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Spartakist Nummer 205

Oktober 2014

Vor 25 Jahren: IKL kämpfte für rotes Rätedeutschland

Konterrevolution in der DDR: Linke Unterstützer verwischen Spuren

Nach fast einem Vierteljahrhundert kapitalistischer Restauration verteufelt die deutsche Bourgeoisie die Deutsche Demokratische Republik (DDR) immer noch in ihren Medien, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Die Einverleibung der DDR in den kapitalistischen Westen war jahrzehntelang Ziel der herrschenden Klasse und gehört zur Staatsdoktrin. Denn die DDR war ein Arbeiterstaat (wenn auch bürokratisch deformiert), in dem die Kapitalisten als Klasse enteignet waren. Die proletarische Klassenbasis der DDR war ein immenser Fortschritt und der Grund, warum 1989/90 anfänglich so viele Menschen für eine fortgesetzte Existenz der DDR eintraten: Ablehnung des Kapitalismus und Eintreten für eine sozialistische Gesellschaftsordnung. Aufgrund der für die Arbeiterklasse katastrophalen Folgen der Konterrevolution versuchen uns vorgeblich linke Organisationen heutzutage weiszumachen, sie hätten die Errungenschaften der DDR verteidigt, als es drauf ankam. Um ein paar dieser Lügen und Legenden zu entlarven, erklären wir im Folgenden, was der Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA – heute Partei für Soziale Gleichheit, PSG), die Kommunistische Plattform innerhalb der SED-PDS (KPF – heute innerhalb der Linkspartei) und die Vereinigte Linke (VL) 1989/90 wirklich gemacht haben.

Im Sommer 1989 befand sich die DDR in einer tiefen Krise. Internationale Ereignisse verschärften die Situation: Ausgelöst durch die Studentenproteste am Tiananmenplatz entwickelten sich in China erste Keime einer proletarisch-politischen Revolution, die Anfang Juni von den chinesischen stalinistischen Bürokraten brutal unterdrückt wurde. In Warschau übernahm die konterrevolutionäre Solidarność die Regierungsgewalt von der polnischen stalinistischen Bürokratie. Solidarność war die einzige „Gewerkschaft“, die Margaret Thatcher und Ronald Reagan jemals ins Herz geschlossen haben. Sie stand im Dienst von CIA, Banken und Vatikan, und vorgebliche Linke wie der BSA jubelten sie hoch.

Anfang September öffnete Ungarn seine Grenze nach Österreich für DDR-Bürger, was eine große Ausreisewelle auslöste. Viele setzten ihre Hoffnungen in die vom sowjetischen KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow 1985 verkündete Politik von „Perestroika“-Marktreformen und politischen „Glasnost“-Liberalisierungen. Auch weil der DDR-Staatschef Erich Honecker „Perestroika“ und „Glasnost“ ablehnte, bildete sich eine Opposition zur DDR-Regierung. Die Sowjetunion fing an, Öl und Rohstoffe nur noch zu Weltmarktpreisen und in konvertierbaren Währungen an andere bürokratisch deformierte Arbeiterstaaten zu verkaufen. Die wirtschaftliche Situation in der DDR verschärfte sich.

Anfang Oktober 1989 fingen Demonstrationen im Süden der DDR an, die stetig größer wurden. Honecker wurde am 18. Oktober gestürzt, nachdem er bewaffnete Kräfte gegen die Demonstranten einsetzen wollte, was Gorbatschow und das Kommando der sowjetischen Roten Armee in der DDR ablehnten. Die Betriebskampfgruppen – Fabrikmilizen, die sich als Verteidiger des Arbeiterstaats auf Fabrikebene verstanden – waren auch gar nicht gewillt, gegen ihre Klassenbrüder eingesetzt zu werden. Die Masse der ostdeutschen Arbeiter, Studenten und Soldaten wollte die DDR vor dem Zusammenbruch retten. Am 4. November 1989, fünf Tage bevor die Berliner Mauer fiel, gab es eine Demonstration in Ostberlin mit knapp 1 Million Teilnehmern. Neben rein demokratischen Parolen, Losungen für Reisefreiheit und gegen die SED sah man auch explizit prosozialistische Banner und Losungen wie „Für kommunistische Ideale – Keine Privilegien“ und „Bildet Räte“.

Spartakisten intervenieren in die gärende politische Revolution

Die Trotzkistische Liga Deutschlands (TLD), Vorläufer der SpAD und deutsche Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL), intervenierte in diese vorrevolutionäre Situation, um der ostdeutschen Arbeiterklasse revolutionäre Führung zu geben. Die IKL unterstützte die größte Intervention, die wir je gemacht haben, mit allem, was möglich war. Über diesen Zeitraum hatten wir ein Drittel unserer internationalen Mitgliedschaft vor Ort. Am 15. November erschien unser Flugblatt „Arbeiterräte an die Macht!“ (nachgedruckt in Spartakist Nr. 180, November 2009), von dem wir 200 000 während der nächsten zwei Wochen verteilten. Spartakist erhöhte seine Erscheinungsweise von zweimonatlich auf zweiwöchentlich bis wöchentlich.

Am 7. Dezember brachten wir die erste Ausgabe von Arprekorr – Arbeiterpressekorrespondenz – heraus, die fast täglich erschien. Arprekorr diente als kollektiver Organisator der Avantgarde der Arbeiterklasse und war das Werkzeug, die Partei aufzubauen, die notwendig war, um die proletarisch-politische Revolution zu führen. In vielen Städten bildeten sich Gruppen von Jugendlichen oder Arbeitern, die Arprekorr verteilten und die wir in den Spartakist-Gruppen organisierten. Die Propaganda wurde uns förmlich aus den Händen gerissen. Wir appellierten an die Arbeiter in Ost und West, die DDR bedingungslos militärisch zu verteidigen und für eine revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands einzutreten. Das bedeutete, die stalinistische Bürokratie im Osten durch eine politische Revolution wegzufegen und im Westen eine soziale Revolution zu vollbringen, nämlich die herrschende Bourgeoisie zu stürzen.

