holocaust, deutscher Imperialismus und Zionismus“ (Spartakist Nr. 148, Herbst 2002) beschrieben wir, wie die Führer der zionistischen Bewegung alle darin übereinstimmten, dass es für jüdische Flüchtlinge besser sei, zu sterben, als in irgendein anderes Land als Palästina zu entkommen:
„Ben Gurion erklärte einmal: ,Wenn ich wüsste, daß es durch Transporte nach England möglich wäre, alle [jüdischen] Kinder aus Deutschland zu retten, durch Transporte nach Palästina aber nur die Hälfte von ihnen gerettet werden könnte, würde ich mich für letzteres entscheiden.‘ … Von 1933 bis 1945 haben die USA nur 132 000 jüdische Flüchtlinge aufgenommen, Britannien einige Zehntausend. Die damals trotzkistische Socialist Workers Party führte gegen die US-Regierung Kampagnen für die Aufnahme der vor den Nazis Flüchtenden durch. Die bürgerlichen jüdischen Organisationen unterstützten die US-Regierung dabei, die jüdischen Flüchtlinge draußen zu halten.“
Das Programm von Wolfgang Gehrcke und Norman Paech besteht in Appellen an die UNO, was einfach bestätigt, dass der von ihnen erträumte „binationale Staat des brüderlichen Zusammenlebens von Juden und Palästinensern“ ein kapitalistischer Staat sein soll. Das Buch ist voll von Appellen wie „Die UNO muss aus dem Abseits heraustreten“ und „Der Weltsicherheitsrat muss dem Völkerrecht Geltung verschaffen“. Entsprechend erklärte Gehrcke am 21. September: „Die Linke will, dass Deutschland in der UNO dafür stimmt, dass Palästina als Vollmitglied aufgenommen wird.“ So könnten angeblich „zwei Staaten auf der Grundlage der Grenze von 1967, Ostjerusalem als Hauptstadt des palästinensischen Staates und eine gerechte, einvernehmliche Lösung der Flüchtlingsfrage“ erreicht werden.
Tatsächlich ist der Appell an die UNO nur ein Appell an die „demokratischen“ Imperialisten, die die UNO dominieren, d. h. vor allem an den US-Imperialismus. Das Gleiche gilt für Appelle an die OSZE bzw. EU, die vom deutschen Imperialismus dominiert werden. Und so war die UNO der Pate bei der Gründung Israels und der damit einhergehenden Vertreibung der Palästinenser. 1982 massakrierten mit Israel verbündete Falange-Milizen in den Palästinenser-Lagern Sabra und Schatila im Libanon 2000 Palästinenser dank der UNO, die zuvor die PLO entwaffnet hatte. Erinnert euch an Sabra und Schatila – kein Vertrauen in die UNO!
marx21 appelliert an
islamischen Fundamentalismus
In „Zur Nahost-Erklärung der Linksfraktion“ vom 17. Juni unterstützt marx21 den Appell der Linkspartei an den deutschen Imperialismus, sich für die Anerkennung Palästinas in der UNO einzusetzen. Sie fügen hinzu: „Es zeichnet sich überdeutlich ab, dass die israelische Regierung den Palästinenserstaat nicht anerkennen beziehungsweise seine Grenzen völlig ignorieren wird. Genau hier werden die praktischen Beschränkungen der ,Zwei-Staaten-Lösung‘ deutlich werden. Vor diesem Hintergrund ist eine Debatte um einen multiethnischen und säkularen Staat legitim – wie sie mittlerweile aufgrund der Zersiedelung auch immer mehr Akteure in der Friedensbewegung führen.“ Das Ganze ist auf den Rahmen des Kapitalismus beschränkt, und ein gemeinsames kapitalistisches Palästina, in dem die Juden eine nationale Minderheit wären, würde die nationale Unterdrückung umkehren.
