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Spartakist Nummer 205

Oktober 2014

Gewerkschaften: Verteidigt die Palästinenser!

USA: Israelisches Schiff im Hafen von Oakland blockiert

Dieser Artikel erschien zuerst in Workers Vanguard, Zeitung unserer Genossen der Spartacist League/U.S. (Nr. 1051, 5. September).

Aus Protest gegen das zionistische Massaker an mehr als 2000 Palästinensern in Gaza verhinderten Demonstranten im Hafen von Oakland vier Tage lang das Be- und Entladen des israelischen Schiffs Piraeus der Reederei ZIM. Die Hafenarbeiter der Ortsgruppe 10 der Hafenarbeitergewerkschaft International Longshore and Warehouse Union (ILWU) der Bay Area (Oakland/San Francisco) respektierten mehrheitlich die Streikpostenketten der Demonstranten. Letztendlich wurde am Schiff gearbeitet, aber es wurde nur teilweise entladen und verließ den Hafen ohne die Fracht, die es eigentlich mitnehmen sollte.

Die Proteste begannen am Samstag, den 16. August, als sich auf den Aufruf des Bündnisses Block the Boat hin etwa 3500 Demonstranten im Hafen versammelten. Das Schiff, das an diesem Morgen am SSA-Terminal (Stevedoring Services of America) abgefertigt werden sollte, versuchte an diesem Tag gar nicht erst seinen Liegeplatz anzulaufen. In den nächsten drei Tagen lehnten es Hafenarbeiter ab, die Streikpostenketten zu überqueren, und so kam es nicht zur Abfertigung des Schiffes. Am Dienstag konnte die SSA nicht genügend Hafenarbeiter zusammenkriegen, um überhaupt ein Schiff in der Frühschicht abzufertigen, wodurch nicht nur die ZIM Piraeus, sondern auch drei weitere Schiffe am Terminal festlagen. Das Lahmlegen des ZIM-Schiffs, das die israelischen kapitalistischen Eigentümer eine stattliche Summe kostete, war eine wirkliche und wichtige Solidaritätsbekundung für die eingekesselten palästinensischen Massen.

Mitglieder und Unterstützer unserer US-Sektion Spartacist League nahmen an der Demonstration und den Streikpostenketten in Oakland mit Plakaten teil, und forderten „Verteidigt die Palästinenser! Für eine Sozialistische Föderation des Nahen Ostens!“ und „Nieder mit der US-Hilfe für Israel! Alle US/UN-Truppen raus aus dem Nahen Osten, sofort!“ Im Gegensatz zu den Organisatoren der ZIM-Proteste, die sich der BDS-Kampagne (Boykott, Divestment und Sanktionen) angeschlossen haben, mit der sie die Imperialisten und Unternehmen dazu aufrufen, Israel durch Wirtschafts- und andere Sanktionen zu bestrafen, ist unser Ausgangspunkt die Notwendigkeit internationaler Solidarität der Arbeiterklasse mit den Palästinensern. Dazu gehören auch zeitlich begrenzte gewerkschaftliche Boykotts, wie die Weigerung, israelische Fracht abzufertigen, um gegen solche Gräueltaten wie das jüngste einseitige Massaker in Gaza zu protestieren.

Auf einem SL-Plakat bei dem Protest forderten wir: „Gewerkschaften: Boykottiert Militärgüter für Israel!“ Ein solch dauerhafter Boykott von militärischer Fracht würde nicht nur den zionistischen Schlächtern einen wirklichen Schlag versetzen, sondern auch, was noch wichtiger ist, seinen US-imperialistischen Schutzherren. Unser Ziel ist die Mobilisierung der sozialen Macht der Gewerkschaften zur Verteidigung der ausgebeuteten und unterdrückten Massen der Welt, um den Klassenkampf der Arbeiter gegen ihre eigenen kapitalistischen Herrscher voranzutreiben.

Die Arbeiter müssen die Führung übernehmen!

Wir begrüßen die Aktion der Mitglieder der Ortsgruppe 10, die die Streikpostenketten respektierten und sich weigerten, auf dem SSA-Terminal zu arbeiten. Am 23. August respektierten Hafenarbeiter im Hafen von Los Angeles/Long Beach Streikpostenketten gegen die ZIM Haifa, und dieses Schiff wurde während der Frühschicht nicht abgefertigt. Am gleichen Tag aber wurden in Tacoma ILWU-Mitglieder auf einer „Alternativroute“ in den Hafen eskortiert und so die Proteste an den Toren umgangen, so dass die ZIM Chicago abgefertigt wurde. Dasselbe ZIM-Schiff wurde auch bei seinem Aufenthalt in Seattle am 25. August abgefertigt, wobei Hafenarbeiter die Streikpostenketten überquerten.