Die Errichtung von Arbeiter- und Soldatenräten in der DDR und der Sturz der Bürokratie wäre ein Leuchtfeuer für die Arbeiterklasse im Westen gewesen, für eine sozialistische Revolution zu kämpfen, und für die Arbeiter der osteuropäischen Arbeiterstaaten und der Sowjetunion, ebenfalls die politische Macht zu ergreifen. Die zunehmende kapitalistische Barbarei, die wir heute haben, wäre zu verhindern gewesen.

Wir stützten uns auf das Verständnis von Leo Trotzki, dass die herrschende Bürokratie keine Klasse, sondern eine fragile Kaste ist, die die Arbeiterklasse politisch enteignet hat, aber keine eigene ökonomische Macht besitzt. Trotzki gewann dieses Verständnis aus der Analyse der politischen Konterrevolution, die 1923/24 in der Sowjetunion stattgefunden hatte, als die Bürokratie mit Stalin an der Spitze die politische Macht ergriff. Unausweichlich war dies aber keinesfalls gewesen und die Linke Opposition um Trotzki kämpfte dagegen. Man muss sich nur vor Augen führen, was damals nach dem Ersten Weltkrieg weltweit los war, als die Machteroberung durch die Arbeiterklasse in vielen Ländern zum Greifen nah war: Die Sowjetunion war aus der erfolgreichen, von den Bolschewiki zum Sieg geführten proletarischen Revolution von 1917 hervorgegangen.

Den revolutionären Arbeitern in der jungen Sowjetunion war klar: Die Arbeiter der anderen Länder, vor allem in Deutschland, müssen und werden unserem Beispiel folgen. In Deutschland gab es 1918/19 und 1923 revolutionäre Situationen, aber die KPD hatte unvollständig vom sozialdemokratischen Programm gebrochen, und die Lehren der ersten erfolgreichen Arbeiterrevolution in Russland wurden nur teilweise assimiliert. Daher stellten sich die programmatischen Schwächen der deutschen Partei – verstärkt statt korrigiert durch die Kommunistische Internationale (Komintern), deren Degenerierung schon eingesetzt hatte – als entscheidend heraus. Die sich entwickelnde Bürokratie in der Sowjetunion stützte sich auf die dann einsetzende weitverbreitete Demoralisierung unter den sowjetischen Massen, die vom Bürgerkrieg 1918–20 im eigenen Land erschöpft und ausgezehrt waren. Die extreme Mangelwirtschaft der Anfangszeit führte dazu, dass sich eine Schicht von Verwaltern etablierte, die „wussten“, wem sie zu geben und wem sie zu nehmen hatten und dabei selbst nicht zu kurz kamen. Sie begrüßten und unterstützten Stalins Machtübernahme innerhalb der Kommunistischen Partei, der das leninistische Programm der Weltrevolution mit der nationalistischen Lüge vom „Sozialismus in einem Land“ ersetzte.

Als die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg unter unermesslichen Opfern das Naziregime in Deutschland besiegt hatte, tat die sowjetische Bürokratie mit Unterstützung der ostdeutschen Stalinisten alles, damit sich keine unabhängige deutsche Arbeiterrevolution entwickelte. Sie fürchteten, dies könne eine politische Revolution gegen sie selbst auslösen. Die Enteignung der ostdeutschen Kapitalisten war eine defensive Maßnahme gegenüber den Imperialisten, die von oben durchgeführt wurde. Die dann vergesellschafteten Produktionsmittel und die planmäßige Leitung der Wirtschaft in der DDR waren enorme Fortschritte. Die in der DDR eingesetzte Bürokratie lavierte genauso wie die sowjetische Bürokratie zwischen ihrer Furcht vor den Arbeitern – für die sie in verzerrter Weise Errungenschaften des Arbeiterstaats verteidigte – und dem Weltimperialismus – an den sie sich im Namen von „friedlicher Koexistenz“ anbiederte – hin und her.

Wir gingen richtigerweise davon aus, dass die stalinistische Bürokratie von oben bis unten auseinanderbrechen würde, wenn die Arbeiter sich in einer politischen Revolution erheben. So passierte es in der Ungarischen Revolution 1956, als sich große Teile der stalinistischen Bürokratie auf die Seite der Arbeiter stellten. Pál Maléter, Oberst der ungarischen Armee, ging auf die Seite der Revolution über und führte bewaffnete Kräfte, die einen sowjetischen Angriff, der sich gegen die politische Revolution richtete, abwehren konnten. Unsere Perspektive war, dass auch führende Mitglieder der SED und des Staatsapparats, zum Beispiel Offiziere der Nationalen Volksarmee (NVA), für den Trotzkismus und die Seite der Arbeiter in Verteidigung der DDR gewonnen werden konnten, was 1989/90 in kleinem Maßstab auch passierte. Anders als die herrschende Kapitalistenklasse, die sich im Falle einer Revolution zwangsläufig um das Programm der Konterrevolution vereint, ist eine stalinistische Bürokratie eben nicht „konterrevolutionär durch und durch“, wie es der BSA bzw. die PSG behauptet, sondern zerbricht im Falle einer Revolution und ihre Bruchstücke finden sich auf verschiedenen Seiten wieder.

Folgende Vision einer politischen Revolution gibt Trotzki in seinem Buch Verratene Revolution, von dem wir 1989/90 viele Ausgaben verkauften, insbesondere an den zwei Wochenenden des außerordentlichen Parteitags der SED am 8./9. und 16./17. Dezember 1989:

„Stellen wir uns vor, die Sowjetbürokratie werde von einer revolutionären Partei gestürzt, die alle Eigenschaften des alten Bolschewismus besitzt, zugleich aber auch um die Welterfahrung der letzten Periode reicher ist. Eine derartige Partei würde zunächst die Demokratie in Gewerkschaften und Sowjets wiederherstellen. Sie könnte und müsste den Sowjetparteien die Freiheit wiedergeben. Gemeinsam mit den Massen und an ihrer Spitze würde sie schonungslos den Staatsapparat säubern. Sie würde Titel und Orden, überhaupt alle Privilegien, abschaffen, und die Ungleichheit in der Entlohnung auf das Maß des für Wirtschaft und Staatsapparat Lebensnotwendigen beschränken. Sie würde der Jugend Gelegenheit geben, selbständig zu denken, zu lernen, zu kritisieren und sich zu formen. Sie würde entsprechend den Interessen und dem Willen der Arbeiter- und Bauernmassen tiefgehende Änderungen in der Verteilung des Volkseinkommens vornehmen. Doch was die Eigentumsverhältnisse anbelangt, so brauchte die neue Macht keine revolutionären Maßnahmen zu ergreifen. Sie würde das Planwirtschaftsexperiment fortsetzen und weiterentwickeln. Nach der politischen Revolution, d. h. nach Niederringung der Bürokratie, hätte das Proletariat in der Wirtschaft eine Reihe wichtiger Reformen, doch keine neue soziale Revolution durchzuführen.“

