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Spartakist Nummer 167 |
Sommer 2007 |
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G8-Gipfel: Bürgerliche Demokratie in Aktion Staatsterror in Rostock Freiheit für alle Inhaftierten! Weg mit allen Verfahren! Stoppt die Hetze gegen die Autonomen! Spartakist-Jugend Am 2. Juni gingen in Rostock bis zu 80 000 Menschen gegen den G8-Gipfel auf die Straße. In der darauffolgenden Woche waren Tausende bei den verschiedenen Aktionstagen, Demos und Blockaden in Rostock und Umgebung. Während wir die Wut der Demonstranten auf die gegenwärtige Weltordnung teilen, machen wir ganz klar, dass es das Ziel der Organisatoren war, Druck auf die G8 auszuüben, eine sozialere Politik zu betreiben. Das zeigte sich in der Strategie, an den Sicherheitszaun um den Gipfelort Heiligendamm zu gelangen, um den Protest hörbar zu machen. Für wen hörbar? Für die Regierungschefs der G8. Wir intervenierten in die Proteste mit dem Ziel, radikalisierte Jugendliche von der Notwendigkeit einer revolutionären Perspektive zu überzeugen. Ursache aller Übel der Welt ist nicht eine schlechte, unsoziale Politik der G8, sondern das gesellschaftliche System: der Imperialismus, höchste Stufe des Kapitalismus. Dieses System ist nicht reformierbar es muss gestürzt werden.
Der Austragungsort des G8-Gipfels hatte für die Imperialisten symbolischen Wert: Bis vor 17 Jahren gehörte Mecklenburg-Vorpommern zur DDR, wo die Kapitalisten enteignet und die Produktionsmittel vergesellschaftet waren. Seit der konterrevolutionären Zerstörung des degenerierten Arbeiterstaats Sowjetunion und der deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas können die imperialistischen Mächte wieder völlig ungeniert die Welt ausplündern.
Der Staatsterror beim Gipfel war massiv: Vom 2. bis 8. Juni gab es über 1000 Festnahmen und Schätzungen zufolge bis zu 1500 verletzte Demonstranten, darunter viele Schwerverletzte. Der Spiegel (11. Juni) berichtete, dass einem Demonstranten von einem Bullenknüppel ein Auge zerstört wurde. Festgenommene wurden in Drahtkäfige gesperrt 20 Leute auf 25 m2. Anwälte wurden auf Schritt und Tritt behindert und belogen, so dass viele Verhaftete ohne rechtlichen Beistand vor den Richter treten mussten. Noch bevor der Gipfel überhaupt zu Ende war, wurden acht Demonstranten in Schnellverfahren zu Haftstrafen verurteilt, weitere Prozesse drohen. Einige angemeldete Aktionen wurden mit der Auflage belegt, nur ein bestimmtes Maximum an Teilnehmern zuzulassen: Auf diese Art wurde eine pro-palästinensische Kundgebung am 5. Juni verhindert, weil mehr als die erlaubten 15 (in Worten: fünfzehn) Leute gekommen waren! Einen weiteren Schritt zum Ausbau des Repressionsapparats stellte der Einsatz der Bundeswehr im Innern dar: Spähpanzer, Hubschrauber, Feldjäger und sogar Tornado-Kampfjets wurden zur Einschüchterung der Proteste eingesetzt.
Zweck der Repression war die Einschüchterung jedweder Opposition. Einerseits sollten Militante isoliert werden und andererseits Reformisten noch näher an den Staat herangezogen werden. Die Großdemo am 2. Juni war besonders hart vom Staatsterror betroffen. Bereits am 3. Juni gaben wir ein Protestflugblatt dagegen auf Deutsch und Englisch heraus, das in Rostock breit verteilt wurde:
,Dieser brutale Polizeiterror hatte sich schon angekündigt mit den bundesweiten Razzien gegen linke G8-Gegner vor drei Wochen. Fünftausend Bullen, mehr als ein Dutzend Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge wurden in Rostock aufgeboten, um die linken Demonstranten einzuschüchtern und zu terrorisieren. Aberhunderte, offiziell über 500, Demonstranten wurden verletzt, einige so schwer, dass sie im Krankenhaus stationär behandelt werden mussten. Besonders griffen die Bullen die linken Autonomen des Schwarzen Blocks und Immigrantenorganisationen an. Weit über hundert wurden festgenommen, denen nun Anklagen drohen. Von Schnellverfahren ist die Rede. Wir sagen: Nieder mit Polizeiterror gegen Anti-G8-Demonstranten! Freiheit für alle Verhafteten! Weg mit allen Anklagen!