Es war die Solidarität der Hafenarbeiter der Bay Area, die den Protest gegen die ZIM Piraeus so erfolgreich machte. Doch dies war keine Gewerkschaftsaktion, die von der Gewerkschaft aus Protest gegen die israelischen Gräueltaten in Gaza ausgeführt wurde. Im Gegenteil, die Coast Longshore Division (die Hafensparte der ILWU International) gab Erklärungen heraus, dass „die ILWU zu der mit der Demonstration zusammenhängenden Frage keine Position eingenommen hat“ und behauptete, allein aus Sorge um ihre „Sicherheit“ hätten die Hafenarbeiter nicht gearbeitet, und wies dabei insbesondere auf die umfangreiche Polizeimobilisierung im Hafen hin.

Keine Frage, die Bullen von Oakland sind eine eindeutige und unmittelbare Gefahr für die Gesundheit und die Sicherheit der Hafenarbeiter. 2003 schossen Bullen mit Holzgeschossen und anderer „nicht tödlicher“ Munition auf ILWU-Arbeiter und Demonstranten, die gegen die Invasion des US-Imperialismus in den Irak protestierten. Doch indem die Bürokraten der ILWU die Frage des Respektierens der ZIM-Streikpostenketten einzig und allein auf eine Frage der „Sicherheit“ reduzierten, zeigten sie der Verteidigung der Palästinenser gegen zionistischen Terror die kalte Schulter.

Letztendlich konnte die ZIM Piraeus überhaupt nur durch eine ausgeklügelte Kriegslist abgefertigt werden. Am 19. August durchfuhr das Schiff das Golden Gate angeblich in Richtung Los Angeles, nur um dann umzukehren und wieder Oakland anzulaufen, wo es an einem anderen Terminal, dem von Ports of America, festmachte und teilweise entladen wurde. Das mindestens stillschweigende Einverständnis der Gewerkschaftsführung zeigt sich in einer Presseerklärung der ILWU vom 19. August, die mit einem Seufzer der Erleichterung feststellt, dass „Hafenarbeiter Dienstagnacht das Tor eines Oaklander Terminals sicher durchqueren und das ZIM-Schiff PIRAEUS abfertigen konnten“. Eine Reihe von Bay-Area-Hafenarbeitern war wütend, dass am Ende doch einige ILWU-Mitglieder das Schiff abgefertigt hatten, und betrachtete dies zu Recht als Untergrabung der Einheit und Stärke der Gewerkschaft angesichts der laufenden Tarifauseinandersetzung mit den Bossen der Pacific Maritime Association (PMA, Zusammenschluss von Reedern, Spediteuren und Hafenbetreibern).

Die Blockade des ZIM-Schiffs aus Protest gegen Israels Barbarei in Gaza war eine gerechte Sache. Sie hätte von der ILWU und anderen Gewerkschaften nicht nur unterstützt, sondern angeführt werden sollen. Die Tätigkeit der Hafenarbeiter und anderer Arbeiter im Hafen ist vom Welthandel abhängig und unterstreicht so besonders, dass gewerkschaftliche Kämpfe international sind. Das bedeutet, aktiv für die Sache der Klassenbrüder und -schwestern weltweit einzutreten. Die Verteidigung der Palästinenser gegen die israelischen Herrscher und ihre US-Sponsoren liegt in unmittelbarem Interesse der amerikanischen Arbeiterklasse. Der andauernde Generalangriff auf Arbeiterbewegung, Schwarze und alle Unterdrückten im „eigenen“ Land ist die einheimische Seite der von den kapitalistischen US-Herrschern finanzierten und durchgeführten brutalen Raubzüge im Ausland.

Bei den ZIM-Protesten von Oakland zogen Demonstranten Vergleiche zwischen der Brutalität gegenüber den Palästinensern in Gaza und der Terrorherrschaft der Bullen gegen die Schwarzen in Ferguson, Missouri, die gegen den Polizeimord an Michael Brown protestierten. ILWU-Mitglieder sind sich auch völlig bewusst darüber, dass sich ihre Gewerkschaft im Fadenkreuz der Repression der US-Regierung befindet. Nach drei Monaten Arbeit ohne Tarifvertrag erinnern sich viele Gewerkschaftsmitglieder an die Tarifschlacht von 2002. Damals beschwor der Leiter der Homeland Security [Heimatschutzbehörde] der Bush-Regierung den vom US-Imperialismus im Ausland geführten „Krieg gegen den Terror“ und warnte den Präsidenten der ILWU, ein Streik würde „die nationale Sicherheit bedrohen“, und die Regierung drohte die Hafenanlagen zu militarisieren.

Dass der einseitige Klassenkrieg gegen die Arbeiter und Unterdrückten jahrzehntelang praktisch unvermindert weitergehen konnte, ist in nicht geringem Maße den verräterischen Gewerkschaftsführern zu verdanken. Diese Führer mobilisieren ihre Gewerkschaftsmitglieder noch nicht einmal für den Kampf um die eigenen Interessen, ganz zu schweigen von der Verteidigung der Ausgebeuteten und Unterdrückten aller Länder, sondern sie fesseln die Arbeiter an die Profitabilität und das strategische Interesse des US-Imperialismus.