Der Bund Sozialistischer Arbeiter

Im Winter 1989/90 brachten wir die deutsche Ausgabe Nr. 14 des Spartacist mit dem Titel „Trotzkismus: Was er nicht ist – und was er ist“ heraus und erklärten die Ziele unterschiedlicher Gruppen, die sich fälschlicherweise auf Trotzki beriefen, um Arbeitern und Linken in der DDR zu helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Den BSA und das „Internationale Komitee der Vierten Internationale“ von Gerry Healy (bis 1985) und heute von David North charakterisieren wir als politische Banditen (ein Begriff Lenins), die weit auseinandergehende politische Positionen beziehen, so wie es ihren eigennützigen opportunistischen Appetiten gerade passt. 1979 priesen sie zum Beispiel den baathistischen Diktator Saddam Hussein im Irak, weil er ein Führer im Kampf gegen den „konterrevolutionären Stalinismus“ sei, und bejubelten, dass er 21 Mitglieder der Kommunistischen Partei Iraks hatte umbringen lassen. In dieser Zeit haben die Healyisten Zehntausende Dollar von dem baathistischen Regime eingesteckt. Auch von anderen arabischen Regimen nahmen sie ab Mitte der 1970er- bis Anfang der 1980er-Jahre üppige Schmiergelder an, mindestens 1 Million britische Pfund. North führte zu der Zeit die amerikanische Sektion und war Teil des korrupten und gewalttätigen Internationalen Komitees von Healy.

Der BSA intervenierte in die Ereignisse von 1989/90 propagandistisch und wurde manchmal mit uns verwechselt, weil er behauptete, in der Kontinuität mit Trotzki und der Vierten Internationale zu stehen, auf dem Papier für Arbeiterräte eintrat und den Sturz der Bürokratie verlangte. Seine Intervention verfolgte jedoch nur das eine Ziel: Stalinismus und die stalinistische Bürokratie bekämpfen, die ja angeblich „konterrevolutionär durch und durch“ sei. Dementsprechend setzte er in seiner damaligen Propaganda den Stalinismus ständig mit dem Kapitalismus gleich, was grundlegend falsch ist.

Das Kapital herrscht ökonomisch, seine Herrschaft bedeutet die Ausbeutung der Arbeiterklasse durch die Bourgeoisie, die die Produktionsmittel in ihren Händen konzentriert. Die Bourgeoisie ist eine Klasse, die durch eine sozialistische Revolution gestürzt werden muss. Im Zuge dieser sozialen Revolution wird der bürgerliche Staat zerstört. Der bürgerliche Staat (die kapitalistische Polizei, Armee, bürgerliche Gerichte und Gefängnisse) dient dazu, das Privateigentum der Kapitalisten zu schützen und die Arbeiterklasse niederzuhalten. Er macht es den Kapitalisten möglich, ihren Reichtum zu vererben und in fremde Länder einzufallen, um neue Märkte zu erobern.

Im Gegensatz dazu bedeutet Stalinismus die politische Herrschaft einer parasitären Bürokratie (eine fragile, widersprüchliche Kaste), die keinen Besitzanspruch an den Produktionsmitteln geltend machen kann, weil sie nicht ihr, sondern der Gesellschaft gehören. Kein Bürokrat der DDR konnte die Fabrik, die er verwaltete, weitervererben. In der DDR wurde für die Gesellschaft produziert und nicht für den Profit und die Interessen Einzelner. Allerdings bestimmte die Bürokratie in korrupter und irrationaler Weise über die gesellschaftliche Produktion. Es gab keine Arbeiterräte, die die Wirtschaft im Hinblick auf die Ausweitung der sozialistischen Revolution geplant und organisiert hätten. In der DDR war eine politische Revolution nötig, um die Gesellschaft zu demokratisieren und die politische Macht der Arbeiterklasse zu etablieren.

Um auf Trotzki zurückzukommen: „Was die Eigentumsverhältnisse anbelangt, so brauchte die neue Macht keine revolutionären Maßnahmen zu ergreifen“, das heißt es gab keine Kapitalistenklasse, die enteignet werden musste, denn das war bereits nach 1945 geschehen. Die bewaffneten Organe der DDR, der Staatsapparat, schützten einerseits das vergesellschaftete Eigentum und waren andererseits der stalinistischen Bürokratie unterstellt, die als parasitäre Schicht im grundlegenden Widerspruch zu den ökonomischen Fundamenten des Arbeiterstaats stand. Es war nötig, den Staatsapparat „schonungslos zu säubern“ und in der „Wirtschaft eine Reihe wichtiger Reformen, doch keine neue soziale Revolution“ durchzuführen.

Der BSA trug in Wirklichkeit das falsche Bewusstsein in die Arbeiterklasse, die Bürokratie sei eine herrschende Klasse, die zusammen mit ihrem Staat zugrunde gehen müsse. Stattdessen betonten wir, dass der Arbeiterstaat DDR dem internationalen Proletariat gehörte, warnten vor der drohenden kapitalistischen Konterrevolution und erklärten, wie man sie bekämpfen muss. In einer Antwort auf den Leserbrief einer Auszubildenden, die sich leidenschaftlich gegen „Deutschland einig Vaterland“ aussprach, schrieb der BSA: „Deshalb verteidigt der BSA nicht die ,Zweistaatlichkeit‘, d. h. weder den BRD-Staat noch den DDR-Staat, sondern tritt für die Vereinigung der Arbeiter Ost- und Westdeutschlands zum Sturz dieser Unterdrückungsapparate ein.“ Hier kommt es offen heraus: Der BSA war dagegen, den DDR-Staat zu verteidigen, und sogar für den Sturz des „Unterdrückungsapparats“ DDR-Staat.

