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Spartakist Nummer 205 |
Oktober 2014 |
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Flugblatt der Spartacist League/U.S. zu Ferguson
Bullen und Nationalgarde raus, sofort!
Nachfolgend drucken wir ein Flugblatt unserer Genossen von der Spartacist League/U.S. vom 20. August ab.
Jeder Bulle in Amerika weiß, dass seine Dienstmarke eine Lizenz zum Töten von Schwarzen ist. Michael Brown, ein unbewaffneter 18-jähriger Schwarzer, wurde am helllichten Tag von einem weißen Bullen für das „Verbrechen“ hingerichtet, auf der Straße gegangen zu sein, nachdem man ihn aufgefordert hatte, den Bürgersteig zu benutzen. Nach sechs Schüssen, davon zwei in den Kopf, ließ man ihn stundenlang offen auf der Straße liegen; sein lebloser Körper wurde mit weniger Respekt behandelt als ein Straßenköter. Wie immer versucht die Polizei seitdem das Opfer als den Kriminellen hinzustellen. 50 Jahre nach der Verabschiedung des Civil Rights Act [Bürgerrechtsgesetz] und der formellen Abschaffung des Jim-Crow-Systems der Rassentrennung zeigt dies, was es in Amerika noch immer bedeutet, schwarz zu sein.
Ferguson, Missouri, ist ein Pulverfass. Protestierende, die es satt haben, „sich ins Hintere des Busses zu verziehen“ – das heißt, den Mund zu halten und vor der Ausgangssperre von der Straße zu verschwinden und nach Hause zu gehen – versammelten sich in beherztem Widerstand gegen Bullenterror und rassistische Ungerechtigkeit, die zum Wesen dieses kapitalistischen Systems gehören. In diesem mehrheitlich schwarzen Vorort von St. Louis trotzen die Demonstranten immer noch einer Armee vorwiegend weißer Bullen, die Tränengas, Holz- und Gummigeschosse und Blendgranaten abfeuern. Ein uniformierter Polizeischläger wurde dabei gefilmt, wie er schrie: „Kommt doch, ihr verdammten Tiere!“ Jetzt ist in Ferguson die Nationalgarde aufmarschiert, eine Besatzungsarmee. Wir fordern: Bullen und Nationalgarde raus, sofort! Sofortige Freilassung der inhaftierten Demonstranten und Einstellung aller Verfahren!
Die Nationalgarde ist die Reservearmee zur Niederwerfung der organisierten Arbeiterschaft, der Schwarzen und der Linken, wenn sie es wagen, die Machthaber herauszufordern – von der Verteidigung der Rassentrennung in Little Rock 1957 und der Zerschlagung des Aufstands in Watts 1965 bis zur Mobilisierung gegen die streikenden LKW-Fahrer in Ohio und der Ermordung von Anti-Vietnamkriegs-Studenten an der Kent-State-Universität 1970. Die Polizei, die schon immer alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel dazu eingesetzt hat, um im Kapitalismus „Gesetz und Ordnung“ durchzusetzen, hat in den letzten Jahren Kriegsgerät in die Hand bekommen, das von den US-imperialistischen Besetzungen Afghanistans und des Irak übrig geblieben ist. Dieselbe herrschende Klasse der USA, die ihre neokolonialen Opfer im Ausland mit Terror überzieht, unterdrückt auch die Arbeiterklasse, die schwarzen Massen und die Immigranten im eigenen Land brutal. Die Botschaft ist: Kuscht oder es setzt was.
Liberale, bestürzt über Szenen von Panzerfahrzeugen und Bullen, die in der Kriegszone von Ferguson M-16-Sturmgewehre auf Bewohner richten (wo auch Journalisten wie Feinde behandelt, mit Tränengas beschossen und verhaftet werden), beklagen sich über „exzessive“ Gewalt. Und da weitsichtigere Elemente der Regierung Besorgnis darüber äußern, dass sich ihre Wachhunde von der Leine gerissen haben, wurde einem ortsansässigen schwarzen Highway-Patrol-Beamten die Verantwortung übertragen, die Menge zu befrieden. Doch ob die Bullen schwarz, weiß oder Latinos sind, ob es Stadt-, Landes- oder Bundespolizei ist, macht keinen Unterschied. Sie sind „Freunde und Helfer“ eines Systems, das – von der Sklaverei bis zur Lohnsklaverei – auf der Grundlage rassistischer Unterdrückung errichtet ist. Die Aufgabe aller Polizisten ist es, das kapitalistische Eigentum und die Herrschaft der Wenigen, die von der Ausbeutung der Vielen profitieren, zu schützen.