BDS ist nicht die Antwort

In einem Flugblatt dankten das Arab Resource and Organizing Center und seine Jugendgruppe Arab Youth Organizing – die zentralen Gruppen des Bündnisses Block the Boat – der ILWU-Ortsgruppe 10 für ihre Unterstützung und erklärten: „Als Arbeiter besitzt ihr die Macht, wirkliche Veränderung zu bewirken.“ Doch in Wahrheit setzen die Protestorganisatoren, unter denen sich auch Reformisten wie die Workers World Party und die International Socialist Organization befinden, nicht auf die Macht der Gewerkschaften. Im Gegenteil, „Bürgerstreikposten“ reduzieren die Arbeiter auf kaum mehr als passive Beobachter. Während der ZIM-Aktionen standen ILWU-Mitglieder abseits, während die Demonstranten Streikposten bildeten. Einige Hafenarbeiter verhielten sich feindlich gegenüber der Aktion, vor allem wegen des Lohnausfalls, doch andere unterstützten die Demonstranten mit Begeisterung und wiesen sogar die Organisatoren an, dafür zu sorgen, dass alle Terminal-Tore besetzt werden.

Was auch immer die Absichten der Protestierenden waren, die eigentliche Grundlage der BDS-Bewegung, die zu den ZIM-Protesten führte, sind Appelle an die Unternehmen und die Regierungen, von denen die Arbeiter ausgebeutet und unterdrückt werden. In unseren Diskussionen mit Demonstranten bestritten viele vehement, irgendwelche Illusionen in den US-Imperialismus zu haben, und verwiesen auf ihre Ablehnung der US-Politik im Nahen Osten. Dennoch bleibt die grundlegende Prämisse von BDS bestehen: Durch „militanten“ Druck sollen die Imperialisten dazu gebracht werden, ihre Politik zu ändern und im Interesse der Palästinenser zu handeln. Hinter der oft beißenden Entlarvung der amerikanischen Scheinheiligkeit im Nahen Osten durch BDS-Sprecher verbirgt sich die nicht allzu subtile Aufforderung an die USA, ihre Politik mit ihrer „demokratischen“ Rhetorik in Einklang zu bringen.

Der Versuch, die kapitalistischen Herrscher dazu zu drängen, mehr „sozial verantwortliche“ oder „ethisch vertretbare“ Investitionen zu tätigen, schürt die gefährlichen Illusionen, dass die Imperialisten irgendwie weniger blutrünstig wären als die zionistischen Herrscher. In dem Meer von Bannern und Plakaten auf dem Protest vom 16. August war unser Plakat „Nieder mit Obamas Luftangriffen auf den Irak!“ bemerkenswerterweise tatsächlich das einzige, das sich ausdrücklich gegen die US-Bombenangriffe richtete.

In unseren Diskussionen und Auseinandersetzungen sowohl mit den Demonstranten als auch mit den Arbeitern hoben wir hervor, dass nur eine Reihe sozialistischer Revolutionen im Nahen Osten die Hoffnungen der unterdrückten Palästinenser und anderer Völker der Region erfüllen kann. Wir kämpfen dafür, die Klassenachse in den Vordergrund zu stellen. Die israelisch-jüdische und die palästinensisch-arabische Bevölkerung sind vermischt lebende Völker, die konkurrierende und einander widersprechende Ansprüche auf dasselbe Territorium erheben. Im Kapitalismus können die nationalen Rechte des einen notwendigerweise nur auf Kosten des Selbstbestimmungsrechts des anderen ausgeübt werden. Nur in einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens können gegensätzliche Ansprüche auf Land und Ressourcen gerecht gelöst und jegliche Diskriminierung von Sprache, Religion oder Nationalität beseitigt werden.

Verschiedene Demonstranten wandten ganz richtig ein, dass ohne ihre „Bürgerstreikpostenkette“ das ZIM-Schiff abgefertigt worden wäre. Aber Bürgerstreikposten, bei denen doch die Arbeiter kaum mehr als Zuschauer sein können, fördern kaum das Bewusstsein, die Solidarität oder die Kampfkraft der einzigen Klasse in dieser Gesellschaft mit der Macht, den Hauptfeind der Völker der Welt, den US-Imperialismus, zu stürzen. Um diese Macht zu entfesseln, ist eine neue Gewerkschaftsführung notwendig, die von einem Programm des proletarisch-internationalistischen Kampfes ausgeht. Wer wirklich mit Ausbeutung und Unterdrückung Schluss machen will, muss den Kampf aufnehmen, weltweit revolutionäre Arbeiterparteien zu schmieden, die den Kampf für die sozialistische Befreiung der Menschheit führen können.

 

Spartakist Nr. 205

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