Während prosozialistische Arbeiter in der DDR die kapitalistische Bedrohung abwenden wollten, hat der BSA diese Bedrohung völlig heruntergespielt und der Konterrevolution damit Vorschub geleistet. Dahinter steckte seine Loyalität zur konterrevolutionären SPD, zu deren Wahl er jahrelang aufgerufen hat. In den 1970er- und 1980er-Jahren predigte er der westdeutschen Arbeiterklasse, die SPD könne in einer „Alleinregierung“ auf „sozialistische Politik“ verpflichtet werden. Der BSA war davon überzeugt, die SPD könne den Kapitalismus im Sinne der Arbeiter regieren. Von wegen Sturz des Kapitalismus! Direkt nach der kapitalistischen Wiedervereinigung – in der die SPD als Speerspitze des deutschen Imperialismus fungiert hat – rief er 1990 bei der Bundestagswahl erneut zur Wahl der SPD auf.

Der Wendepunkt um Treptow und die Hexenjäger-Reaktion des BSA

Am 28. Dezember 1989 wurde das sowjetische Ehrendenkmal in Berlin-Treptow von Faschisten geschändet. Das Denkmal ehrt die Soldaten der Roten Armee, die ihr Leben im Kampf zur Befreiung Berlins von den Faschisten gegeben hatten. Bereits bei den Montagsdemonstrationen im Süden der DDR hatten Nazis seit etwa Mitte Dezember ihr Haupt erhoben, wo Kohl mit Deutschlandfahnen bejubelt wurde. Wir reagierten sofort und riefen zur Einheitsfrontmobilisierung am 3. Januar in Treptow auf, um die Nazis zu stoppen.

Der gemeinsame Aufruf von Spartakist-Gruppen und der Trotzkistischen Liga Deutschlands machte klar: „Noch ist der wiederaufsteigende Faschismus eine extremistische Randerscheinung. Er würde erneut die ganze Menschheit bedrohen, sobald die ersten Krisen in einem wiedervereinigten Großdeutschland auftauchen. Heute ist die SPD/SDP das Hauptinstrument, ein solches Großdeutschland herbeizuführen. Jetzt das vielköpfige faschistische Ungeheuer abzuwürgen heißt, diesem sozialdemokratischen Vordringen Einhalt zu gebieten.“ Wir stellten lebenswichtige Forderungen auf, die insgesamt den Weg zur politischen Revolution und gegen den Ausverkauf der DDR wiesen.

Daraufhin kamen 250 000 Menschen am 3. Januar zur prosowjetischen, antifaschistischen und prosozialistischen Demonstration, weil es uns gelungen war, die SED in eine Einheitsfront zu zwingen. Dies war der Macht unseres Programms geschuldet, das den sozialistischen Bestrebungen der Arbeitermassen entsprach. SED-PDS Führer Bisky drückte es kurz davor so aus: „Ihr habt die Arbeiter.“ Wir hatten sie aber noch nicht um unser Programm herum organisiert. Jedoch war das Potenzial für das explosive Wachstum einer trotzkistischen Partei ganz real. In vielen Fällen wussten die SED-PDS-Führer damals mehr darüber als wir.

Die Teilnehmer der Demo – zum großen Teil Fabrikarbeiter – hörten zwei entgegengesetzte politische Programme: das der Stalinisten, vertreten von Gregor Gysi, und das der revolutionären Trotzkisten, vertreten von einer TLD-Sprecherin und einem Sprecher der Spartakist-Gruppen. Es war das erste Mal seit Trotzkis Verbannung aus der UdSSR und der Zerschlagung der Linken Opposition dort in den späten 1920er-Jahren, dass Trotzkisten vor einem Massenpublikum in einem deformierten Arbeiterstaat sprechen konnten.

Wir schrieben in unserer Bilanz im Hauptdokument unserer Zweiten Internationalen Konferenz von 1992:

„Doch wie später Treptow zeigte, standen wir von Anfang an in einem politischen Kampf mit dem abdankenden stalinistischen Regime über die Zukunft der DDR. Während wir eine Regierung von Arbeiterräten forderten, handelten die Stalinisten bewusst, um einen Arbeiteraufstand dadurch zu verhindern, dass sie alle Armee-Einheiten demobilisierten, die auf unsere frühe Propaganda hin Soldatenräte gebildet hatten. Obwohl geprägt durch das Missverhältnis von Kräften, gab es eigentlich einen Wettstreit zwischen dem IKL-Programm der politischen Revolution und dem stalinistischen Programm von Kapitulation und Konterrevolution.“ („Für den Kommunismus von Lenin und Trotzki!“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 15, Frühjahr 1993)

Die Treptower Mobilisierung war der Wendepunkt. Bis dahin hatten die Imperialisten wohl gedacht, sie hätten die DDR schon in der Tasche. Jetzt aber drehten sie durch, weil es offensichtlich nicht so war. Sie stampften eine Lügenkampagne aus dem Boden, die Goebbels bewundert hätte. Die westdeutschen Medien versuchten groteskerweise, der SED die faschistische Provokation in die Schuhe zu schieben. Die Bild-Zeitung bezeichnete Treptow als „Nazi-Trick der SED“ und gab damit die Marschrichtung vor. Es gab eine Sitzung des sogenannten Runden Tisches – eine konterrevolutionäre Versammlung aller oppositionellen Gruppen einschließlich der Vereinigten Linken, zusammen mit der SED-PDS und der ostdeutschen SPD/SDP. Die SPD hetzte hysterisch gegen die stalinistische SED-PDS, weil sie auf derselben Tribüne mit den Trotzkisten standen, die die SPD/SDP „das trojanische Pferd der Konterrevolution“ nennen. Einige Tage später erklärte Gysi, dass es ein Fehler war, zu der Treptower Demonstration aufzurufen. Danach organisierten Gorbatschow und die ostdeutschen Stalinisten den Ausverkauf der DDR an die Kapitalisten. Nach einem Treffen mit Gorbatschow Ende Januar in Moskau verkündete der Chef der DDR-Regierung Hans Modrow (SED-PDS) offen: „Deutschland, einig Vaterland!“