Wir sind empört über Denunzierungen der Opfer der Polizeiangriffe durch die reformistischen und liberalen Organisatoren der Anti-G8-Demonstration! So giftet Manfred Stenner (Netzwerk Friedenskooperative) gegen âdie Krawallmacher: âWir werden recherchieren, wer die Arschlöcher waren. Monty Schädel übte milde Kritik an der Polizei, um dann umso besser gegen die angegriffenen Linken zu hetzen: âEs gebe aber keine Entschuldigung und keine Rechtfertigung dafür, dass eine Gruppe Autonomer ein Polizeiauto angegriffen habe [Spiegel Online, 2. Juni]. Damit machen sie sich zum Teil der Hetze der bürgerlichen Medien, die nach dem Blut des Schwarzen Blocks und anderer Linker schreien. Dies ermutigt nur weiteren Bullenterror. Was kommt als nächstes? Mord wie die Erschießung von Carlo Giuliani bei den Anti-G8-Protesten 2001 in Genua? Wenn solch nackter Polizeiterror nicht bekämpft wird, wird er zur Vorlage für weitere staatliche Angriffe auf die Linke, die Arbeiterbewegung und Immigranten. Wir sagen: Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle! Nieder mit der Hetze gegen den Schwarzen Block!
Während die G8-Führer hinter den Türen von Heiligendamm ihre nächsten Angriffe auf die Arbeiter und imperialistische Kriege planen, macht die Polizei klar, wie mit jedem verfahren werden soll, der sich gegen die imperialistischen Herrscher wehrt. Die Angriffe auf die Demonstranten gegen die G8 richten sich letztlich gegen die gesamte Arbeiterklasse! Notwendig sind Massenproteste der Arbeiterbewegung und ihrer Verbündeten gegen den Staatsterror gegen G8-Gegner!
Peter Wahl von attac ging sogar so weit, die Autonomen des Schwarzen Blocks mit Nazis zu vergleichen, um so ihren Ausschluss von Demos zu rechtfertigen. Besonders perfide war aber die Rolle der Interventionistischen Linken (IL): Als selbsternanntes linksradikales Bündnis verfügen sie über eine gewisse Autorität unter linken Jugendlichen, im Gegensatz zu den offen bürgerlichen Speichelleckern von attac. Der IL-Pressesprecher Tim Laumeyer schlug in dieselbe Kerbe wie attac und Co: In einem Interview mit Zeit online (23/2007) zeigt er sich erst betrübt über verletzte Polizisten, lädt einen Teil der Schuld an der Eskalation auf die Demonstranten, um schließlich zu sagen, dass die Autonomen dort [bei den Blockaden] nicht willkommen sind. In einer Zwischenbilanz (5. Juni) ruderte die IL dann zurück und machte eine implizite Selbstkritik an der Distanzierung von den Militanten. Aber sie verlieren weiterhin kein Wort über die Hetze ihrer liberalen Blockpartner gegen die Autonomen. So zeigt sich sehr deutlich, dass sie das Bindeglied zwischen radikalen und offen bürgerlichen Kräften der Antiglobalisierungsbewegung darstellen. So ketten sie Jugendliche, die gegen die Repression des bürgerlichen Staats Widerstand leisten, politisch an diejenigen Kräfte, die eben diesen Staat sozialer gestalten wollen. Letztlich hilft die erbärmliche Distanzierung von den Autonomen den Herrschenden, ihren Staatsapparat unwidersprochen weiter aufzurüsten.