Was das „Säkulare“ angeht, so ist es bei marx21 auch dabei nicht weit her, denn sie laufen dem islamischen Fundamentalismus hinterher. So preisen sie in Ägypten die reformistischen Revolutionären Sozialisten (RS) an, die selbstmörderische Illusionen in die fundamentalistische Muslimbruderschaft schüren, die sie als „antiimperialistisch“ beschönigen und mit denen sie seit Jahren Bündnisse eingehen. Wie wir in „Pandering to Reactionary Muslim Brotherhood – Cliffites on Egypt“ [Cliff-Anhänger zu Ägypten: Appelle an die reaktionäre Muslimbruderschaft] (Workers Vanguard Nr. 974, 18. Februar) schrieben:
„Niemand sollte sich vom Gerede der Bruderschaft über ihren Kampf gegen ,alle Formen der Ungerechtigkeit, Tyrannei, Autokratie und Diktatur‘ (Guardian, 8. Februar) täuschen lassen. Die Bruderschaft bedeutet eine tödliche Gefahr für die Arbeiterklasse, die christliche koptische Minderheit, für alle säkularen Kräfte sowie für Schwule und vor allem die grausam unterdrückten Frauen Ägyptens.
Die RS sind so von diesen Reaktionären fasziniert, dass sie auf ihrer Website eine Erklärung der Bruderschaft vom 5. Februar komplett mit dem Bruderschaftssymbol der zwei gekreuzten Schwerter veröffentlichten. Die RS jubeln heute die antisemitische Reaktion in Ägypten hoch, was uns an den kriminellen Verrat der opportunistischen Linken weltweit beim Aufstand 1978/79 im Iran erinnert, als diese Gruppen die von Ajatollah Chomeini geführten Mullahs unterstützten. Die Kapitulation vor islamischen Kräften oder irgendeiner anderen Form der religiösen Reaktion ist dem säkularen Humanismus entgegengesetzt, ganz zu schweigen von den Freiheitsidealen des Sozialismus.“
Eine Stärkung des islamischen Fundamentalismus wird in Israel wiederum zu einem noch stärkeren Einfluss des Zionismus auf die hebräische Arbeiterklasse führen und ist auch dadurch dem notwendigen Kampf für Arbeiterrevolution in Israel entgegengesetzt.
Für eine Sozialistische Föderation
des Nahen Ostens!
Israel/Palästina ist ein Paradebeispiel für die völkermörderische Logik des bürgerlichen Nationalismus, besonders im Hinblick auf die Auswirkungen auf diese Völker, die geografisch vermischt sind. Wie wir in „Die Geburt des zionistischen Staates“ (Spartakist Nr. 159, Sommer 2005) ausführten:
„Es war klar, dass die Schaffung eines unabhängigen Nationalstaates in Palästina, ob durch palästinensische Araber oder Juden, nur auf Kosten der jeweils anderen Nation geschehen würde. Wenn nationale Bevölkerungen geografisch vermischt sind, wie in Palästina, kann ein unabhängiger Nationalstaat nur durch ihre gewaltsame Trennung geschaffen werden (Zwangsumsiedlungen usw.). So wird das demokratische Recht auf Selbstbestimmung abstrakt, da es nur dadurch ausgeübt werden kann, dass die stärkere nationale Gruppierung die schwächere vertreibt oder zerstört.
In solchen Fällen besteht die einzige Möglichkeit einer demokratischen Lösung in einer sozialen Transformation.“
Die nationale Befreiung des palästinensischen Volkes – einschließlich des Rechts aller Flüchtlinge und ihrer Nachkommen, in ihre Heimat zurückzukehren – erfordert also notwendigerweise Arbeiterrevolutionen, die den zionistischen Staat von innen zerschmettern und die benachbarten herrschenden Kapitalistenklassen in Syrien, Jordanien und im Libanon wegfegen, die selbst über beträchtliche palästinensische Bevölkerungsteile herrschen. Die nationalen Rechte sowohl des palästinensisch-arabischen als auch des hebräischsprachigen Volkes – ebenso die der Kurden und unzähliger anderer – werden allein im Rahmen einer Sozialistischen Föderation des Nahen Ostens gesichert sein. Dafür ist es notwendig, im Nahen Osten trotzkistische Parteien als Teil der wiederzuschmiedenden Vierten Internationale aufzubauen. |
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