Der BSA wetterte gegen die Treptower Einheitsfrontmobilisierung in seinem Hetzartikel „Die Trotzkistische Liga Deutschlands (TLD) – Provokateure im Dienste des Stalinismus!“ vom 19. Januar: „Heute dient die Kampagne ,gegen die faschistische Gefahr in der DDR‘ dazu, den stalinistischen Staatsapparat, Armee, Geheimdienst, Justiz usw. zu retten und wieder zu stabilisieren, da eine kapitalistische Restauration nur mit Hilfe einer blutigen Diktatur gegen die Arbeiterklasse durchgesetzt werden kann.“ Hier tritt der konterrevolutionäre Hass auf den Arbeiterstaat offen zu Tage. Es gab nur die beiden Alternativen: Rettung des deformierten Arbeiterstaats DDR und vorwärts zur revolutionären Wiedervereinigung – oder zurück zum Kapitalismus, der von der SPD im Namen von „Freiheit und Demokratie“ vorangetrieben wurde. Während wir die SPD als Hauptinstrument für ein kapitalistisches Großdeutschland klar benannten, vernebelte der BSA den Klassencharakter der kapitalistischen Konterrevolution, die „mit Hilfe einer blutigen Diktatur“ kommen würde, mit der sie aber nicht etwa die Diktatur der westdeutschen Kapitalisten meinten, sondern den „stalinistischen Staatsapparat“! Was also bleibt übrig? Das sozialdemokratische Programm für ein demokratisches Deutschland der Kapitalisten – das wiedervereinigte Vierte Reich.

Die DDR war eine Diktatur des Proletariats – eben ein Staat der Arbeiter – mit einer arbeiterfeindlichen Regierung an der Macht. Treptow bedeutete gerade eine Chance, Arbeiter und Linke der SED, Soldaten der NVA, Volkspolizisten und Rotarmisten vom trotzkistischen Programm zu überzeugen. In dieser offenen Situation, als die Arbeiterklasse gerade anfing, für die politische Macht in ihrem Staat zu kämpfen, es so hinzudrehen, als sei dieser Staat ein Instrument der kapitalistischen Restauration, legt den Antikommunismus des BSA vollständig bloß.

Und was die stalinistische Bürokratie angeht: Sie beugte sich der bürgerlichen Kampagne für den Rachefeldzug der deutschen Bourgeoisie gegen die DDR und hat den Arbeiterstaat ausverkauft. Gegen diesen Ausverkauf kämpften wir! Der BSA verharmloste hingegen selbst die faschistische Gefahr aufgrund seiner Stalinophobie. Bis zu den Volkskammerwahlen im März 1990 erwähnte er den Anstieg des deutschen Nationalismus und die faschistische Bedrohung kaum. Er denunzierte die antifaschistische Mobilisierung in Treptow als eine List der auseinanderbröckelnden Stalinisten im Chor mit den bürgerlichen Kräften, die Treptow als „Nazi-Trick der SED“ hinstellten.

Wenn die PSG heute „die Zerschlagung sozialer Errungenschaften und die Wiedereinführung kapitalistischer Ausbeutung in der DDR, Osteuropa und der Sowjetunion“ als die „reaktionärste Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte“ bezeichnet, dann sollte jedem klar sein, dass sie selbst Verantwortung dafür trägt. Der BSA stand an vorderster Front zusammen mit der SPD, den Weg für die Zerstörung der DDR zu ebnen. In ähnlicher Weise ist die PSG heute gegen Arbeiterkämpfe, die von Gewerkschaften geführt werden, weil sie meint, Gewerkschaften würden „den Kapitalismus verteidigen und jeden wirklichen Kampf sabotieren“. Das ist eine glatte Rechtfertigung von Streikbruch. Die Gewerkschaften müssen als Organisationen der Arbeiterklasse verteidigt werden, auch wenn sie eine reformistische, chauvinistische Führung haben, genauso wie Arbeiterstaaten gegen Kapitalismus und Imperialismus verteidigt werden müssen, auch wenn eine stalinistische Bürokratie die Arbeiter politisch enteignet hat. Die Ablehnung von Gewerkschaften ist Teil der antikommunistischen Tradition der PSG, keine Seite mit der Arbeiterklasse und ihren Staaten zu beziehen – allen hohlen Phrasen zum Trotz.

Die Vereinigte Linke

Die Vereinigte Linke (VL) war der linke Flügel der kleinbürgerlichen antikommunistischen Bürgerrechtsbewegung „Initiative Frieden und Menschenrechte“, die unter dem Schutz der evangelischen Kirche operierte. Die Bürgerrechtsbewegung 1989 kam aus der DDR-Friedensbewegung der frühen 80er-Jahre, das Pendant zur nationalistischen Friedensbewegung in Westdeutschland. Übrigens teilten viele sogenannte Linke, z. B. die KPF, die pazifistische Position der Friedensbewegung für Abrüstung im nationalistischen Rahmen von „Deutschland darf nicht Schlachtfeld werden“, was einem Aufruf zur Entwaffnung der DDR und der Sowjetunion gleichkam und die Fähigkeit des Arbeiterstaats unterminieren sollte, sich gegen den Imperialismus zur Wehr zu setzen. Die VL erhob die Forderung nach „Abrüstung und Entmilitarisierung beider deutscher Staaten“ und war für den Austritt der DDR und der BRD aus dem Warschauer Pakt und der NATO. Sie wollte praktisch zwei neutrale deutsche Staaten haben und ignorierte, dass sie durch eine Klassenlinie getrennt waren. Der Wunsch nach neutralen Staaten drückt tiefgehende Illusionen in eine „reine Demokratie“ und friedlichen Kapitalismus aus, was beides nicht zu haben ist.