Was in Ferguson passierte, ist kein Ausrutscher. Seit Jahrzehnten gehören der Wildwuchs an SWAT-Einheiten, Bullenbesetzungen von Barrios und Ghettos in ganz Amerika und die vom „Anti-Drogen-Krieg“ befeuerte Masseninhaftierung zum täglichen Leben der Schwarzen. Im gleichen Zeitraum haben die Kapitalisten die Wirtschaft zunehmend deindustrialisiert und die Autofabriken und Stahlwerke, die einmal Arbeitsplätze boten, geschlossen, wodurch die Ghetto-Einöden immer mehr zu Enklaven der Hoffnungslosigkeit wurden. Auf ihrer Jagd nach Profit haben sie die Gesellschaft in den Ruin getrieben und lassen alle anderen dafür bezahlen. Die Kapitalisten, die den Jugendlichen aus der Arbeiterklasse und den Minderheiten keine Arbeitsplätze anzubieten haben, halten es kaum mehr für nötig, Geld für deren Bildung, geschweige denn für irgendwelche Sozialprogramme auszugeben. Nur zügellose staatliche Repression ist zu haben.
Allen Widrigkeiten zum Trotz schaffte es Michael Brown, dem Rachen des Gefängnissystems zu entgehen, einen Highschool-Abschluss zu machen, und war im Begriff, ein College zu besuchen. Seine Mutter sprach die bittere Wahrheit aus: „Können Sie sich vorstellen, wie schwer es für mich war, ihn dazu zu bringen, die Schule zu besuchen und einen Abschluss zu machen? Wissen Sie, wieviele Schwarze einen Schulabschluss haben? Nicht viele, denn man entmutigt sie soweit, dass sie nichts mehr sehen, wofür es sich zu leben lohnt. ‚Sie werden mich sowieso fertig machen.‘ “ Ein ähnliches Schicksal hatte die rassistische Hölle USA für Trayvon Martin, Oscar Grant und zahllose andere in petto.
In Anlehnung an die Brandmarkung nördlicher Freedom Riders [Bürgerrechtsaktivisten] durch rassistische Sheriffs des Südens schwadronieren Regierung und bürgerliche Medien über „ortsfremde Aufrührer“ in Ferguson. Derweil werden schwarze Demokraten und Prediger, von Obamas Weißem Haus abwärts, nicht müde, den Demonstranten zu erklären, sie sollten sich beruhigen, sich von den „gesetzlosen Elementen“ fernhalten und nach Hause gehen. Diesmal aber lassen sich viele der Protestierenden nicht davon beeindrucken.
Die Ermordung von Michael Brown traf einen Nerv bei jenen, die nicht gewillt sind, einen weiteren Polizeimord an einem Schwarzen still hinzunehmen. Sie haben genug von den leeren Versprechungen von „Hoffnung“ und „Veränderung“, genug von dem paternalistischen Ratschlag, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, genug davon, für die Missstände in der Gesellschaft verantwortlich gemacht zu werden, genug von der Illusion von Gleichheit, in die sich die harte Realität systematischer Rassenunterdrückung hüllt. Ein Student der Howard-Universität bemerkte: „Es geht hier darum, dass dieses Land nicht post-rassistisch ist, dieses Land nicht gerecht ist, dieses Land nicht frei ist.“
Die Obrigkeiten möchten die Massenempörung in die Wahlurnen kanalisieren, während der politische Bauernfänger Al Sharpton sich der Schelte anschließt, die Bewohner von Ferguson würden sich zu wenig an Wahlen beteiligen. Man sollte keine Illusionen in die Demokraten oder die Bundesregierung haben, die das verrottete System verwalten, dessen „Freunde und Helfer“ die Bullen sind. Die Vorstellung, die Bundesbehörden würden rassistische örtliche Gesetzeshüter an die Kandare nehmen, ist eine Lüge. FBI-Agenten sind im Ku Klux Klan verankert und waren in abscheuliche Verbrechen verwickelt, wie zum Beispiel den Bombenanschlag auf eine Kirche in Birmingham 1963 und das Massaker an Linken und Gewerkschaftsorganisatoren in Greensboro 1979. Während sich viele in Ferguson von einer Ermittlung des Justizministeriums eine Wiedergutmachung erhoffen, warnen wir davor, dass Justizminister Eric Holder & Co. die Oberbullen sind, die einspringen, um die Leute durch Vertröstung auf eine spätere Gerechtigkeit von der Straße zu bekommen, und die bestenfalls kosmetische Reformen in die Wege leiten.