Wir waren die ersten, die klar eine Seite gegen den Polizeiterror und gegen die Anti-Autonomen-Hetze bezogen haben, weil wir als Marxisten verstehen, was der bürgerliche Staat ist. Er ist kein neutraler Vermittler, sondern das Instrument der Bourgeoisie, ihre Herrschaft gegen das Proletariat zu verteidigen, gegen die Klasse, die durch ihre Stellung im Produktionsprozess den Kapitalismus stürzen kann. Während viele Demonstranten unsere klare Haltung gegen den Staat begrüßten, hatten wir viele Diskussionen über unsere proletarische Perspektive. Gerade Autonome setzen die Arbeiterklasse oft mit den reformistischen Gewerkschaftsführern gleich. Die Gewerkschaftsbürokraten basieren auf einer kleinen gekauften Schicht der Arbeiterklasse von Lenin Arbeiteraristokratie genannt. Diese strebt danach, Klassenkämpfe im Rahmen bürgerlicher Legalität zu halten. Das zeigt sich auch daran, dass diese Irreführer die professionellen Streikbrecher des Kapitals also die Bullen in unseren Gewerkschaften organisieren.
Bei unseren regelmäßigen Verkäufen vor Industriebetrieben betonten wir, dass die Gewerkschaften G8-Gegner gegen Repression verteidigen müssen. Beim DaimlerChrysler-Werk in Berlin wurden unsere Genossen von einer vorbeieilenden Gewerkschaftsbürokratin angeblafft, während viele Arbeiter unseren Argumenten gegenüber offen waren. Gerade Arbeiter mit türkischem, kurdischem oder arabischem Hintergrund kennen die Rolle der Polizei aus eigener Erfahrung und wissen, dass der bürgerliche Staat kein Freund der Unterdrückten ist. Es ist notwendig, dass Revolutionäre die Schlussfolgerungen aus Klassenkämpfen und sozialen Protesten ziehen und in die Arbeiterklasse tragen.
Ein wichtiger Teil unserer Intervention in Rostock war es, die Kampagne für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal, seit 25 Jahren politischer Gefangener in der US-Todeszelle, aufzubauen (siehe auch Seite 18). Unsere Genossen betonten, dass man kein Vertrauen in die Klassenjustiz des bürgerlichen Staats haben darf. Nach den frischen Erfahrungen staatlicher Willkür fiel es leichter, dieses marxistische Verständnis zu vermitteln. Mehr als 150 Leute kauften die Broschüre Der Kampf für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal des Komitees für soziale Verteidigung (insgesamt verkauften wir über 600 Zeitungen und Broschüren). Mit Gruppen aus mehreren Städten verabredeten wir Videovorführungen und Vorträge über Mumia, und wir konnten weitere Unterstützer für die internationale Protestresolution unserer Genossen vom amerikanischen Partisan Defense Committee gewinnen.
Egal ob autonom oder sozialdemokratisch, in allen Teilen der Antiglobalisierungsbewegung gibt es üble antikommunistische Hetze. Während der selbsternannte Nachfolgestaat des Dritten Reichs in Rostock seinen wahren Charakter als ein Unterdrückungsinstrument der Bourgeoisie zeigte, fiel der Pseudolinken nichts Besseres ein, als den Staatsterror zu vergleichen nicht mit Hitlers Gestapo oder Noskes Freikorps, sondern mit der Stasi, dem Geheimdienst der DDR, die errichtet wurde durch die Enteignung der Bourgeoisie von Auschwitz, nachdem uns die heldenhafte Rote Armee vom Faschismus befreit hatte! Das zeigt, wie tief die Linke die staatliche Hexenjagd gegen ehemalige Stasimitarbeiter verinnerlicht hat. Die Tageszeitung junge Welt versucht ein Pro-DDR-Image zu pflegen, aber tatsächlich ist sie die linke Flankendeckung der PDS, die die DDR ausverkaufte. So war es auch nicht weiter verwunderlich, als sie auf der Titelseite vom 31. Mai den Innenminister Schäuble mit dem Schriftzug Stasi 2.0 abbildete und so in den Anti-DDR-Chor einstimmte. Wir Spartakisten haben ehemalige DDR-Funktionäre immer gegen den bürgerlichen Staat verteidigt und klargemacht, dass sie von der falschen Klasse für die falschen Verbrechen verurteilt wurden: Nicht für die Unterdrückung politischer Opposition aus der Arbeiterklasse, sondern weil sie mit der Enteignung der Bourgeoisie identifiziert wurden. Die Anti-Stasi-Hexenjagd dient u. a. dazu, von der Verelendung Ostdeutschlands durch die Konterrevolution abzulenken.
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