Die VL gründete sich formell am 2. Oktober 1989 in Berlin und verstand sich als „basisdemokratische Bewegung“. Sie hat sich zwar im letzten Jahr offiziell aufgelöst, aber ehemalige führende Mitglieder wie Bernd Gehrke touren ab und zu herum, um die Mär zu verbreiten, die VL wäre gegen die Einführung des Kapitals in Ostdeutschland gewesen. Ihr führender Teil kam aus der „Gruppe der Demokratischen Sozialistinnen“ (GDS), die 1988 um Herbert Mißlitz aus der Berliner Oppositionsgruppe Gegenstimmen (GG) entstanden war. Die GG war in den 80er-Jahren Teil der DDR-Friedensbewegung und mit Ernest Mandel verbunden, dem führenden Kopf des Vereinigten Sekretariats (VS) der Pabloisten.

Pabloismus ist die revisionistische Strömung, die nach dem Zweiten Weltkrieg innerhalb der trotzkistischen Bewegung entstand (unter Führung des Impressionisten Michel Pablo) und die Vierte Internationale als Kern einer disziplinierten Weltpartei der sozialistischen Revolution zerstörte. Aufgrund der Tatsache, dass eine Reihe bürokratisch deformierter Arbeiterstaaten unter stalinistischer Führung entstanden waren, sagten sie eine „neue Weltrealität“ von „Jahrhunderten deformierter Arbeiterstaaten“ voraus und schrieben die Rolle einer revolutionären trotzkistischen Partei komplett ab. In „Trotzkismus: Was er nicht ist – und was er ist“ warnten wir: „Mandel, der während des ostdeutschen Aufstands von 1953 in einem Flügel der Bürokratie eine Lösung sah, begleitet heute mit Fanfarenklängen den ,Aufschwung der Massenbewegung, die die DDR erschüttert‘. Er redet von der Notwendigkeit einer ,politisch fähigen Avantgarde‘, um den Weg zu ,öffnen für den Sieg und die Konsolidierung der politischen Revolution‘. Lasst euch nicht für dumm verkaufen. Mandel und seine Anhänger haben schon alles Mögliche zur ,Avantgarde‘ erhoben, von Universitätsstudenten im Westen über Mullahs im Iran bis zu Lech Walesa.“

Die VL strebte einen „politischen Zusammenschluss linker Organisationen und Einzelpersonen unterschiedlicher Anschauungen und Strömungen an, die gemeinsam für eine sozialistische Erneuerung der DDR … wirken.“ Mit diesem Konzept von „Einheit der Linken“ traf sie 1989 einen politischen Nerv unter vielen Arbeitern und Linken, die der Offensive des Kapitals entgegentreten wollten. Tatsächlich notwendig waren vereinte Aktionen gegen das Kapital und den aufsteigenden Nationalismus/Faschismus, wie die Treptower Demonstration vom 3. Januar 1990 eine war, bei denen unterschiedliche Organisationen getrennt marschieren (also ihr eigenes Programm propagieren) und den gemeinsamen Feind vereint bekämpfen. „Einheit der Linken“ als ständiges Bündnis ist nichts anderes als ein fauler politischer Block, der Differenzen unter den Tisch kehrt, um einen gemeinsamen Nenner zu finden. Das Ergebnis ist das niedrigste politische Niveau, was bedeutet, dass Revolutionäre sich den Opportunisten unterordnen.

Die VL hatte ein widersprüchliches Programm, was Arbeiter und Linke nur verwirren konnte, die nach einer Antwort zur Verteidigung der DDR gesucht haben. In ihrem Appell „Für eine Vereinigte Linke in der DDR“ befürwortet sie einerseits gesellschaftliches Eigentum „an Produktionsmitteln als die vorherrschende und perspektivische Grundlage“ und andererseits die „Freie Entfaltung von Genossenschaften und Privateigentum auf der Grundlage eigener Arbeit“. In entscheidenden Momenten löste die VL ihre Widersprüche und jubelte die bürgerliche Demokratie hoch, schlecht getarnt mit frommen Wünschen, dass nicht „politbürokratische Unterdrückung durch kapitalistische Ausbeutung ersetzt wird“.

Am 3. November 1989 veröffentlichte sie zusammen mit den anderen Gruppen der Bürgerbewegung und der konterrevolutionären Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) eine gemeinsame Erklärung „Für eine demokratische Umgestaltung von Staat und Gesellschaft“, in der eine Verfassungsreform, freie und geheime Wahlen sowie Versammlungs-, Vereinigungs- und Pressefreiheit gefordert wurde. Die Sozialdemokratie versuchte damit ihr Programm für „soziale Marktwirtschaft“, d. h. Kapitalismus, unter die Massen zu bringen, und die VL half ihr dabei. Der Ruf nach „freien Wahlen“ ist ein Aufruf, bürgerliche Demokratie gegen den Arbeiterstaat zu unterstützen, d. h. zur Konterrevolution aufzurufen, und deshalb sind wir dagegen. Wir sind für Arbeiterdemokratie auf der Grundlage der Verteidigung des Arbeiterstaats. Heute sammeln sich konterrevolutionäre Kräfte hinter dem Aufruf nach „freien Wahlen“ in deformierten Arbeiterstaaten wie Kuba und China. Kanzlerin Merkel warb erst dieses Jahr in Peking für „freie Wahlen“, um einen Weg für den deutschen Imperialismus zu ebnen, der Chinas Markt für die Kapitalisten zurückerobern will.

Nach der Treptower Demonstration vom 3. Januar 1990, welche die VL anfänglich unterstützt hatte, bekam sie Panik: „Anlass war die Befürchtung, ,alte SED-Kader‘ würden wieder in Machtpositionen gelangen“ („Erklärung der Opposition zum Wahlbündnis 90“, 3. Januar 1990). Sie schusterte noch am selben Tag ein konterrevolutionäres Wahlbündnis mit der Bürgerbewegung und der SDP zusammen, von dem sie am 7. Januar wieder zurücktrat. Ihr Führer Thomas Klein meinte uns gegenüber am 21. Januar, für die VL sei der Hauptfeind nicht die SPD, sondern die Staatssicherheit (Stasi) und der SED-Apparat, man könne immer noch gegen die Politik der SPD auftreten, wenn sie nach den Wahlen die Regierung übernehme und die Arbeiter angreife. Das war eine eindeutige Stellungnahme für das westdeutsche kapitalistische System, in dem Arbeiter alle vier Jahre wählen dürfen, welche bürgerliche Regierungskoalition als nächstes dafür sorgt, dass sie geknechtet und ausgebeutet werden.