Die spontane Empörung der Werktätigen und Besitzlosen in Ferguson ist gerechtfertigt und wichtig. Doch ohne die aktive Mobilisierung der organisierten Arbeiterbewegung für die Verteidigung der Unterdrückten bleiben solche atomisierten Ausbrüche den Kapitalisten und ihren Repressionskräften gegenüber machtlos, was zu weiterer Demoralisierung führt. Bemerkenswerterweise rufen einige Gewerkschaften in New York ihre Mitglieder auf die Straße, um sich am 23. August einem Protest in Solidarität mit den Opfern von Polizeibrutalität, wie Eric Garner, der im vergangenen Monat von Bullen ermordet wurde, anzuschließen. Doch was Sharpton mit der Organisierung dieses Protests bezweckt, ist die Propagierung einer Intervention des Bundes, die „Gerechtigkeit“ bringen soll.
Die wirkungsvollsten Waffen der organisierten Arbeiterklasse – ihre zahlenmäßige Stärke, ihre multirassische Zusammensetzung und ihre Fähigkeit, die Räder der Profitproduktion still stehen zu lassen – werden von Gewerkschaftsbürokraten, die die Arbeiter politisch an den Klassenfeind ketten, einfach vergeudet. Die verräterischen Gewerkschaftsführer sind der Demokratischen Partei sklavisch ergeben und verbreiten die Lüge, dass die Regierung dazu gedrängt werden kann, sich für die Interessen der Arbeiter und Armen einzusetzen. Derselbe kapitalistische Staat, der die Schwarzen terrorisiert, verfolgt die Arbeiterklasse, wenn sie militante Kämpfe führt. Arbeiterrechte und Schwarzenrechte werden entweder gemeinsam voranschreiten oder getrennt zurückfallen. Damit die Arbeiterbewegung zu ihrer eigenen Verteidigung und der aller Unterdrückten ihre Stärke demonstrieren kann, muss eine neue, klassenkämpferische Führung geschmiedet werden, die nicht nach den Regeln der Bosse spielt.
Wir behaupten nicht, dass dies ein leichter Weg wird, insbesondere angesichts der Niederlagen der Arbeiterbewegung im einseitigen Klassenkrieg der Bosse. Doch es ist der einzige Weg vorwärts. In diesem Land wird es ohne eine sozialistische Revolution, die die Fesseln des rassistischen amerikanischen Kapitalismus zerbricht, keine Schwarzenbefreiung geben. Und es wird keine sozialistische Revolution geben, die nicht den Kampf für die Freiheit der Schwarzen auf ihr Banner schreibt.
Missouri war ein Sklavenhalterstaat, und Ferguson liegt gerade nördlich des zutiefst rassengetrennten St. Louis. 1857 segnete das berüchtigte Dred-Scott-Urteil – Schwarze hätten „keine Rechte, die der weiße Mann respektieren muss“ – den Zugriff der südlichen Sklavenhalter auf den Norden ab. Das Grab des ehemaligen Sklaven Dred Scott an der West Florissant Avenue liegt nur ein paar Kilometer stadteinwärts des Ortes, wo die Ferguson-Proteste weltweite Aufmerksamkeit erregten.
Um das Sklavenhaltersystem zu zerschlagen, war der Bürgerkrieg, die zweite amerikanische Revolution, notwendig. Doch das Versprechen auf Freiheit für die Schwarzen wurde verraten durch eine Allianz des Kapitals des Nordens mit den besitzenden Klassen im Süden gegen die Hoffnungen der schwarzen befreiten Sklaven. Eine dritte amerikanische Revolution, eine proletarische sozialistische Revolution, ist vonnöten, um den Bürgerkrieg zu Ende zu bringen, rassistische kapitalistische Unterdrückung auszumerzen und eine egalitäre sozialistische Gesellschaft zu errichten. Die Spartacist League hat sich dem Aufbau der multirassischen revolutionären Arbeiterpartei verpflichtet, die notwendig ist, um dieses Ziel zu erreichen.
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