Unter dem bürgerlichen Schock über die Treptow-Mobilisierung wurde eine antikommunistische Kampagne gegen die Stasi losgetreten. Die VL forderte daraufhin sofort deren Auflösung und blies damit ins gleiche Horn. Am 15. Januar 1990 stürmte ein antikommunistischer Mob die Berliner Stasi-Zentrale. Am 29. März beteiligte sich die VL an einer vom Neuen Forum (Teil der „Bürgerrechtsbewegung“) veranstalteten Hexenjagd-„Demo“ auf dem Alexanderplatz für die Überprüfung aller in der Volkskammer Tätigen, ob sie beim Ministerium für Staatssicherheit mitgewirkt hatten. Wir lehnten die rechte Kampagne gegen die Stasi vehement ab, denn sie war ein Rammbock, der sich gegen die Existenz der DDR insgesamt richtete.

Wir warnten davor, Schauprozesse im Stile Stalins abzuhalten, die nur Blutrünstigkeit anheizen und die Situation für konterrevolutionäre Massaker reif machen würde. Bevor die antikommunistische Hetze auf Hochtouren kam, machten wir bereits Vorschläge, wie die Arbeiterklasse im Sinne der Verteidigung der DDR mit dem aufgeblähten Apparat der Stasi umgehen könnte. Schließlich richtete sich die Stasi nicht nur gegen den Klassenfeind, sondern spionierte auch die eigene Bevölkerung aus, was die Arbeiterklasse einschüchtern und atomisieren sollte. Wir schlugen zum Beispiel vor, ehemalige Stasi-Mitglieder in die soziale Produktion zu integrieren. Wo individuelle Geheimpolizisten krassen Missbrauch betrieben hatten, sollte dies durch Arbeitertribunale, die mit maßgebenden Räten verbunden sind, behandelt werden. Viele Aktionen, die vor Treptow gegen die Stasi-Führung stattfanden, hatten einen prosozialistischen Charakter. So stoppte das Wachregiment F. Dzierzynski die Vernichtung von Stasi-Akten und gründete einen Soldatenrat.

Wir riefen zu Arbeitermilizen unter der Führung von Arbeiter- und Soldatenräten auf, insbesondere um der faschistischen Gefahr Einhalt zu gebieten. Darin hätten auch ehemalige Mitglieder der Stasi, die den Arbeiterstaat verteidigen wollten, ihren Platz gefunden. Die von der Bourgeoisie und ihren Lakaien aufgestachelten Aktionen wie der Sturm auf die Stasi-Zentrale dienten ausschließlich der Schaffung eines Pogrom-Klimas zur Einschüchterung von Pro-DDR-Arbeitern und -Linken und ebneten den Weg in die Konterrevolution. Die Bourgeoisie hasst die Stasi, weil sie tatsächlich manchmal zur Verteidigung des Arbeiterstaats agiert hat. Vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus war das kein Verbrechen – aber es war ein Verbrechen, die DDR zu unterminieren und auszuverkaufen, wie es die Stalinisten der SED-PDS taten!

Die Kommunistische Plattform gründet sich in der SED-PDS

Viele der KPF-Führer kamen aus der sogenannten sozialistischen Intelligenz und waren Anhänger von Gorbatschow und Bucharin, wie z. B. Eberhard Czichon. Bucharin war in der jungen Sowjetunion Führer der rechten Opposition gewesen. Die KPF-Gründer reagierten auf breite Tendenzen innerhalb der SED, eine wirklich kommunistische Partei aufzubauen. SEDler, die sich als Kommunisten verstanden, fühlten sich von einer Sozialdemokratisierung der Partei abgestoßen, die ihren Ausdruck zum Beispiel in einigen Aufrufen zum außerordentlichen Parteitag (AOP) der SED fand. Unter anderem sprachen sich elf Berliner SED-Grundorganisationen für eine „sozialistische Volkspartei“ aus.

Dagegen heißt es in einem „Aufruf der Initiativgruppe ,Kommunistische Partei der DDR’ (KP-DDR)“ vom 1. Dezember 1989: „Mit Besorgnis nehmen wir zur Kenntnis, dass sich nicht nur die stalinistischen Apparate heimlich zum Gegenangriff sammeln, sondern auch andere Kräfte zunehmend an Einfluss innerhalb der SED gewinnen. Dies zeigt sich an Forderungen nach einer ,sozialistischen Volkspartei‘, in der Formulierung, ,den Charakter der SED als Einheitspartei stärker zu berücksichtigen‘, und ähnlichen Formulierungen.“ Weiter spricht sich die Initiative für eine „revolutionäre Avantgarde“ aus. Für einen Teil der Initiative sollte eine neue Partei aber lediglich als „ständiges Regulativ“ zur SED funktionieren, also nichts weiter als Druck von links ausüben.

Aber die Dinge waren angesichts der vorrevolutionären Situation im Fluss, und wir argumentierten hartnäckig, dass eine leninistisch-egalitäre Partei notwendig ist, und hielten Kurs auf eine Spaltung der SED. Mit dem Begriff „egalitär“ machten wir klar, dass wir gegen bürokratische Privilegien waren, dass wir nicht die alte SED reformieren wollten, sondern dass wir eine wirklich kommunistische Partei der Arbeiterklasse meinten. Zwischen den zwei Wochenenden des AOP der SED, bei dem wir mehr Literatur verkauft hatten, als Teilnehmer dort waren, erhielten wir folgenden Brief eines Arbeiters: „Ich war sehr froh, von Euch zu hören. Bin SEDler. Doch das war wohl nie meine Partei, schon gar nicht jetzt, wo dieses ,Positionspapier‘ verabschiedet wurde, in dem man alles aufgibt, sich mit Sozialdemokraten und weiß ich wem in einen Topf wirft. Ja, dieses Land braucht eine neue starke KP – möchte in dieser Hinsicht mit Euch in Kontakt kommen“ (10. Dezember 1989).

Unzählige subjektive Kommunisten waren über die Ergebnisse des AOP, der einen sozialdemokratischen Kurs festlegte, frustriert. Angesichts dessen und der allgemeinen Stimmung und Bewegung für eine neue KP und der Tatsache, dass bereits eine Gruppe von SED-Führern Absichten verkündete zu spalten, muss unsere Intervention und Aktivität in der DDR auf die neue Führung der SED-PDS (später in PDS umbenannt) um Hans Modrow und Gregor Gysi sehr bedrohlich gewirkt haben. Gysi überzeugte die KPF-Gründer in spe am 29. Dezember davon, ihre Plattform innerhalb der SED-PDS aufzubauen und die Partei nicht zu spalten.

Heinz Marohn, einer ihrer Gründer, hat dies 1995 bei einer PDS-Konferenz ehrlicherweise so beschrieben: „Wir sahen in der SED/PDS eine politische Bewegung, die in Form einer Partei unterschiedliche Strömungen in sich vereinigte, und traten entschieden allen Absichten entgegen, die Partei aufzulösen. Das verschaffte uns Anerkennung in der Partei. Es hätte die Kommunistische Plattform nicht gegeben, wenn sie nicht gebraucht worden wäre. Damals, Ende 1989, wurde vielerlei abgeschafft, und es bestand nur das fort, was nötig und gewollt war. – Die Partei drohte sich aufzulösen. Das hätte die DDR an den Rand der Anarchie gebracht. Daran hatte weder Freund noch Feind Interesse. Man musste also Genossinnen und Genossen zusammenhalten, und viele, die sich als Kommunisten fühlten (ohne genau sagen zu können, was in dieser Situation kommunistische Politik ausmachte), banden sich, nicht organisatorisch, aber ideell, an die Kommunistische Plattform.“

Wie alle Stalinisten war die KPF in erster Linie darauf aus, „Anarchie“ und „Chaos“ – also Arbeitermobilisierungen – zu vermeiden. Die Treptower Demonstration am 3. Januar war die einzige Ausnahme, als die SED-PDS unter dem Druck unseres Programms nicht anders konnte, als dazu aufzurufen. Die KPF gründete sich, um Abspaltungen von der SED-PDS nach links, also in unsere Richtung, zu verhindern. Sie verhinderten damit den Aufbau einer revolutionären Partei, die eine politische Revolution hätte führen können. Es war kein Zufall, dass die KPF sich am 30. Dezember konstituierte, nur 4 Tage bevor wir zur Massenbasis der SED-PDS unter anderem über die Schmiedung einer neuen Arbeiterpartei – im Geiste von Lenin, Liebknecht und Luxemburg – sprechen konnten.

Die KPF hat Ende Januar nach Modrows Rückkehr aus der Sowjetunion mit keinem Wort sein Programm für kapitalistische Wiedervereinigung kritisiert, geschweige denn auch nur zur Parole „Deutschland einig Vaterland“ Stellung bezogen. Stattdessen verstärkte sie die real existierende Illusion prosozialistischer Arbeiter und PDS-Mitglieder, die Modrow-Regierung verkörpere die letzte Barriere gegen den Ausverkauf der DDR. Die PDS machte neben ihrer Zustimmung zur Wiedervereinigung klar, dass sie für eine „Marktwirtschaft … mit ausgeprägter sozialer und ökologischer Zielstellung“ eintritt, „die Leistung stimuliert und belohnt“. Die KPF stellte es aber so dar, als sei die PDS „als entschiedene linke Kraft … gegen die Restauration kapitalistischer Verhältnisse in der DDR“. Die KPF hat die wirkliche Bedeutung der Kapitulation der PDS-Führung gegenüber der deutschen Bourgeoisie und die damit einhergehende Akzeptanz des Kreml-Verrats verschleiert. Sie trug nicht unerheblich dazu bei, dass die Arbeiter in der Stunde der Gefahr vom Kapital überrumpelt wurden.

Wer das bisher Erreichte nicht verteidigt, erringt keine neuen Siege

Die vorgezogenen Volkskammerwahlen waren ein Referendum über Ja oder Nein zur kapitalistischen Wiedervereinigung, also Ja oder Nein zur kapitalistischen Konterrevolution. Wir machten klar, dass jede Organisation eine klare Position vor der Arbeiterklasse in dieser lebenswichtigen Frage einnehmen muss. Wir sagten ganz klar „Nein!“, stellten uns zur Wahl auf und erklärten: „Wo die SpAD keine Kandidaten aufstellen kann, rufen wir unsere Anhänger dazu auf, für solche Parteien und Gruppen zu stimmen, die klar gegen kapitalistische Wiedervereinigung stehen.“ Aber wir waren die Einzigen, die gegen kapitalistische Konterrevolution kämpften! Am 18. März stimmten etwa 80 Prozent der DDR-Wähler für konterrevolutionäre Parteien, d. h. für die offene schnelle kapitalistische Wiedervereinigung. Wir sagten die bittere Wahrheit: „Viertes Reich gewinnt bei DDR-Wahl.“ Die Konterrevolution hatte gewonnen, was eine bittere Niederlage nicht nur für die deutsche, sondern auch für die internationale Arbeiterklasse war.

Jeder, der auf Seiten der Arbeiter gegen das Kapital kämpfen will und denkt, das Kommunismus ein erstrebenswertes Ziel ist, sollte die Geschichte unserer Intervention in die Ereignisse der beginnenden politischen Revolution kennenlernen. Es ist wichtig, die Lehren daraus zu ziehen, um kommenden Klassenkämpfen und Revolutionen mit der Führung einer Avantgardepartei des Proletariats zum Sieg zu verhelfen. Aus demselben Grund müssen Arbeiter und Linke sich mit der Geschichte des Verrats derjenigen vertraut machen, die heute mit einem linken Gesicht auftreten, aber in Wirklichkeit die Konterrevolution unterstützt haben. Denn Gruppen wie die PSG, die KPF in der Linkspartei und ehemalige Vertreter der VL werden gemäß ihres Programms, einmal Errungenes nicht zu verteidigen, neuen Niederlagen den Weg bereiten.

 

Spartakist Nr. 205

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Oktober 2014

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